Post by Ralf JoerresStimmt und stimmt nicht. Wenn ich zusammen mit anderen Aufzug fahre, gibt
es nur eine latente Gruppendynamik. Diese entfaltet sich erst zu voller
Schönheit, wenn wir steckenbleiben.
In dem Fall wechselt bereits die Bedeutung, ob ein Außenstehender sagt, da
sind Leute im Fahrstuhl oder da sind Personen im Fahrstuhl. Alleine schon
das Potential, es könnten die Personen eventuell als Gruppe anzusprechen
sein, reicht bereits hin. Das braucht keine weitere Rechtfertigung. Und das
steht ja weiters nun nicht im Lexikon, dass man Sprache auch verstehen
sollte. Und die Physik des Faktischen alleine ist nicht die Grundlage der
Sprecher einer Sprache für verständigen Sprachgebrauch. Sprich, die Menschen
waren immer schon fähig zu abstrahieren, zwischen Konditional-Fiktionen zu
turnen.
Aber offensichtlich nimmt das Verständnis für das, worum es sich handelt,
wenn man davon redet, dass da Menschen sind, in erstaunlichem Maße ab.
Vielleicht liegt das daran, dass Wissen mehr und mehr parzelliert wird?
wahrscheinlich in abgesteckten Claims?
Und danach kommt man drauf, dass eigentlich ganz einfache Dinge unter der
Glocke der Exaktheit fürchterlich schwierig sind. Zum Beispiel, dass externe
Sprecher über Nichtanwesende ganz unkompliziert und selbstverständlich in
einem abstrahierenden Sinn ganz alltäglich zu reden verstehen. Einfache
Leute.
Oder vielleicht kommt man drauf, dass die Sprachkompetenz Beanspruchenden
ins Lexion abwandern wollen? Die warten dann auf den Physiker, der
bestätigen könne, dass ein ihm bekannter Gruppendynamiker das Vorhandensein
einer Gruppe zu konstatieren imstande sei. Als Experte.
Dann dürfen wir endlich vom Begriff der Person als der isolierten
Insel-Identität abweichen und den Begriff der Leute strapazieren, auch ohne
zuvor in lange Abschweifungen über den Begriff der Leute zu verfallen.
Hurra.
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Post by Ralf JoerresSagen wir mal so: Mengentheoretisch sind alle, die einem bestimmten
Prädikat zugeordnet werden können
ich hätte ja gleich den Physiker genommen, sagte ich schon, dann spart man
sich den Umweg der ontologisch ungewissen Dekodierung von Entitäten, die nur
benannt, aber nicht festgestellt wurden.
Es gibt viele Dinge, bei denen man aufpassen muss, wie man sie angreift,
weil sie die verflixte Tendenz haben, zwischen den Fingern zu zerrinnen.
Z.B. in einem Fall wie hier, wo die Konsensbildung zu sprachlichen
Phänomenen tragfähigere Resultate ohne Wörterbuch, als mit, zeitigt.
Dass Leute sich so krampfhaft anklammern wollen, dass Dinge spezifiziert
seien, dass man sie festnageln oder nach Hause tragen kann, wäre eine eigene
Erwägung wert, etwa, dass, wie Marcuse es schon vor Jahrzehnten vorschlug,
die Warenwelt die Kraft von Utopien aufgesogen hat, wie sie politisch in
Ideologie gebündelt auftreten.
Vokabeln sind dann Waren und müssen mit genau vorhersagbaren Eigenschaften
gekauft werden können.
Das höre ich hier heraus.
So geht Sprache aber nicht. Dieses Verhalten mündet in Konfusion, die in
Diskursunfähigkeit mündet - Diskurs schon, aber ohne dass mehr angemessen
Sinn und Verstand auszumachen wären - wie man bedauerlicherweise zu einigen
Dingen beispielhaft konstatieren kann, ob derer sich Leute auch die Schädel
einschlagen, zugleich, dass sie, die einen wie die anderen, mitunter schon
dasselbe sagen, aber mit unvereinbaren Bedeutungen. Es greift eine seltsame
Beliebigkeit um sich.
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Ich sehe mir hier gerade noch die Übertragung von der sehr rasch und spontan
eingerichteten Solidaritätsveranstaltung aus Chemnitz an, mit mehreren
Musikgruppen und einigen zehntausend Besuchern - hier ächzt diese
Diskursunfähigkeit aus allen Fugen, diese fürchterliche Gratwanderung, wie
das ist, wenn man von Gruppen redet, oder von Personen, oder wie sonst die
Versuche von Bündelung und Abgrenzung unter einen Hut zu bringen sind, die
in einem Massenprotest unterzubringen waren.
Erstes Erstaunen meinerseits aus einem dösig verschnarchten Ösiland, dass
die Leute (!) ihre Musik sehr genau kennen, und vor allem textreicher Rap
liegt Strophe für Strophe den Leuten im Publikum genau auf den Lippen oder
wird im gut eingespielten Responseritual unisono skandiert.
Aber andererseits wollte dann niemand diese Schwierigkeit der genauen
Präzisierung auf sich nehmen (auch kaum zwischendurch in kurzen Interviews),
wie das geht mit der Benennung von Gruppen, in der vorbelasteten Atmosphäre
mit Auswüchsen durch Nazihorden einerseits und einem Mordfall andererseits.
Einer brachte das herüber, wie ich fand, ad hoc eingeschoben mitten in einer
Rap-Ballade, eben, was die diskursive Schiene dann ausmacht, der Hinweis,
dass auch noch alle Anwesenden, auch die sich friedfertiger und
wohlwollender Vernunft verpflichtet sehenden Besucher, Schuld tragen am
Elend der Flüchtlinge, indem ihr Konsumverhalten dazu führt, dass zugleich
in riesigen Ländern anderswo der wirtschaftliche Kahlschlag erfolgt, sodass
dort für Massen von Menschen die Perspektive auf ein Überleben gegen Null
geht.
Und eben auch der eigentlich lapidare Hinweis kam hier, der sich ansonsten
rar machte, dass die Waffenindustrie (der militärisch-industrielle Komplex)
ohne Unterlass Kriege schürt.
Einen Konsens fand ich ganz anders dann ausgedrückt, quasi, dass man auf die
Tragfähigkeit eines vernünftigen Diskurses schon garnicht mehr hoffen mag,
dass an so etwas wie eine Vernunft der Emotionen appelliert wird, wo
immerhin in zivilisierten Gegenden nun die Menschen gescheit genug sind, auf
kurzfristige Erlebnisbeute gerichtete Emotionen zu unterscheiden von
Emotionen, die eine Aussicht auf nachhaltig verankertes Glück mit
einbeziehen.
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Für den Fall hier, mit den Leuten und den Gruppen, sehe ich, aus dem Vollen
geschöpft, was die Sprachgemeinschaft aktuell an einer prekären Front
abliefert, so die Möglichkeit, diese Unterscheidung nachzuvollziehen:
dass es Gruppen gibt, zu denen sich Menschen bekennen, auf dass hernach von
Gruppe zu reden wäre - und als Identitätstheater treibt diese Spielart auch
absonderliche und auch bösartige Blüten,
und dass es, viel elementarer aber, das sprachliche Vermächtnis gibt, wonach
Betrachter die Zuordnung von Gruppenzugehörigkeit abstrakt vornehmen können,
auch noch ohne dass konkrete Gruppierungen überhaupt als empirisch
nachvollziehbar vorzeigbar wären.
Man muss ja nicht immer gleich eine Überidentifikation mit diversem
verwaltungstechnischen Begehren an den Tag legen, nur weil die als möglichst
blöde angenommene Person die einfachst denkbare Verwaltung nach sich zöge,
wie das mit künstlich beengt eingezäunten Horizont vielleicht billiger
imaginiert sein mag, wo das auch noch der Denkfaulheit förderlich ist.
Und die Versuche, den Menschen einzureden, dass sie gerade so blöde sind,
läuft ja auch schon einige Zeit, mithin mit der christlichen Historie als
impertinente Schule der Indoktrination in irren Spielarten, abgelöst dann
vom Schauspiel der Massenmedien und deren endlose Projektionen von Wunsch-
und von Vorbildern
Aber mit solch unzutreffendem Beschreibungshintergrund, die menschliche
Natur betreffend, ist es wie mit einer Sucht, es nagt stets das Unbehagen
mit dem Ungnügen - im Gegensatz zu Umgebungen, die auf einem tragfähigeren
Verständnis von Vernunft aufbauen, an denen Freude zu gewinnen ist, von der
man auch zehren kann.
Was Wunder, dass sonderlich von Deutschland ausgehend die Teile des
Internet, wo der tragfähige Diskurs Kultivierung erfahren hat, sich der
offenen Bedrohung ausgesetzt sehen dürfen, per infamer Trickserei
ausgehebelt und verunmöglicht zu werden. Das sei Rundfunk, wird nun
gemunkelt. Das muss lizenziert werden. Wird gemutmaßt.
So geht das, mit dem Vermögen des Menschen und seinen Fähigkeiten, sich per
Abstraktionsvermögen untereinander einigen zu können: Da könnt ja jeder
kommen. Das geht nicht, das muss weg. Per Definition ist der Mensch blöde,
gerade geschickt genug, als Vorbild zur Nachbildung in technischer
Replikation zu dienen, die fragt nicht nach spontanem Abstraktionsvermögen
oder Gruppenbildungen, oder überhaupt, wie das ist mit Leuten jenseits von
isolierten Insel-Identitäten. Die gehorcht dann einfach, und was wozu
gehört, wird kurzerhand diktiert.