Post by Dieter BritzIch schrieb gerade in der dänischen ng über Wörter
und Namen die mit th oder Th anfangen, und es viel mir
danach ein, dass das auch im deutschen vorkommt. Also
die selbe Frage. Ich nehme an, dass das h mal in der
Vergengenheit eine andere Aussprache bedeutet als das
blose t. Wie war das?
Hier mal das, was Adelung vor etwa 200 Jahren zu dem th geschrieben hat:
Th, der Figur nach ein zusammen gesetzter Buchstab, welcher indessen doch
nur einen einfachen Laut bezeichnet, einen Laut, welcher dem t gleicht, nur
daß er der Regel nach gelinder seyn, und das Mittel zwischen dem weichern d
und härtern t halten sollte; Theil, Theer, Thau, Muth, Bethen, Werth.
In den neuern Zeiten hat dieser Buchstab von solchen, welche sich zu
Sprachverbesserern aufwarfen, und die Verbesserung der Sprache immer mit
der Rechtschreibung anfingen, weil da das Bessern am leichtesten und
bequemsten ist, viele Gegner bekommen. Die schwächsten darunter verkannten
seinen wahren Werth und seine Bestimmung, und glaubten, daß das h bloß zur
Bezeichnung eines gedehnten Selbstlautes da sey, und aus Unkunde in den
vorigen Zeiten von seiner rechten Stelle versetzt und dem t angehängt
worden. Unter der Zahl dieser befand sich auch Mosheim, dessen anderweitige
Gelehrsamkeit und Verdienste viele auf seine Seite zogen, welche glaubten,
ein gelehrter Mann müsse gerade in allen Wissenschaften und Theilen
derselben gleich gelehrt seyn. Beyder irrigen Voraussetzungen zu Folge
schrieben Mosheim und seine Nachfolger Noht, rahten, Wehrt, Teihl, tuhn,
Tiehr, Tuhrm, teuher u.s.f. und glaubten, sich ein großes Verdienst
erworben zu haben, daß sie das h ihren Gedanken nach wieder an seine rechte
Stelle gebracht hatten. Allein, es war sehr leicht ihnen zu zeigen, daß das
h, wenn es dem t zugesellet wird, kein Zeichen eines gedehnten
Selbstlautes, sondern vielmehr eines gelindern Lautes des t sey, und dieses
geschahe besonders von Gottsched in den krit. Beytr. Th. 5 S. 571 und in
seiner Sprachkunst, ob er gleich keinen andern Grund anzugeben wußte, als
weil die Niederdeutschen in den Fällen, wo wir ein th schreiben, ein d
gebrauchen; welches aber viel zu viel beweiset, indem auch das härteste t
der Hoch- und Oberdeutschen in eben so vielen Fällen im Niederdeutschen ein
d ist. Mit Mosheim sind die Feinde dieses Buchstabens nicht abgestorben,
sondern es haben sich auch noch in den neuesten Zeiten verschiedene so
genannte Sprachverbesserer gefunden, welche das h verbannet wissen wollten,
weil sie keinen begreiflichen Nutzen von demselben einsahen.
Die Griechen hatten eine eigene Figur, den Mittellaut zwischen dem δ
und τ anzudeuten, nämlich das θ oder ϑ, welches aber mit einigem Zischen
ausgesprochen wurde. Die Lateiner, welchen es an einer eigenen Figur
fehlte, wählten dafür das th, welches sie besonders in solchen Wörtern
gebrauchten, welche unmittelbar aus dem Griechischen herstammeten und
daselbst ein t hatten. Die ältesten nordischen Völker hatten den Laut des
th gleichfalls und ihre Runen hatten dafür ein eigenes Zeichen, das [das
Zeichen habe ich in meinen Schriften nicht entdeckt. MH], welches aber
erweislich aus dem Griechischen t entlehnet ist. Auch in der Sprache der
Angelsachsen befand sich ein Mittellaut zwischen dem d und t, welcher noch
dazu wie das Griechische t mit einem gelinden Zischen ausgesprochen wurde,
und ihr Alphabet hatte das Þ denselben zu bezeichnen, wofür ihre
Nachkommen, die heutigen Engländer, als sie das Angelsächsische Alphabet
mit dem Lateinischen vertauschten, das Lat. th annahmen, welches sie noch
jetzt mit einem gelinden Zischen aussprechen.
Die alten eigentlichen Deutschen hatten kein eigenes Alphabet, sondern
nahmen mit Einführung des Christenthums das Lateinische an. Es ist
unbekannt, ob in einer ihrer alten Mundarten ein t gewesen, welches wie das
Englische th mit einem Zischer ausgesprochen worden. Aber es scheint doch,
daß sie den dreyfachen Unterschied des t sehr lebhaft gefühlt, daher sie
allerley Versuche machten, den mittlern Laut durch Buchstaben auszudrucken.
Der unbekannte Übersetzer eines Stückes des Isidor, welcher für den
ältesten Schriftsteller gehalten wird, schreibt erdha, dhuo, (da,) dhanne,
unardh, dher, dhiz, dhurah, u.s.f. Indessen hängt er nicht einem jeden d
das h an, sondern er schreibt auch mittungardes, garuuida, abgrundiu,
herduom u.s.f. Das th kommt bey ihm seltener vor, doch schreibt er
anthlutte, Antlitz, anthlühhan, eröffnen. Sein nächster Nachfolger Kero hat
weder dh noch th, sondern schreibt Teil, -tum, tuan, thun, tat, That u.s.f.
Allein, Ottfried, welcher über seine Sprache mehr nachgedacht zu haben
scheinet, macht einen bestimmten Gebrauch von dem th, welcher doch von dem
heutigen sehr abweicht, indem er das Hochdeutsche d häufig dadurch
ausdruckt; thu, du thaz, daß und das, thiu, die, thanne, dann, u.s.f. Es
würde unnöthig seyn, diesem Buchstaben in den folgenden Jahrhunderten zu
folgen, indem doch nichts weiter daraus erhellen würde, als daß man
denselben zu allen Zeiten für nothwendig gehalten, daß man aber in dessen
Anwendung sehr unbestimmt und ungewiß gewesen, entweder, weil der
Unterschied in der Aussprache schon unmerklich oder schwankend geworden;
oder weil jeder Schriftsteller der Mundart folgte, in welcher er schrieb,
welches bey allen Schriftstellern des mittlern Zeitalters der Fall ist.
So viel ist gewiß, daß in unserm heutigen Hoch- und Oberdeutschen die
alte wahre Aussprache des th verlohren gegangen, und daß wir heut zu Tage
keinen Mittellaut zwischen dem d und t mehr haben. Theil lautet nicht
anders als Teil, Thau nicht anders als Tau, Ruthe nicht anders als Rute,
u.s.f. Ein Mittellaut zwischen dem d und t bloß in der Härte oder Weiche
ist vielleicht ein bloßes Hirngespinst, eine Grille; das gezischte t und th
aber, der Griechen und heutigen Engländer haben wir in unserer heutigen
Sprache nicht; ob es gleich sehr wahrscheinlich ist, daß die Angelsachsen
und übrigen verwandten Germanischen Völker es gehabt. Indessen stehet es
noch dahin, ob unser th nicht ursprünglich ein Überbleibsel rauher
Oberdeutscher Mundarten ist, welche das t mit einem anklebenden Hauche aus
der Gurgel aussprachen und zum Theil noch jetzt aussprechen, welche
Aussprache denn die ältesten Oberdeutschen Schriftsteller, welche sichs zur
Pflicht hielten, ihre rauhe Mundart nach allen ihren Schattierungen zu
schreiben, durch Buchstaben so gut auszudrucken gesucht, als ihnen möglich
war. Das h war dazu am geschicktesten, weil es in der Schrift der alten
Oberdeutschen Schriftsteller die Stelle des ch vertrat. Als sich in der
Folge die Sprache verfeinerte, oder vielmehr, als feinere Mundarten in den
Schriften die Oberhand bekamen, behielt man das th vermuthlich bloß darum
bey, weil man es bey seinen Vorgängern fand, ob man es gleich in der
Aussprache nicht von dem t unterschied.
Sollten wir aber um deßwillen das th aus unserer Schrift verbannen,
weil es in der Aussprache nicht gegründet ist, und auch sonst keinen
erweislichen Nutzen hat? Ich glaube nicht. So unbestimmt und schwankend
auch dessen Gebrauch in den vorigen Zeiten war, so ist derselbe doch seit
ungefähr Einem Jahrhundert durch die Stillschweigende Vereinigung der
ganzen Nation hinlänglich bestimmt und gewisser Maßen zu einem
orthographischen National-Gesetze geworden. Ganz Deutschland schreibt Thal,
That, thun, theuer, Werth, Ruthe, roth, vertheidigen u.s.f. und eine
Neuerung würde nicht den mindesten Nutzen, wohl aber viel Verwirrung und
Mißverstand verursachen. In unschädlichen Dingen ist die allgemeine
Übereinstimmung des Volkes ein Heiligthum, welches jedem einzelnen
Mitgliede ehrwürdig seyn muß. Aber es gehet unserer Sprache heut zu Tage
wie der Religion. So viele arbeiten öffentlich und insgeheim daran, sie uns
aus den Händen zu winden, ohne etwas bessers dafür versprechen zu können.
Man sehe die Bemühungen unserer neuern Sprachverbesserer an, und urtheile,
ob denn ihre Neuerungen, wenn sie auch allgemein werden könnten, vor dem
bisherigen Sprachgebrauche das geringste voraus haben.
Dieß voraus gesetzt, wird man nicht erwarten, daß einige Regeln gegeben
werden könnten, wo man ein th oder ein t schreiben müsse. Es kommt hier
bloß auf den Gebrauch an, und dieser ist zum Glücke so übereinstimmig, als
man es von irgend einem Puncte der Orthographie nur erwarten kann. Einige
wenige Fälle sind zweifelhaft, z.B. bethen, biethen, Geboth, wo aber doch
das th die meisten Stimmen für sich hat. In einigen Fällen ist es
erweislich, daß es mit dem Verlängerungs h verwechselt, und von seiner
wahren Stelle verdrängt worden. So schreibt man richtiger Draht, Naht,
Fahrt, als Drath, Nath, Farth, weil sie von drehen, nähen, fahren
abstammen. Blüthe hingegen kann sein th behalten, weil th hier statt der
Ableitungssylbe de stehet. Wollte man Blühthe oder Blühte schreiben, so
müßte man das h auch in Blut, Blume u.s.f. einführen, weil sie insgesammt
von blühen herkommen."
[Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch: Th. Adelung: Wörterbuch, S.
53598ff. (vgl. Adelung-GKW Bd. 4, S. 562ff.)]
Gruß
Manfred.