Post by Sergio GattiPost by Sergio Gatti1985 lernte ich einen Kollegen in Tokyo kennen, der von seinen
Übersetzungen aus dem Englischen ins Englische lebte. Wie bitte?
Einfach, aus dem Englischen, wie es damals in japanischen Firmen
geschrieben wurde, in eine Form der englischen Sprache, die Briten,
Amerikaner usw. problemlos verstehen konnten
:-)
Post by Sergio GattiIch las mal in einer Zeitschrift für Übersetzung ... in dem genau
dieses Verfahren als optimal betrachtet wurde: einen Muttersprachler
der Quellsprache die erste Übersetzung eines Sachtextes machen und
einen der Zielsprache die Verständlichkeit wieder herstellen
lassen. Vor allem, wenn der erste vom Thema des Textes mehr versteht wie
hier, gibts am Ende weniger Fehler, aber auch sonst. Kann sich nämlich der
erste Übersetzer nicht richtig in der Zielsprache ausdrücken, gibts
Rückfragen vom zweiten, wenn noch etwas unklar ist. Hat dagegen ein
Übersetzer, der vor allem in der Zielsprache zu Hause ist, den Text falsch
verstanden, korrigiert ihn keiner mehr, denn sein Text liest sich flüssig,
auch wenn er sachlich falsch ist.
Als hauptberuflicher Übersetzer muss ich entschieden widersprechen. Die
1. Muttersprachliche Übersetzerin in die Zielsprache, die das Thema
ausreichend versteht.
Jede Übersetzerin hat eine Muttersprache, nur sehr wenige haben wirklich
deren zweie. Fragt sich halt, welche Muttersprache gemeint ist, die
Ausgangssprache oder die Zielsprache.
Ich halte Deinen Satz für grammatisch verkorkst, weil Du zuviel
hineinpacken willst. Vermutlich meinst Du: "Muttersprachliche
Übersetzerin in _der_ Zielsprache, de das Thema ausreichend versteht,
übersetzt in _die_ Zielsprache."
Niemandin ist in *die Zielsprache Muttersprachlerin.
Post by Sergio GattiÜbrigens: Schon vor vierzig Jahren hatten wir am Ende der Übersetzer-
und Dolmetscherschule jahrelange Übungen hinter uns, wie man sich neue
Themen aneignet.
"In drei Tagen von der naturwissenschaftlichen Null zur
Elektronik-Expertin."
Das merkt man vielen Übersetzungen an.
Post by Sergio Gatti2. Muttersprachliche Übersetzerin aus der Ausgangssprache, die das Thema
ausreichend versteht und noch dazu in die Fremdsprache sehr gut
schreiben kann.
Ich hätte ja geschrieben: "Übersetzerin, deren Muttersprache die
Ausgangssprache ist, die das Thema ausreichend versteht und dazu noch in
der Fremdsprache sehr gut schreiben kann." Das ist zwar etwas länger als
Deine Version, aber der Bezug ist jedenfalls klar.
Post by Sergio GattiDas ist dein Vorschlag. Wie du selber sagst, braucht man
dann noch eine muttersprachliche Übersetzerin in die Zielsprache. Stell
dir mal vor: Sie möchte auch bezahlt werden!
3a. Muttersprachliche Übersetzerin aus der Ausgangssprache, die in die
Fremdsprache sehr gut schreiben kann. Notlösung, wenn es kaum
Übersetzerinnen gibt, welche die Ausgangssprache beherrschen. Bleiben
wir mal in der EU: Wie viele englische Muttersprachlerinnen können
Estnisch oder Slowenisch gut genug?
3b. Muttersprachliche Übersetzerin in die Zielsprache, welche die
Ausgangssprache sehr gut beherrscht, aber das Thema nicht ausreichend
versteht. Das ist wohl nur für kleine Sprachgemeinschaften ein Problem
und ich kenne mich damit nicht aus.
Ich habe ganz bewusst und völlig absichtlich "Übersetzerin" geschrieben,
um die viel zu vielen Machos in DESD zu ärgern, aber vor allem in
Anerkennung der Tatsache, dass in meiner Übersetzer- und
Dolmetscherschule gut 90% der Studierenden Frauen waren.
Du bist hinter der Zeit. Der wahre Gendernde spricht von
"Dolmetschenden" und "Übersetzenden".
Das nervt in der Tat, aber nicht etwa deswegen, weil ich Macho wäre,
sondern weil ich für Prägnanz in der Sprache bin. Außerdem bin ich der
Auffassung, daß sich das entscheidende Bauteil einer oder eines
Übersetzenden oberhalb der Schultern findet (jedenfalls bei aufrechter
Körperlage) und nicht in der Unterhose.
Post by Sergio GattiÜbrigens: Jeder macht Fehler - ich auch - aber ein Übersetzer, der die
Ausgangssprache häufig falsch versteht, ist bald ein ehemaliger
Übersetzer, weil er oder sie keine Neuaufträge kriegt. Ich kenne ein
paar davon.
Je nachdem. Auch unter den Beauftragenden gibt es Leute, die Fehler
machen oder komische Vorstellungen haben. Es soll sogar schon Fälle
gegeben haben, in denen Übersetzende den Beauftragenden den Stuhl vor
die Tür gesetzt haben (wenngleich solche Fälle angesichts der Marktlage
sicher nicht besonders zahlreich sind). Manchmal stecken auch die
Controllenden dahinter, denen ein bewährter Übersetzender zu teuer ist.
Die bekommen dann gelegentlich von den *Fachleutenden in ihrer Firma
gesagt, daß die Übersetzung der wenig fachkundigen, aber halt billigen
Übersetzenden, so schlecht ist, daß sie selbst das billige Geld nicht
wert sind, so daß es im Interesse einer seriösen Außendarstellung ggf.
sinnvoll ist, wieder zu dem etwas teureren Übersetzenden zurückzugehen.
Maschinenübersetzungen sind verblüffend gut geworden, aber sie hauen
halt gelegentlich so grandios daneben, daß man sie nicht ohne
fachkundige Revision auf Texte und Beauftragende loslassen sollte.
Vermutlich jeder Übersetzer nutzt heute sein wohlgepflegtes Translation
Memory, das ihm viel Routinerecherche und Tipparbeit abnimmt. Man kann
das auch weiter rationalisieren, indem man den Computer erstmal komplett
übersetzen läßt und dann den Rohtext "nur" noch überarbeitet. Manchmal
mag das insgesamt dann schneller gehen, in Einzelfällen kostet die
Überarbeitung allerdings so viel Zeit, daß man besser von vornherein
übersetzt hätte.
Internet ist zwar Neuland, aber es entwickelt sich halt noch immer
rasant weiter.