Discussion:
Schweizerdeutsch SRF
(zu alt für eine Antwort)
Heinz Lohmann
2017-06-18 04:00:56 UTC
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In letzter Zeit habe ich ein paar Dokus von SRF gesehen. Da wird
fröhlich und flexibel zwischen Hochdeutsch und Schweizerdeutsch gewechselt.
Besonders häufig wird Schweizerdeutsch von den Moderatoren, aber auch
von einheimischen Interviewpartnern gebraucht. Ehrlich gesagt, da muss
ich mich mächtig konzentrieren und einhören, und ich würde mir manchmal
hochdeutsche Untertitel wünschen, weil ich es manchmal einfach nicht
verstehe.

Meine Fragen:
1. Gibt es eine Art Standard-Schweizerdeutsch, das in Fernsehen und
Radio bevorzugt gesprochen wird?

2. Haben Schweizer bei solchen Sendungen auch manchmal Schwierigkeiten,
die Interviewpartner zu verstehen.

Wikipedia schreibt beispielsweise:
"Das deutsch-alemannische Dialektkontinuum in der Schweiz besteht aus
Hunderten von Deutschschweizer Mundarten. Die starke topografische
Kammerung der Schweiz und die relativ geringe Mobilität bis zu Beginn
des 20. Jahrhunderts haben dazu geführt, dass sich die Ortsdialekte zum
Teil sehr stark voneinander unterscheiden, so dass sogar die
Deutschschweizer untereinander Verständigungsprobleme haben können. So
haben Deutschschweizer aus dem «Unterland» oft Mühe, höchstalemannische
Dialekte – etwa Walliserdeutsch – zu verstehen."
https://de.wikipedia.org/wiki/Schweizerdeutsch

Deshalb auch Frage 3:
An welchen Dialekt sollte man sich als Ausländer in erster Linie gewöhnen?
--
mfg
Heinz Lohmann
Tamsui, Taiwan

Gedanken sind nicht stets parat,
man schreibt auch, wenn man keine hat. W.B.
Sergio Gatti
2017-06-18 06:15:21 UTC
Permalink
Post by Heinz Lohmann
An welchen Dialekt sollte man sich als Ausländer in erster
Linie gewöhnen?
Ich nehme an, dass du "als Ausländer, der in die
deutschsprachge Schweiz übersiedeln will oder (meist
beruflich) muss," meinst.

Dann soll er sich an die Aussprache halten, die er in
SRF-Sendungen hört. Übrigens, 3SAT sendet die Schweizer
Nachrichtensendung "10 vor 10" _mit_ Untertiteln, wenn
Schweizer, selbst Politiker, interviewt werden. Ich weiß
aber nicht, ob die Untertitelung bei 3SAT hinzugefügt wird
oder schon unter www.srf.ch vorhanden ist. Die Sendung
kannst du unter www.3sat.de nur live anschauen, wenn
überhaupt, ca. um 00.00-01.00 UHR MEZ.

Alle anderen Ausländer, die Deutsch lernen wollen oder
müssen, sollen lieber zuerst Hochdeutsch lernen. Das ist
schon schwer genug, zumal für "deine" Taiwanesen. Außerdem
arbeiten viele Deutsche in der Schweiz.

Wenn dann ein Ausländer mehrere Jahre in der Schweiz lebt,
wird er sich allmählich an den Ortsdialekt gewöhnen, egal ob
er in Basel oder Zermatt lebt.
Andreas Karrer
2017-06-20 00:43:42 UTC
Permalink
Post by Sergio Gatti
SRF-Sendungen hört. Übrigens, 3SAT sendet die Schweizer
Nachrichtensendung "10 vor 10" _mit_ Untertiteln, wenn
Schweizer, selbst Politiker, interviewt werden. Ich weiß
aber nicht, ob die Untertitelung bei 3SAT hinzugefügt wird
oder schon unter www.srf.ch vorhanden ist.
Die Untertitel werden erst für die Ausstrahlung bei 3sat hinzugefügt.

Bei 10vor10 ist es merkwürdig, d.h. Moderation, Nachrichten,
Kommentare, Off-Ton sind auf Hochdeutsch, aber Interviews sind auf
Schweizerdeutsch, auch Gespräche mit Gästen im Studio. Auch mit
Politikern, Behördenvertretern oder beispielsweise Schriftstellern.
Das wirkte zu Anfang gewöhnungsbedürftig -- Tagesschau oder
Nachrichtensendungen im Radio sind sonst rein Hochdeutsch.

- Andi
Heinz Lohmann
2017-06-20 01:18:37 UTC
Permalink
Post by Andreas Karrer
Bei 10vor10 ist es merkwürdig, d.h. Moderation, Nachrichten,
Kommentare, Off-Ton sind auf Hochdeutsch, aber Interviews sind auf
Schweizerdeutsch, auch Gespräche mit Gästen im Studio. Auch mit
Politikern, Behördenvertretern oder beispielsweise Schriftstellern.
Das wirkte zu Anfang gewöhnungsbedürftig -- Tagesschau oder
Nachrichtensendungen im Radio sind sonst rein Hochdeutsch.
Warum machen die Schweizer das so? Dafür muss es doch einen Grund geben.
--
mfg
Heinz Lohmann
Tamsui, Taiwan

Gedanken sind nicht stets parat,
man schreibt auch, wenn man keine hat. W.B.
Andreas Karrer
2017-06-20 08:51:23 UTC
Permalink
Post by Heinz Lohmann
Post by Andreas Karrer
Bei 10vor10 ist es merkwürdig, d.h. Moderation, Nachrichten,
Kommentare, Off-Ton sind auf Hochdeutsch, aber Interviews sind auf
Schweizerdeutsch, auch Gespräche mit Gästen im Studio. Auch mit
Politikern, Behördenvertretern oder beispielsweise Schriftstellern.
Das wirkte zu Anfang gewöhnungsbedürftig -- Tagesschau oder
Nachrichtensendungen im Radio sind sonst rein Hochdeutsch.
Warum machen die Schweizer das so? Dafür muss es doch einen Grund geben.
Weil es ihnen leichter fällt. Hochdeutschsprechen ist mühsam. Es ist
besonders für Norddeutsche vielleicht schwer zu glauben, aber in der
CH wird so gut wie immer Dialekt gesprochen. Dialektsprechen ist kein
soziales Stigma. Bank-CEOs sprechen Dialekt, Bundesräte sprechen
Dialekt, Universitätsrektoren sprechen Dialekt -- zugegebenermassen
einen gepflegteren als der Lkw-Fahrer.

Wenn zwei Deutschschweizer miteinander sprechen, tun sie das immer im
Dialekt. Deutsche fragt man, ob sie Dialekt verstehen; wenn nicht,
spricht man hochdeutsch. Aber wenn in einer Gruppe von 4 oder mehr nur
einer Deutscher ist, werden die anderen sehr bald in den Dialekt
verfallen.

Das führt dazu, dass die meisten Deutschschweizer sehr wenig Übung im
aktiven Sprechen des Hochdeutschen haben -- verstehen tun sie's schon.
In der gestrigen 10-vor-10-Ausgabe hat z.B. ein hochdeutschsprechender
Reporter (vermutlich Deutscher) zwei Polizeibeamte im Streifenwagen
begleitet, der Reporter fragt auf Hochdeutsch, die Polizeier sprechen
munter Dialekt. Vgl. auch
<news:slrnnv20dm.bla.ak-***@chimborazo.ee.ethz.ch>

Hochdeutsch gesprochen wird fast nur, wenn angenommen wird, dass der
Angesprochene Schweizerdeutsch nicht versteht, ausserdem bei
kulturellen und bei offiziellen Anlässen.

Die Nachrichten im Radio und die Tagesschau im Fernsehen waren, als
diese Dinge aufkamen, solche offiziellen Anlässe. Nun sind sie es
schon eine Weile nicht mehr; deshalb werden die lockereren
Teile (Wetter, Sport) oft in der Mundart gesprochen. Eine Ausnahme ist
DRS2/Kulturradio, dort wird grundsätzlich Hochdeutsch gesprochen,
auch, wenn zwei Deutschschweizer locker miteinander plaudern.

Im Parlament in Bern wird hochdeutsch gesprochen, weil da ja auch
Vertreter der fr und it Schweiz sitzen. In den Kantonsparlamenten auch,
aber beispielsweise im Zürcher Stadtparlament wird im Dialekt
parliert.

- Andi
Roman Racine
2017-06-20 08:56:47 UTC
Permalink
Post by Andreas Karrer
Hochdeutsch gesprochen wird fast nur, wenn angenommen wird, dass der
Angesprochene Schweizerdeutsch nicht versteht, ausserdem bei
kulturellen und bei offiziellen Anlässen.
Im Wesentlichen dann, wenn sie Leute anderer Sprachregionen involvieren und
dann, wenn der Redetext schriftlich vorbereitet und abgelesen wird. Ein
Politiker oder ein Anwalt wird typischerweise den vorbereiteten Schriftsatz
auf Hochdeutsch ablesen, die sich daraus ergebende Debatte wird dann auf
Schweizerdeutsch geführt.

Gruss

Roman°
U***@web.de
2017-06-20 10:57:34 UTC
Permalink
Moin,
Post by Andreas Karrer
Hochdeutsch gesprochen wird fast nur, wenn angenommen wird, dass der
Angesprochene Schweizerdeutsch nicht versteht
Aber auch, was ich zum Glück selbst nicht vom Polizeier
zu hören bekam, ist als Hochdeutsch gemeint, aber längst kein
Standardschriftdeutsch:

"Ikh muss Sie leider bü(ü)ssen!"

Gruß, ULF
Juergen Barsuhn
2017-06-20 19:21:14 UTC
Permalink
Post by U***@web.de
Moin,
Post by Andreas Karrer
Hochdeutsch gesprochen wird fast nur, wenn angenommen wird, dass der
Angesprochene Schweizerdeutsch nicht versteht
Aber auch, was ich zum Glück selbst nicht vom Polizeier
zu hören bekam, ist als Hochdeutsch gemeint, aber längst kein
"Ikh muss Sie leider bü(ü)ssen!"
Vor Jahren habe ich in der Zürcher Zeitung über Autofahrer, die eine
verbotene Abkürzung genommen hatten, gelesen: Sie wurden empfindlich
gebüsst.

Hochdeutsch bedeutet nicht die Abwesenheit von Wörtern, die sonst im
deutschen Sprachraum nicht üblich sind: Hier also das üblicherweise
intransitive Verb büßen in transitiver Verwendung.

Soweit ich mich erinnere, wurde auch kein ß benutzt, sondern ss

Gruß
Jürgen
Martin Gerdes
2017-06-21 04:43:45 UTC
Permalink
Post by Juergen Barsuhn
Post by U***@web.de
Post by Andreas Karrer
Hochdeutsch gesprochen wird fast nur, wenn angenommen wird, dass der
Angesprochene Schweizerdeutsch nicht versteht
Aber auch, was ich zum Glück selbst nicht vom Polizeier
zu hören bekam, ist als Hochdeutsch gemeint, aber längst kein
"Ikh muss Sie leider bü(ü)ssen!"
Vor Jahren habe ich in der Zürcher Zeitung über Autofahrer, die eine
verbotene Abkürzung genommen hatten, gelesen: Sie wurden empfindlich
gebüsst.
Hochdeutsch bedeutet nicht die Abwesenheit von Wörtern, die sonst im
deutschen Sprachraum nicht üblich sind: Hier also das üblicherweise
intransitive Verb büßen in transitiver Verwendung.
Der Übergang zwischen regionalen Besonderheiten (hier eine kleine
Abweichung der Grammatik) und Dialekt (andere Wörter, andere Aussprache,
stärkere Abweichung der Grammatik) dürfte fließend sein.

Die norddeutsche Eigenheit beispielsweise, die mit da-
auseinanderzunehmen ("Da kann ich nix für.") ist für mich regional,
nicht Dialekt.
Heinz Lohmann
2017-06-21 03:34:41 UTC
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Post by U***@web.de
Moin,
Post by Andreas Karrer
Hochdeutsch gesprochen wird fast nur, wenn angenommen wird, dass der
Angesprochene Schweizerdeutsch nicht versteht
Aber auch, was ich zum Glück selbst nicht vom Polizeier
zu hören bekam, ist als Hochdeutsch gemeint, aber längst kein
"Ikh muss Sie leider bü(ü)ssen!"
Helvetismus.
Wenn man häufiger die NZZ liest, begegnen einem noch mehr. Deren
Redaktoren schreiben eben meist so.
Meist kein Problem.

Hier eine Liste mit Beispielen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Helvetismen
--
mfg
Heinz Lohmann
Tamsui, Taiwan

Gedanken sind nicht stets parat,
man schreibt auch, wenn man keine hat. W.B.
Martin Gerdes
2017-06-21 04:43:44 UTC
Permalink
Post by Andreas Karrer
Warum [sprechen] die Schweizer [üblicherweise Dialekt]? Dafür
muss es doch einen Grund geben.
Weil es ihnen leichter fällt. Hochdeutschsprechen ist mühsam. Es ist
besonders für Norddeutsche vielleicht schwer zu glauben, aber in der
CH wird so gut wie immer Dialekt gesprochen. Dialektsprechen ist kein
soziales Stigma. Bank-CEOs sprechen Dialekt, Bundesräte sprechen
Dialekt, Universitätsrektoren sprechen Dialekt -- zugegebenermassen
einen gepflegteren als der Lkw-Fahrer.
Das heißt vermutlich: einen hochsprachennäheren (schon vom Vokabular
her).
Post by Andreas Karrer
Wenn zwei Deutschschweizer miteinander sprechen, tun sie das immer im
Dialekt. Deutsche fragt man, ob sie Dialekt verstehen; wenn nicht,
spricht man hochdeutsch. Aber wenn in einer Gruppe von 4 oder mehr nur
einer Deutscher ist, werden die anderen sehr bald in den Dialekt
verfallen.
Das kenne ich aus meiner Kinderzeit auch so, die "Tiefe" des Dialekts
hing allerdings von der aktuellen Situation ab. Je "amtlicher" die
Situation war, desto näher an der Hochsprache. Das Volkstheater lebt
davon: Ein Bauer vom Land, der im Alltag nur Dialekt spricht und im
Hochdeutschsprechen ungeübt ist, kommt zur Obrigkeit ins Rathaus und
müht sich (meist vergeblich) ums Hochdeutsche, wohingegen der Ämtler
sich einer (vermeintlich) "besseren" Sprache befleißigt.

Sinngemäß gleich ist das hierzustadt: Eigentlich war dies hier Gebiet
des Plattdeutschen, aber die Leute in der Residenzstadt Hannover hielten
sich für etwas Besseres uns sprachen näher an der Schrift. So ist das
Stadthannöversche entstanden (das mit dem kläören A), das mittlerweile
auch wieder so gut wie verschwunden ist zugunsten des "besten
Dudendeutschen". Auch das vermeintlich feine S'tolpern wurde den Kindern
in der Schule antrainiert.
Post by Andreas Karrer
Hochdeutsch gesprochen wird fast nur, wenn angenommen wird, dass der
Angesprochene Schweizerdeutsch nicht versteht, ausserdem bei
kulturellen und bei offiziellen Anlässen.
Vielleicht spricht man gerade dann Schweizerdeutsch ...

Das Friesische ist für einen Nichtfriesen praktisch unverständlich, eben
das nutzen die Einheimischen auf den Inseln, wenn sie von Touristen
nicht verstanden werden möchten.
Post by Andreas Karrer
Die Nachrichten im Radio und die Tagesschau im Fernsehen waren, als
diese Dinge aufkamen, solche offiziellen Anlässe. Nun sind sie es
schon eine Weile nicht mehr; deshalb werden die lockereren
Teile (Wetter, Sport) oft in der Mundart gesprochen. Eine Ausnahme ist
DRS2/Kulturradio, dort wird grundsätzlich Hochdeutsch gesprochen,
auch, wenn zwei Deutschschweizer locker miteinander plaudern.
Im Parlament in Bern wird hochdeutsch gesprochen, weil da ja auch
Vertreter der fr und it Schweiz sitzen. In den Kantonsparlamenten auch,
aber beispielsweise im Zürcher Stadtparlament wird im Dialekt
parliert.
Im grossen Kanton werden die Dialekte sichtlich schwächer. Neffen und
Nichten sind in Württemberg aufgewachsen, die Eltern sind jeweils
Dialektsprecher. Die einen sprechen einen in meinen Ohren abgeschwächten
Dialekt, den ich als "Honoratiorenschwäbisch" bezeichnen würde, die
anderen sprechen nach der Schrift fast ohne Akzent. In meiner
Heimatstadt sprechen die Leute mittlerweile deutlich weniger Dialekt als
ich, der ich offenbar gerade durch meine Abwesenheit den Dialekt bewahrt
habe. Zwischen meinem Sprachgebrauch und dem meiner Mutter erkenne ich
deutlich weniger Unterschiede, wenngleich sie selten ein Dialektwort
verwendet, das ich noch nie gehört habe.

Eine interessante Erfahrung habe ich neulich mal gemacht: Eine
Aussiedlerin aus Rußland kam zu mir (etwa 75 Jahre alt). Mit der
deutschen Hochsprache tat sie sich sichtlich schwer. Nach Worten suchend
verfiel sie immer wieder in ihren (deutschen) Dialekt, in dem ich
deutlich schwäbische Anklänge heraushören konnte. Vermutlich ist das dem
gleichen Effekt zuzuschreiben. Die Leute haben über etliche Generationen
unter sich gelebt, aber zur deutschen Hochsprache keinen Kontakt gehabt.
Als unter Stalin das Russische quasi Pflicht wurde, haben sie unter sich
weiter ihre Sprache gepflegt. Jetzt zurück in dem Land, aus dem die
Vorfahren vor Generationen ausgewandert sind, lernen sie die
Hochsprache, die für sie aber genauso erste Fremdsprache ist wie für
Schweizer Kinder heute oder mich damals.
Roman Racine
2017-06-21 10:47:52 UTC
Permalink
Post by Martin Gerdes
Post by Andreas Karrer
Warum [sprechen] die Schweizer [üblicherweise Dialekt]? Dafür
muss es doch einen Grund geben.
Weil es ihnen leichter fällt. Hochdeutschsprechen ist mühsam. Es ist
besonders für Norddeutsche vielleicht schwer zu glauben, aber in der
CH wird so gut wie immer Dialekt gesprochen. Dialektsprechen ist kein
soziales Stigma. Bank-CEOs sprechen Dialekt, Bundesräte sprechen
Dialekt, Universitätsrektoren sprechen Dialekt -- zugegebenermassen
einen gepflegteren als der Lkw-Fahrer.
Das heißt vermutlich: einen hochsprachennäheren (schon vom Vokabular
her).
Das würde ich so nicht sagen. In der Schweiz gibt es im Gegensatz zu
süddeutschen Dialekten kein Kontinuum zwischen Dialekt und Hochsprache, aus
dem die Sprecher je nach Sprachsituation, sozialem Milieu usw. wählen
können, sondern einen harten Bruch.

Das Vokabular und das Sprachregister in einer Alltagssituation im
Allgemeinen wird sich dagegen unterscheiden, ähnlich wie Deutsche, die
ausschliesslich Standardsprache sprechen, auch verschiedene Sprachregister
haben können.
Post by Martin Gerdes
Post by Andreas Karrer
Wenn zwei Deutschschweizer miteinander sprechen, tun sie das immer im
Dialekt. Deutsche fragt man, ob sie Dialekt verstehen; wenn nicht,
spricht man hochdeutsch. Aber wenn in einer Gruppe von 4 oder mehr nur
einer Deutscher ist, werden die anderen sehr bald in den Dialekt
verfallen.
Das kenne ich aus meiner Kinderzeit auch so, die "Tiefe" des Dialekts
hing allerdings von der aktuellen Situation ab. Je "amtlicher" die
Situation war, desto näher an der Hochsprache. Das Volkstheater lebt
davon: Ein Bauer vom Land, der im Alltag nur Dialekt spricht und im
Hochdeutschsprechen ungeübt ist, kommt zur Obrigkeit ins Rathaus und
müht sich (meist vergeblich) ums Hochdeutsche, wohingegen der Ämtler
sich einer (vermeintlich) "besseren" Sprache befleißigt.
Wie oben erwähnt. Ich bin mir bewusst, dass das in Deutschland so
funktioniert, in der Deutschschweiz ist dies eben nicht so. Schweizerdeutsch
ist eben gerade nicht aus Sprechsituationen verdrängt worden, bei denen sich
Deutsche um Hochdeutsch bemühen würden.n
Post by Martin Gerdes
weiter ihre Sprache gepflegt. Jetzt zurück in dem Land, aus dem die
Vorfahren vor Generationen ausgewandert sind, lernen sie die
Hochsprache, die für sie aber genauso erste Fremdsprache ist wie für
Schweizer Kinder heute oder mich damals.
Seit es üblich ist, dass Kinder täglich deutsches Fernsehen schauen, dürfte
ihnen Hochdeutsch zumindest passiv durchaus bekannt sein.

Gruss

Roman°
Roman Racine
2017-06-20 08:57:43 UTC
Permalink
Post by Heinz Lohmann
Post by Andreas Karrer
Bei 10vor10 ist es merkwürdig, d.h. Moderation, Nachrichten,
Kommentare, Off-Ton sind auf Hochdeutsch, aber Interviews sind auf
Schweizerdeutsch, auch Gespräche mit Gästen im Studio. Auch mit
Politikern, Behördenvertretern oder beispielsweise Schriftstellern.
Das wirkte zu Anfang gewöhnungsbedürftig -- Tagesschau oder
Nachrichtensendungen im Radio sind sonst rein Hochdeutsch.
Warum machen die Schweizer das so? Dafür muss es doch einen Grund geben.
Tendenziell nimmt der Anteil Schweizerdeutsch zu. Beim Privatfernsehen ist
Hochdeutsch überall gängig, beim SRF überall ausser bei Sportübertragungen
und Nachrichten, ausgenommen davon sind die Interviews.

Generell entspricht es der Lebensrealität, dass in der Regel in allen
Lebenssituationen Schweizerdeutsch gesprochen wird.

Gruss

Roman°
U***@web.de
2017-06-20 07:16:10 UTC
Permalink
Moin,
Post by Andreas Karrer
Bei 10vor10 ist es merkwürdig, d.h. Moderation, Nachrichten,
Kommentare, Off-Ton sind auf Hochdeutsch, aber Interviews sind auf
Schweizerdeutsch, auch Gespräche mit Gästen im Studio.
Denen soll man mal einen Walliser Bergbauern schicken,
und dann sehen wir mal, wie der Moderator nach einem
Dolmetsch ruft...

Gruß, ULF
Sergio Gatti
2017-06-20 08:07:19 UTC
Permalink
Post by U***@web.de
Moin,
Post by Andreas Karrer
Bei 10vor10 ist es merkwürdig, d.h. Moderation, Nachrichten,
Kommentare, Off-Ton sind auf Hochdeutsch, aber Interviews sind auf
Schweizerdeutsch, auch Gespräche mit Gästen im Studio.
Denen soll man mal einen Walliser Bergbauern schicken,
und dann sehen wir mal, wie der Moderator nach einem
Dolmetsch ruft...
Der Moderator tut das nur zum Nachweis, dass er wirklich
Schweizer ist. ;-)
Jemand aus dem großen Kanton würde nach einem DolmetschER
rufen und wahrscheinlich eine DolmetschERin bekommen.
SCNR
Florian Ritter
2017-06-20 13:22:29 UTC
Permalink
Post by U***@web.de
Post by Andreas Karrer
Bei 10vor10 ist es merkwürdig, d.h. Moderation, Nachrichten,
Kommentare, Off-Ton sind auf Hochdeutsch, aber Interviews sind auf
Schweizerdeutsch, auch Gespräche mit Gästen im Studio.
Denen soll man mal einen Walliser Bergbauern schicken,
und dann sehen wir mal, wie der Moderator nach einem
Dolmetsch ruft...
Ab und an wird im Bundestag auch auf Platt vorgetragen, das
ist zugelassen, obwohl mind. 95 % d. Anwesenden nix
verstehen - FR
Andreas Karrer
2017-06-18 12:05:39 UTC
Permalink
Post by Heinz Lohmann
1. Gibt es eine Art Standard-Schweizerdeutsch, das in Fernsehen und
Radio bevorzugt gesprochen wird?
Nein oder fast nein.

Als Deutschschweizer versteht so ziemlich alle anderen
schweizerdeutschen Dialekte, und zwar gerade wegen Radio & Fernsehen.

Denn bei Radio & Fernsehen werden exotische Dialekte klar bevorzugt. Das
kann z.B. daran liegen, dass Dialekte aus Tourismusgebieten in den
Bergen bei Städtern eine leise Erinnerung an Skirulaub und Ferien
wecken und deshalb angenehm klingen. Zürichdeutsch dagegen gilt in der
Restschweiz als ordinär und grosspurig (das zeigt nur, wie wenig
Ahnung die von uns Zürchern haben), ausserdem gibt es einen gewissen
Anti-Zürich-Reflex, wie man das ja auch in anderen Ländern gegenüber
Hauptstädtern kennt.

Fast-nein: Sprecher von Dialekten aus Randgebieten (Wallis, Walser,
Innerschweizer und Berner Bergtäler) versteht man nicht vollständig,
wenn sie untereinander sprechen. Meist wissen das diese Sprecher und
verwenden im Gespräch mit "Unterländern" bestimmte Wörter und
Wendungen nicht. Meine Frau kommt aus einer klitzekleinen Walsersiedlung
in Graubünden und verwendet in der Familie Wörter wie "ferggen"
(heisst sowohl holen als auch bringen) oder "bschisse" (schmutzig),
aber Fremden gegenüber verwendet sie diese Wörter nicht, weil sie
weiss, dass sie nicht (ferggen) oder missverstanden (bschisse) würde.
Post by Heinz Lohmann
2. Haben Schweizer bei solchen Sendungen auch manchmal Schwierigkeiten,
die Interviewpartner zu verstehen.
Fast nie. Wenn die einen Bauern aus dem hintersten Urner Bergtal über
die die Mutterkuhhaltung auf Bergweiden interviewen, versteh ich das
nur mit Schwierigkeiten, weil der nicht gewohnt ist, seine Wortwahl dem
Publikum anzupassen (wie das meine Frau tut), und natrlcih, weil mir
das Thema fernliegt und ich die Fachbegriffe nicht kene.
Post by Heinz Lohmann
"Das deutsch-alemannische Dialektkontinuum in der Schweiz besteht aus
Hunderten von Deutschschweizer Mundarten. Die starke topografische
Kammerung der Schweiz und die relativ geringe Mobilität bis zu Beginn
des 20. Jahrhunderts haben dazu geführt, dass sich die Ortsdialekte zum
Teil sehr stark voneinander unterscheiden, so dass sogar die
Deutschschweizer untereinander Verständigungsprobleme haben können. So
haben Deutschschweizer aus dem «Unterland» oft Mühe, höchstalemannische
Dialekte – etwa Walliserdeutsch – zu verstehen."
https://de.wikipedia.org/wiki/Schweizerdeutsch
Korrekt.
Post by Heinz Lohmann
An welchen Dialekt sollte man sich als Ausländer in erster Linie gewöhnen?
An den, den mal am Ort spricht, geht ja kaum anders.

Als Deutscher oder Deutschsprachiger in der Schweiz spricht man erst
mal eine ganze Weile Hochdeutsch und versucht, Schweizerdeutsch zu
verstehen. Süddeutschen gelingt das bald, Norddeutsche brauchen je
nach Talent einige Monate. Dann adoptiert man bestimmte Wörter wie
grillieren, parkieren, posten (einkaufen), zügeln (umziehen, auch
transitiv), Puff (Unordnung), Hitzgi (Schluckauf) oder Gipfeli (statt
Croissants) und verwendet sie aktiv. Manche belassen es dabei, andere
lernen mit der Zeit (mehrere Jahre) ein ganz passables Schweizerdeutsch.

- Andi
Frank Hucklenbroich
2017-06-18 13:46:32 UTC
Permalink
Post by Andreas Karrer
Post by Heinz Lohmann
1. Gibt es eine Art Standard-Schweizerdeutsch, das in Fernsehen und
Radio bevorzugt gesprochen wird?
Nein oder fast nein.
Als Deutschschweizer versteht so ziemlich alle anderen
schweizerdeutschen Dialekte, und zwar gerade wegen Radio & Fernsehen.
Ich erinnere mich an eine Radiosendung im SRF, bei denen es darum ging,
Schweizer Dialekte zu verstehen. Da wurde dann ein Satz aus dem
(deutschsprachigen) Wallis verlesen, und an dem sind sämtliche Anrufer
gescheitert. Basler, Zürcher und Berner mussten vor diesem Dialekt
kapitulieren.

Im SRF-Fernsehen erinnere ich mich vor allem an die stark dialektgeprägten
Wetterberichte, die vom Dach des SRF-Gebäides verlesen wurden. Da war dann
oft von "Wulchafäldern" die Rede. Oder von "Näbbelrägge".

Grüße,

Frank
Helmut Richter
2017-06-18 16:01:26 UTC
Permalink
Post by Frank Hucklenbroich
Ich erinnere mich an eine Radiosendung im SRF, bei denen es darum ging,
Schweizer Dialekte zu verstehen. Da wurde dann ein Satz aus dem
(deutschsprachigen) Wallis verlesen, und an dem sind sämtliche Anrufer
gescheitert. Basler, Zürcher und Berner mussten vor diesem Dialekt
kapitulieren.
Aber das ist doch in Deutschland mit den dortigen hochdeutschen
Dialekten nicht anders.
--
Helmut Richter
U***@web.de
2017-06-18 16:14:16 UTC
Permalink
Moin,
Post by Helmut Richter
Post by Frank Hucklenbroich
Da wurde dann ein Satz aus dem
(deutschsprachigen) Wallis verlesen, und an dem sind sämtliche Anrufer
gescheitert. Basler, Zürcher und Berner mussten vor diesem Dialekt
kapitulieren.
Aber das ist doch in Deutschland mit den dortigen hochdeutschen
Dialekten nicht anders.
Wobei nach https://de.wikipedia.org/wiki/Hochdeutsche_Dialekte
in der Deutschschweiz auch und insoweit ausschließlich
hochdeutsche Dialekte zu verorten sind.

Ah, eben lese ich, im Senslerdeutsch werden auch prädikatibe
Adjektive dekliniert...

Gruß, ULF
Andreas Karrer
2017-06-19 12:19:14 UTC
Permalink
Post by U***@web.de
Ah, eben lese ich, im Senslerdeutsch werden auch prädikatibe
Adjektive dekliniert...
Nicht nur da. Im Walserdialekt meiner Frau tut man da auch;
Mainstream-Schweizerdeutschsprecher überhören das oder halten
es für einen Fehler, wie bei "Trachter" statt Trichter. Im
Walliserdeutsch-Textbeispiel nebenan heisst es:

Dr Puir ischt abr miädä choon
Der Püür ischt aber mieda
(Der Bauer ist aber müde (geworden))

das -ä bzw. -a in miädä/mieda entspricht hier nicht dem -e aus dem
hochdeutschen "müde", sondern es ist ein dekliniertes "müd" (so lautet die
Grundform im Schweizerdeutschen).

- Andi
Roman Racine
2017-06-18 17:00:34 UTC
Permalink
Post by Frank Hucklenbroich
Post by Andreas Karrer
Post by Heinz Lohmann
1. Gibt es eine Art Standard-Schweizerdeutsch, das in Fernsehen und
Radio bevorzugt gesprochen wird?
Nein oder fast nein.
Als Deutschschweizer versteht so ziemlich alle anderen
schweizerdeutschen Dialekte, und zwar gerade wegen Radio & Fernsehen.
Ich erinnere mich an eine Radiosendung im SRF, bei denen es darum ging,
Schweizer Dialekte zu verstehen. Da wurde dann ein Satz aus dem
(deutschsprachigen) Wallis verlesen, und an dem sind sämtliche Anrufer
gescheitert. Basler, Zürcher und Berner mussten vor diesem Dialekt
kapitulieren.
Da dürfte es sich um ausgewählte Sätze mit speziellem Vokabular gehandelt
haben. Solche Fälle kann man konstruieren, in der Regel ist die gegenseitige
Verständlichkeit wesentlich besser, als es solche Fallbeispiele suggerieren.

Dazu kommt, dass die Leute in einer normalen Sprechsituation verstanden
werden wollen und Vokabular, von dem sie wissen, dass es ausserhalb ihrer
engeren Heimat keiner versteht, darum nicht verwenden, während man für
solche Radiosendungen absichtlich genau das Umgekehrte macht.

Gruss

Roman°
U***@web.de
2017-06-18 17:17:17 UTC
Permalink
Moin,
Post by Roman Racine
Post by Frank Hucklenbroich
Ich erinnere mich an eine Radiosendung im SRF, bei denen es darum ging,
Schweizer Dialekte zu verstehen. Da wurde dann ein Satz aus dem
(deutschsprachigen) Wallis verlesen, und an dem sind sämtliche Anrufer
gescheitert. Basler, Zürcher und Berner mussten vor diesem Dialekt
kapitulieren.
Da dürfte es sich um ausgewählte Sätze mit speziellem Vokabular gehandelt
haben. Solche Fälle kann man konstruieren, in der Regel ist die gegenseitige
Verständlichkeit wesentlich besser, als es solche Fallbeispiele suggerieren.
Das hier https://de.wikipedia.org/wiki/Walliserdeutsch#Textbeispiel ist für Auswärtige schon sehr gewöhnungsbedürftig.

Als Nichtschweizer hörte ich mir verschiedene Dialektbeispiele an,
und das Walliserdeutsch war unter dem halben Dutzend Beispielen
am schwersten zu verstehen.

Gut, auch das Baseldytsch, wenngleich ganz anders, ist nicht
leicht zugänglich.

Gruß, ULF
Roman Racine
2017-06-18 17:36:44 UTC
Permalink
Post by U***@web.de
Gut, auch das Baseldytsch, wenngleich ganz anders, ist nicht
leicht zugänglich.
Es sollte im Gegenteil für Deutsche besonders leicht zugänglich sein, weil
es an der Grenze zu den niederalemannischen Dialekten, wie sie in Baden
gesprochen werden ist.

Gruss

Roman°
U***@web.de
2017-06-18 17:58:24 UTC
Permalink
Moin,
Post by Roman Racine
Post by U***@web.de
Gut, auch das Baseldytsch, wenngleich ganz anders, ist nicht
leicht zugänglich.
Es sollte im Gegenteil für Deutsche besonders leicht zugänglich sein, weil
es an der Grenze zu den niederalemannischen Dialekten,
Wenn es nicht sogar einer ist.
Post by Roman Racine
wie sie in Baden
gesprochen werden ist.
Ja, meinst Du, jetzt einmal abseits der Schweiz, tiefes Kölsch
müsse für die, die etwas näher an Köln als an Basel wohnen,
leicht verständlich sein?

Gruß, ULF
Ralf Joerres
2017-06-27 22:30:11 UTC
Permalink
Post by U***@web.de
Moin,
Post by Roman Racine
Post by U***@web.de
Gut, auch das Baseldytsch, wenngleich ganz anders, ist nicht
leicht zugänglich.
Es sollte im Gegenteil für Deutsche besonders leicht zugänglich sein, weil
es an der Grenze zu den niederalemannischen Dialekten,
Wenn es nicht sogar einer ist.
Post by Roman Racine
wie sie in Baden
gesprochen werden ist.
Ja, meinst Du, jetzt einmal abseits der Schweiz, tiefes Kölsch
müsse für die, die etwas näher an Köln als an Basel wohnen,
leicht verständlich sein?
Ich war mal ein Weilchen in kommunikativen Verwicklungen mit einer
Lady aus Friesenheim, an der Kante zwischen oberrheinischem Tiefland
und Schwarzwald. Sie sprach etwas, das Wikpedia als 'Oberrheinale-
mannisch' klassifiziert. Da hatte ich als Ruhrgebietsmensch schon
arge Gewöhnungsprobleme, nach ein paar Wochen verstand ich dann fast
alles. Es lag nicht am Wortschatz, sondern an den ganz anderen Struktur-
wörtern und 'irgendwelchen' Lautwandelgeschichten, die 'da unten'
anders verlaufen waren als in meiner Herkunftsgegend. Um noch einmal
auf Roman Racine zurückzukommen: Es ist genau anders herum, als er
gemeint hat. Obwohl ich Deutscher bin, versteh ich sowohl stark
dialektales Deutsch-Alemannisch nicht wirklich gut, geschweige denn
eines der diversen Schweizer Alemannischs.

Ich war damals (ist vier Jahre her) sehr überrascht, wie starke
'Dialekte' es in Deutschland noch gibt. Auch ein paar Bayern waren
damals in der Runde, und wenn die richtig loslegten ... Im Fernsehen
kommt so gut wie nichts davon vor außer wahrscheinlich in ein paar
Nischenprogrammen im Lokalfernsehen, im Radio vielleicht noch eher.
Seltsam, dass unsere deutschen Dialekte sich das so einfach gefallen
lassen, von der Dachsprache geschluckt zu werden, anders als in der
Schweiz.

Gruß Ralf Joerres

Christina Kunze
2017-06-18 19:56:48 UTC
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Post by Roman Racine
Post by U***@web.de
Gut, auch das Baseldytsch, wenngleich ganz anders, ist nicht
leicht zugänglich.
Es sollte im Gegenteil für Deutsche besonders leicht zugänglich sein, weil
es an der Grenze zu den niederalemannischen Dialekten, wie sie in Baden
gesprochen werden ist.
Du überschätzt die Verständlichkeit des Badischen im gesamten Deutschland.
Ich kenne (seit über 10 Jahren) einen, der wirklich nicht Hochdeutsch
kann, und ich habe lange gebraucht, um mich in seine Sprache einzuhören.
Klar lag das auch an den Wörtern, die ich nicht kannte (Gsälz - nicht
nur im Schwäbischen) oder die hier bei mir was anderes heißen (heben).

chr
Martin Gerdes
2017-06-18 20:25:45 UTC
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Post by Christina Kunze
Post by Roman Racine
Post by U***@web.de
Gut, auch das Baseldytsch, wenngleich ganz anders, ist nicht
leicht zugänglich.
Es sollte im Gegenteil für Deutsche besonders leicht zugänglich sein, weil
es an der Grenze zu den niederalemannischen Dialekten, wie sie in Baden
gesprochen werden ist.
Du überschätzt die Verständlichkeit des Badischen im gesamten Deutschland.
Ich kenne (seit über 10 Jahren) einen, der wirklich nicht Hochdeutsch
kann, und ich habe lange gebraucht, um mich in seine Sprache einzuhören.
Klar lag das auch an den Wörtern, die ich nicht kannte (Gsälz - nicht
nur im Schwäbischen) oder die hier bei mir was anderes heißen (heben).
"Schnell" beispielsweise heißt bisweilen soviel wie "kurz".

"Kommen Sie mal schnell!" bedeutet wohl, daß der so Angesprochene nicht
eben erst morgen kommen soll, sondern schon demnächst erwartet wird,
andererseits bedeutet es auch, daß die Störung nicht lang dauern wird.

Damit bin ich mal sehr auf die Nase gefallen :-)
Florian Ritter
2017-06-19 11:38:36 UTC
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Post by Christina Kunze
Post by Roman Racine
Es sollte im Gegenteil für Deutsche besonders leicht zugänglich sein, weil
es an der Grenze zu den niederalemannischen Dialekten, wie sie in Baden
gesprochen werden ist.
Du überschätzt die Verständlichkeit des Badischen im gesamten Deutschland.
Ich kenne (seit über 10 Jahren) einen, der wirklich nicht Hochdeutsch
kann, und ich habe lange gebraucht, um mich in seine Sprache einzuhören.
Klar lag das auch an den Wörtern, die ich nicht kannte (Gsälz - nicht
nur im Schwäbischen) oder die hier bei mir was anderes heißen (heben).
Wie kömmst Du zu solch eigenartigen Bekanntschaften?
Wiewohl mehrere Jahre in Stuttgart, ist mir bis auf den heutigen
nicht möglich, Badisch und Schwäbisch sicher zu scheiden - FR
U***@web.de
2017-06-19 13:43:41 UTC
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Moin,
Post by Florian Ritter
Wiewohl mehrere Jahre in Stuttgart, ist mir bis auf den heutigen
nicht möglich, Badisch und Schwäbisch sicher zu scheiden - FR
Großstadtdialekte sind ohnehin meist Mischformen aus
Schriftdeutsch und umliegenden Dialekten aus dem
Tagespendelbereich...

Gruß, ULF
Helmut Richter
2017-06-20 09:36:38 UTC
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Post by Florian Ritter
Post by Roman Racine
Es sollte im Gegenteil für Deutsche besonders leicht zugänglich sein, weil
es an der Grenze zu den niederalemannischen Dialekten, wie sie in Baden
gesprochen werden ist.
Aber nicht entlang der Schweizer Grenze, sondern etwa ab Freiburg nach
Norden.
Post by Florian Ritter
Wie kömmst Du zu solch eigenartigen Bekanntschaften?
Wiewohl mehrere Jahre in Stuttgart, ist mir bis auf den heutigen
nicht möglich, Badisch und Schwäbisch sicher zu scheiden - FR
Hochalemannisch und Schwäbisch haben völlig verschiedene Vokale -- die
kann man nicht verwechseln. Im HA sind es im Wesentlichen die mhd
Vokale; am auffälligsten die Monophthonge in Ziit (Zeit), Huus (Haus),
düütsch (deutsch) -- die gibts im Schwäbischen nicht, und auch die
anderen Vokale sind ganz anders. Aber es gibt keine harte Grenze
zwischen den Gebieten, sondern, wie praktisch überall, ein Dialektkontinuum.

Das Wort "Badisch" als Sprachbezeichnung hat seine Tücken: es bezeichnet
das Niederalemannische im Zentrum von Baden bis hin zum Kurpfälzischen
im Norden. Nur das Hochalemannische entlang des Oberrheins heißt meist
nicht "Badisch", sondern schlicht "Alemannisch" (totum pro parte) --
vielleicht seitdem Johan Peter Hebel seine "Alemannischen Gedichte"
veröffentlicht hat, deren Sprache meinem Gefühl nach auch einem
Schweizer nicht fremd vorkommen wird.
--
Helmut Richter
Martin Gerdes
2017-06-21 04:43:45 UTC
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Post by Helmut Richter
Hochalemannisch und Schwäbisch haben völlig verschiedene Vokale -- die
kann man nicht verwechseln. Im HA sind es im Wesentlichen die mhd
Vokale; am auffälligsten die Monophthonge in Ziit (Zeit), Huus (Haus),
düütsch (deutsch) -- die gibts im Schwäbischen nicht
Cum grano salis doch.

Im Schweizerischen hat sich der Lautstand des Mittelhochdeutschen
erhalten. In den süddeutschen Dialekten (Schwäbisch, Bairisch) spricht
man diese Laute anders, aber man kann sie noch erkennen.

Erst weiter nördlich und im Standarddeutschen ist der Unterschied
zwischen mhd. î und mhd. ei weg.
Helmut Richter
2017-06-21 07:17:44 UTC
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Post by Martin Gerdes
Post by Helmut Richter
Hochalemannisch und Schwäbisch haben völlig verschiedene Vokale -- die
kann man nicht verwechseln. Im HA sind es im Wesentlichen die mhd
Vokale; am auffälligsten die Monophthonge in Ziit (Zeit), Huus (Haus),
düütsch (deutsch) -- die gibts im Schwäbischen nicht
Cum grano salis doch.
Im Schweizerischen hat sich der Lautstand des Mittelhochdeutschen
erhalten. In den süddeutschen Dialekten (Schwäbisch, Bairisch) spricht
man diese Laute anders, aber man kann sie noch erkennen.
Eben diesen Unterschied meinte ich: die schwäbischen und bairischen
Laute sind nicht dir mhd, die hochalemannischen schon, die
niederalemannischen zum Teil auch, z.B. Wiistub = Weinstube.
Post by Martin Gerdes
Erst weiter nördlich und im Standarddeutschen ist der Unterschied
zwischen mhd. î und mhd. ei weg.
Nicht im Sächsischen und Berlinischen, dort ist mhd î > ei (gespr. ai)
und mhd. ei > ee: eens, zwee, drei.

Ich verweise auf die unter Mithilfe meines Vorposters entstandene
Tabelle: http://hhr-m.userweb.mwn.de/de-vowels/history/#long
--
Helmut Richter
Florian Ritter
2017-06-19 11:33:57 UTC
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Post by Roman Racine
Post by Frank Hucklenbroich
Ich erinnere mich an eine Radiosendung im SRF, bei denen es darum ging,
Schweizer Dialekte zu verstehen. Da wurde dann ein Satz aus dem
(deutschsprachigen) Wallis verlesen, und an dem sind sämtliche Anrufer
gescheitert. Basler, Zürcher und Berner mussten vor diesem Dialekt
kapitulieren.
Da dürfte es sich um ausgewählte Sätze mit speziellem Vokabular gehandelt
haben. Solche Fälle kann man konstruieren, in der Regel ist die gegenseitige
Verständlichkeit wesentlich besser, als es solche Fallbeispiele suggerieren.
Dazu kommt, dass die Leute in einer normalen Sprechsituation verstanden
werden wollen und Vokabular, von dem sie wissen, dass es ausserhalb ihrer
engeren Heimat keiner versteht, darum nicht verwenden, während man für
solche Radiosendungen absichtlich genau das Umgekehrte macht.
Solch Schnurrpfeyffereyen wurden in deutschen Quizsendungen auch verschiedentlich getrieben, indem Landvolk Unverständliches
zum besten gab.
Als ich mal mit uckermärkischen Landwirten im Kaustall (Kau = Kuh)
war, konnte ich dem plattdütsch geführten Gespräch auch nicht
folgen, vor allem wohl da ich nicht in Ackerbau & Viehzucht
bewandert bin und mir der Hektarertrag an Wrucken ziemlich
piepe ist - FR
Klaus Dahlwitz
2017-06-19 21:03:26 UTC
Permalink
Post by Florian Ritter
Als ich mal mit uckermärkischen Landwirten im Kaustall (Kau = Kuh)
war, konnte ich dem plattdütsch geführten Gespräch auch nicht
folgen, vor allem wohl da ich nicht in Ackerbau & Viehzucht
bewandert bin
Tja, vorher mit

<https://de.wikipedia.org/wiki/Herrn_Pastor_sien_Kauh>

üben.

Klaus
U***@web.de
2017-06-18 14:24:21 UTC
Permalink
Post by Heinz Lohmann
In letzter Zeit habe ich ein paar Dokus von SRF gesehen. Da wird
fröhlich und flexibel zwischen Hochdeutsch und Schweizerdeutsch gewechselt.
Einmal abgesehen davon, daß die Schweizer Fernsehversion von
Hochdeutsch wegen ihrer Helvetismen auch, vorsichtig
formuliert, dem Herkunftsland sehr schnell zugeordnet werden
kann...

Gruß, ULF
Roman Racine
2017-06-18 14:29:40 UTC
Permalink
Post by Heinz Lohmann
In letzter Zeit habe ich ein paar Dokus von SRF gesehen. Da wird
fröhlich und flexibel zwischen Hochdeutsch und Schweizerdeutsch
gewechselt. Besonders häufig wird Schweizerdeutsch von den Moderatoren,
aber auch von einheimischen Interviewpartnern gebraucht.
Gründe, hochdeutsch zu sprechen sind z.B., dass das Filmmaterial von
deutschen Kollegen aufgezeichnet wurde oder dass der Interviewpartner nicht
Schweizerdeutsch kann, z.B., weil er aus einem anderen Landesteil kommt,
Deutscher ist etc.
Post by Heinz Lohmann
1. Gibt es eine Art Standard-Schweizerdeutsch, das in Fernsehen und
Radio bevorzugt gesprochen wird?
2. Haben Schweizer bei solchen Sendungen auch manchmal Schwierigkeiten,
die Interviewpartner zu verstehen.
Nein. Hochalemannische Dialekte sind untereinander problemlos verständlich,
ausserdem versteht man die Wörter, die in anderen Dialekten vorkommen, im
eigenen aber nicht, mit der Zeit zumindest passiv. Angesichts der heutigen
Mobilität gerät man sehr schnell an Leute, die nicht aus dem eigenen
Dialektgebiet kommen. Deutsche können das nach meiner Erfahrung nach
spätestens drei Monaten auch, sofern sie sich selbst regelmässig
Situationen aussetzen, in denen sie ihre Fähigkeiten trainieren müssen.
Post by Heinz Lohmann
"Das deutsch-alemannische Dialektkontinuum in der Schweiz besteht aus
Hunderten von Deutschschweizer Mundarten. Die starke topografische
Kammerung der Schweiz und die relativ geringe Mobilität bis zu Beginn
des 20. Jahrhunderts haben dazu geführt, dass sich die Ortsdialekte zum
Teil sehr stark voneinander unterscheiden, so dass sogar die
Deutschschweizer untereinander Verständigungsprobleme haben können. So
haben Deutschschweizer aus dem «Unterland» oft Mühe, höchstalemannische
Dialekte – etwa Walliserdeutsch – zu verstehen."
https://de.wikipedia.org/wiki/Schweizerdeutsch
An welchen Dialekt sollte man sich als Ausländer in erster Linie gewöhnen?
An einen x-beliebigen hochalemannischen Dialekt, am besten an den, den die
Leute sprechen, mit denen du verkehrst. Wenn du den verstehst, verstehst du
die anderen auch. Ich bin in der Nordwestschweiz aufgewachsen, lebe aber
seit bald zwanzig Jahren in Zürich. Ich erkenne, wenn ich auf jemanden
treffe, der aus der gleichen Gegend kommt. Als Deutscher wird dir der
Unterschied möglicherweise erst nach längerem Aufenthalt auffallen, lange,
nachdem du die Dialekte schon verstehst.

Gruss

Roman°
Heinz Lohmann
2017-06-19 01:25:15 UTC
Permalink
Post by Roman Racine
Post by Heinz Lohmann
An welchen Dialekt sollte man sich als Ausländer in erster Linie gewöhnen?
An einen x-beliebigen hochalemannischen Dialekt, am besten an den, den die
Leute sprechen, mit denen du verkehrst. Wenn du den verstehst, verstehst du
die anderen auch. Ich bin in der Nordwestschweiz aufgewachsen, lebe aber
seit bald zwanzig Jahren in Zürich. Ich erkenne, wenn ich auf jemanden
treffe, der aus der gleichen Gegend kommt. Als Deutscher wird dir der
Unterschied möglicherweise erst nach längerem Aufenthalt auffallen, lange,
nachdem du die Dialekte schon verstehst.
Also, da ich nur ein paar Fernsehsendungen aus der Schweiz sehen will,
reicht das SRF-Schweizerdeutsch. Ansonsten: Ohren auf und durch!

Für mich als Norddeutschen mit relativ guten passiven
Niederdeutschkenntnissen ist das Deutsch vom anderen Ende des
Dialektkontinuums schon ein kleines Abenteuer!
--
mfg
Heinz Lohmann
Tamsui, Taiwan

Gedanken sind nicht stets parat,
man schreibt auch, wenn man keine hat. W.B.
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