Post by Erich KirchmayerPost by Thomas HochsteinEs ist nicht zulässig, der Schweigepflicht unterliegende
Informationen an andere, ebenfalls schweigepflichtige Personen
weiterzugeben, nur weil die ja auch der Schweigepflicht unterliegen.
Wie ist das dann mit "dem RD-Leiter"? Darf der nun nicht-anonymisierte
RD-Protokolle einsehen oder nicht? (und wenn er "darf" - gibt´s einen
Unterschied in der Rangfolge Geschäftsführer-RD-Leiter-Wachleiter-
Schichtleiter?) Was ist mit dem Personal in der Abrechnungsstelle? Und
was mit einer Krankenkasse, die anhand der dokumentierten Massnahmen
prüfen will, ob eine Abrechnung als "Notfall" gerechtfertigt war?
Inwieweit in einem arbeitsteiligen Betrieb die Einsicht in der
Schweigepflicht unterliegende Aufzeichnungen zulässig ist, ist alles
andere als einfach oder abschließend geklärt. Die Antwort dürfte davon
abhängen, wer zum "Kreis der Wissenden" gehört, und ob es spezifische
rechtliche Erlaubnistatbestände gibt.
Für Krankenhäuser gibt es tatsächlich Literatur zu diesen Fragen.
Demnach wird ein Einblick der an der Behandlung beteiligten Ärzte -
bspw. bei regelmäßigem Schichtwechsel auf Station - zulässig sein; ein
Einblick der Ärzte in die Dokumentation des (ja auch selbst
schweigepflichtigen!) Pflegepersonals ist schon deshalb zulässig, weil
diese als "berufsmäßige Gehilfen" den Ärzten zuarbeiten. Eine
Einsichtnahme der Verwaltung ist hingegen *nicht* zulässig; zentrale
Schreibdienste und eine zentrale Registratur wurden bis vor kurzem als
durchaus sehr problematisch beurteilt, weil die dort tätigen Personen
eben nicht einem bestimmten Arzt als dessen berufsmäßig tätige
Gehilfen zuarbeiten. Die - brandneue - Änderung des § 203 StGB hat die
Sachlage insofern entspannt. (Wie die Sachlage aussieht, wenn die
Klinik als solche bspw. auf Schadensersatz verklagt wird,
ausnahmsweise aber nicht der einzelne Arzt, scheint mir
rechtstheoretisch bisher auch wenig durchdacht worden zu sein. Man
wird wohl davon ausgehen müssen, dass jedenfalls dann ein berechtigtes
Interesse der Klinik für den Zugriff auf die Unterlagen besteht.)
Über die Schweigepflicht der nicht-ärztlichen, zumeist angestellten
Mitarbeiter scheint man sich bisher wenig Gedanken gemacht zu haben.
In Pflegeheimen, bspw., in denen die Fachkräfte ja auch einer eigenen
Schweigepflicht unterliegen, scheint die Einsichtnahme "Vorgesetzter"
- der Pflegedienstleitung, der Heimleitung, usw. - bisher nicht als
problematisch gesehen worden zu sein. Man kann sich hier auf den
Standpunkt stellen, dass der Heimvertrag mit der Heimleitung
geschlossen wurde, nicht mit der einzelnen Pflegekraft; noch
überzeugender scheint mir aber die Erwägung, dass die
Dokumentationspflicht wohl - ich habe es nicht im einzelnen geprüft -
nicht wie im Krankenhaus (auch) den einzelnen Arzt als Berufspflicht
trifft, sondern die Einrichtung als solche, die sich dann ihrer
Mitarbeiter zur Erfüllung dieser Verpflichtung bedient. So richtig
überzeugt mich dieser Gedanke aber auch noch nicht.
Im Rettungsdienst schließlich scheint mir insoweit vieles ungeregelt
zu sein. Es erscheint sinnvoll, dass die Einsatzprotokolle nicht durch
den jeweiligen Mitarbeiter "zuhause" gelagert werden - einerseits aus
Datenschutzgründen, zum anderen, weil ja auch der Leistungserbringer
selbst auf sie ggf. Zugriff haben muss. Ob der Vorgesetzte oder der
ÄLRD die Protokolle prüfen darf, ist dann eine ganz andere Frage.
In Baden-Württemberg scheint sie mir vergleichsweise einfach zu
beantworten zu sein: § 32 Abs. 1 RDG BW erlaubt ausdrücklich die
Datennutzung innerhalb des Betriebes
- zum Nachweis der ordnungsgemäßen Ausführung des Einsatzauftrages,
- zur verwaltungsmäßigen Abwicklung des Einsatzauftrages, insbesondere
der Abrechnung der erbrachten Leistungen, und
- zur Qualitätssicherung im Rettungsdienst, soweit diese Zwecke nicht
mit anonymisierten Daten erreicht werden können und nicht
überwiegend schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt
werden.
Diese Erlaubnistatbestände befreien auch ausdrücklich von der
Schweigepflicht aus § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB, vgl. § 32 Abs. 5 RDG BW.
Das wird eine jedenfalls auf diese Zwecke begrenzte Prüfung auch durch
die Dienstvorgesetzten erlauben.
Das BayRDG kennt in Art. 46, 45, 47 vergleichbare Regelungen.
In RLP sieht das dann schon wieder ganz anders aus: § 29 RettDG RLP
verhält sich dazu gar nicht, der LandesrettDP trifft nur Regelungen
für die notärztliche Dokumentation, und die SOP der ÄLRD scheint mir
das Problem der Schweigepflicht gar nicht im Blick zu haben.
Oder kürzer, bzw. tl;dr: es ist kompliziert. :)
Grüße,
-thh
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Thomas Hochstein ***** ***@inter.net ***** https://th-h.de/
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