Post by Heinz Lohmann[...]
Bischof – Bischöfe ?
[ˈbɪʃɔf] und [ˈbɪʃoːf]
[ˈbɪʃœfə], [ˈbɪʃøːfə]
Siebs hat von diesen Varianten die Aussprache [ˈbɪʃoːf] nicht. Meiner
Ansicht nach zu Recht: sie kommt mir so unnatürlich vor, dass es mir
sicher aufgefallen wäre, hätte ich sie mal irgendwo gehört.
Die Aussprache [ˈbɪʃœfə] ist denkbar; ich würde sie aber eher auf das
Konto der im parallelen Thread verhandelten umgangssprachlichen Öffnung
kurzer weil unbetonter Vokale buchen als auf einen genuin offenen Vokal.
Kriterium dafür wäre, dass die geschlossene kurze Form, also [ˈbɪʃøfə],
nicht ungewöhnlich klingt.
Post by Heinz LohmannPost by Stefan RamTatsächlich findet man die Aussprache mit langem "ä" im Norden (dort
allerdings dann eher mit langem [e:]!) und bei beruflichen Sprechern.
Sonst meist das kurze [E].
Es ist eine N-deutsche Eigenart wie Kritiek, schohn, Bahrsch, Stähdte,
Tietel, Huhsten, gehaabt, giebt, ehrst, ... die von Siebs übernommen
wurde. Aber so weit wollte er doch nicht gehen, auch noch die N-deutsche
Marotte vorzuschreiben, zwischen langem ä und e nicht zu unterscheiden.
(Dann würde ja der künstliche Unterschied Arrzbischof – Ehrzgebirge,
Repplaus – Reebsorte, Stätte – Stähdte unglaubwürdig, wenn die
Unterschiede Ähre – Ehre, Bären – Beeren unter den Tisch fielen.)
Was meinst du mit diesen "künstlichen" Unterschieden?
Das kann ich jetzt nicht so richtig einordnen.
Siebs scheint es geliebt zu haben, Homophone in der Aussprache zu
unterscheiden, oft mit etymologischem Hintergrund. Das kurze [ɛ] nicht nur
in „Stätte“, „Erzbischof“, „Reblaus“ muss verschieden von den langen
Vokalen [ɛː] in „Städte“ und [eː] in „Erzbischof“ und „Reblaus“ sein,
damit man die verschiedenen Wortwurzeln in der Aussprache hört. Wie die
Leute tatsächlich sprechen, darauf kommts nicht an. Diesem Ziel der
Unterscheidung um der Unterscheidung willen hätte die Verwischung des
Unterschieds [ɛː] und [eː], wie er in N-Dld oft vorkommt, nicht gedient.
Insofern ist das Paar „Stadt/Statt“ hier durchaus als Beispiel am Platz:
wer dekretiert, dass „Städte“ mit langem Vokal gesprochen werden soll,
damit man es von „Stätte“ unterscheiden kann, hätte folgerichtigerweise
auch „Stadt“ mit langem Vokal vorsehen können oder müssen, damit man es
von „Statt“ unterscheiden kann. Gut, dann hätte es einen Gleichklang mit
„Staat“ gegeben.
Ich mag generell Sprachregeln nicht, die aufgrund einzelner Beispiele
erfunden werden. Am ehesten geht das noch bei der Schreibung (z.B. „fiel“
anders als „viel“), aber bei Aussprache und Grammatik sollte man sich nach
der tatsächlich gesprochenen Sprache richten und nicht nach in diesem
Sinne künstlichen Unterscheidungen.
Post by Heinz LohmannMeinst du die norddeutsche Gewohnheit, statt Kääse Keese zu sagen?
Die ist dort natürlich gewachsen und nicht künstlich. Da sie Homophone
erzeugt und nicht beseitigt, passt sie nicht ins Siebssche Konzept und ist
verworfen worden. Ob *nur* deswegen oder auch weil das Keese-Gebiet im
Vergleich zum deutschen Sprachraum zu klein ist, weiß ich nicht.
--
Helmut Richter