Post by Frank KemperPost by Ralf KoenigAber ein Wert ohne konkrete Testweise/bedingungen und Formel zum
Errechnen drumrum ist nix wert, das haben wir gerade bei den
Abgasgrenzwerten gesehen. Die Sollwerte sanken, die Real-Emissionen
nicht, sie wurden für NOx und Feinstaub-Partikel sogar höher.
Du hast doch sonst immer so feine Zahlen. Für deine letzte Behauptung hätte
ich gern welche.
NOx
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http://faktenfinder.tagesschau.de/inland/stickstoffdioxid-111.html
Dann die Infografik:
"Grafiken: Stickoxid-Ausstoß von Diesel-PKW"
Stickoxid bei Diesel-Pkw (mg/km)
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Abgasnorm
Soll (im NEFZ unter Prüfbedingungen)
Ist (ein Durchschnitt aus einer PEMS-Messung)
mg/km mg/km
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EURO3 500 803
EURO4 250 674
EURO5 180 906 <---
EURO6 80 507
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906 ist höher als 674 und 803.
Deren Quelle: HBEFA, 24.04.2017
Dort kann man dann weiter recherchieren über deren Quellen und Erhebungen:
http://www.hbefa.net/e/index.html
"Handbook Emission Factors for Road Transport (HBEFA)"
An sich erwartet man aus 500-250-180-80 eine Entwicklung, die selbst mit
einer Norm-zu-Real-Anpassung von ungefähr Faktor 1,6 (bei EURO3: 800 zu
500), dann auf 1/6 runter geht, also irgendwas um: 800 -> 400 -> 288 ->
133 mg/km.
Stattdessen ging aber das Norm-zu-Real-Verhältnis in Richtung Faktor 2,7
dann Faktor 5, dann Faktor 6,3.
Aus einer 500->80 vorgegebenen Sechstelung ist kaum etwas angekommen in
der Praxis. Mit EURO5 wurde es sogar bedeutend schlechter
(800->670->900->500).
Ich nenne dir ein weiteres Beispiel, diesmal DI-Benziner:
VW FSI (ein früher Otto-DI, relativ selten eingesetzt) hatte einen
NOx-Speicherkat. Weil DI mit Magerbetrieb (!) auch viel Roh-NOx macht
und das muss weg, erst dann darf alles hinten raus.
http://www.sueddeutsche.de/auto/golf-fsi-direkt-gespart-1.630550
Der Nachfolger VW T(F)SI (bekanntlich wurde das der Volumenmotor) -
hatte aber *keinen* NOx-Speicherkat mehr. Na huch, warum das nicht? Weil
erstmal Homogenbetrieb (SSP 359). Was haben sie noch gemacht: eine
Kat-Vorwärmung (mehr Sprit durchlassen) nur noch für das
Temperaturfenster 18-33°C. (genau den Prüfzklus) in den ersten paar
Sekunden/Minuten - das reichte für die Typprüfung.
Mit dem 1.4 TSI 90 kW (Turboaufladung) kam wieder ein
Teilzeit-Schichtbetrieb.: "Schicht-Hochdruckstart". SSP 405.
Die Länge der Kat-Vorwärmung wurde genau so hingedeichselt, dass ein
NOx-Wert knapp unter 60 mg/km rauskam. Siehe KBA Typprüfwerte 2009.
Magerbetrieb ist das, wofür man Otto-DI macht. Man kann davon ausgehen,
dass VW es abseits des Messzyklus häufiger eingesetzt hat.
VW hier nur als Beispiel, andere Hersteller ebenso.
Feinstaub:
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Fakten
Diesel EURO5b - 4,5 mg/km und 6*10^11 als Anzahl
Typgenehmigung neue Fahrzeugtypen ab 1. Sep. 2011
Typgenehmigung neue Fahrzeuge ab 1. Jan. 2013
Jedem, der halbwegs klar denken kann, ist auch klar: aha, die Menschen
haben ein Interesse daran, dass Verbrennungmotoren generell (egal, ob
Diesel, Benziner, sonstwas) von Generation zu Generation weniger
Feinstaub ausstoßen. Für Benziner war Feinstaub an sich kein Problem,
bis DI-Benziner kamen.
Die Industrie hat dann Otto-DI-Motoren konstruiert, für die mit Euro 6b
eingeführt werden musste:
Typgenehmigung neue Fahrzeugtypen: ab 1. Sep. 2014
Typgenehmigung neue Fahrzeuge : ab 1. Sep. 2015
Partikelmasse 4,5 mg/km
Partikelzahl 6*10^12 <==== !!!
Also Faktor 10 in der Partikelanzahl!
Schaut man in die Tabelle des KBA für Prüfstandswerte:
Schadstoff-Typprüfwerte von Kraftfahrzeugen zur Personenbeförderung mit
höchstens neun Sitzplätzen und Wohnmobilen (Klasse M1: Pkw, Wohnmobile)
Stand: 15. September 2017 - SV 2.2.1
https://www.kba.de/SharedDocs/Publikationen/DE/Fahrzeugtechnik/SV/sv221_m1_schad_pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=18
Dann haben wir dort Prüfstandswerte. (also noch das beste, was der
Hersteller mit allen Tricks und Kniffen hinbekommt)
Für Partikel ist dort nur die Partikelmasse genannt. Die Partikelzahl
(Bestandteil der Abgasnorm seit 2011 für Diesel-Pkw, seit 2014 für
DI-Otto) wird nicht mal veröffentlicht.
Fazit: die Autobauer haben da was grundsätzlich nicht verstanden. Mit
jedem neuen Modell /Motor muss alles runter: CO2, CO, HC, Partikelmasse
und -zahl, NOx, Geräuschemissionen und auch alles sonst, was hisher
nicht gemessen/typgeprüft wurde. Man darf da keine Trade-Offs eingehen.
Das haben sie aber. Alles was vorn mehr entsteht an Schadstoffen muss
dann unter allen Bedingungen nachbehandelt werden, dass es immer vor dem
Entweichen in die Umwelt eben wegbehandelt ist.
Und die Zulassungsbehörden haben es mitgetragen (die haben eh nur
verwaltet) und die Umweltbehörden haben einfach nur gepennt und sich
gefreut, dass sie geringere Normwerte rausgehandelt haben. Vereinzelte
Warnungen um Off-Cycle-Emissions verhallten ungehört.
Konstruktorischer Ausweg: die Hybridisierung zum Beispiel zum
Otto-Hybrid statt Otto braucht keine solchen Trade-Offs. Wer ohne
Hybridisierung auskommen will, muss entweder vorn am Motor was machen
(Mazda Werbename Skyactive - ist aber auch Augenwischerei) UND/ODER
vorne was schmutziges erstmal temporär zulassen (nur so stimmt vorne die
Effizienz), dann die Rohabgase aber mit einer passenden und kompetenten
und immer funktionierenden "Chemiefabrik" nachbehandeln.
Post by Frank KemperMeines Wissens ist das Thema Feinstaub zumindest bei Dieseln durch und die
NOx-Belastung ist ebenfalls seit Jahren rückläufig.
Siehe oben.
Die DPF am Diesel haben was gebracht. Für alte Diesel wird dann wieder
interessant, wie die Besitzer damit umgehen. DPF-Ersatz kostet, oft
werden Wege drumrum eingeschlagen und die OBD-Überwachung getäuscht.
Bei Otto-Kats doch genau so (Monitorsonde mit Abstandsstück einsetzen).
Das sind dann aber Manipulationen der Halter/Besitzer. Die
Endrohrmessung sollte diese erwischen, denn die nimmt eine eigene
"Monitorsonde", nicht die im Auto.
Post by Frank KemperWenn es an einzelnen
Hotspots anders ist, dann kann das durchaus auch andere Gründe haben, zum
Beispiel gestiegenes Verkehrsaufkommen oder (gewollte/in Kauf genommene)
Verzögerung des Verkehrsflusses.
Hybride sind auch ganz langsam schadstoffarm, weil sie da viel im
Elektrobetrieb arbeiten.
Post by Frank KemperZur Feinstaubproblematik in Stuttgart
schrieb ein mir bekannter Journalist, der dort lebt, dass früher die
Stadtreinigung regelmäßig die Straßen feucht gereinigt habe. Seitdem sie
das nicht mehr macht, sind die Feinstaubwerte höher.
Das Drumrum kommt dazu (und ist wichtig für die Menschen, klar!), aber
ich beziehe mich schon erstmal nur auf das, was die Autos selbst
emittieren. Das, worauf die Autohersteller einen *direkten* Einfluss haben.
Post by Frank KemperNatürlich ist nich alles in Ordnung mit den Kfz-Emissionen, aber meines
Wissens besteht das Problem nicht darin, dass die Luftverschmutzung immer
schlimmer wird, sondern darin, dass sich die Luftqualität nicht in dem Maße
verbessert, in dem es eigentlich zu erwarten wäre.
Das ist der größere Einfluss bei den aktuellen
Grenzwertüberschreitungen, sehe ich auch so. Die Luftgrenzwerte wurden
irgendwann vor 7 oder 10 Jahren mal erheblich enger gesetzt.
Aber an sich wurden die Autoemissionsgrenzwerte (also das Soll, an was
anderem kann ein Gesetzgeber ja erstmal nicht drehen!) auch quasi
"passend" mit nach unten gezogen, siehe oben. Von 500 mg NOx/km auf 80
mg NOx/km ist ein Sechstel.
Und dass man erst als Vorschrift aufnehmen muss, dass ein DI-Otto
mindestens so sauber sein muss wie ein Diesel - also das ist doch an
sich schon Panne. An sich galt ab EURO5 mal ein Ansatz "alle Motoren die
gleichen Grenzwerte" - und dann kamen die Ausnahmen, die großzügig
verteilt wurden.
Für Benziner ist damals offenbar keiner drauf gekommen, dass die durch
die Konstruktionsänderung auf DI plus Schichtbetrieb (beides hilft bzgl.
Effizienz und CO2) in Verbindung mit mangelhafter Nachbehandlung
plötzlich mal mehr NOx und Partikel emittieren könnten, als frühere
Saugrohreinspritzer.
Grüße,
Ralf