Post by Werner TannBesonders amüsant finde ich die Anmerkung der Kritiker der
Verfallskritiker, daß immer schon andere Sprachen auf das Deutsche
Einfluß genommen haben, in vielen Fällen aber die
"lautlich-gefühlsmäßige Eingemeindung" des fremden Wortes gelinge.
Das ist die Unterscheidung zwischen Fremd- und Lehnwort. Am Übergang
von ersterem in letzteres einen (nicht) vorhandenen "Sprachverfall"
ablesen zu wollen halte ich für überhöht.
Post by Werner TannUnd
als Beispiel wird Rendezvous gebracht, das sich irgendwann in
Stelldichein verwandelt hat.
Das ist ein schlechtes Beispiel, weil "Stelldichein" eine Erfindung von
Sprachpuristen des 19. Jahrhunderts ist, also eher eine untypische
Entwicklung.
Post by Werner TannJa. Bloß, daß heute keine Sau mehr
Stelldichein sagt, sondern Date. Wann und in welcher Form wird denn
"Date" eingemeindet werden?
Das wird dauern. Die Entwicklung wird dadurch gebremst, dass die
Mehrzahl der Deutschsprechenden heute Englisch als Fremdsprache
beherrscht und Anglizismen daher "richtig" auszusprechen bemüht ist.
Die Entwicklung zum Lehnwort wird sich in dem Maße beschleunigen, wie
Englischkenntnisse abnehmen. Das ist eine Frage der Zeit. Wenn die
Reste des britischen Empire ihre Weltmachtposition verlieren + X.
Mal rausgezoomt, Verzeihung mit der Gummilinse auf Weitwinkel:
Gallizismen waren im 17., 18. Jahrhundert mindestens so dominant wie
heute Anglizismen. Ich habe deutsche Textbeispiele aus dieser Zeit
gelesen (leider weiß ich nicht mehr wo, irgendein Sprachbuch), in denen
fast jedes dritte Wort Französisch war. Das las sich noch viel krasser
als selbst das extremste heutige Marketing-Speak.
Wir können das als Beispiel nehmen, dass eine solche Entwicklung weder
ungewöhnlich noch ein Anzeichen für "Verfall" ist. Es war alles
schonmal da. Und die deutsche Sprache hat aus der Zeit heute nicht mehr
viel übrigbehalten außer ein paar Frend- oder inzwischen Lehnwörtern.
Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass es mit den Anglizismen anders
verlaufen wird. Beide Entwicklungen sind zudem viel viel milder, als
die riesigen Wortschatzverschiebungen, die die englische Sprache selbst
nach 1066 durchgemacht hat, die aber dadurch nicht "verfallen", immer
noch eine erkennbar germanische Sprache ist, und nicht zu Französisch
wurde.
"Sorgen" müsste man sich machen, wenn deutsche Muttersprachler anfangen
würden, Syntax, Grammatik oder gar Phonetik einer fremden Sprache im
Deutschen nachzuahmen. Davon ist kaum etwas zu bemerken, das Gegenteil
trifft zu. Die Grammatik wird geradezu brutal verdeutscht. Klassisches
Beispiel "downgeloadet". Das englische Verb wird wie ein deutsches
trennbares Verb behandelt, die Vorsilbe "down-" gar als abtrennbare
deutsche Vorsilbe. Man muss das nicht mögen, aber nüchtern betrachtet
ist das ein Zeichen für eine kerngesunde Entwicklung.
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