Discussion:
Bedeutung von "durchaus"
(zu alt für eine Antwort)
Ralf Joerres
2020-01-19 15:24:33 UTC
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Um euch nicht zu beeinflussen, frage ich mal ganz beispiellos:

Was bedeutet für euch 'durchaus'?

Ergänzend möchte ich hervorheben, dass mich überhaupt nicht interessiert,
was man so in Wörterbüchern und dergleichen finden kann; ich würde gerne
wissen, in welchem Sinne ihr dieses Wort benutzt.

Gruß Ralf Joerres
Dieter Britz
2020-01-19 15:48:55 UTC
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Post by Ralf Joerres
Was bedeutet für euch 'durchaus'?
Soetwa wie "wirklich", "in der Tat".
--
Dieter Britz
Jakob Achterndiek
2020-01-19 16:23:57 UTC
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[..] ich würde gerne
wissen, in welchem Sinne ihr dieses Wort benutzt.
Verstärkend.
--
j/\a
Thomas Schade
2020-01-19 20:52:13 UTC
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Post by Ralf Joerres
Was bedeutet für euch 'durchaus'?
Für mich ein Synonym für 'sehr wohl', es verstärkt eine Aussage.


Ciao
Toscha
--
Why where the Indians here first?
They had reservations.
Ralf Joerres
2020-01-19 21:00:26 UTC
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Post by Thomas Schade
Post by Ralf Joerres
Was bedeutet für euch 'durchaus'?
Für mich ein Synonym für 'sehr wohl', es verstärkt eine Aussage.
Danke hier stellvertretend für alle Antworten bis hierher.
Ich hatte es bislang immer einräumend benutzt, im Sinne von "zwar ... aber".
Bin ich der einzige, der das Wort so aufgefasst hat?

Ralf Joerres
Detlef Meißner
2020-01-19 21:28:06 UTC
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Post by Ralf Joerres
Post by Thomas Schade
Post by Ralf Joerres
Was bedeutet für euch 'durchaus'?
Für mich ein Synonym für 'sehr wohl', es verstärkt eine Aussage.
Danke hier stellvertretend für alle Antworten bis hierher.
Ich hatte es bislang immer einräumend benutzt, im Sinne von "zwar ... aber".
Ja, z.B. im Satz: "Es kann durchaus vorkommen, dass ..., aber ..."
Post by Ralf Joerres
Bin ich der einzige, der das Wort so aufgefasst hat?
Mal so, mal so.

Das macht die Komplexität des Deutschen aus.

Detlef
--
Unfähigkeit ist nicht ganz durch Gewalt zu ersetzen.
(Brupbacher)
Ralf Joerres
2020-01-20 11:31:43 UTC
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Post by Detlef Meißner
Post by Ralf Joerres
Post by Thomas Schade
Post by Ralf Joerres
Was bedeutet für euch 'durchaus'?
Für mich ein Synonym für 'sehr wohl', es verstärkt eine Aussage.
Danke hier stellvertretend für alle Antworten bis hierher.
Ich hatte es bislang immer einräumend benutzt, im Sinne von "zwar ... aber".
Ja, z.B. im Satz: "Es kann durchaus vorkommen, dass ..., aber ..."
Post by Ralf Joerres
Bin ich der einzige, der das Wort so aufgefasst hat?
Mal so, mal so.
Das macht die Komplexität des Deutschen aus.
Immer für einen kleinen Scherz zu haben.

Da langwierige Ergießungen meinerseits sich hier keiner allgemeinen
Beliebtheit erfreuen, stelle ich zwei Fragen voran, die mit meinen
weiteren Überlegungen dazu in Verbindung stehen. Wer will, kann die
ja dann auch noch lesen.

1. Gibt es einen Bedeutungsunterschied zwischen
- er will unbedingt mitkommen
und
- er will durchaus mitkommen
?

2. Gibt es Sätze, in denen 'durchaus' _eindeutig_ nicht mit dem Unterton
'aber ...' verstanden werden kann?

[Und dann noch was ganz anderes:
3. Wie anders als per Ingrid kann man auf _alle_ eingegangenen Beiträge
antworten, oder kann man sich immer nur auf ein einzelnes Posting
beziehen und seine Antwort da dranhängen?]

Hier noch meine sonstigen Überlegungen:

Was mich an der Sache sehr irritiert: Wie konnte ich 'durchaus' praktisch
durchgängig nicht als 'unbedingt', sondern als 'unter Vorbehalt gesagt'
auffassen und so bei mir abspeichern? Wenn ich so rumkucke, finde ich sehr
viele Beispiele, die sich in beiden Richtungen auslegen lassen, aber nur
sehr wenige, in denen 'durchaus' nur bzw. zumindest vorrangig als so etwas
wie 'da gibt's nichts zu diskutieren' verstanden werden kann.
Duden / DWDS nennen dazu

4. "er möchte durchaus mitkommen" /
5. "er will _durchaus_ an der Feier teilnehmen"

Aber selbst bei diesen Beispielen stelle ich mir einen Kontext vor, in dem
dieser Wunsch des 'er' insofern bespöttelt oder in Frage gestellt wird, als
Sprecher und Hörer davon ausgehen, dass seine Teilnahme an der gemeinsamen
Aktion oder Feier eher nicht opportun ist, sonst würde das 'durchaus' keinen
Sinn machen, oder?

Nochmal anders gesagt: Für mich wäre in den zitierten Sätzen 'durchaus'
nicht ohne Änderung der Bedeutung durch 'unbedingt' zu ersetzen. Das
heißt, auch wenn 'durchaus' die in einem Satz enthaltene Aussage bekräftigt
(verstärkt), fügt es dieser Bekräftigung etwas hinzu, oder? Sollte
dies zutreffen, würde ich dieses Hinzugefügte gerne zu fassen bekommen.
Mein Empfinden ist, dass 'durchaus' ähnlich wie eine Abtönungspartikel
(bzw. Modalpartikel - ein Beispiel für diese Wortart wäre 'schon' in
'er will schon mitfahren, weiß aber nicht, ob er dann frei bekommt')
oder ein Modaladverb (Beispiel 'eigentlich': 'eigentlich will er nicht')
auf der mit dem Satz gelieferten Aussage aufsetzt und zusätzlich darüber
informiert, dass der Sprecher die Geltung der Aussage modifiziert, sie
etwa relativiert, und dass er die Aussage mit dem Wissen der
Gesprächsbeteiligten über die Zusammenhänge der Aussage (sog. Vorwissen)
in Beziehung setzt und dass er Erwartungen mit der Aussage verbindet
(etwa keinen Widerspruch duldet) oder auch deutlich macht, dass er den
Erwartungshorizont seines Gegenübers einbezieht usw.

Vielleicht kann hier ja jemand nachvollziehen, dass jemand 'durchaus'
nie als ein reines 'es ist so' versteht, sondern als 'du solltest wissen,
dass damit noch nicht alles gesagt ist'.

'Jedenfalls' (auch so ein Kandidat) kamen hier als entschiedene
Antworten immer 'Verstärkung' - und sonst gar nichts, oder nur zaghaft
hinterhergehoppelte 'nicht-ausgeschlossen-dass-vielleicht-auch'-Ergänzungen.

Gruß Ralf Joerres
Sergio Gatti
2020-01-20 11:47:58 UTC
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Post by Ralf Joerres
1. Gibt es einen Bedeutungsunterschied zwischen
- er will unbedingt mitkommen
und
- er will durchaus mitkommen
?
MUSEN ja.
Er will unbedingt mitkommen: Er will auf jeden Fall mitkommen.
Er will durchaus mitkommen: Es ist nicht so, dass er nicht
mitkommen will. (Jemand hat wohl daran gezweifelt, ob er
mitkommen will.)
Ralf Joerres
2020-01-20 15:03:45 UTC
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Post by Sergio Gatti
Post by Ralf Joerres
1. Gibt es einen Bedeutungsunterschied zwischen
- er will unbedingt mitkommen
und
- er will durchaus mitkommen
?
MUSEN ja.
Er will unbedingt mitkommen: Er will auf jeden Fall mitkommen.
Er will durchaus mitkommen: Es ist nicht so, dass er nicht
mitkommen will. (Jemand hat wohl daran gezweifelt, ob er
mitkommen will.)
Vielleicht hat jemand gezweifelt, oder vielleicht sind von vornherein
Zweifel angebracht (Bergwanderung im Rollstuhl), also so etwas wie
"Er will da allen Ernstes mitkommen!" Insofern eventuelle Zweifel
zurückgewiesen werden, wird die Unbedingtheit der Proposition 'er will
mitkommen' bekräftigt, zugleich wird aber darauf verwiesen, dass man
Grund genug hätte, an der Vernunft dieses Wunsches zu zweifeln. _Eine_
Bedeutungsmöglichkeit wäre dann 'Man kann es ihm nicht ausreden.'

Gruß RJ
Christina Kunze
2020-01-20 15:20:36 UTC
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Post by Sergio Gatti
Post by Ralf Joerres
1. Gibt es einen Bedeutungsunterschied zwischen
- er will unbedingt mitkommen
und
- er will durchaus mitkommen
?
MUSEN ja.
Er will unbedingt mitkommen: Er will auf jeden Fall mitkommen.
Er will durchaus mitkommen: Es ist nicht so, dass er nicht
mitkommen will. (Jemand hat wohl daran gezweifelt, ob er
mitkommen will.)
Für mich kann es gemeinerweise beides heißen.
Ich versuche gerade herauszubekommen, woran man den Unterschied erkennt.

Vielleicht:
Er will DURCHaus mitkommen (unbedingt).
Er will durchAUS mitkommen (egal, was jemand anderes behauptet hat).

chr
Quinn C
2020-01-20 18:01:19 UTC
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Post by Sergio Gatti
Post by Ralf Joerres
1. Gibt es einen Bedeutungsunterschied zwischen
- er will unbedingt mitkommen
und
- er will durchaus mitkommen
?
MUSEN ja.
Er will unbedingt mitkommen: Er will auf jeden Fall mitkommen.
Er will durchaus mitkommen: Es ist nicht so, dass er nicht
mitkommen will. (Jemand hat wohl daran gezweifelt, ob er
mitkommen will.)
Ja, heutzutage ist "durchaus" meist die Negation einer Negation,
scheint mir.

Aus älterer Literatur kenne ich aber auch die Bedeutung "partout".
--
er (Tristan) hiez im ein tôrenkleit
an der stete machen:
von wunderlîchen sachen
einen roc seltsên getan
und eine gugelen daran
H. V. FREIBERG Tristan
Ralf Joerres
2020-01-21 01:08:52 UTC
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Post by Quinn C
Post by Sergio Gatti
Post by Ralf Joerres
1. Gibt es einen Bedeutungsunterschied zwischen
- er will unbedingt mitkommen
und
- er will durchaus mitkommen
?
MUSEN ja.
Er will unbedingt mitkommen: Er will auf jeden Fall mitkommen.
Er will durchaus mitkommen: Es ist nicht so, dass er nicht
mitkommen will. (Jemand hat wohl daran gezweifelt, ob er
mitkommen will.)
Ja, heutzutage ist "durchaus" meist die Negation einer Negation,
scheint mir.
Ich finde auch in sehr vielen Fällen, dass das noch die beste
Paraphrasierungstechnik ist. Das trifft den gemeinten Sinn dann sehr gut.

Ralf Joerres
U***@web.de
2020-01-20 12:18:22 UTC
Permalink
Post by Ralf Joerres
5. "er will _durchaus_ an der Feier teilnehmen"
Aber selbst bei diesen Beispielen stelle ich mir einen Kontext vor, in dem
dieser Wunsch des 'er' insofern bespöttelt oder in Frage gestellt wird, als
Sprecher und Hörer davon ausgehen, dass seine Teilnahme an der gemeinsamen
Aktion oder Feier eher nicht opportun ist, sonst würde das 'durchaus' keinen
Sinn machen, oder?
Nochmal anders gesagt: Für mich wäre in den zitierten Sätzen 'durchaus'
nicht ohne Änderung der Bedeutung durch 'unbedingt' zu ersetzen. Das
heißt, auch wenn 'durchaus' die in einem Satz enthaltene Aussage bekräftigt
(verstärkt), fügt es dieser Bekräftigung etwas hinzu, oder? Sollte
dies zutreffen, würde ich dieses Hinzugefügte gerne zu fassen bekommen.
Mein Empfinden ist, dass 'durchaus' ähnlich wie eine Abtönungspartikel
(bzw. Modalpartikel - ein Beispiel für diese Wortart wäre 'schon' in
'er will schon mitfahren, weiß aber nicht, ob er dann frei bekommt')
oder ein Modaladverb (Beispiel 'eigentlich': 'eigentlich will er nicht')
auf der mit dem Satz gelieferten Aussage aufsetzt und zusätzlich darüber
informiert, dass der Sprecher die Geltung der Aussage modifiziert, sie
etwa relativiert, und dass er die Aussage mit dem Wissen der
Gesprächsbeteiligten über die Zusammenhänge der Aussage (sog. Vorwissen)
in Beziehung setzt und dass er Erwartungen mit der Aussage verbindet
(etwa keinen Widerspruch duldet) oder auch deutlich macht, dass er den
Erwartungshorizont seines Gegenübers einbezieht usw.
Vielleicht kann hier ja jemand nachvollziehen, dass jemand 'durchaus'
nie als ein reines 'es ist so' versteht, sondern als 'du solltest wissen,
dass damit noch nicht alles gesagt ist'.
Auf der Feier dann:

- Noch einen Sekt?
- Durchaus!

Gruß, ULF
Ralf Joerres
2020-01-20 14:52:30 UTC
Permalink
Post by U***@web.de
- Noch einen Sekt?
- Durchaus!
Bzw. "Warum nicht!"

RJ
Antonia H.
2020-01-20 18:18:07 UTC
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Post by U***@web.de
Post by Ralf Joerres
5. "er will _durchaus_ an der Feier teilnehmen"
Aber selbst bei diesen Beispielen stelle ich mir einen Kontext vor, in dem
dieser Wunsch des 'er' insofern bespöttelt oder in Frage gestellt wird, als
Sprecher und Hörer davon ausgehen, dass seine Teilnahme an der gemeinsamen
Aktion oder Feier eher nicht opportun ist, sonst würde das 'durchaus' keinen
Sinn machen, oder?
Nochmal anders gesagt: Für mich wäre in den zitierten Sätzen 'durchaus'
nicht ohne Änderung der Bedeutung durch 'unbedingt' zu ersetzen. Das
heißt, auch wenn 'durchaus' die in einem Satz enthaltene Aussage bekräftigt
(verstärkt), fügt es dieser Bekräftigung etwas hinzu, oder? Sollte
dies zutreffen, würde ich dieses Hinzugefügte gerne zu fassen bekommen.
Mein Empfinden ist, dass 'durchaus' ähnlich wie eine Abtönungspartikel
(bzw. Modalpartikel - ein Beispiel für diese Wortart wäre 'schon' in
'er will schon mitfahren, weiß aber nicht, ob er dann frei bekommt')
oder ein Modaladverb (Beispiel 'eigentlich': 'eigentlich will er nicht')
auf der mit dem Satz gelieferten Aussage aufsetzt und zusätzlich darüber
informiert, dass der Sprecher die Geltung der Aussage modifiziert, sie
etwa relativiert, und dass er die Aussage mit dem Wissen der
Gesprächsbeteiligten über die Zusammenhänge der Aussage (sog. Vorwissen)
in Beziehung setzt und dass er Erwartungen mit der Aussage verbindet
(etwa keinen Widerspruch duldet) oder auch deutlich macht, dass er den
Erwartungshorizont seines Gegenübers einbezieht usw.
Vielleicht kann hier ja jemand nachvollziehen, dass jemand 'durchaus'
nie als ein reines 'es ist so' versteht, sondern als 'du solltest wissen,
dass damit noch nicht alles gesagt ist'.
- Noch einen Sekt?
- Durchaus!
Der Sekt gehört nicht unbedingt zu den Hochpreisigen.
"Man kann ihn durchaus trinken."

A.
Ralf Joerres
2020-01-20 23:57:23 UTC
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Post by Antonia H.
Post by U***@web.de
Post by Ralf Joerres
5. "er will _durchaus_ an der Feier teilnehmen"
- Noch einen Sekt?
- Durchaus!
Der Sekt gehört nicht unbedingt zu den Hochpreisigen.
"Man kann ihn durchaus trinken."
... überraschenderweise, um ehrlich zu sein.

Da steckt dann doch wieder ein 'aber' drin.

Gruß Ralf Joerres
Antonia H.
2020-01-21 16:45:10 UTC
Permalink
Post by Antonia H.
Post by U***@web.de
Post by Ralf Joerres
5. "er will _durchaus_ an der Feier teilnehmen"
- Noch einen Sekt?
- Durchaus!
Der Sekt gehört nicht unbedingt zu den Hochpreisigen.
"Man kann ihn durchaus trinken."
.... überraschenderweise, um ehrlich zu sein.
Da steckt dann doch wieder ein 'aber' drin.
Gruß Ralf Joerres
Das Kind wollte durchaus in den Zoo.

Unbedingt.

A.
Antonia H.
2020-01-21 16:48:34 UTC
Permalink
Post by Antonia H.
Post by Antonia H.
Post by U***@web.de
Post by Ralf Joerres
5. "er will _durchaus_ an der Feier teilnehmen"
- Noch einen Sekt?
- Durchaus!
Der Sekt gehört nicht unbedingt zu den Hochpreisigen.
"Man kann ihn durchaus trinken."
.... überraschenderweise, um ehrlich zu sein.
Da steckt dann doch wieder ein 'aber' drin.
Gruß Ralf Joerres
Das Kind wollte durchaus in den Zoo.
Unbedingt.
A.
Das Kind wollte durchaus in den Zoo, also sind wir in den Zoo gegengen.

A.
Florian Ritter
2020-01-22 19:13:32 UTC
Permalink
Post by Antonia H.
Post by U***@web.de
Post by Ralf Joerres
Vielleicht kann hier ja jemand nachvollziehen, dass jemand 'durchaus'
nie als ein reines 'es ist so' versteht, sondern als 'du solltest wissen,
dass damit noch nicht alles gesagt ist'.
- Noch einen Sekt?
- Durchaus!
Der Sekt gehört nicht unbedingt zu den Hochpreisigen.
"Man kann ihn durchaus trinken."
Eigenartig ist das nach-wie-vorige Bestehen des
Schaumweines der Marke "Rotkäppchen", von mir nicht
ästimiert - FR
Diedrich Ehlerding
2020-01-20 12:26:33 UTC
Permalink
Post by Ralf Joerres
1. Gibt es einen Bedeutungsunterschied zwischen
- er will unbedingt mitkommen
und
- er will durchaus mitkommen
?
MUSEN ja. "er will unbedingt mitkommen" drückt die besonmdere Intensität
seines Wunsches aus. Das kann die "durchaus"-Variante auch bedeuten, aber
die kann auch bedeuten: im Kontext sind vorher Zweifel an seinem Willen
aufgetaucht, und denen wird widersprochen. Also in der Bedeutung "sehr
wohl".

"Will Ottokar nicht mit ins Kino?" "Doch, er will durchaus mitkommen, aber
er muss vorher nochmal telefonieren."
Post by Ralf Joerres
2. Gibt es Sätze, in denen 'durchaus' _eindeutig_ nicht mit dem Unterton
'aber ...' verstanden werden kann?
Ja - z.B. wenn man damit eine Verneinung bekräftigt.

"Bist du sauer auf mich?" "Nein, durchaus nicht!"
Post by Ralf Joerres
Nochmal anders gesagt: Für mich wäre in den zitierten Sätzen 'durchaus'
nicht ohne Änderung der Bedeutung durch 'unbedingt' zu ersetzen.
Nein, in der Tat, durchaus nicht. ;-)
--
gpg-Key (DSA 1024) D36AD663E6DB91A4
fingerprint = 2983 4D54 E00B 8483 B5B8 C7D1 D36A D663 E6DB 91A4
HTML-Mail wird ungeleſen entſorgt.
U***@web.de
2020-01-20 12:32:05 UTC
Permalink
Post by Diedrich Ehlerding
Post by Ralf Joerres
2. Gibt es Sätze, in denen 'durchaus' _eindeutig_ nicht mit dem Unterton
'aber ...' verstanden werden kann?
Ja - z.B. wenn man damit eine Verneinung bekräftigt.
"Bist du sauer auf mich?" "Nein, durchaus nicht!"
Er ließ sich durchaus nicht davon abbringen,...
Ralf Joerres
2020-01-20 14:33:01 UTC
Permalink
Post by Diedrich Ehlerding
Post by Ralf Joerres
1. Gibt es einen Bedeutungsunterschied zwischen
- er will unbedingt mitkommen
und
- er will durchaus mitkommen
?
MUSEN ja. "er will unbedingt mitkommen" drückt die besonmdere Intensität
seines Wunsches aus. Das kann die "durchaus"-Variante auch bedeuten, aber
die kann auch bedeuten: im Kontext sind vorher Zweifel an seinem Willen
aufgetaucht, und denen wird widersprochen. Also in der Bedeutung "sehr
wohl".
"Will Ottokar nicht mit ins Kino?" "Doch, er will durchaus mitkommen, aber
er muss vorher nochmal telefonieren."
Post by Ralf Joerres
2. Gibt es Sätze, in denen 'durchaus' _eindeutig_ nicht mit dem Unterton
'aber ...' verstanden werden kann?
Ja - z.B. wenn man damit eine Verneinung bekräftigt.
"Bist du sauer auf mich?" "Nein, durchaus nicht!"
Gutes Beispiel, danke.
Wäre nicht auch hier "Aber überhaupt nicht!" eine akzeptable Paraphrase?
Das 'aber' würde dann bedeuten "entgegen deiner Annahme".

Gruß RJ
Ralf Joerres
2020-01-20 14:49:30 UTC
Permalink
Post by Diedrich Ehlerding
Post by Ralf Joerres
1. Gibt es einen Bedeutungsunterschied zwischen
- er will unbedingt mitkommen
und
- er will durchaus mitkommen
?
MUSEN ja. "er will unbedingt mitkommen" drückt die besonmdere Intensität
seines Wunsches aus. Das kann die "durchaus"-Variante auch bedeuten, aber
die kann auch bedeuten: im Kontext sind vorher Zweifel an seinem Willen
aufgetaucht, und denen wird widersprochen. Also in der Bedeutung "sehr
wohl".
Ich hätte das spontan verstanden als 'er will allen vorgetragenen
Einwänden zum Trotz' mitkommen. Das ginge bei 'unbedingt' auch, hat aber
einen anderen Drall, da ist auch für mich, wie Du schreibst, die
"Intensität des Wunsches" hervorgehoben.

Gruß R. Joerres
Thomas Schade
2020-01-20 18:27:29 UTC
Permalink
Post by Diedrich Ehlerding
"Will Ottokar nicht mit ins Kino?" "Doch, er will durchaus mitkommen, aber
er muss vorher nochmal telefonieren."
Hier fände ich 'schon' umgangssprachlich typischer als 'durchaus'. Und
auch bei anderen Beispielen hierzufaden ließe sich 'durchaus' mit
'schon' ersetzen. In den meisten klänge das immer umgangssprachlicher.


Ciao
Toscha
--
What do you call a dinosaur with an extensive vocabulary?
A Thesaurus.
Jakob Achterndiek
2020-01-20 13:09:45 UTC
Permalink
Post by Ralf Joerres
[..]
'Jedenfalls' (auch so ein Kandidat) kamen hier als entschiedene
Antworten immer 'Verstärkung' - und sonst gar nichts, oder nur zaghaft
hinterhergehoppelte 'nicht-ausgeschlossen-dass-vielleicht-auch'-Ergänzungen.
Wenn ich in der digibib Deutsche Literatur nach einem Wort oder einer
Phrase scanne, bekomme ich höchstens 5000 Fundstellen; mehr will das
Programm nicht herausrücken. Beim Scan über "durchaus" macht das
Programm Schluß beim alten Freiherrn Knigge. Was also kurz gesagt
bedeutet: Die deutschen Dichter benutzten "durchaus" durchaus häufig,
unser aller Goethe allein etwa 300 mal. Wer nun wissen möchte, in
welcher Bedeutung sie das benutzt haben, der müßte einfach mal ein paar
hundert Fundstellen lesend verstehend prüfen. Vielleicht gibt das ja
einen Eindruck, der zu sagen erlaubt: "'Durchaus' bedeutet fast immer
eine Verstärkung. Ein paar Ausnahmen mag es durchaus geben."

Solche Ausnahmen können gelegentlich zutreffen, wenn ich "durchaus" in
der Bedeutung von "durchweg" oder "durchwegs" brauche. Dann ergibt sich
u.U. aus dem Sprachbild, daß (ein Beispiel), selbst wenn ausnahmsweise
mal ein Stein oder eine Pfütze stören kann, der Weg ansonsten durchwegs
glatt und eben ist.
--
j/\a
Ralf Joerres
2020-01-20 14:44:07 UTC
Permalink
Post by Jakob Achterndiek
Post by Ralf Joerres
[..]
'Jedenfalls' (auch so ein Kandidat) kamen hier als entschiedene
Antworten immer 'Verstärkung' - und sonst gar nichts, oder nur zaghaft
hinterhergehoppelte 'nicht-ausgeschlossen-dass-vielleicht-auch'-Ergänzungen.
Wenn ich in der digibib Deutsche Literatur nach einem Wort oder einer
Phrase scanne, bekomme ich höchstens 5000 Fundstellen; mehr will das
Programm nicht herausrücken. Beim Scan über "durchaus" macht das
Programm Schluß beim alten Freiherrn Knigge. Was also kurz gesagt
bedeutet: Die deutschen Dichter benutzten "durchaus" durchaus häufig,
unser aller Goethe allein etwa 300 mal. Wer nun wissen möchte, in
welcher Bedeutung sie das benutzt haben, der müßte einfach mal ein paar
hundert Fundstellen lesend verstehend prüfen. Vielleicht gibt das ja
einen Eindruck, der zu sagen erlaubt: "'Durchaus' bedeutet fast immer
eine Verstärkung. Ein paar Ausnahmen mag es durchaus geben."
Solche Ausnahmen können gelegentlich zutreffen, wenn ich "durchaus" in
der Bedeutung von "durchweg" oder "durchwegs" brauche. Dann ergibt sich
u.U. aus dem Sprachbild, daß (ein Beispiel), selbst wenn ausnahmsweise
mal ein Stein oder eine Pfütze stören kann, der Weg ansonsten durchwegs
glatt und eben ist.
So etwas Ähnliches habe ich gemacht, leider habe ich aber keine digibib
sondern musste mit der schnöden Belegsammlung von DWDS Vorlieb nehmen,
die allerdings mit gut 150.000 Treffern auch nicht zu verachten ist.

Verstärkend wird 'durchaus' allemal gebraucht, aber meine Vermutung ist,
dass es darüber hinausgeht.

Mal ein Beispiel, das Dir vielleicht entgegenkommt: Wäre ein 'durchaus'
in einer erzählenden Passage in einem Roman (nicht in Dialog oder Rede-
wiedergabe) ohne auktorialen Erzähler überhaupt denkbar? Will sagen:
Ist ein 'durchaus' über das Verstärken hinaus nicht immer auch
kommentierend?

Gruß Ralf Joerres
Jakob Achterndiek
2020-01-20 18:57:11 UTC
Permalink
[..] Will sagen: Ist ein 'durchaus' über das Verstärken hinaus
nicht immer auch kommentierend?
Ist verstärkend denn nicht per se kommentierend?
--
j/\a
Ewald Pfau
2020-01-20 23:10:42 UTC
Permalink
Post by Jakob Achterndiek
[..] Will sagen: Ist ein 'durchaus' über das Verstärken hinaus
nicht immer auch kommentierend?
Ist verstärkend denn nicht per se kommentierend?
Das ist dann der Kniff, den Unterschied von Semantik und Performanz zu
beobachten, womit der feine Unterschied gewürdigt werden kann, in einem Fall
nur situativ die Betonung zu verschieben, die auf anderen Bedeutungen liegt,
oder ob eine Art Gewichtung für die Sinngebung vorgenommen wird, die dem
Gesagten inneliegt.

Damit muss ich also auch nicht etwa in einem Lexikon nachschlagen, was dort
als Bedeutung von Hmm! steht, oder von Ahja!, als etwas krassere Ausprägung,
die Nennung ist dann nicht als Sinngebung eingeflochten worden, sondern nur
als situative Betonung.

Lustiger wird es, wenn dieses Spiel selbst doppeldeutig wird, was ja auch
möglich ist, alleine über die Betonungsverschiebung am Inhalt herumzudrexeln
- wobei der geneigte Korrespondent für gewöhnlich wiederum frei ist, kühn
und locker drüber hinwegzuhören, darauf bestehend, dass unter zivilisierten
Leuten der Fluss der Mitteilung alleine über die Semantik maßgeblich ist.
Aber vielleicht ist er gerade in mafiosen Kreisen eimgekeilt, wer weiß, oder
konsumiert gerade Theatralik, verpasst bei der Gelegenheit dann wiederum
etwas. Die Welt ist groß, hoffentlich nicht immer nur garzu interessant.
Ralf Joerres
2020-01-21 01:01:47 UTC
Permalink
Post by Jakob Achterndiek
[..] Will sagen: Ist ein 'durchaus' über das Verstärken hinaus
nicht immer auch kommentierend?
Ist verstärkend denn nicht per se kommentierend?
Für mich etwa dann nicht, wenn es um reine Sachverhaltsgraduierungen geht:
Es regnete, was der Himmel hergab.

Hier geht es nur darum, die Intensität des Regengusses als 'stark'
zu markieren. Der Sprecher ist nur insofern im Spiel, als er ein
Stilmittel gewählt hat, er gibt keine Bewertung ab und spielt auch
nicht mit eventuellem Hörerwissen oder mit Hörererwartungen.

Ich würde Wortwahl und Wahl einer Redewendung als auf einer anderen Ebene
kommentierend ansiedeln als etwa hier: "Mein lieber Mann, da hat es
vielleicht geregnet, sowas hast du noch nicht erlebt, ich kann dir sagen!"
Hier ist alles außer 'da hat es geregnet' kommentierend, allerdings
floskelhaft verblasst, wahrscheinlich durch Tonfall wieder reanimiert.

Um noch einmal auf den Erzähler zurückzukommen: In "Wir müssen uns
Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen" ist das 'wir müssen
uns ... vorstellen' eine solche Kommentierung aus auktorialer Perspektive.
Es könnte auch heißen: Wir sollten uns Sisyphos durchaus als glücklichen
Menschen vorstellen. Das ist jedoch umständlich und 'weich', der Camus-
Übersetzer hat das knapper gelöst. Bei Camus heißt es noch pointierter
"Il faut imaginer Sisyphe heureux." In der deutschen Übersetzung wird der
Leser vom Erzähler eingeladen, die Perspektive zu wechseln. Der
Originaltext ist demgegenüber ein konfrontativer Sprung in unbekanntes
Gewässer. Was das 'il faut' in einem Muttersprachler evoziert, weiß ich
nicht. Vielleicht ist es 'stellen wir uns S. einmal als ... vor', oder
'Sisyphos, soviel steht fest, war ...', oder 'S. ist durchaus als ... zu
sehen'?

Gruß Ralf Joerres
Jakob Achterndiek
2020-01-21 13:29:59 UTC
Permalink
Post by Ralf Joerres
Post by Jakob Achterndiek
[..] Will sagen: Ist ein 'durchaus' über das Verstärken hinaus
nicht immer auch kommentierend?
Ist verstärkend denn nicht per se kommentierend?
Es regnete, was der Himmel hergab.
Hier geht es nur darum, die Intensität des Regengusses als 'stark'
zu markieren. Der Sprecher ist nur insofern im Spiel, als er ein
Stilmittel gewählt hat, er gibt keine Bewertung ab und spielt auch
nicht mit eventuellem Hörerwissen oder mit Hörererwartungen.
Ich würde Wortwahl und Wahl einer Redewendung als auf einer anderen Ebene
kommentierend ansiedeln als etwa hier: "Mein lieber Mann, da hat es
vielleicht geregnet, sowas hast du noch nicht erlebt, ich kann dir sagen!"
Hier ist alles außer 'da hat es geregnet' kommentierend, allerdings
floskelhaft verblasst, wahrscheinlich durch Tonfall wieder reanimiert.
Auf einer noch höheren Kommentierungsebene anzusiedeln, weil einer-
seits sowohl das Faktische als auch der Kommentar auf ein phonemisches
Minimum beschränkt, andererseits die Wirkung auf maximale Intensität
zugespitzt ist, wäre: "Scheißregen!"
Post by Ralf Joerres
Um noch einmal auf den Erzähler zurückzukommen: In "Wir müssen uns
Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen" ist das 'wir müssen
uns ... vorstellen' eine solche Kommentierung aus auktorialer Perspektive.
Es könnte auch heißen: Wir sollten uns Sisyphos durchaus als glücklichen
Menschen vorstellen. Das ist jedoch umständlich und 'weich', der Camus-
Übersetzer hat das knapper gelöst. Bei Camus heißt es noch pointierter
"Il faut imaginer Sisyphe heureux." In der deutschen Übersetzung wird der
Leser vom Erzähler eingeladen, die Perspektive zu wechseln. Der
Originaltext ist demgegenüber ein konfrontativer Sprung in unbekanntes
Gewässer. Was das 'il faut' in einem Muttersprachler evoziert, weiß ich
nicht. Vielleicht ist es 'stellen wir uns S. einmal als ... vor', oder
'Sisyphos, soviel steht fest, war ...', oder 'S. ist durchaus als ... zu
sehen'?
Hier konkurriert im Deutschen, anders als im französischen Original,
die Sachverhaltsgraduierung mit der Sachverhaltspräzisierung.
In "Man muss sich Sisyphos glücklich vorstellen" kann "glücklich"
sowohl attributiv auf "Sisyphos" als auch adverbial auf "vorstellen"
bezogen werden. Zwar kann es durchaus vom Leser als ein Glück empfunden
werden, wenn es ihm gelingt, sich den Sisyphos überhaupt vorzustellen.
Das wäre aber noch kein Kommentar. Stattdessen könnte es vom Leser als
zwanghafte Bevormundung empfunden werden: Er _muß_ ihn sich vorstellen,
und er _muß_ diese Vorstellung als Glück empfinden.
Anders, wenn "glücklich" als Attribut dem Sisyphos zugeordnet wird:
Der Leser hat eben noch jenen armen Verurteilten bedauert, hat furchtsam
mit ihm gezittert, daß der Felsen gleich wieder hinabrollen könne. Und
nun soll er ihn, nur weil Camus das behauptet, für glücklich halten? Da
spielt aber jetzt der aufgeklärte Leser nicht mit. Wenn Camus das so
schreibt - darf er ja. Er, der Leser, weiß es besser. Eben das macht ihn
doch wieder glücklich.
An der Stelle greift aber der Übersetzer ein. Er gönnt dem deutschen
Leser dieses Glück nicht. Deshalb flickt er als seinen, des Übersetzers,
Kommentar "als einen .. Menschen" ein. Darunter leidet seither die
gesamte Existenzialismus-Rezeption in deutschsprachigen Landen: Die
Bereitschaft des Lesers zur Empathie wird schnöde zurückgewiesen; statt
dessen sollen wir es gefälligst, wie Sisyphos, als menschliches Glück
empfinden, wenn es aller Anstrengung zum Trotz doch immer wieder den
Berg runter geht.
Ganz schön defaitistisch das! Aber zum Glück ist das ja nur ein
sachverhaltsgraduierender Kommentar *des Übersetzers*. Camus jedenfalls
hat das so nicht geschrieben.
Oder verstehe ich da etwas falsch?
--
;) j/\a
U***@web.de
2020-01-21 13:38:11 UTC
Permalink
Post by Jakob Achterndiek
In "Man muss sich Sisyphos glücklich vorstellen" kann "glücklich"
sowohl attributiv auf "Sisyphos" als auch adverbial auf "vorstellen"
bezogen werden.
Bzw. "Man hat sich erst in einen Glückszustand zu versetzen,
bevor man sich bei S. vorstellt."
Jakob Achterndiek
2020-01-21 16:35:38 UTC
Permalink
Post by U***@web.de
Post by Jakob Achterndiek
In "Man muss sich Sisyphos glücklich vorstellen" kann "glücklich"
sowohl attributiv auf "Sisyphos" als auch adverbial auf "vorstellen"
bezogen werden.
Bzw. "Man hat sich erst in einen Glückszustand zu versetzen,
bevor man sich bei S. vorstellt."
Das würde die Renaissance des Haschisch bei der akademischen Jugend
Frankreichs in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts erklären.
--
j/\a
Roland Franzius
2020-01-21 14:06:07 UTC
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Post by Jakob Achterndiek
Post by Ralf Joerres
Post by Jakob Achterndiek
[..] Will sagen: Ist ein 'durchaus' über das Verstärken hinaus
nicht immer auch kommentierend?
Ist verstärkend denn nicht per se kommentierend?
Es regnete, was der Himmel hergab.
Hier geht es nur darum, die Intensität des Regengusses als 'stark'
zu markieren. Der Sprecher ist nur insofern im Spiel, als er ein
Stilmittel gewählt hat, er gibt keine Bewertung ab und spielt auch
nicht mit eventuellem Hörerwissen oder mit Hörererwartungen.
Ich würde Wortwahl und Wahl einer Redewendung als auf einer anderen Ebene
kommentierend ansiedeln als etwa hier: "Mein lieber Mann, da hat es
vielleicht geregnet, sowas hast du noch nicht erlebt, ich kann dir sagen!"
Hier ist alles außer 'da hat es geregnet' kommentierend, allerdings
floskelhaft verblasst, wahrscheinlich durch Tonfall wieder reanimiert.
Auf einer noch höheren Kommentierungsebene anzusiedeln, weil einer-
seits sowohl das Faktische als auch der Kommentar auf ein phonemisches
Minimum beschränkt, andererseits die Wirkung auf maximale Intensität
zugespitzt ist, wäre: "Scheißregen!"
Post by Ralf Joerres
Um noch einmal auf den Erzähler zurückzukommen: In "Wir müssen uns
Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen" ist das 'wir müssen
uns ... vorstellen' eine solche Kommentierung aus auktorialer Perspektive.
Es könnte auch heißen: Wir sollten uns Sisyphos durchaus als glücklichen
Menschen vorstellen. Das ist jedoch umständlich und 'weich', der Camus-
Übersetzer hat das knapper gelöst. Bei Camus heißt es noch pointierter
"Il faut imaginer Sisyphe heureux." In der deutschen Übersetzung wird der
Leser vom Erzähler eingeladen, die Perspektive zu wechseln. Der
Originaltext ist demgegenüber ein konfrontativer Sprung in unbekanntes
Gewässer. Was das 'il faut' in einem Muttersprachler evoziert, weiß ich
nicht. Vielleicht ist es 'stellen wir uns S. einmal als ... vor', oder
'Sisyphos, soviel steht fest, war ...', oder 'S. ist durchaus als ... zu
sehen'?
Hier konkurriert im Deutschen, anders als im französischen Original,
die Sachverhaltsgraduierung mit der Sachverhaltspräzisierung.
In "Man muss sich Sisyphos glücklich vorstellen" kann "glücklich"
sowohl attributiv auf "Sisyphos" als auch adverbial auf "vorstellen"
bezogen werden. Zwar kann es durchaus vom Leser als ein Glück empfunden
werden, wenn es ihm gelingt, sich den Sisyphos überhaupt vorzustellen.
Das wäre aber noch kein Kommentar. Stattdessen könnte es vom Leser als
zwanghafte Bevormundung empfunden werden: Er _muß_ ihn sich vorstellen,
und er _muß_ diese Vorstellung als Glück empfinden.
Der Leser hat eben noch jenen armen Verurteilten bedauert, hat furchtsam
mit ihm gezittert, daß der Felsen gleich wieder hinabrollen könne. Und
nun soll er ihn, nur weil Camus das behauptet, für glücklich halten? Da
spielt aber jetzt der aufgeklärte Leser nicht mit. Wenn Camus das so
schreibt - darf er ja. Er, der Leser, weiß es besser. Eben das macht ihn
doch wieder glücklich.
An der Stelle greift aber der Übersetzer ein. Er gönnt dem deutschen
Leser dieses Glück nicht. Deshalb flickt er als seinen, des Übersetzers,
Kommentar "als einen .. Menschen" ein. Darunter leidet seither die
gesamte Existenzialismus-Rezeption in deutschsprachigen Landen: Die
Bereitschaft des Lesers zur Empathie wird schnöde zurückgewiesen; statt
dessen sollen wir es gefälligst, wie Sisyphos, als menschliches Glück
empfinden, wenn es aller Anstrengung zum Trotz doch immer wieder den
Berg runter geht.
Ganz schön defaitistisch das! Aber zum Glück ist das ja nur ein
sachverhaltsgraduierender Kommentar *des Übersetzers*. Camus jedenfalls
hat das so nicht geschrieben.
Oder verstehe ich da etwas falsch?
Jo, vermutlich gibt es keinen vieldeutigeren, einsilbigen Begriff im
Deutschen als Glück.

Beispielsweise retranskribiert sich der Satz

Alles Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde

auf dem Umweg übers Griechische in

Der gesamte gute Zufall der Erde findet man auf dem hinteren Teil des
Sprachlosen.
--
Roland Franzius
--
Roland Frnzius
Quinn C
2020-01-20 18:01:19 UTC
Permalink
Post by Ralf Joerres
3. Wie anders als per Ingrid kann man auf _alle_ eingegangenen Beiträge
antworten, oder kann man sich immer nur auf ein einzelnes Posting
beziehen und seine Antwort da dranhängen?]
Technisch gesehen kann man ein Posting nur an ein anderes anhängen. Ein
Thread ist ein Baum, kein Netz.

Man kann immer manuell andere Beiträge zitieren, um sie inhaltlich
zusammenführen.
--
die gugelmänner schleppen leichen, kranke LILIENCRON
GRIMM, Deutsches Wörterbuch
Ralf Joerres
2020-01-21 01:04:19 UTC
Permalink
Post by Quinn C
Post by Ralf Joerres
3. Wie anders als per Ingrid kann man auf _alle_ eingegangenen Beiträge
antworten, oder kann man sich immer nur auf ein einzelnes Posting
beziehen und seine Antwort da dranhängen?]
Technisch gesehen kann man ein Posting nur an ein anderes anhängen. Ein
Thread ist ein Baum, kein Netz.
Man kann immer manuell andere Beiträge zitieren, um sie inhaltlich
zusammenführen.
Ja, danke. Leider ist das wohl so, denn durch das Anhängen bezieht sich
ein Posting zunächst mal auf das Posting, an dem es hängt.

Gruß Ralf Joerres
Stefan Ram
2020-01-19 21:28:34 UTC
Permalink
Post by Ralf Joerres
Was bedeutet für euch 'durchaus'?
Eine Bekräftigung, auch ein Ausräumen von Zweifeln.
Es kann auch eine zuvor gemachte, im Raume stehende negative
Aussage durch die entsprechende positive Aussage korrigieren.

"Sie haben heute nichts gegessen.", "Warum haben Sie heute
nichts gegessen?", "Haben Sie heute nichts gegessen?" -
"Ich habe heute durchaus gegessen!".

In einem der berühmtesten Texte unserer Sprache heißt es:

|Habe nun, ach! Philosophie,
|Juristerei und Medizin,
|Und leider auch Theologie
|Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.

. (Bei einer Übersetzung eines "durchaus" enthaltenden
Satzes in informelles Japanisch sollte man eine Beendigung
des Satzes mit "yo" in Erwägung ziehen.)
Ralf Joerres
2020-01-19 23:52:38 UTC
Permalink
Post by Ralf Joerres
Was bedeutet für euch 'durchaus'?
Eine Bekräftigung, auch ein Ausräumen von Zweifeln.
"Findest du die Frau da etwa hübsch?" "Durchaus, ja!"
Dann heißt es für Dich 'absolut / definitiv!' Für mich war das
bis jetzt immer mehr ein 'hübsch schon', bzw. in so einer Situation
noch eher ein 'jedenfalls würde ich lügen, wenn ich sagen würde, dass
ich sie ganz und gar unattraktiv finde', aber keine vorbehaltlose
100%-Zustimmung aus vollem Herzen.

In Deinem Beispiel sind allerdings die Rollen so vergeben, dass der
Fragende bezweifelt und der Antwortende fest dagegenhält. Würde ich
in dieser Stoßrichtung antworten, würde ich dafür nicht das auf mich
etwas unentschlossen wirkende 'durchaus' wählen, sondern mit
'ja na klar!' oder mit 'ja was denkst du denn!?' oder 'sag mal,
bist du blind??' bzw. 'findest du das etwa nicht?' jeden Zweifel
zurückweisen.

Schade, dass man hier keine Tonbeispiele beisteuern kann wie in WhatsApp
oder Googlemail, denn ich denke, so ein 'durchaus' wird auch in einem speziellen Tonfall gesprochen.

Gruß Ralf Joerres
Christina Kunze
2020-01-20 06:10:15 UTC
Permalink
Post by Ralf Joerres
Post by Ralf Joerres
Was bedeutet für euch 'durchaus'?
Eine Bekräftigung, auch ein Ausräumen von Zweifeln.
"Findest du die Frau da etwa hübsch?" "Durchaus, ja!"
Dann heißt es für Dich 'absolut / definitiv!' Für mich war das
bis jetzt immer mehr ein 'hübsch schon', bzw. in so einer Situation
noch eher ein 'jedenfalls würde ich lügen, wenn ich sagen würde, dass
ich sie ganz und gar unattraktiv finde', aber keine vorbehaltlose
100%-Zustimmung aus vollem Herzen.
Für mich kann "durchaus" da oben auch bedeuten: "Ja, schon, aber jetzt
nicht übermäßig."

chr
Bertel Lund Hansen
2020-01-20 07:02:22 UTC
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Post by Ralf Joerres
Was bedeutet für euch 'durchaus'?
Meine erste Assoziation war "komplett".

Auf Dänisch haben wir "helt igennem" (ganz durch) mit dieser
Bedeutung, und Englisch hat "through and through".
--
/Bertel - aus Dänemark
Florian Ritter
2020-01-22 19:28:47 UTC
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Post by Bertel Lund Hansen
Post by Ralf Joerres
Was bedeutet für euch 'durchaus'?
Meine erste Assoziation war "komplett".
Auf Dänisch haben wir "helt igennem" (ganz durch) mit dieser
Bedeutung, und Englisch hat "through and through".
Das Deutsche hat "durch und durch", wofür man auch "in der Wolle
gefärbt" oder "gepunzt" nehmen kann - FR

Ewald Pfau
2020-01-20 14:22:51 UTC
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Post by Ralf Joerres
Was bedeutet für euch 'durchaus'?
Die Frage nach Bedeutung irritiert mich bei der Vokabel - eher wird damit
ein Sinnzusammenhang performativ gelenkt werden, von der eigenen Bedeutung
her ist die Vokabel eher nichtssagend.

Gesprochenerweise hätte ich als Synonym in erster Linie ein affirmatives
wohl-wohl! auf dem Radar (mit unterschiedlich lautenden regionalen
Variationen). In zweiter Linie dann, wie das floskelhafte wohl, dieses, um
die Belastbarkeit einer Aussage abzuschwächen, wo ein Satz zuviel Biss
hätte, Linderung einzufügen, eine Hintertür offenhaltend, der Satz könnte
auch anders gemeint sein. Nun jenes dann nicht für den Ausweg, wie das wohl,
stattdessen eine Phänomenalität unterstreichend (irgendwie in der endlos
weiten Wüste von Phänomenen wühlend), sodass ein Satz nicht mehr garzu
unverblümt für sich selbst spricht - etwa, um zu die Brücke zu einem anderen
Satz zu schlagen. Oder auch nur eine Brücke zu sich selbst, in etwa synonym
dann mit dem wohl, wenn auch eine Spur konkreter in der Affirmation.

Als Brücke zu anderen Phänomenen ist es dann durchaus eher Schriftsprache -
sozusagen an der Stelle im Rekurs, dass eine Brücke gegeben sei, hin zum
Gegensatz von Wort und Schrift, wo es gerade alleine die Vokabel selbst war.
Post by Ralf Joerres
Ergänzend möchte ich hervorheben, dass mich überhaupt nicht interessiert,
was man so in Wörterbüchern und dergleichen finden kann; ich würde gerne
wissen, in welchem Sinne ihr dieses Wort benutzt.
Drei Versuche anbei (wenn ich wohl richtig gezählt habe, durchaus
vielleicht).

Bin mir jetzt unschlüssig, ob das umfassend übersetzt wäre, wenn dafür ein
bien sûr, probablement bzw. sure, probably gesetzt wäre (für weiteres
Schweifen stoße ich dann rasch an Grenzen).
Ralf Joerres
2020-01-20 15:17:13 UTC
Permalink
Post by Ewald Pfau
Post by Ralf Joerres
Was bedeutet für euch 'durchaus'?
Ergänzend möchte ich hervorheben, dass mich überhaupt nicht interessiert,
was man so in Wörterbüchern und dergleichen finden kann; ich würde gerne
wissen, in welchem Sinne ihr dieses Wort benutzt.
Drei Versuche anbei (wenn ich wohl richtig gezählt habe, durchaus
vielleicht).
Bin mir jetzt unschlüssig, ob das umfassend übersetzt wäre, wenn dafür ein
bien sûr, probablement bzw. sure, probably gesetzt wäre (für weiteres
Schweifen stoße ich dann rasch an Grenzen).
Ich weiß es fürs Englische gar nicht und für Französisch tippe ich mal auf
'bien' als Zurückweisung einer gegenteiligen Aussage: Il a bien dit cela =
er hat es sehr wohl gesagt. <<Bien sûr>> stelle ich mir mehr in Richtung
'sicherlich' vor, auch eher als Antwort; Tu viens? - Bien sûr. 'Probable-
ment' heißt einfach nur 'wahrscheinlich'. Wie dieses 'durchaus'
wiederzugeben wäre? Vielleicht hier und da als 'c'est (pourtant) vrai (que)'.

Gruß Ralf Joerres
Ralf Joerres
2020-01-20 15:26:16 UTC
Permalink
Post by Ewald Pfau
Post by Ralf Joerres
Was bedeutet für euch 'durchaus'?
Die Frage nach Bedeutung irritiert mich bei der Vokabel - eher wird damit
ein Sinnzusammenhang performativ gelenkt werden, von der eigenen Bedeutung
her ist die Vokabel eher nichtssagend.
Gesprochenerweise hätte ich als Synonym in erster Linie ein affirmatives
wohl-wohl! auf dem Radar (mit unterschiedlich lautenden regionalen
Variationen). In zweiter Linie dann, wie das floskelhafte wohl, dieses, um
die Belastbarkeit einer Aussage abzuschwächen, wo ein Satz zuviel Biss
hätte, Linderung einzufügen, eine Hintertür offenhaltend, der Satz könnte
auch anders gemeint sein. Nun jenes dann nicht für den Ausweg, wie das wohl,
stattdessen eine Phänomenalität unterstreichend (irgendwie in der endlos
weiten Wüste von Phänomenen wühlend), sodass ein Satz nicht mehr garzu
unverblümt für sich selbst spricht - etwa, um zu die Brücke zu einem anderen
Satz zu schlagen. Oder auch nur eine Brücke zu sich selbst, in etwa synonym
dann mit dem wohl, wenn auch eine Spur konkreter in der Affirmation.
Das bewegt sich zum Teil in der Richtung meiner Vermutungen: Der Satz wird
ausgesprochen, sogar bestätigt, aber zugleich wird unterschwellig mitgeteilt,
dass es einen Kontext geben kann, in Zusammenhang mit dem der Satz anders
bewertet werden kann als dem reinen Wortlaut nach. Ein 'wohl' ist demgegen-
über viel vager, das sehe ich ebenso.

Gruß Ralf Joerres
Karl-Heinz Rekittke
2020-01-22 12:21:38 UTC
Permalink
Post by Ralf Joerres
Was bedeutet für euch 'durchaus'?
Ergänzend möchte ich hervorheben, dass mich überhaupt nicht interessiert,
was man so in Wörterbüchern und dergleichen finden kann; ich würde gerne
wissen, in welchem Sinne ihr dieses Wort benutzt.
Ich liebe die Berge, aber durchaus würde ich auch gerne mit euch zum
Meer mitfahren = Eigentlich möchte ich lieber in die Berge, aber
wichtiger ist mir eure Begleitung.
--
Gruß
Kalle
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