Post by Astrid SchleicherPost by Matthias OpatzBliemschn.
Wo das herkommt, weiß ich allerdings nicht. Vielleicht eine Anspielung auf
die zur Herstellung verwendeten Ackerkräuter - im Unterschied zu Bohne.
Soweit ich weiß, vom Durchscheinen der Blümchen am Grunde der
Sammeltassen, durch die zu dünne Plörre hindurch.
Hm, Wahrig (Deutsches Wöterbuch) schreibt das auch, aber unter der
Einschränkung /angebl./.
Bei Karl May ("Von Bagdad nach Stambul" gibt es ein hübsche Episode, die
ich, da urheberrechtlich unbedenklich, hier getrost zitieren darf:
| Er hatte mir aufmerksam zugehört. Besonders schien ihm das Erzgebirge
| und der Blümchenkaffee zu imponiren. Unter dem Erzgebirge dachte er
| sich jedenfalls himmelstrebende Berge, aus lauter Erz gebildet. Nach
| dem Blümchenkaffee wagte er mich nicht zu fragen. Es wäre für einen
| Türken eine unendliche Blamage gewesen, einzugestehen, daß es
| irgendwo eine Sorte von Kaffee gebe, die ihm unbekannt sei. Darum
| sagte er:
|
| »Wenn Dein Vaterland solche Berge hat, so muß es reich, sehr reich
| sein, und von dem berühmten Kahwe tschitschetschykün habe ich bereits
| einige Male getrunken. Er ist sehr kostbar und so theuer, daß ihn nur
| der Großsultan und Großvezier, höchstens noch der Kapudan-Pascha
| trinken kann. Ich besuchte zuweilen den Letzteren, und da habe ich
| einige Tassen gekostet. Dieser Kaffee ist ein Itschki tanrynün! Gibt
| es eine Post in diesem Lande?«
|
| »Sehr viele Posten, Eisenbahnen und Dampfschiffe, welche auf dem
| Strome fahren.«
|
| »Gehen die Posten auch nach Stambul?«
|
| Ich errieth, was jetzt kommen werde, und antwortete daher:
|
| »Man kann aus Saksonja Alles, was man will, nach Stambul oder Edreneh
| senden. Es kommt ganz sicher an.«
|
| »Auch Kahwe tschitschetschykün?«
|
| »Ja, auch Blümchenkaffee.«
|
| »Wann wirst Du in Dein Vaterland zurückkehren?«
|
| »Ich werde bereits in einigen Wochen die Heimath begrüßen.«
|
| »Könntest Du mir nicht einen Sepet oder Tschuwal voll Blümchenkaffee
| schicken? Ich würde Alles bezahlen, den Sack, den Korb, den Kaffee
| und die Fracht. Nur fragt es sich, ob Du selbst reich genug bist,
| diesen Göttertrank zu besitzen.«
|
| »Habe keine Sorge! Unser guter König liebt seine Unterthanen sehr,
| und er sorgt dafür, daß auch der Ärmste von diesem Tranke genießen
| kann, so viel er will.«
|
| »Allah 'l Allah! Was für ein guter König ist das! In dem Lande des
| Padischah wird der Kaffee von Tag zu Tag schlechter! Also Du wirst
| mir solchen Kaffee senden?«
|
| »Ja; aber ich weiß nicht, ob Du Blümchenkaffee zuzubereiten
| verstehst!«
|
| Bei dieser Ehrenkränkung fuhr er mit beiden Händen in die Luft und
| rief:
|
| »Was denkst Du von mir! Ich weiß alle Arten von Kaffee zu bereiten!
| Schicke ihn nur. Er soll mir und den Meinigen ein Jortu schaschmanün
| bereiten. Wie viele Khawassen wollte ich Dir bei Tages Anbruch
| senden?«
|
| »Drei.«
|
| »Es werden ihrer sechs vor Eurer Thüre halten, sechs kluge und
| tapfere Männer, welche selbst den ärgsten Verbrecher fangen würden
| und sich vor dem Teufel nicht fürchten. Und Du sollst ihnen zu zahlen
| haben für den Tag einen Piaster pro Mann, wofür sie sich selbst
| beköstigen werden. Ist Dir dies zu viel?«
|
| »Nein. Du bist ein braver und gerechter Richter, und ich werde Jedem
| zwei Piaster geben.«
|
| »So geleite Dich Allah! Allaha ismarladik!«
|
| »Allah billindsche olsun!«
|
| Wir gingen, und der ›Blümchenkaffee‹ wirkte so vortheilhaft auf seine
| Gesinnung, daß er uns bis an die Thüre begleitete. [...]
<http://gutenberg.spiegel.de/may/bagdad/bagdad8.htm>
Wenn ich das recht verstehe, wird der Türke hier hopsgenommen, es geht hier
offenbar um Zichorien- oder anderen Ersatzkaffee. Das war nun mal der
Arme-Leute-Kaffee im Erzgebirge (und den Tassenboden sieht man dabei
normalerweise nicht).
Im DWDS-Korpus findet sich der Eintrag
| Blümchenkaffee: Blümchenkaffee ist ein Ersatzkaffee aus allerlei gerösteten
| Kräutern und Blumen.
| /Krämer, Walter / Sauer, Wolfgang, Lexikon der populären Sprachirrtümer,/
| /Frankfurt a.M.: Eichborn 2001 Page 14/
Daraus wird aber nicht klar, ob hier der Irrtum oder die Richtigstellung
zitiert wird. Offenbar der Irrtum. Denn die DWDS-Textsammlung lässt sich
auch dieses Zitat entnehmen:
| Und da die Sachsen als sparsam gelten, bereiteten sie früher den Kaffee
| so, daß man - als Ausgleich für den schwachen Kaffee - wenigstens die
| Blümchen auf dem Tassenboden sehen konnte.
| /Krämer, Walter / Sauer, Wolfgang, Lexikon der populären Sprachirrtümer,/
| /Frankfurt a.M.: Eichborn 2001 Page 14/
Nun behaupten lässt sich viel, belegen schon schwerer. Kann jemand, der die
Sprachirrtümer im Regal hat, mal nachsehen, ob ein Beleg angeführt ist? Für
mich, der ich in meiner sächsischen Kindheit Blümchen ausschließlich in der
Bedeutung Malzkaffee (der mitnichten den Blick auf den Tassenboden zuließ)
kenne, klingt es ein bissen wie ein schönes Ammenmärchen (zu schön, um es
nicht bereitwillig für wahr zu halten). Man findet beim Gurgeln zahlreiche
gleichlautende Behauptungen, aber eine handfeste alte Quelle (möglichst so
alt wie der Begriff) ist nicht darunter.
Andere scheinen meine Erinnerung zu teilen:
| *Blümchenkaffee*
| Blümchenkaffee war ein Synonym für Muckefuck, jedenfalls im Wortschatz
| meiner Oma. Waren wir im Garten alle zum Kaffeetrinken versammelt, hiess
| es, die Erwachsenen kriegen Bohnenkaffe, und die Kleenen kriegen Muckefuck.
<http://www.a-blast.de/blast/Blümchenkaffee.html>
Ein Online-Pflanzenführer schreibt zur Gemeinen Wegwarte (Zichorie):
| Große Bedeutung erlangte die Pflanze im 18. Jahrhundert. 1720 hatte der
| Arnstädter Hofgärtner Timme ein Röstverfahren entwickelt, mit dem er aus
| Zichorienwurzeln einen Kaffe-Ersatz herstellen konnte. Friedrich der Große
| war an diesem Verfahren sehr interessiert. Er förderte den Zichorienanbau,
| da er den Import von Kaffeebohnen einschränken wollte, um Devisen zu sparen.
|
| Auch in den Notzeiten unseres Jahrhunderts war der als "Preußischer Kaffee"
| oder "Blümchenkaffee" bezeichnete Zichorientrank weit verbreitet.
<http://www.bnv-bamberg.de/home/ba0699/wildpflz/wegwarte.htm>
Ein anderes solches Werk:
| Die Wurzel der Zichorie wird geröstet als Kaffee-Ersatz verwendet
| („Blümchenkaffee”, „Muggefuck”, von frz. mocca faux), die im Winter aus
| den geernteten Wurzeln getriebenen zarten Blätter als Chikorée-Salat.
<http://www.sungaya.de/schwarz/allmende/pflanzen/zichorie.htm>
Die Öko-Landbauzeitschrift "Schrotund Korn" schreibt:
| Damals entstand das Wort Muckefuck aus dem französischen "mocca faux" —
| falscher Kaffee. Blümchen-Kaffee war ein anderer Spitzname für den Ersatz:
| Denn die Zichorie, deren rübenartige Wurzel zu dessen Gewinnung gedarrt
| und gemahlen wurde, ist eine schöne Blume mit leuchtend blauen Blüten:
| die gemeine Wegwarte (Cichorium intybus Linné).
<http://www.naturkost.de/schrotundkorn/2000/sk0012e2.htm>
Im DWDS-Korpus habe ich noch das aus Kants "Aula" gefunden:
| Raus aus dem Himmel über dem Platz der Befreiung muß die Duftblüte des
| Kaffees aus Übersee, und rein in den Himmel über dem Pommernplatz mit
| dem Blümchen von Zichorie!
| /Kant, Hermann, Die Aula, Berlin: Rütten Loening 1965 Page 289/
Das sind aber - ebenso wie die Kaffeemuster-Version - alles relativ neue
Behauptungen. Man müsste den Begriff in alten Büchern finden, in denen
das Wort entweder erklärt ist oder der Kontext eine klare Deutung erlaubt.
Sicherlich gibt es ältere Belege als Karl May, aber offenbar nicht online.
Gepostet nach de.etc.sprache.deutsch und de.alt.folklore.urban-legends mit
auf desd lautendem Antwortvorschlag.
Matthias
--
Wenn wir annehmen, dass eine Kanonenkugel in wenigen Sekunden eine
Viertelstunde fliegt, so kömmt sie etwa bis Erfurt. Prof. Galletti
* Wer zum Kuckuck ist Prof. Galletti? => http://www.galletti.de/ *
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