Post by Oliver CrommPost by Ekkehard DenglerDie Aussage, der Satz "Sie bat um die Erlaubnis, möglichst bald zu
reisen" sei "unidiomatisch", ist nachweislich falsch; da gibt es
keinen Platz für persönliche Meinungen.
Diese Aussage überrascht mich; "idiomatisch" klingt für mich nicht wie
etwas objektiv meßbares.
Die am besten etablierte Bedeutung von "idiomatisch" (in den meisten
Wörterbüchern steht keine andere) kann man mit "semantisch undurchsichtig"
angeben: Die Wendung "jemandem auf den Zeiger gehen" ist beispielsweise
idiomatisch, weil sie nicht das bedeutet, was "jemandem", "auf", "den",
"Zeiger" und "gehen", jeweils für sich betrachtet, nahelegen. Wie stark ein
Ausdruck idiomatisiert ist, lässt sich zwar nicht messen, aber Abstufungen
kann man schon angeben, und dabei ist Objektivität natürlich eine Hilfe.
Allerdings bin ich davon ausgegangen, dass Helga "unidiomatisch" nicht in
diesem Sinn verwendet.
Die einzige andere Bedeutung von "idiomatisch", die ich kenne, ist die vom
englischen "idiomatic" übernommene "[in Bezug auf Sprachgebrauch] typisch".
Dementsprechend ist alles "idiomatisch", was Muttersprachler oft sagen oder
schreiben. Wenn zwei bedeutungsgleiche und formal ähnliche Ausdrücke
annähernd gleich häufig im ähnlichen Zusammenhängen vorkommen, kann keiner
der beiden in diesem Sinn "unidiomatisch" sein.
Dass in dem Zitat aus der Duden-Grammatik das Wort "dürfen" nicht vorkommt,
ist alles andere als ungewöhnlich, wie ein beliebiges Korpus zeigen würde.
Natürlich ist die pleonastische Variante ebenfalls typisch, aber darüber
sind wir uns, denke ich, ja alle einig. Bei der Einschätzung von
Gebrauchshäufigkeiten vertut man sich leicht, weil man Ausdrücke, die man
selbst verwendet, einfach öfter hört und liest. Wer "Ich tue mir schwer
damit" sagt, dem kommt "Ich tue mich schwer damit" in der Regel seltener vor
als jemandem, der "Ich tue mich schwer damit" sagt.
Post by Oliver CrommZum Beispiel könnte ich die übliche Aufschrift: "Laut Gesetz ohne
Konservierungsstoffe" entweder als semantisch falsch einstufen oder
aber als einen unidiomatischen Gebrauch von "laut".
Darüber haben wir vor dreieinhalb Jahren schon einmal diskutiert. Ich bin
mir nicht sicher, ob "laut" hier nicht doch die übliche Bedeutung hat.
Jedenfalls besteht ein wichtiger Unterschied zwischen deinem Beispiel und
dem Satz mit "Erlaubnis" darin, dass die Aufschrift "Laut Gesetz ..." sehr
oft wortgleich reproduziert wird. Sie ist insofern "idiomatisch", als sie
üblich ist. Aus diesem Grund würde ich sie heute auch nicht mehr als
"falsch" einstufen, obwohl ich zugeben muss, dass sie mir eine Zeit lang so
vorkam. Wer den Hinweis heute irgendwo aufdrucken lässt, kann sich auf
unzählige Vorgänger berufen.
Und wenn "laut" hier etwas anderes bedeutet als normalerweise, dann ist die
Aufschrift in einem anderen Sinn idiomatisch: Der Sinn des gesamten
Ausdrucks lässt sich nicht aus der üblichen Bedeutung seiner Bestandteile
erschließen.
Grüße,
Ekkehard