Post by HC AhlmannPost by Werner HoltfreterPost by HC AhlmannDu hast Satz 3 in §9 (3) StVO ausgelassen, obwohl der "örtlich
| (3) Wer abbiegen will, muss entgegenkommende Fahrzeuge
| durchfahren lassen, Schienenfahrzeuge, Fahrräder mit
| Hilfsmotor und Fahrräder auch dann, wenn sie auf oder neben
| der Fahrbahn in der gleichen Richtung fahren. Dies gilt auch
| gegenüber Linienomnibussen und sonstigen Fahrzeugen, die
| gekennzeichnete Sonderfahrstreifen benutzen. Auf zu Fuß
| Gehende ist besondere Rücksicht zu nehmen; wenn nötig, ist zu
| warten.
Wer abbiegt, muss zugunsten querender Fußgänger nötigenfalls warten.
Ich sehe da einen Unterschied zwischen Satz 1
| muss entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen
und Satz 3
| besondere Rücksicht zu nehmen; wenn nötig, ist zu warten
In der Formulierung gibt es einen Unterschied, aber welche
Handlung resultiert aus "besondere Rücksicht, nötigenfalls
warten"? Der abbiegende Autofahrer hält, um einem odere mehrern
Fußgängern das Queren zu ermöglichen. Ein Durchfahren ist bei
querenden Fußgängern weder mit besonderer(!) Rücksicht noch mit
dem Gebot vereinbar, nötigenfalls zu warten. So ergibt sich trotz
unterschiedlicher Formulierung gleiches Verhalten für den
Abbieger, er wartet, um die geradeaus in gleicher Richtung
Fahrenden oder Gehenden durchzulassen.
Nicht ganz. Ein Weiterfahren in Schrittgeschwindigkeit wäre mit der
Formulierung vereinbar, sofern niemand direkt vor das Auto läuft.
Du müsstest dann noch erklären, weshalb man eine unterschiedliche
Formulierung gewählt hat, wenn man etwas identisch hätte regeln
wollen.
Der letzte Satz oben §9 (3) hätte entfallen und der vorletzte nur
durch drei Worte ergänzt werden brauchen, wenn man den Vorrang dem
Fußgänger hätte geben wollen. Also etwa so:
"Dies gilt auch gegenüber Linienomnibussen und sonstigen Fahrzeugen,
die gekennzeichnete Sonderfahrstreifen benutzen sowie gegenüber
Fußgängern."
So steht's aber nicht im Gesetz. Auch in der DDR nicht.
Ich habe einen Juristen gefragt und das Ergebnis war, dass mein
Textverständnis richtig ist: Der §9 gibt dem dem Fußgänger *keinen*
Vorrang sondern bleibt unklar. Deshalb weist die neuere
Rechtsprechung dem Fußgänger bis zu 50% Schuld zu, wenn er das
Fahrzeug gesehen hat und trotzdem auf die Straße läuft.
Der hier schon von mir zitierte Fahrlehrer vereinfacht die
Rechtslage. Für Autofahrer, speziell in der Prüfung OK, aber als
Fußgänger sollte man sich lieber nicht auf einen Vorrang verlassen,
den es nicht gibt.
<www.frag-den-fahrlehrer.de/2016/01/27/muss-ich-den-fußgänger-durchlassen-oder-nicht>
--
Gruß Werner
Die Freiheit des Denkens muss grenzenlos sein
www.nzz.ch/feuilleton/inquisition-gibt-es-noch-heute-sie-funktioniert-nur-anders-als-vor-vierhundert-jahren-ld.1380666