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Nostalgie 35
(zu alt für eine Antwort)
Ganzhinterseher
2020-12-12 09:21:36 UTC
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Es war Brouwer, der sich vehement gegen die Anwendung des tertium non datur "im Unendlichen" ausgesprochen hat. Ein einfaches Beispiel, das jeder Mathematiker verstehen sollte, ist folgendes.

Die Funktion 1/x ist an der Stelle x = 0 nicht definiert. Also ist sie dort auch nicht stetig. Nach tertium non datur ist sie dort also unstetig. Aber: Die Funktion ist dort nicht definiert, also ist sie dort auch nicht unstetig. Nach tertium non datur ist sie dort also stetig.

Genau so ist es mit dem aktual Unendlichen. Wenn man einen endlichen Anfangsabschnitt der natürlichen Zahlenfolge fixiert, so gibt es immer noch eine Zahl außerhalb. Da dies für jeden Anfangsabschnitt gilt, ist die Zahlenfolge länger als jeder endliche Anfangsabschnitt. Manche nennen das aktual unendlich. Wenn man eine bestimmte natürliche Zahl fixiert, dann gibt es immer einen endlichen Anfangsabschnitt, der diese Zahl und alle ihre Vorgänger enthält. Da dies für jede natürliche Zahl gilt, gehören alle zu einem endlichen Anfangsabschnitt.

Natürlich kann man das tertium non datur hier genausowenig anwenden wie im Falle der Stetigkeit / Unstetigkeit der Funktion 1/x. Die vollständige Zahlenfolge ist weder aktual unendlich noch ist sie endlich. Sie ist überhaupt nicht vollständig. Leider beharren die Matheologen darauf, dass die eine Seite richtig und die andere falsch ist und versuchen das mit Hilfe einer eigens dafür erfundenen Quantorenmagie zu begründen. Schade um den Ruf der Mathematik, die von vielen Laien noch mit der Matheologie identifiziert wird.

Gruß, WM
Juergen Ilse
2020-12-12 16:51:15 UTC
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Hallo,
Post by Ganzhinterseher
Genau so ist es mit dem aktual Unendlichen. Wenn man einen endlichen Anfangsabschnitt der natürlichen Zahlenfolge fixiert, so gibt es immer noch eine Zahl außerhalb.
Abgesehen vom saudaemlichen und unmathemathischen Begriff "fixiert" ist das
korrekt.
Post by Ganzhinterseher
Da dies für jeden Anfangsabschnitt gilt, ist die Zahlenfolge länger als jeder endliche Anfangsabschnitt.
Korrekt.
Post by Ganzhinterseher
Manche nennen das aktual unendlich.
... weil daraus unmittelbar folgt, dass es keine "letzte" geben kann.
Post by Ganzhinterseher
Wenn man eine bestimmte natürliche Zahl fixiert,
Mathematisch korrekter: "Man waehlt eine natuerliche Zahl, beliebig
aber fest, aus".
Post by Ganzhinterseher
dann gibt es immer einen endlichen Anfangsabschnitt, der diese Zahl und alle ihre Vorgänger enthält.
Korrekt.
Post by Ganzhinterseher
Da dies für jede natürliche Zahl gilt, gehören alle zu einem endlichen Anfangsabschnitt.
Saubloede bis falsche, mindestens aber ungenaue, Formulierung.
Besser: Fuer jede natuerliche Zahl, beliebig aber fest, gilt: es gibt
einen Anfangsabschnitt, der genau diese natuerliche Zahl und alle ihre
Vorgaenger enthaelt.

Diese saudaemliche Formullierung mit "alle" dient doch wieder nur dazu,
um im naechsten Argumentationsschritt wieder mit einem unzulaessigen
Quantorenshift daher zu kommen. Fuer *jede* *einzelne* natuerliche Zahl
gibt es einen Anfangsabschnitt, der diese natuerliche Zahl und alle ihre
Vorgaeenger enthaelt. Es gibt anber selbstverstaendlich keinen endlichen
Anfangsabschnitt, der alle natuerlichen Zahlen enthalten wuerde. Jeder
endliche Anfangsabschnitt hat ein Maximum. Man nehme dieses Maximum (das
natuerlich eine natuerlliche Zahl ist) und bestimmt ihren Nachfolger (der
laut Peano Axiomen existiert und auch wieder eine natuerliche Zahl ist).
Damit kann man zu *jedem* endlichen Anfangsabschnitt eine natuerliche Zahl
angeben, die in diesem Anfangsabschnitt *nicht* enthalten ist (dort oben
steht das Rezept, um eine solche Zahl zu ermitteln und anzugeben).
Post by Ganzhinterseher
Natürlich kann man das tertium non datur hier genausowenig anwenden wie im Falle der Stetigkeit / Unstetigkeit der Funktion 1/x.
Muss man auch nicht, siehe oben.
Post by Ganzhinterseher
Die vollständige Zahlenfolge ist weder aktual unendlich noch ist sie endlich.
Unfug. Sie ist unendlich, denn unendlich heisst nichts anderes als "nicht
endlich", und das laesst sich leicht zweifelsfrei zeigen. Ein "ein bischen
unendlich" gibt es nicht, genausowenig wie "ein bischen schwanger".
Post by Ganzhinterseher
Sie ist überhaupt nicht vollständig.
Doch natuerlich ist sie das. Nur weil IHNEN die Phantasie fehlt, um sich
darauf einzulassen, haben SIE mit dieser unsinnigen ussage noch lange nicht
recht.

Tschuess,
Juergen Ilse (***@usenet-verwaltung.de)
Gus Gassmann
2020-12-12 18:38:25 UTC
Permalink
Post by Ganzhinterseher
[...]
Wenn man einen endlichen Anfangsabschnitt der natürlichen Zahlenfolge fixiert, so gibt es immer noch eine Zahl außerhalb.
Richtig. Für jede natürliche Zahl k gilt, zum Beispiel, k+1 ist nicht im Anfangsabschnitt {1,2,...,k} enthalten.
Post by Ganzhinterseher
Da dies für jeden Anfangsabschnitt gilt, ist die Zahlenfolge länger als jeder endliche Anfangsabschnitt.
Auch richtig. {1,2, 3, ...} ist in keinem Anfangsabschnitt
Manche nennen das aktual unendlich. Wenn man eine bestimmte natürliche Zahl fixiert, dann gibt es immer einen endlichen Anfangsabschnitt, der diese Zahl und alle ihre Vorgänger enthält. Da dies für jede natürliche Zahl gilt, gehören alle zu einem endlichen Anfangsabschnitt.
Post by Ganzhinterseher
Natürlich kann man das tertium non datur hier genausowenig anwenden wie im Falle der Stetigkeit / Unstetigkeit der Funktion 1/x. Die vollständige Zahlenfolge ist weder aktual unendlich noch ist sie endlich. Sie ist überhaupt nicht vollständig. Leider beharren die Matheologen darauf, dass die eine Seite richtig und die andere falsch ist und versuchen das mit Hilfe einer eigens dafür erfundenen Quantorenmagie zu begründen. Schade um den Ruf der Mathematik, die von vielen Laien noch mit der Matheologie identifiziert wird.
Gruß, WM
Gus Gassmann
2020-12-12 18:43:18 UTC
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Post by Ganzhinterseher
Es war Brouwer, der sich vehement gegen die Anwendung des tertium non datur "im Unendlichen" ausgesprochen hat. Ein einfaches Beispiel, das jeder Mathematiker verstehen sollte, ist folgendes.
Die Funktion 1/x ist an der Stelle x = 0 nicht definiert. Also ist sie dort auch nicht stetig. Nach tertium non datur ist sie dort also unstetig. Aber: Die Funktion ist dort nicht definiert, also ist sie dort auch nicht unstetig. Nach tertium non datur ist sie dort also stetig.
Genau so ist es mit dem aktual Unendlichen. Wenn man einen endlichen Anfangsabschnitt der natürlichen Zahlenfolge fixiert, so gibt es immer noch eine Zahl außerhalb. Da dies für jeden Anfangsabschnitt gilt, ist die Zahlenfolge länger als jeder endliche Anfangsabschnitt. Manche nennen das aktual unendlich. Wenn man eine bestimmte natürliche Zahl fixiert, dann gibt es immer einen endlichen Anfangsabschnitt, der diese Zahl und alle ihre Vorgänger enthält. Da dies für jede natürliche Zahl gilt, gehören alle zu einem endlichen Anfangsabschnitt.
Ach wie schön ist es, Quantoren zu vertauschen. (Gähn!)
Michael Klemm
2020-12-12 19:18:11 UTC
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Post by Ganzhinterseher
Es war Brouwer, der sich vehement gegen die Anwendung des tertium non datur "im Unendlichen" ausgesprochen hat. Ein einfaches Beispiel, das jeder Mathematiker verstehen sollte, ist folgendes.
Die Funktion 1/x ist an der Stelle x = 0 nicht definiert.
1/x ist keine Funktion sondern ein Bruch.

Gruß
Michael

Also ist sie dort auch nicht stetig. Nach tertium non datur ist sie dort also unstetig. Aber: Die Funktion ist dort nicht definiert, also ist sie dort auch nicht unstetig. Nach tertium non datur ist sie dort also stetig.
Post by Ganzhinterseher
Genau so ist es mit dem aktual Unendlichen. Wenn man einen endlichen Anfangsabschnitt der natürlichen Zahlenfolge fixiert, so gibt es immer noch eine Zahl außerhalb. Da dies für jeden Anfangsabschnitt gilt, ist die Zahlenfolge länger als jeder endliche Anfangsabschnitt. Manche nennen das aktual unendlich. Wenn man eine bestimmte natürliche Zahl fixiert, dann gibt es immer einen endlichen Anfangsabschnitt, der diese Zahl und alle ihre Vorgänger enthält. Da dies für jede natürliche Zahl gilt, gehören alle zu einem endlichen Anfangsabschnitt.
Natürlich kann man das tertium non datur hier genausowenig anwenden wie im Falle der Stetigkeit / Unstetigkeit der Funktion 1/x. Die vollständige Zahlenfolge ist weder aktual unendlich noch ist sie endlich. Sie ist überhaupt nicht vollständig. Leider beharren die Matheologen darauf, dass die eine Seite richtig und die andere falsch ist und versuchen das mit Hilfe einer eigens dafür erfundenen Quantorenmagie zu begründen. Schade um den Ruf der Mathematik, die von vielen Laien noch mit der Matheologie identifiziert wird.
Gruß, WM
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