Post by Markus ErmertPost by Frank Nitzschnerwurden die übrigen Bezeichnungen IMHO als (adjektivlose)
Bezeichnungen durchaus nicht abwertend oder als Schimpfwörter in
der DDR gebraucht.
Die einen sagen so, die anderen so: Mir ist das auf mehreren
Ebenen nicht differenziert genug.
Eine wesentliche Ebene scheint mir übrigens der Ausländeranteil
in der konkreten Region zu sein: Die Masse der Orte hatte einen
Anteil nahe Null. Es gab aber auch Orte mit durchaus messbarem
Ausländeranteil, Boris erwähnte schon Schwedt.
In meinem Ort komme ich auf einen Ausländeranteil von über 10%,
dazu unten.
Post by Markus ErmertPolacken, Kubbis, Mosis, Russen, Iwan, Erdnüsse, Brikett, Fidschis ...
Zu undifferenziert.
"Den Dreck soll der Bimbo wegfegen" scheint eindeutig. Aber
schon bei "die Freunde" und "der Iwan" ("der Kolja") wird es
schwieriger: Die Soldaten der sowjetischen Armee wurden von
der Mehrheit ja durchaus als Besatzer wahrgenommen. Dort ist
eine Abgrenzung zumindest verständlich.
"Fitschi" ist noch komplexer: Bis zur Wende wurden Vietnamesen
mehrheitlich positiv wahrgenommen und mit diesem Begriff belegt.
In meiner Wahrnehmung änderte sich die Bedeutung mit der Wende:
Die Damen und Herren wurden ausgewiesen, einige wenige blieben
und so manche davon verdienten ihren Lebensunterhalt nun durch
Zigarettenschmuggel. Und "Fitschi" bekam einen anderen Klang.
Über "Japse" und "Ali" müssen wir auch reden, siehe unten.
Post by Markus ErmertDie dermaßen kreative und inflationäre Verwendung solcher Spitznamen
Man grenzt sich kollektiv gegen Andersartiges ab und definiert Fremde
fast nur durch deren Volkszugehörigkeit (als ob dies das einzige und
stets entscheidende Persönlichkeitsmerkmal wäre). Individuelle
Unterschiede oder gar Gemeinsamkeiten mit einem selbst interessieren
wenig bis gar nicht.
Als erstes ist anzumerken, dass sich dieser Vorwurf gegen
die offizielle DDR richten muss - diese trennte die Ausländer-
gruppen ab und kasernierte sie quasi. Zweitens mag das für einen
Großteil der DDR-Fläche gelten, aber eben nicht generell. Denn
wenigstens für Großstandorte der Chemie wie PCK oder Buna oder
meinen Ort sieht die Welt völlig anders aus:
Nehmen wir meinen Ort mit knapp 50.000 Einwohnern und dem
Jahr 1978. Da haben wir zusätzlich mehr als 10.000 sowjetische
Soldaten, 1.200 Algerier, dazu Ägypter, Kubaner, Angolaner,
Japaner, Schweizer, Ungarn, Tschechen, sicher habe ich fünf
Nationen vergessen.
Ok, bei den sowjetischen Soldaten ziehen wir 8.000 gleich wieder
ab - die kamen eher selten in die Stadt. Aber es bleiben noch
2.000 Offiziere und Ehefrauen.
Und all die Genannten waren wirklich in der Stadt, es gab da
keine Abgrenzung: Jeden von denen konntest Du in der Drogerie
oder Kaufhalle treffen, gar kein Problem.
Tatsächlich kenne ich für die meisten Nationalitäten keine
Abkürzungen, das wird nicht geläufig gewesen sein. Bei den
anderen war es selbstverständlich Abgrenzung - die Frage ist
eher, ob die Vokabel negativ kone... also negativ gemeint war.
Die Japaner von Toyo Engineering waren Ingenieure, das waren
fachlich die Stars. "Japse" war nicht negativ. Auch "Fitschi"
war nicht negativ, deren Fleiß wurde bewundert. Und obwohl
der eine oder andere "Ali" Ärger machte (es gab Prügeleien),
war es mehrheitlich entspannt, "Ali" kein Schimpfwort.
Alles nur mein Ort und nur meine Wahrnehmung.
Ich bestreite andere (sehr hässliche) Wahrnehmungen nicht,
mir geht es um Differenzierung.
Mt
P.S: Als Tramper u.a. mitgenommen von einem Schweizer sowie
einem UAS, zwei sowjetischen Offizieren.