Discussion:
Fristlose Kündigung trotz gerichtlichen Vergleichs?
(zu alt für eine Antwort)
t***@gmail.com
2017-01-28 15:25:40 UTC
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Angenommen, einem Arbeitnehmer wird zunächst arbeitgeberseitig ordentlich gekündigt. Er klagt dagegen und es kommt zu einem gerichtlichen Vergleich. Laut diesem ist er für die restliche Kündigungsfrist freigestellt und bekommt in dieser Zeit das Gehalt und am Ende noch eine Abfindung dazu.

Nun ergibt sich jedoch ein Grund, aus dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer fristlos kündigen möchte. (Er ist zufällig seinem Noch-Chef begegnet und hat sich etwas im Ton vergriffen...)
Ist das noch möglich? Oder geht der Vergleich auf jeden Fall vor? Und was ist mit der Abfindung?
Stefan Schmitz
2017-01-28 15:41:08 UTC
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Post by t***@gmail.com
Angenommen, einem Arbeitnehmer wird zunächst arbeitgeberseitig ordentlich gekündigt. Er klagt dagegen und es kommt zu einem gerichtlichen Vergleich. Laut diesem ist er für die restliche Kündigungsfrist freigestellt und bekommt in dieser Zeit das Gehalt und am Ende noch eine Abfindung dazu.
Nun ergibt sich jedoch ein Grund, aus dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer fristlos kündigen möchte. (Er ist zufällig seinem Noch-Chef begegnet und hat sich etwas im Ton vergriffen...)
Ist das noch möglich? Oder geht der Vergleich auf jeden Fall vor? Und was ist mit der Abfindung?
Ein gerichtlicher Vergleich kann wie ein Urteil vollstreckt werden. Wenn der
AG sich davon lösen will, muss er das Gericht davon überzeugen, ihn außer Kraft
zu setzen.

Im übrigen sehe ich bei jemandem, der eh schon freigestellt ist, in einer
Beleidigung keinen Grund für eine fristlose Kündigung. Dafür müsste ja das
Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses unzumutbar sein.
Kathinka Wenz
2017-01-28 16:23:20 UTC
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Post by Stefan Schmitz
Ein gerichtlicher Vergleich kann wie ein Urteil vollstreckt werden. Wenn der
AG sich davon lösen will, muss er das Gericht davon überzeugen, ihn außer Kraft
zu setzen.
Hm, schon, aber die neue Kündigung hat mit der alten ja nichts zu tun. Es
ist ein neuer Grund.

Zumindest weiß ich sicher, dass wenn jemand gekündigt wurde und erfolgreich
dagegen klagt, hilft ihm das nichts bei einer zweiten Kündigung, die sofort
im Anschluss ausgesprochen wird. Diese zweite Kündigung muss nur einen
anderen Grund haben als die erste. Das ist hier ja gegeben.

Warum sollte es anders sein, wenn man sich vor Gericht vergleicht?
Post by Stefan Schmitz
Im übrigen sehe ich bei jemandem, der eh schon freigestellt ist, in einer
Beleidigung keinen Grund für eine fristlose Kündigung. Dafür müsste ja das
Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses unzumutbar sein.
Das dagegen klingt logisch. Was aber nichts daran ändert, dass die zweite
Kündigung erst mal ausgesprochen ist und damit auch gilt, es muss dann also
wieder dagegen geklagt werden. Kann durchaus sein, dass das Gericht sie mit
dieser Argumentation aufhebt, aber ohne gerichtlichen Einspruch gilt sie
erst mal.

Gruß, Kathinka
Andreas Bockelmann
2017-01-28 17:15:41 UTC
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Post by Kathinka Wenz
Post by Stefan Schmitz
Ein gerichtlicher Vergleich kann wie ein Urteil vollstreckt werden.
Wenn der AG sich davon lösen will, muss er das Gericht davon
überzeugen, ihn außer Kraft zu setzen.
Hm, schon, aber die neue Kündigung hat mit der alten ja nichts zu tun.
Es ist ein neuer Grund.
Zumindest weiß ich sicher, dass wenn jemand gekündigt wurde und
erfolgreich dagegen klagt, hilft ihm das nichts bei einer zweiten
Kündigung, die sofort im Anschluss ausgesprochen wird. Diese zweite
Kündigung muss nur einen anderen Grund haben als die erste. Das ist hier
ja gegeben.
Warum sollte es anders sein, wenn man sich vor Gericht vergleicht?
Post by Stefan Schmitz
Im übrigen sehe ich bei jemandem, der eh schon freigestellt ist, in
einer Beleidigung keinen Grund für eine fristlose Kündigung. Dafür
müsste ja das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses unzumutbar sein.
Das dagegen klingt logisch. Was aber nichts daran ändert, dass die
zweite Kündigung erst mal ausgesprochen ist und damit auch gilt, es muss
dann also wieder dagegen geklagt werden. Kann durchaus sein, dass das
Gericht sie mit dieser Argumentation aufhebt, aber ohne gerichtlichen
Einspruch gilt sie erst mal.
IANAL, aber vor zig Jahren Arbeitsrecht im Studium belegen müssen und daher
meine Neugierde:
Hebt die fristlose Kündigung die Verpflichtungen des AG aus dem oben
genannten Vergleich auf oder müsste der AG im Rahmen der fristlosen
Kündigung diesen Vergleich explizit anfechten/aufheben lassen.

Ich vermute mal ganz laienhaft, dass es dem AG in erster Linie gar nicht um
die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses geht, sondern darum, dass er aus
den Verpflichtungen aus dem Vergleich herauskommt.
--
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Bockelmann
F/V +49-3221-1143516
t***@gmail.com
2017-01-29 09:08:57 UTC
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Post by Andreas Bockelmann
Ich vermute mal ganz laienhaft, dass es dem AG in erster Linie gar nicht um
die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses geht, sondern darum, dass er aus
den Verpflichtungen aus dem Vergleich herauskommt.
--
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Bockelmann
F/V +49-3221-1143516
Genau so ist es, es geht um die Abfindung. Um die Frage auf die Spitze zu treiben, könnte man sogar fragen, was passiert, wenn die fristlose Kündigung exakt am letzten Arbeitstag zugestellt wird.
Rupert Haselbeck
2017-01-28 16:40:06 UTC
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Post by t***@gmail.com
Angenommen, einem Arbeitnehmer wird zunächst arbeitgeberseitig ordentlich
gekündigt. Er klagt dagegen und es kommt zu einem gerichtlichen Vergleich.
Laut diesem ist er für die restliche Kündigungsfrist freigestellt und
bekommt in dieser Zeit das Gehalt und am Ende noch eine Abfindung dazu.
Nun ergibt sich jedoch ein Grund, aus dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer
fristlos kündigen möchte. (Er ist zufällig seinem Noch-Chef begegnet und
hat sich etwas im Ton vergriffen...) Ist das noch möglich? Oder geht der
Vergleich auf jeden Fall vor? Und was ist mit der Abfindung?
Der Vergleich regelt lediglich die Rechtsfolgen der Kündigung, welche im
Streit befangen war (solange nicht etwa weitere Regelungen dort getroffen
werden). Er regelt keineswegs alle denkbaren Rechtsverhältnisse oder alle
denkbaren Rechtsfolgen aus anderen Vorgängen.
So ist es durchaus möglich, dass einer ordentlichen Kündigung, wie in deinem
Beispiel, eine ausserordentliche Kündigung folgt. Diese kann, so ein dafür
geeigneter Grund vorliegt, das Arbeitsverhältnis dann auch mit sofortiger
Wirkung beenden.

MfG
Rupert
t***@gmail.com
2017-01-29 09:06:57 UTC
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Post by Rupert Haselbeck
Der Vergleich regelt lediglich die Rechtsfolgen der Kündigung, welche im
Streit befangen war (solange nicht etwa weitere Regelungen dort getroffen
werden). Er regelt keineswegs alle denkbaren Rechtsverhältnisse oder alle
denkbaren Rechtsfolgen aus anderen Vorgängen.
So ist es durchaus möglich, dass einer ordentlichen Kündigung, wie in deinem
Beispiel, eine ausserordentliche Kündigung folgt. Diese kann, so ein dafür
geeigneter Grund vorliegt, das Arbeitsverhältnis dann auch mit sofortiger
Wirkung beenden.
MfG
Rupert
IANAL, aber könnte eine solche Regelung nicht eben dazu führen, dass keine fristlose Kündigungsmöglichkeit mehr besteht?
Rupert Haselbeck
2017-01-29 10:40:06 UTC
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Post by t***@gmail.com
IANAL, aber könnte eine solche Regelung nicht eben dazu führen, dass keine
fristlose Kündigungsmöglichkeit mehr besteht?
Es würde wohl dazu führen können, wenn man es ausdrücklich so vereinbart.
Aber wer wäre wohl dazu bereit, angesichts eines bereits stark belasteten
Verhältnisses so weitgehend auf seine Rechte zu verzichten?
Die fristlose Kündigung ist hier schliesslich die ultima ratio, welche
ohnehin nur bei derart massiven Pflichtverletzungen des Vertragspartners
greift, dass ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zumutbar ist.
Schon ganz ohne tiefschürfende juristische Erwägungen sollte doch eigentlich
jedem Menschen klar sein, dass man gegenüber seinem Vertragspartner
zumindest die grundlegenden Regeln des menschlichen Miteinander zu wahren
hat. Man muss sich ja nicht lieben, aber man hat sich gegenseitig mit
Respekt, unter Wahrung der eigentlich doch selbstverständlichen Regeln von
Höflichkeit und Anstand zu behandeln. Das gilt umso mehr, wenn das
Verhältnis bereits belastet ist, wenn man bereits in einer gerichtlichen
Auseinandersetzung steht oder stand. Wer sich dann auch noch gegenüber
seinem Vertragspartner "im Ton vergriffen hat", wird sich wohl nicht wundern
dürfen, wenn das zum Anlass für eine sofortige Beendigung des
Vertragsverhältnisses wird.

MfG
Rupert
t***@gmail.com
2017-01-29 14:07:29 UTC
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Post by Rupert Haselbeck
Es würde wohl dazu führen können, wenn man es ausdrücklich so vereinbart.
Aber wer wäre wohl dazu bereit, angesichts eines bereits stark belasteten
Verhältnisses so weitgehend auf seine Rechte zu verzichten?
Die fristlose Kündigung ist hier schliesslich die ultima ratio, welche
ohnehin nur bei derart massiven Pflichtverletzungen des Vertragspartners
greift, dass ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zumutbar ist.
Schon ganz ohne tiefschürfende juristische Erwägungen sollte doch eigentlich
jedem Menschen klar sein, dass man gegenüber seinem Vertragspartner
zumindest die grundlegenden Regeln des menschlichen Miteinander zu wahren
hat. Man muss sich ja nicht lieben, aber man hat sich gegenseitig mit
Respekt, unter Wahrung der eigentlich doch selbstverständlichen Regeln von
Höflichkeit und Anstand zu behandeln. Das gilt umso mehr, wenn das
Verhältnis bereits belastet ist, wenn man bereits in einer gerichtlichen
Auseinandersetzung steht oder stand. Wer sich dann auch noch gegenüber
seinem Vertragspartner "im Ton vergriffen hat", wird sich wohl nicht wundern
dürfen, wenn das zum Anlass für eine sofortige Beendigung des
Vertragsverhältnisses wird.
MfG
Rupert
Das klingt natürlich plausibel, auch wenn das im Einzelfall wieder schwierig
sein kann. Im vorliegenden Fall ist wohl der AN nach einer hämischen Bemerkung
seines Chefs ausgerastet und es kam zu einem heftigen Wortwechel und einer
kurzen Rangelei. Dummerweise ist das auch noch bei einer Jobbörse passiert
und hat sich ziemlich rumgesprochen...

Wie auch immer, hier geht es ohnehin nur um die Abfindung, weil der
Arbeitsvertrag so oder so bald endet. Im Extremfall würde sogar die Zustellung
der fristlosen Kündigung am ohnehin letzten Arbeitstag erfolgen.
Wäre dann noch eine Abfindung zu zahlen? Immerhin gilt ja auch die erste
Kündigung und damit der Vergleich nach wie vor.
Matthias Frank
2017-01-31 07:37:57 UTC
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Post by t***@gmail.com
Wie auch immer, hier geht es ohnehin nur um die Abfindung, weil der
Arbeitsvertrag so oder so bald endet. Im Extremfall würde sogar die Zustellung
der fristlosen Kündigung am ohnehin letzten Arbeitstag erfolgen.
Wäre dann noch eine Abfindung zu zahlen? Immerhin gilt ja auch die erste
Kündigung und damit der Vergleich nach wie vor.
Der Grund f+r eine fristlose Kündigung ist üblicherweise, dass es dem
AG nicht mehr zumutbar ist mit dem AN zusammen zu arbeiten. Z.b. weil
das Vertrauensverhältnis schwer gestört ist. Klassischer Fall Diebstahl,
körperliche Bedrohung.

Hier hat der AN aber gar keine Arbeitspflicht mehr, gerade wenn dann
auch noch am letzten Tag gekündigt würde . Ich würde deshalb
eher davon ausgehen, dass die Abfindung aus dem Vergleich trotzdem
zu zahlen ist.

Der AG wird aber wahrscheinlich nicht zahlen und dann muss man entweder
den Gerichtsvollzieher schicken oder man sieht sich wieder vor Gericht.
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