Post by Frank BügelPost by Franz ConradiUnd wenn du schon das Problem "der Säuberung durch Massenmorde in der
Menschheitsgeschichte" anschneidest, gibt es noch mehr Gründe dafür, an
diese Massenmorde immer wieder zu erinnern, damit diese gräßliche Gewohnheit
für alle Zeiten jetzt endlich einmal geächtet wird.
Geächtet mag das immer sein. Nur wird das Phänomen nicht verschwinden, weil
"die Zivilisation" des Menschen bekanntlich nur eine "dünne Decke" ist.
Hallo Frank,
Dein letzter Halbsatz stimmt.
Jedoch:
"Unter Psychologen herrscht heute weitgehende Einigkeit darüber, wie
ganz normale Leute in totalitären Staaten oder unter Kriegsbedingungen
zu brutalen Tätern werden. Weder eine antisoziale Persönlichkeitsstörung
noch persönlicher Sadismus sind dafür notwendig - _Druck_von_oben_ und
eine _Stresssituation_ können aus der _Mehrheit_ der Menschen
erbarmungslose Peiniger machen. Die _Singularitaet_des_Holocaust_
allerdings können Wissenschaftler mit solchen Studien nicht erklären -
sie machen zwar deutlich, wie einfach es sein kann, Menschen zur
Ausführung von Greueltaten zu bewegen, nicht aber, wie eine auf
Völkermord ausgerichtete *Ideologie* überhaupt
_entstehen_und_sich_durchsetzen_ kann."
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,541023,00.html
[Gleicher Artikel, zum Stanford-Gefängnis-Experiment von Philip
Zimbardo, 1971]
"Da es für die "Wärter" _keine_expliziten_Regeln_ gab, entwickelten sie
eigene Unterdrückungsmethoden, um die "Gefangenen" gefügig zu machen."
"Den Folterskandal von Abu Ghureib bezeichnete Zimbardo vor einiger Zeit
in einem offenen Brief als logische Folge des *Krieges*. Wesentliche
Faktoren seien Anonymität und Verlust der Individualität,
Entmenschlichung, Geheimhaltung, Diffusion von Verantwortung, soziale
Vorbilder, starke Machtgefälle, Frustration, Rachegefühle,
Autoritätshörigkeit und mangelnde Überwachung, die ein Gefühl des
"laissez-faire" erzeuge."
Um konkret auf Deine oben zitierte Aussage einzugehen:
Menschenrechtsverletzungen "moegen" nicht nur, sondern *muessen*
geächtet sein. Die uns innewohnenden Instinkte *moegen* die dünne Decke
der Zivilisation immer wieder bedrohen. Aber Menschen mit fest
verinnerlichten Grundwerten haben das Potential, ihnen zu widerstehen.
Die Geschichte ist nicht nur voll von Beispielen für entsetzliche
Zivilisationsbrüche, sondern brachte sehr wohl auch Menschen mit festen
Grundüberzeugungen hervor, die selbst in extremen Stressituationen und
gegenüber hohen Vorgesetzten tapfer standhielten:
Natürlich hatte der Widerspruch Folgen:
http://youtu.be/VN6h8hzQEAU
Aber er *kam* - und nur das zählt.
Daß der hier dargestellte General Mirabeau (im realen Leben hieß er
Réveilhac) tatsächlich befohlen haben soll, mit Kanonen auf die eigenen
Leute zu schießen, war bei der echten "Affaire des caporaux de Souain"
Gegenstand einer Zeugenaussage (Übersetzung siehe Signatur):
"Plus tard, le bombardement des tranchées françaises fera l'objet d'une
polémique, à la suite d'un témoignage: le général Réveilhac, qui avait
ordonné l'attaque, aurait demandé à l'artillerie de pilonner les
positions françaises pour obliger les soldats à sortir de leurs tranchées."
Zu meiner großen Freude hat aber auch der mutige Artillerieoberst
Rousseau real existiert; sein echter Name war Bérubé:
"Officier montrant un total mépris de la vie de ses hommes, en février
1915, il [Anmerkung: General Réveilhac) donne l'ordre à l'artillerie de
tirer sur une tranchée française. *Fort* *heureusement*, le colonel
d'artillerie Bérubé *refuse* d'obéir sans un ordre écrit."
http://fr.wikipedia.org/wiki/Affaire_des_caporaux_de_Souain
Um nun ein letztes Mal auf Deine oben zitierte Aussage zurückzukommen:
Ich denke, das "Phänomen" würde uns alle noch viel umfassender
heimsuchen, wenn es keine Bérubés mehr gäbe in dieser Welt.
Es spricht Bände, daß die Erinnerung an die Bérubés nicht mal
ansatzweise so sorgsam bewahrt wird, wie die an die zahllosen
Menschenrechtsverletzer, welche dadurch auch posthum soviel
Aufmerksamkeit erfahren, daß es sie und ihre Taten unsterblich macht.
(Kann es sein, daß das manchmal auch Dein Reden ist?)
Bérubé hingegen ist vermutlich auch in Frankreich kaum jemand ein
Begriff (wenn überhaupt), obwohl gerade sein Verhalten doch zumindest
vom wissenschaftlichen Standpunkt her hochinteressant war, da krass von
dem (von der Mehrheit) zu erwartenden *abwich*.
Was, denkst Du, mag bei jemand wie Bérubé *anders* gelaufen sein, als
beim Maintream, wie die Wissenschaft ihn in obigem Zitat so düster
darstellt? Ließe sich *das* nicht nur herauskristallisieren, sondern
künftigen Generationen von Kindesbeinen an "einimpfen" - wäre das nicht
ein Hoffnungsschimmer, daß das "Phänomen" irgendwann doch noch verschwindet?
--
Liebe Grüße
Monika
"Später wurde die Bombardierung der französischen Stellungen Gegenstand
einer Debatte, infolge einer Zeugenaussage: der General Réveilhac, der
die Bombardierung angeordnet hatte, hätte die Artillerie angewiesen, die
französischen Stellungen zu zertrümmern, um die Soldaten zum Verlassen
ihrer Schützengräben zu zwingen."
"Als Offizier, der für das Leben seiner Männer völlige Verachtung
zeigte, gab er [Anmerkung: General Réveilhac] im Februar 1915 der
Artillerrie den Befehl, auf einen französischen Schützengraben zu
feuern. *Sehr* *gluecklicherweise* lehnte Artillerieoberst Bérubé es ab,
ohne schriftlichen Befehl zu gehorchen."