Salut!
Post by Tim LandscheidtPost by Helmut Barth[…]
Es ist natürlich nicht in Ordnung, dass nicht ordentlich
gearbeitet wird. Das gilt aber nicht nur für den Mann am
Zug, sondern eben auch für die Organisation dahinter. Das
gilt gerade dann, wenn ein Unternehmen häufiger durch unsafe
practices auffällt und die Punkte training und supervision,
essenzielle Bestandteile jeglicher Sicherheitskultur,
weiterhin vernachlässigt werden.
Das ist ja gerade das, was ich kritisiere: Der Mitarbeiter
muss das, was er tun will, nicht mehr hinterfragen, denn
wenn das, was er tun will, falsch wäre, wurde er entweder
nicht hinreichend ausgebildet oder überwacht, das heißt,
das, was er tun will, muss richtig sein, oder kurz: Er kann
das Denken einstellen. Und früher in den Feierabend gehen.
Nein, das verstehst Du komplett falsch. Die Urteile zeigen lediglich,
das ein Unternehmen, dass seine Mitarbeiter mit freier Hand gewähren
lässt, obwohl ihm zahlreiche Probleme bekannt geworden sind (zb. durch
Strafzahlungen für Verfehlungen) eben fahrlässig handelt und die dafür
Verantwortlichen nicht straflos ausgehen können. Das ist gut so.
Es ist gerade im Bahnbetrieb mit vielen Einzelarbeitern doch so, dass
bestimmte Verhaltensweisen sich schleichend verändern (oder nicht rasch
genug an neue Regeln angepasst werden) und mangels direkter Folgen
irgendwann noch nicht mal mehr als Fehler wahrgenommen werden. Das muss
nicht, kann aber ohne weiteres, irgendwann zu einem Problem werden (bei
der Überwachung durch staatl. Stellen oder auch durch
Betriebsgefährdungen und Unfälle). Das gilt übrigens nicht nur für Tf,
auch Fdl, Weichenwärter und die Techniker die alleine arbeiten sind
davon betroffen. Sobald mehrere Mitarbeiter arbeitsteilig an einem Ort
arbeiten sinkt das Risiko, weil "verdächtige" Verhaltensweisen schneller
auffallen.
Man kann dieser Entwicklung auf zwei Schienen entgegenwirken. Zum
einen über die Qualifikation (ausreichend Unterrichte) und zum anderen
über die Kontrollen, bei denen derlei Unregelmäßigkeiten auffallen und
angesprochen werden können. Das SMS der DB setzt zb. auf beide Schienen
durch regelmäßige Fortbildungsunterrichte und eben auch regelmäßige
Überwachungen als Begleitfahrt oder zb. auch am Simulator. Die
Dokumentation der entsprechenden Aktionen ist, in Sinne Deiner
Betrachtung, also der systemimmmanente Freispruch für die
Verantwortlichen im Hintergrund, die so nachweisen können, dass
bestimmte Themen unterrichtet wurden, dass die Personale mit oder ohne
Auffälligkeiten überwacht wurden.
In Europa ist seit geraumer Zeit der Nachweis eines funktionierenden
Sicherheitsmanagementsystems sogar eine Zulassungsvoraussetzung für
Eisenbahnverkehrsunternehmen um einen allzu krassen Wildwuchs und
straßenverkehrsähnliche Zustände auf den Gleisen zu vermeiden.
Post by Tim LandscheidtBei Verkehrsunfällen herrscht (glücklicherweise/noch) ein
IMHO besseres Modell: Man darf nicht berauscht ein Fahrzeug
führen, auch wenn die Theoriestunden in der Fahrschule lange
her sind und man nie von der Polizei kontrolliert wird. Man
darf auch keine Geschwindigkeitsbegrenzung ignorieren, nur
weil nicht genügend Radarfallen aufgestellt sind. Sicher-
heitskultur ist hier nicht die Bringschuld eines anderen,
sondern jeder Teilnehmer steht selbst in der Verantwortung,
seinen Beitrag zu leisten.
Und das funktioniert auf der Straße natürlich perfekt, wie spontane
Radarmessungen, Abstandskontrollen auf Autobahnen, Lenkzeitenkontrollen
bei den Lkw und alltägliche Beobachtungen im Straßenverkehr bestätigen.
Mit Blick auf mit Basteldraht und Kabelbinder zusammengetüdelte Lkw
auf unseren Straßen wäre ein bahnähnliches SMS für gewerblichen
Straßenverkehr mehr als wünschenswert, denn wenn der Fuhrunternehmer mit
in die Verantwortung für seine Mitarbeiter kommt, würden sehr rasch sehr
viele Missstände (besonders im Bereich Technik und Lenkzeiten)
abgestellt werden. Ich bin mir sicher, dass dies der deutlich bessere
Weg wäre, wie der von Dir vorgeschlagene umgekehrte Weg, den einzelnen
Bahnmitarbeiter ohne weitere Unterstützung alleinverantwortlich zu
machen. Er hat ja ohnehin immer noch genug Verantwortung für sein
handeln, was auch in den Urteilen zum Ausdruck kommt.
Grüßle, Helmut