Discussion:
gleich vs selb
(zu alt für eine Antwort)
H.-P. Schulz
2018-05-31 19:21:17 UTC
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Eigentlich kein Thema; und schon tausend mal dran gewesen.

Aber dann fängt 's ja erst an Spaß zu machen ... ;-))

Ganz einfach (erstmal):

Bei 'gleich' sind zwei (oder mehr) Entitäten im Spiel.

Bei 'selb-' ist *ein* Gegenstand im Spiel.

Das wäre schon mal der schlagende Unterschied.

Es heißt ja auch bspw. "ein und der selbe" (... über die
Getrenntzusammenschreibung wollen wir uns jetzt-hier bitte nicht
verbreiten!)

"Zur selben Zeit" heißt es, aber - komischer Weise - "gleichzeitig"
(und nicht *'selbzeitig').

Abstrakta und Gattungen sind allzumal _dieselben_. Beispiel:

"Sie sangen die selben Lieder wie damals."
"Diese beiden Exemplare gehören unterschiedlichen Arten der selben
Familie an."
"Jetzt, nach zwanzig Jahren, rief der Anblick die selben Gefühle
hervor wie einst."
"

Es ist nicht immer einfach, zwischen einem Vergleich mit dem Ergebnis
"gleich" und einer Referenz zweier Gegenstände auf ein selbes Drittes
zu unterscheiden.

Beispiel:

Mein Vater und mein Bruder haben dasselbe Gewicht.
(Hier ist das (selbe) Gewicht die Referenz.)

aber

Mein Vater und mein Bruder wiegen gleich viel.
(Das Ergebnis eines Vergleichs)
(Mein Vater wiegt gleich viel wie mein Bruder)
[Das Wörtchen 'viel' empfindet MusE als überflüssig, als ugs..]


anderes Beispiel:

"Franz und Klaus liefen in unterschiedlichen Vorläufen dieselbe Zeit."

"Franz und Klaus liefen in den Vorläufen gleich schnell."


Beispiel 3:

"Viele Details der Tathergänge sind gleich, so dass nah liegt, die
Taten derselben Person zuzuschreiben."
Hier also mal eine Engführung der Konzepte |selb| und |gleich|.



'gleich' ist also Modifier (wobei der Fall, dass das Verb 'sein'
Modifikationsobjekt ist, nichts anderes als eine Variante des *Verbs*
'gleichen' ist). Konstruktionen, in denen 'gleich' vor einem
Substantiv im Sg. steht, wie
"Karin trägt den gleichen Rock wie Ulla."
klingen immer ein bisschen schräg.

Besser wäre schon "Karin und Ulla tragen gleiche Röcke.", MusEn noch
besser "Die Röcke, die Karin und Ulla tragen, gleichen einander." oder
"Karins Rock gleicht dem von Ulla".
In den letzten zwei Sätzen ist es nicht mehr der Modifier 'gleich',
sondern das Verb 'gleichen'.

Man sieht, es lohnt doch, sich über diese beiden "kontrastive
Gedanken" zu machen!
Stefan Schmitz
2018-05-31 21:00:32 UTC
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Post by H.-P. Schulz
"Zur selben Zeit" heißt es, aber - komischer Weise - "gleichzeitig"
(und nicht *'selbzeitig').
Wer sagt denn "zur selben Zeit"?
Ich halte das für falsch. Es gibt nicht eine Entität von Zeit, die zu beiden
Ereignissen gehört.
"Zur selben Stunde" würde ich akzeptieren.
Post by H.-P. Schulz
Mein Vater und mein Bruder haben dasselbe Gewicht.
(Hier ist das (selbe) Gewicht die Referenz.)
Nein.
Die 64kg des Vaters sind nicht die selben wie die des Sohns.
Post by H.-P. Schulz
"Franz und Klaus liefen in unterschiedlichen Vorläufen dieselbe Zeit."
Dito.
Christian Weisgerber
2018-05-31 22:06:57 UTC
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Post by Stefan Schmitz
Post by H.-P. Schulz
Mein Vater und mein Bruder haben dasselbe Gewicht.
(Hier ist das (selbe) Gewicht die Referenz.)
Nein.
Die 64kg des Vaters sind nicht die selben wie die des Sohns.
Oh? Wie unterscheiden sie sich denn?
Die massebehafteten Körper sind verschieden; die Messungen sind
verschieden; aber das Messergebnis?

(Ich habe die Unterscheidung gleich/selb nicht im Sprachgefühl und
verspüre dank solcher Spitzfindigkeiten auch keine Lust sie mir
anzutrainieren.)
--
Christian "naddy" Weisgerber ***@mips.inka.de
Detlef Meißner
2018-06-01 04:30:07 UTC
Permalink
Post by Christian Weisgerber
Post by Stefan Schmitz
Post by H.-P. Schulz
Mein Vater und mein Bruder haben dasselbe Gewicht.
(Hier ist das (selbe) Gewicht die Referenz.)
Nein.
Die 64kg des Vaters sind nicht die selben wie die des Sohns.
Oh? Wie unterscheiden sie sich denn?
Die massebehafteten Körper sind verschieden; die Messungen sind
verschieden; aber das Messergebnis?
Vermutlich nähern wir uns höhere Mathematik, in der 5 nicht gleich 5
ist.

Detlef
Manfred Hoß
2018-06-01 05:33:46 UTC
Permalink
Post by Christian Weisgerber
(Ich habe die Unterscheidung gleich/selb nicht im Sprachgefühl und
verspüre dank solcher Spitzfindigkeiten auch keine Lust sie mir
anzutrainieren.)
Das folgende Video von und mit Armin Maiwald könnte dir weiterhelfen.



Gruß
Manfred.
Christian Weisgerber
2018-06-01 14:50:48 UTC
Permalink
Post by Manfred Hoß
Post by Christian Weisgerber
(Ich habe die Unterscheidung gleich/selb nicht im Sprachgefühl und
verspüre dank solcher Spitzfindigkeiten auch keine Lust sie mir
anzutrainieren.)
Das folgende Video von und mit Armin Maiwald könnte dir weiterhelfen.
http://youtu.be/hePMxBhJK3E
Das belegt erst einmal, dass Armin die Unterscheidung auch nicht
im Sprachgefühl hat und sie jetzt künstlich und bewusst treffen
will. Alle seine Beispiele sind Konkreta. Wie man mit Abstrakta
umgehen soll, erfahren wir nicht.

Ich habe vor ein paar Tagen mal wieder ein paar Kapitel in einem
Buch zur Geschichte der romanischen Sprachen gelesen, daher geht
mir gerade die Toleranz für derartigen Präskriptivismus ab.
--
Christian "naddy" Weisgerber ***@mips.inka.de
Stefan Schmitz
2018-06-01 16:51:38 UTC
Permalink
Post by Christian Weisgerber
Post by Manfred Hoß
http://youtu.be/hePMxBhJK3E
Das belegt erst einmal, dass Armin die Unterscheidung auch nicht
im Sprachgefühl hat und sie jetzt künstlich und bewusst treffen
will. Alle seine Beispiele sind Konkreta. Wie man mit Abstrakta
umgehen soll, erfahren wir nicht.
Mein Sprachgefühl sagt mir, dass es das Konzept Identität nur bei Konkreta gibt.
Gerd Thieme
2018-06-01 19:45:26 UTC
Permalink
Post by Stefan Schmitz
Mein Sprachgefühl sagt mir, dass es das Konzept Identität nur bei Konkreta gibt.
Geht mir auch so. Abstrakt gibt es den Unterschied zwischen Gleichheit
und Identität in der Regel nicht. Es gibt Ausnahmen, aber die führen
weit vom Thema dieser Gruppe weg.

Gerd
--
Nie wird so viel gelogen wie nach der Jagd,
im Krieg und vor Wahlen. (Bismarck)
Helmut Richter
2018-06-01 17:00:43 UTC
Permalink
Post by Christian Weisgerber
Das belegt erst einmal, dass Armin die Unterscheidung auch nicht
im Sprachgefühl hat und sie jetzt künstlich und bewusst treffen
will. Alle seine Beispiele sind Konkreta. Wie man mit Abstrakta
umgehen soll, erfahren wir nicht.
Ich habe vor ein paar Tagen mal wieder ein paar Kapitel in einem
Buch zur Geschichte der romanischen Sprachen gelesen, daher geht
mir gerade die Toleranz für derartigen Präskriptivismus ab.
Um mich selbst zu zitieren:

Wörter bedeuten spätestens dann das gleiche (oder dasselbe?), wenn der
Unterschied nur noch Korinthenkackern bekannt ist, die scheinbar (oder
anscheinend?) die einzigen sind, die ihn in wenigen Worten (oder Wörtern?)
erklären können. Die weisen dann andere grundsätzlich (oder ausnahmslos?)
auf solche Fehler hin. Aber den meisten ist das zu schwer (oder
schwierig?), so dass die Mühe umsonst (oder vergeblich?) aufgewandt ist.

Je öfter wir über solche Unterscheidungen diskutieren, desto mehr
beschleicht mich der Verdacht, dass in aller Regel die angeblich
neumodisch-ungenaue Doppelbedeutung die ursprüngliche ist und die angeblich
klassisch-genaue eine spätere Festlegung durch einen eifrigen Philologen. Im
Einzelfall ist das schwer zu verfolgen, aber mindestens bei
anscheinend/scheinbar und bei umsonst (kostenlos/vergeblich) gibts deutliche
Hinweise darauf.

Und die Festlegung, dass "Busen" nicht eine weibliche Brust (die ganze oder
einen der beiden Teile) bezeichnet, sondern *richtigerweise* den Einschnitt
in der Mitte, findet man auch ausschließlich im Lexikon, nicht aber im
Sprachgebrauch.

--
Helmut Richter
H.-P. Schulz
2018-06-01 19:25:40 UTC
Permalink
Post by Helmut Richter
Wörter bedeuten spätestens dann das gleiche (oder dasselbe?), wenn der
Unterschied nur noch Korinthenkackern bekannt ist, die scheinbar (oder
anscheinend?) die einzigen sind, die ihn in wenigen Worten (oder Wörtern?)
erklären können. Die weisen dann andere grundsätzlich (oder ausnahmslos?)
auf solche Fehler hin. Aber den meisten ist das zu schwer (oder
schwierig?), so dass die Mühe umsonst (oder vergeblich?) aufgewandt ist.
Ist ja alles furchtbar lieb und volksnah und, wer weiß, wahrscheinlich
auch demokratisch-freiheitlich gedacht bzw. gesagt! ;-)) Und
pragmatisch, ja, geradezu realistischst!

Aber.

Diese ganze Differenziererei und das "Korinthenkacken" hat - so sehe
und so lehre ich es auch - einen tieferen Zweck, - nämlich die Übung,
genauer: die Einübung auf Differenzierung und Genauigkeit im *ganzen*
Denken. Denn diese beiden machen das geistige Dasein erst reich und
vielfältig.

Übrigens sollte man nicht von meiner desd-notorischen Attitude auf
mein (Sprachlehr)Verhalten im realen Leben schließen.
Ich gehöre - so die Rückmeldung - nicht zu den Stimmungstötern, die
bei jeder "passenden" Gelegenheit ihren Schlauberger-Bauchladen
auskramen; das wäre ja noch schlimmer als Witze erzählen,
Denksport-Scherzfragen stellen oder neueste Öko-Weisheiten auftischen!
(Wer einmal die Qual durchlebte, einem ausdauernden Limerick-Aufsager
in die Krallen zu geraten, ist, wenn nicht gänzlich merkbefreit,
kuriert.)

Ich spreche/schreibe meinen Stiefel - und erreiche in der Regel mein
Ziel. Ob, und warum, genau, jemandem etwas "auffällt", ist im
Normalfall nicht meine Sorge.
Manche (in Wahrheit: viele!) Leute beunruhigt, wenn ihnen etwas
"auffällt", und diese Leute tun gern einiges, um vom idiosynkratischen
"Auffallen" zum Stressfaktor "auffällig" sozusagen zu migrieren. Es
sind dieselben Leute, die von Mundhalten, von Nichtaussprechen so
jammer wenig halten! Dabei ist das beste an Kommunikation das korrekte
Fresse Halten!
Post by Helmut Richter
Und die Festlegung, dass "Busen" nicht eine weibliche Brust (die ganze oder
einen der beiden Teile) bezeichnet, sondern *richtigerweise* den Einschnitt
in der Mitte, findet man auch ausschließlich im Lexikon, nicht aber im
Sprachgebrauch.
'Busen' war früher ja ganz allgemein die Gegend ums Herze, eher
poetisch-innig denn anatomisch.
Körperliche Details zu verhandeln war und ist unschicklich, und wo das
Unschickliche eingewöhnt ist (da her "gewöhnlich"!), ist eh schon
alles egal, also nicht diskutabel..
Helmut Richter
2018-06-02 17:43:31 UTC
Permalink
Post by H.-P. Schulz
Post by Helmut Richter
Wörter bedeuten spätestens dann das gleiche (oder dasselbe?), wenn der
Unterschied nur noch Korinthenkackern bekannt ist, die scheinbar (oder
anscheinend?) die einzigen sind, die ihn in wenigen Worten (oder Wörtern?)
erklären können. Die weisen dann andere grundsätzlich (oder ausnahmslos?)
auf solche Fehler hin. Aber den meisten ist das zu schwer (oder
schwierig?), so dass die Mühe umsonst (oder vergeblich?) aufgewandt ist.
Ist ja alles furchtbar lieb und volksnah und, wer weiß, wahrscheinlich
auch demokratisch-freiheitlich gedacht bzw. gesagt! ;-)) Und
pragmatisch, ja, geradezu realistischst!
Lieb und volksnah: das klingt, als hielte da jemand das Volk für zu blöd,
sich genau auszudrücken und gestattet ihm deswegen unerlaubterweise
haarsträubende Ungenauigkeiten. Der Sprachadel dagagen ist zu
differenzierter Sprechweise in der Lage und rettet so die Sprache, die
ursprünglich in ihrer natürlichen Präzision auf die Blödheit des Volkes
keine Rücksicht genommen hat. Und weil diese Unsitten gegen den Adel gehen,
wenn auch nur den sprachlichen, wird ihnen das Schimpfwort "demokratisch"
verpasst.

Es ist aber umgekehrt: der Sprachadel *erfindet* die präzise Sprache, warum
auch immer. Vielleicht in der Tat, um sich präzis auszudrücken, vielleicht
auch nur, um sich vom Plebs abzugrenzen. Irgendwann stellt ein
Schulmeisterlein fest, dass es zwei Adverbien mit der Bedeutung "dem
Anschein nach" gibt, nämlich "anscheinend" und "scheinbar". Nein, eine
präzise und logische Sprache hält zwei Wörter mit derselben Bedeutung nicht
aus, und so muss das Schulmeisterlein dekretieren, ab sofort behalte zwar
"anscheinend" diese Bedeutung, wohingegen "scheinbar" nur noch im Sinne von
"einem irrigen Anschein nach" zu gebrauchen sei. Und das Plebs ist in seiner
undifferenzierten Dumpfheit blamiert, weil es den Erlass des
Schulmeisterleins nicht zur Kenntnis genommen hat und weiter so spricht wie
eh und je. Oder ein anderes Schulmeisterlein entdeckt, dass "umsonst" sowohl
in der Bedeutung "kostenlos" als auch in der Bedeutung "vergeblich"
verwendet wird, wo doch eine präzise und logische Sprache ein Wort für zwei
Bedeutungen nicht aushält. Es schlägt ob dieser mangelnden Präzision Alarm
und hat damit unter anderem Herrn Luther mit seiner unpräzisen Bibel an den
Pranger gestellt. Dabei ist es wirklich dieselbe Wortbedeutung, nämlich
"für nichts, also ohne verdientem Erfolg/Entgelt/Wirkung".
Post by H.-P. Schulz
Aber.
Diese ganze Differenziererei und das "Korinthenkacken" hat - so sehe
und so lehre ich es auch - einen tieferen Zweck, - nämlich die Übung,
genauer: die Einübung auf Differenzierung und Genauigkeit im *ganzen*
Denken. Denn diese beiden machen das geistige Dasein erst reich und
vielfältig.
Ich wende mich nicht gegen differenzierte und genaue Sprache und versuche
selbst, mich einer solchen zu befleißigen, manchmal zum Entzücken meines
holdes Weibes, das aber dann auch manche Präzisierung in ihren Sprachschatz
übernimmt. Da gibt es dann kein Achselzucken, keinen Adventskalender und
keinen Würfelzucker mehr, sondern genauer Schulterzucken, Dezemberkalender
und Quaderzucker.

Die Frage hier ist jedoch, wie die Differenzierung zustandekommt. Die
genauesten Sprachen sind die Fachsprachen: dort werden die Wörter definiert.
Wenn ein Mathematiker, ein Jurist, ein Arzt oder ein Biologe ein Wort
verwenden, das zu ihrer Fachsprache gehört, dann hat dieses Wort eine
wohldefinierte Bedeutung, die von der in der Alltagssprache abweichen kann,
wenn es dort dasselbe Wort auch gibt. Manchmal übernimmt das Volk diese
Definitionen, manchmal nicht: die meisten betrachten den Walfisch nicht als
Fisch, aber erst wenige haben sich daran gewöhnt, dass die Erdnuss keine
Nuss ist und die Erdbeere keine Beere. Die sind aber nicht doof und
ungebildet, sondern sprechen die Sprache, die das gemeine Volk spricht und –
wichtiger! – auch sprechen darf, obwohl gescheite Leute inzwischen eine
andere Nomenklatur verkündet haben.

Und so gibt es eben einige nachträgliche Präzisierungen, die von der
Sprachgemeinschaft nach und nach übernommen werden, und viele, bei denen das
nicht der Fall ist, wie bei "scheinbar" und "umsonst", die wohl seit 150
Jahren gepredigt werden, aber am Volk vorbei. Ja, das Volk erweist sich da
als "demokratisch-freiheitlich", kurz: renitent.
Post by H.-P. Schulz
Übrigens sollte man nicht von meiner desd-notorischen Attitude auf
mein (Sprachlehr)Verhalten im realen Leben schließen.
Ich gehöre - so die Rückmeldung - nicht zu den Stimmungstötern, die
bei jeder "passenden" Gelegenheit ihren Schlauberger-Bauchladen
auskramen; das wäre ja noch schlimmer als Witze erzählen,
Denksport-Scherzfragen stellen oder neueste Öko-Weisheiten auftischen!
(Wer einmal die Qual durchlebte, einem ausdauernden Limerick-Aufsager
in die Krallen zu geraten, ist, wenn nicht gänzlich merkbefreit,
kuriert.)
Danke für diesen Absatz – der erweist dich als weitausaus menschlicher als
die beiden oben erwähnten Schulmeisterlein, von denen wir in beiden
genannten Fällen nicht wissen, wer genau dahintersteckt.

--
Helmut Richter
H.-P. Schulz
2018-06-04 08:57:54 UTC
Permalink
Post by Helmut Richter
Post by H.-P. Schulz
Ist ja alles furchtbar lieb und volksnah und, wer weiß, wahrscheinlich
auch demokratisch-freiheitlich gedacht bzw. gesagt! ;-)) Und
pragmatisch, ja, geradezu realistischst!
Lieb und volksnah: das klingt, als hielte da jemand das Volk für zu blöd,
sich genau auszudrücken und gestattet ihm deswegen unerlaubterweise
haarsträubende Ungenauigkeiten.
Es geht ja nicht um Genauigkeit als Selbstzweck, als "art pour l'art".
Die Leute geraten andauernd in Stress, in Kalamitäten, in
"Kettenreaktionen" und "Aufschaukelungen" - - und fast immer steht am
Beginn eine _sprachliche_ Ungenauigkeit, Unvollständigkeit, ein nicht
richtig zugehört Haben o.ä. ...

Und dann kommen sie angeferzelt, nicht selten bis vor die Gerichte,
und plärren rum v.wg. wie schlecht und ungerecht und überhaupt: Alles
Scheiße.

Aber den Hinweis, den ggf. möglichen BEweis, dass ihr unzulängliches
Sprachvermögen zu großem Anteil ursächlich ihrem Verdruss sei - -, den
wollen sie partout nicht akzeptieren. Vielleicht, weil sie denken,
daran (an dieser Unzulänglichkeit) ließe sich nun auch nichts mehr
ändern, jetzt, wo man doch erwachsen sei, und überhaupt, das klingt ja
nach lernen, und lernen klingt nach Schule ...., und Schule ist *das*
Hassobjekt im Volk!
Und ich kann es nachvollziehen!
Post by Helmut Richter
Der Sprachadel
Genau, Adel. Wo sind Lehen, Privilegien, Macht?
Post by Helmut Richter
dagagen ist zu
differenzierter Sprechweise in der Lage und rettet so die Sprache,
Möglich, dass es auch "Sprachretter" gibt, wo do doch heute nichts und
niemand vorm geschützt oder gerettet Werden sicher ist.
Post by Helmut Richter
die ursprünglich in ihrer natürlichen Präzision
Wer in Sprachdingen Konzepte wie |ursprünglich| oder |natürlich|
ernstlich und eigentlich verhandelt, hat sich schon tief im
Romantik-Untergestrüpp verheddert und ist längst nicht mehr rational
ansprechbar.
Post by Helmut Richter
auf die Blödheit des Volkes
keine Rücksicht genommen hat. Und weil diese Unsitten gegen den Adel gehen,
wenn auch nur den sprachlichen, wird ihnen das Schimpfwort "demokratisch"
verpasst.
Es ist aber umgekehrt: der Sprachadel *erfindet* die präzise Sprache, warum
auch immer.
Du baust einen Popanz, den "Sprachadel", und der "erfindet" dann etwas
Post by Helmut Richter
Vielleicht in der Tat, um sich präzis auszudrücken, vielleicht
auch nur, um sich vom Plebs abzugrenzen.
In der Tat ist präzises, vollständiges Sprechen schon irgendwie
"abgrenzend". Ich finde das praktisch.
Post by Helmut Richter
Irgendwann stellt ein
Schulmeisterlein fest, dass es zwei Adverbien
Übrigens, und nebenbei, ist 'scheinbar' ein lupenreines Adjektiv.
Es ist ja gerade seine verkehrte Verwendung als Adverb, die die
Wirrsal stiftet!
Post by Helmut Richter
mit der Bedeutung "dem
Anschein nach" gibt, nämlich "anscheinend" und "scheinbar". Nein, eine
präzise und logische Sprache hält zwei Wörter mit derselben Bedeutung nicht
aus,
Wo her aber die Sicherheit, diese beiden Wörter verwiesen tatsächlich
auf dasselb Konzept, "bedeuteten" also "dasselbe"?

Wir hatten diesen Fall (anscheinend - scheinbar) ja kürzlich, und ich
glaube, dass ich dort zwei stark unterschiedliche Konzepte formuliert
hatte; so unterschiedlich, dass es gar keine Verwechslung geben kann.

Dass die *Wortformen*, die auf die jeweiligen Konzepte verweisen, ein
Bestandteil (nämlich 'schein') gemein haben, reicht offenbar vielen
Sprechern zu einer Verwirrung und Verwechslung. Okay, kein Ding, kann
man (er)klären!
Das einzige, was dann wirklich blöd rüberkommt, ist, wenn die
Erklärung (und sie ist ggf. wirklich *klar* und deutlich) nicht
akzeptiert wird, sondern trotzig und borniert auf dem Wirrsal beharrt
wird und, mehr noch, die Differenzierung als geschraubt und
"schulmeisterlich" verschimpft wird: Da wird dann eine vermeintlich
urig-richtige Normalität, ja "Natürlichkeit" gegen eine - sehr richtig
gesehen: - künstliche, "philologische" Setzung in Stellung gebracht.

Nun *ist* aber Sprache nichts Natürliches! Sie ist _künstlich_, ist
ein _Artefakt_, und dies desto mehr, je fortgeschrittener, komplexer
und, ja, auch unübersichtlicher die Zivilisation ist.
Post by Helmut Richter
Post by H.-P. Schulz
Aber.
Diese ganze Differenziererei und das "Korinthenkacken" hat - so sehe
und so lehre ich es auch - einen tieferen Zweck, - nämlich die Übung,
genauer: die Einübung auf Differenzierung und Genauigkeit im *ganzen*
Denken. Denn diese beiden machen das geistige Dasein erst reich und
vielfältig.
Ich wende mich nicht gegen differenzierte und genaue Sprache und versuche
selbst, mich einer solchen zu befleißigen, manchmal zum Entzücken meines
holdes Weibes, das aber dann auch manche Präzisierung in ihren Sprachschatz
übernimmt. Da gibt es dann kein Achselzucken, keinen Adventskalender und
keinen Würfelzucker mehr, sondern genauer Schulterzucken, Dezemberkalender
und Quaderzucker.
Du machst Witze. Sag, dass das ein Scherz ist!
Post by Helmut Richter
(...) Die sind aber nicht doof und
ungebildet, sondern sprechen die Sprache, die das gemeine Volk spricht und –
wichtiger! – auch sprechen darf, obwohl gescheite Leute inzwischen eine
andere Nomenklatur verkündet haben.
Erstens: Was gäbe es denn da wohl zu dürfen bzw. nicht zu dürfen? Was
soll diese Spiegelfechterei?
Und dann, zweitens: Das "gemeine Volk"! Also jetzt *hör* mir aber mal
auf! Was machst Du hier den Anwalt der vermeintlichen misera plebs?
Das sind doch sämtlich Privilegierte, hier in Teutsch-Schlaraffenland!
Nix mit misera! Und wenn sie *geistig* misera sind, dann weil sie von
der Freiheit, die zu meinen ihnen seit vielen Jahrzehnten eingebimst
wird, genau den Gebrauch machen, der ebenso unausbleiblich wie
höhernorts gewünscht ist. Und dieser "höhere Ort" ist nichts anderes
als unser aller _Markt_, dessen Schützer und Verteidiger man die plebs
alle vier Jahre wählen lässt.
Alles weitere ergibt sich genau *daraus*; alles, ohne Rest.

Und in diese Marktwelt passt Genauigkeit usw. aber sowas von *gar
nicht*!
An die Stelle der Vielfalt des Neuen, Unerwarteten, Befremdlichen,
Erstaunlichen, ... die einzig durch Präzision und "Trennschärfe" denk-
und darstellbar ist
tritt im Markt (vornehmlich im konsumistischen) die Vielfalt der Namen
des immer selben, dessen wahrer Name, mit etwas
Simplifizierungs-Mutwillen, immer der eine ist: Ware.
*Deshalb* die nie endenden, unendlich langweiligen "Diskussionen", wie
"man" da und da zu sage, bzw. sagen könne, bzw. der eine sagt so, der
andere so, uswusf ad nauseam. Die große Freiheit, anything goes, und
wer auf wenigstens ansatzweise Eindeutigkeit, Differenzierung usw.
dringt, ist Gefährder der Freiheit. Und es stimmt! *Diese* Freiheit
_untergräbt_, wer irgend - und nicht nur auf dem Gebiet der Sprache u.
der sprachl. Kommunikation - Präzision, Analyse, Vollständigkeit
betreibt.

Präskription, Kodex, Regel: Das waren _Angebote_ einer Freiheit, die
recht eigentlich vergessen werden soll.
Deshalb die Tendenz zur DEskription, auch zur Lockerung der Regeln
usw.. Aber eine "gelockerte Regel *ist keine mehr*!, sondern eine
Wischiwaschierzeugungsmaschine, an deren Ausstoß sich dann Leute
abarbeiten (vulgo: die Zeit totschlagen), die auch im Sudoku Zahlen
sehen - und im übrigen glauben, etwas Kluges zu lesen, wenn da steht,
Sprache sei nicht logisch sondern praktisch.
Jakob Achterndiek
2018-06-04 10:00:32 UTC
Permalink
Post by H.-P. Schulz
Post by Helmut Richter
Der Sprachadel
Genau, Adel. Wo sind Lehen, Privilegien, Macht?
Kleines Sprach- und Denkspiel:
Ist der Adel eine Auszeichnung für dessen Privilegien oder
sind die Privilegien eine Auszeichnung für ihren Adel?

Kleiner Seitensprung:
*Inklusion* ist das derzeit modische sakrosankte Privileg.
Wie das?
Die privia lex, daß ihm möglichst alle Barrieren* aus dem Weg
geräumt werden, genießt nun mal nicht jeder normale Sterbliche,
sondern dieser muß oft bitter dafür bezahlen.
* Stichwort: Einfache Sprache.
--
j/\a
H.-P. Schulz
2018-06-04 13:17:39 UTC
Permalink
Post by Jakob Achterndiek
Post by H.-P. Schulz
Post by Helmut Richter
Der Sprachadel
Genau, Adel. Wo sind Lehen, Privilegien, Macht?
Ist der Adel eine Auszeichnung für dessen Privilegien oder
sind die Privilegien eine Auszeichnung für ihren Adel?
Adel ist nur eine Überschrift.
Privilegien, Eigentum, Macht sind das "Fleisch auf den Knochen".

(Ernennungsadel, also, dass ein Adeliger einen aus dem Volk erhebt,
ist etwas wesentlich Unterschiedliches zum Adel, der sich selbst
ernennt. Und der metaphorische Adel ist, wie man sieht, gleich noch
wieder eine gänzlich andere Sache .. ;-) )
Post by Jakob Achterndiek
*Inklusion* ist das derzeit modische sakrosankte Privileg.
Nein. Das mit der Inklusion hast Du (noch) nicht verstanden.

Selbstverständlich gilt, wie überall:

Verwirklicht ist es erst, wenn es nicht mehr so heißt; genannt wird;
genannt werden muss.

Gerd Thieme
2018-06-01 19:51:27 UTC
Permalink
Post by Helmut Richter
Je öfter wir über solche Unterscheidungen diskutieren, desto mehr
beschleicht mich der Verdacht, dass in aller Regel die angeblich
neumodisch-ungenaue Doppelbedeutung die ursprüngliche ist und die angeblich
klassisch-genaue eine spätere Festlegung durch einen eifrigen Philologen.
Gewiß doch. Sprache ist inhärent unscharf.

Gerd
--
Sprache ist nicht logisch, sondern praktisch (Jens Walter Heckmann)
Manfred Hoß
2018-06-01 06:24:34 UTC
Permalink
Post by Stefan Schmitz
Post by H.-P. Schulz
"Zur selben Zeit" heißt es, aber - komischer Weise - "gleichzeitig"
(und nicht *'selbzeitig').
Wer sagt denn "zur selben Zeit"?
In Band 125 der Digitalen Bibliothek, "Deutsche Literatur von Luther bis
Tucholsky", werden bei der Suche nach "zur selben Zeit" 218 Fundstellen
angezeigt. "Zur gleichen Zeit" wird 12 Mal gefunden.

Eine Suche im DWDS-Kernkorpus (1900-1999) ergibt, dass "zur gleichen Zeit"
inzwischen mehrheitsfähig ist. Die Suche führt zu 662 Treffern. "Zur selben
Zeit" wird 257 Mal gefunden.
Post by Stefan Schmitz
Ich halte das für falsch. Es gibt nicht eine Entität von Zeit, die zu beiden
Ereignissen gehört.
"Zur selben Stunde" würde ich akzeptieren.
Gefühlsmäßig würde ich "zur gleichen Zeit" sagen, schließlich heißt es
"gleichzeitig" und nicht "selbzeitig".
Post by Stefan Schmitz
Post by H.-P. Schulz
Mein Vater und mein Bruder haben dasselbe Gewicht.
(Hier ist das (selbe) Gewicht die Referenz.)
Nein.
Die 64kg des Vaters sind nicht die selben wie die des Sohns.
Armin Maiwald sagt in dem von mir verlinkten Video: "Dasselbe kann man
immer nur dann benutzen, wenn man auch sagen könnte 'Ein und dasselbe'."
Ich stimme ihm zu. Wer also meint, Vater und Sohn haben ein und dasselbe
Gewicht, für den ist "dasselbe Gewicht" richtig, wer das nicht sagt, für
den ist ausschließlich "das gleiche Gewicht" korrekt.
Post by Stefan Schmitz
Post by H.-P. Schulz
"Franz und Klaus liefen in unterschiedlichen Vorläufen dieselbe Zeit."
Dito.
Ebenfalls dito.

Gruß
Manfred.
Jakob Achterndiek
2018-06-01 08:12:17 UTC
Permalink
Post by Manfred Hoß
Gefühlsmäßig würde ich "zur gleichen Zeit" sagen, schließlich heißt es
"gleichzeitig" und nicht "selbzeitig".
Was rätst du jetzt aber einem von jenen Leuten,
die lieber verständig als gefühlsmäßig reden?
--
j/\a
Manfred Hoß
2018-06-01 10:47:22 UTC
Permalink
Post by Jakob Achterndiek
Post by Manfred Hoß
Gefühlsmäßig würde ich "zur gleichen Zeit" sagen, schließlich heißt es
"gleichzeitig" und nicht "selbzeitig".
Was rätst du jetzt aber einem von jenen Leuten,
die lieber verständig als gefühlsmäßig reden?
Bei Zweifelsfällen, also wenn es nicht eindeutig ist, ob es ein und
der-/die-/dasselbe heißt, so würde ich "zur gleichen Zeit" schreiben.
Soweit ich das sehe, wird das allgemein akzeptiert.

Gruß
Manfred.
Bertel Lund Hansen
2018-06-01 11:01:26 UTC
Permalink
Post by Jakob Achterndiek
Post by Manfred Hoß
Gefühlsmäßig würde ich "zur gleichen Zeit" sagen, schließlich heißt es
"gleichzeitig" und nicht "selbzeitig".
Was rätst du jetzt aber einem von jenen Leuten,
die lieber verständig als gefühlsmäßig reden?
Bist du nicht ein bisschen unfair? Keiner misversteht wohl
"gleichzeitig"?

PS. Auf Dänisch haben wir "uretfærdig". Gibt es nicht auf Deutsch
ein entsprechendes Wort?
--
/Bertel - aus Dänemark
Bertel Lund Hansen
2018-06-01 11:05:05 UTC
Permalink
Post by Bertel Lund Hansen
Bist du nicht ein bisschen unfair? Keiner misversteht wohl
"gleichzeitig"?
Und ich meinte natürlich: "zur gleichen Zeit".
--
/Bertel - aus Dänemark
Jakob Achterndiek
2018-06-01 12:00:23 UTC
Permalink
Post by Bertel Lund Hansen
Post by Jakob Achterndiek
Post by Manfred Hoß
Gefühlsmäßig würde ich "zur gleichen Zeit" sagen, schließlich heißt es
"gleichzeitig" und nicht "selbzeitig".
Was rätst du jetzt aber einem von jenen Leuten,
die lieber verständig als gefühlsmäßig reden?
Bist du nicht ein bisschen unfair? Keiner misversteht wohl
"gleichzeitig"?
Aber Manfred Hoß wollte das ja "gefühlsmäßig" sagen. Da bestünde
dann die Gefahr, daß ein un-"verständiger" Hörer das nicht nur
miss-"versteht", sondern (viel schlimmer) auch noch missfühlt. :(

Unfair ist das freilich, wenn jemand solche allzu gut gemeinten
Ratschläge so wörtlich nimmt und so ironisch auf sie reagiert,
wie ich das gern tue. ;)
--
j/\a
Manfred Hoß
2018-06-01 14:49:40 UTC
Permalink
Post by Jakob Achterndiek
Post by Bertel Lund Hansen
Post by Jakob Achterndiek
Post by Manfred Hoß
Gefühlsmäßig würde ich "zur gleichen Zeit" sagen, schließlich heißt es
"gleichzeitig" und nicht "selbzeitig".
Was rätst du jetzt aber einem von jenen Leuten,
die lieber verständig als gefühlsmäßig reden?
Bist du nicht ein bisschen unfair? Keiner misversteht wohl
"gleichzeitig"?
Aber Manfred Hoß wollte das ja "gefühlsmäßig" sagen. Da bestünde
dann die Gefahr, daß ein un-"verständiger" Hörer das nicht nur
miss-"versteht", sondern (viel schlimmer) auch noch missfühlt. :(
Aus meiner Sicht ist die Gefahr gering. Wenn jemand Deutsch lernt und mich
fragt, ob es "zur gleichen Zeit" heißt oder "zur selben Zeit", so würde ich
ihm durchaus anraten, sich ins Gedächtnis zu rufen, dass es das Wort
"gleichzeitig" gibt und er "zur gleichen Zeit" sagen soll. Er kann sich das
dann leicht merken und wird auf alle Fälle von seinem Gegenüber verstanden.
Post by Jakob Achterndiek
Unfair ist das freilich, wenn jemand solche allzu gut gemeinten
Ratschläge so wörtlich nimmt und so ironisch auf sie reagiert,
wie ich das gern tue. ;)
Was würdest du jemandem, der Deutsch lernt, raten?

Manfred "Prawda".
Jakob Achterndiek
2018-06-01 17:40:29 UTC
Permalink
Post by Manfred Hoß
Was würdest du jemandem, der Deutsch lernt, raten?
Aus didaktischen Erwägungen würde ich deinem Vorschlag folgen
und auf das Wortfeld rund um "~gleich~" von "vergleichen" über
"gleichzeitig" bis zur "gleichen Zeit" hinweisen. - Ich würde
das halt nur nicht "gefühlsmäßig" tun. ;)
--
j/\a
Gerd Thieme
2018-06-01 13:44:42 UTC
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Post by Bertel Lund Hansen
Bist du nicht ein bisschen unfair? Keiner misversteht wohl
"gleichzeitig"?
PS. Auf Dänisch haben wir "uretfærdig". Gibt es nicht auf Deutsch
ein entsprechendes Wort?
„Unfair“ ist schon in Ordnung, „ungerecht“ geht auch. Sogar
„ungerechtfertigt“ gibt es, aber das paßt hier nicht.

Gerd
--
Wenn einer, der mit Mühe kaum
Gekrochen ist auf einen Baum,
Schon meint, daß er ein Vogel wär,
So irrt sich der.
H.-P. Schulz
2018-06-01 13:44:29 UTC
Permalink
Post by Jakob Achterndiek
Post by Manfred Hoß
Gefühlsmäßig würde ich "zur gleichen Zeit" sagen, schließlich heißt es
"gleichzeitig" und nicht "selbzeitig".
Was rätst du jetzt aber einem von jenen Leuten,
die lieber verständig als gefühlsmäßig reden?
Schön zu sehen, dass da noch jemand das Wort 'verständig' gebraucht!
Gerd Thieme
2018-06-01 09:03:51 UTC
Permalink
Post by Stefan Schmitz
Wer sagt denn "zur selben Zeit"?
Hier (meld!), ich, Herr Lehrer!
Post by Stefan Schmitz
Ich halte das für falsch.
Ich halte es für korrekt.
Post by Stefan Schmitz
Es gibt nicht eine Entität von Zeit, die zu beiden Ereignissen gehört.
Nein? Was bitte ist Zeit? Umgangssprachlich oder meßtechnisch gesehen
finde ich keinen Unterschied zwischen verschiedenen Arten von Zeit. Alle
Zeitpunkte, die gleich sind, sind deshalb auch alle die selben.

Anders wird es relativitätsphysikalisch. Dann haben wir (je nach Betrag
und Richtung der Beschleunigung) verschiedene Zeiten, die schwer
miteinander vergleichbar sind (oder auch garnicht), weil sie nicht nur
unterschiedlich schnell laufen, sondern auch gern noch in
unterschiedliche Richtungen.

Sprachlich ist die Relativitätstheorie aber ohne Bedeutung.
Post by Stefan Schmitz
"Zur selben Stunde" würde ich akzeptieren.
Hä? Das ist ja viel unschärfer. Zur selben Stunde heißt nicht unbedingt
gleichzeitig, denn es könnte auch nacheinander passieren.

Mir scheint, Du lebst auf einem anderen Stern als ich.
Post by Stefan Schmitz
Post by H.-P. Schulz
Mein Vater und mein Bruder haben dasselbe Gewicht.
(Hier ist das (selbe) Gewicht die Referenz.)
Nein.
Die 64kg des Vaters sind nicht die selben wie die des Sohns.
Der letzte Satz ist sprachlich sinnvoll. Die Ablehnung aber nicht.

Alle Maßzahlen die einander gleich sind, sind auch die selben. Es gibt
keine Unterscheidung zwischen verschiedenen Exemplaren ein und derselben
abstrakten Zahl.

Man darf sogar Äpfel mit Birnen vergleichen, wenn man’s geschickt
anstellt: Die Anzahl der Äpfel in der linken Tüte (drei, dick und schwer
und rotbackig) ist die selbe wie die Anzahl der Birnen in der rechten
Tüte (drei, klein, grün und sauer).

Gerd
--
Oftmals paaret im Gemüte
Dummheit sich mit Herzensgüte,
Während höh’re Geistesgaben
Meistens böse Menschen haben.
Holger Marzen
2018-06-01 09:08:40 UTC
Permalink
Post by Gerd Thieme
Post by Stefan Schmitz
Wer sagt denn "zur selben Zeit"?
Hier (meld!), ich, Herr Lehrer!
Post by Stefan Schmitz
Ich halte das für falsch.
Ich halte es für korrekt.
Im Alltag kennen wir nur eine Zeit, damit haben wir keine zwei Instanzen
der Zeit, und damit muss es zur selben Zeit heißen, nicht zur gleichen.

Berücksichtigt man relativistische Effekte, hat also jeder seine
Eigenzeit, muss es zur gleichen Zeit heißen.

Ich wage aber zu bezweifeln, dass die Gleichzeitigkeit (statt
Selbzeitigkeit) aus relativistischen Betrachtungen heraus gewählt wurde.
Detlef Meißner
2018-06-01 10:02:34 UTC
Permalink
Post by Gerd Thieme
Post by Stefan Schmitz
Wer sagt denn "zur selben Zeit"?
Hier (meld!), ich, Herr Lehrer!
Post by Stefan Schmitz
Ich halte das für falsch.
Ich halte es für korrekt.
Post by Stefan Schmitz
Es gibt nicht eine Entität von Zeit, die zu beiden Ereignissen gehört.
Nein? Was bitte ist Zeit? Umgangssprachlich oder meßtechnisch gesehen
finde ich keinen Unterschied zwischen verschiedenen Arten von Zeit. Alle
Zeitpunkte, die gleich sind, sind deshalb auch alle die selben.
Besonders deutlich wird das bei "alle Uhren werden gleichzeitig (zur
selben Zeit) umgestellt."

Wobei "gleichzeitig" auch noch eine gewisse Einheitlichkeit der Uhrzeit
beinhaltet.

Detlef
Helmut Richter
2018-05-31 21:35:57 UTC
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Post by H.-P. Schulz
"Zur selben Zeit" heißt es, aber - komischer Weise - "gleichzeitig"
(und nicht *'selbzeitig').
"Sie sangen die selben Lieder wie damals."
"Diese beiden Exemplare gehören unterschiedlichen Arten der selben
Familie an."
"Jetzt, nach zwanzig Jahren, rief der Anblick die selben Gefühle
hervor wie einst."
"
Bei Gattungen würde ich dir recht geben, denn jede Gattung gibts nur einmal,
und eine gleiche, die nicht dieselbe ist, gibts nicht, oder man würde statt
"gleich" lieber "ähnlich" oder "eng verwandt" sagen, um Missverständnisse zu
vermeiden. Bei Abstrakta nicht: da gibts oft neben dem Abstraktum selbst
außerdem ein oder mehrere Vorkommen davon. Kann man bei zwei verschiedenen
Gelegenheiten dieselben Worte sprechen? Kaum, denn wenn sie einmal
gesprochen wurden, kann man sie vielleicht noch aufschreiben, aber zum
Sprechen sind sie verbraucht. Hier, meine ich, ist "dasselbe" und "das
gleiche" dasselbe und daher auch das gleiche. Alles andere ist
Haarspalterei, die das Haar nicht einmal trifft.
Post by H.-P. Schulz
Mein Vater und mein Bruder haben dasselbe Gewicht.
(Hier ist das (selbe) Gewicht die Referenz.)
aber
Mein Vater und mein Bruder wiegen gleich viel.
(Das Ergebnis eines Vergleichs)
(Mein Vater wiegt gleich viel wie mein Bruder)
Beim zweiten Beispiel stimme ich zu: deswegen gibt es ein "gleich viel",
aber kein "selb viel". Zum ersten Beispiel siehe meine Bemerkung oben.
Post by H.-P. Schulz
"Viele Details der Tathergänge sind gleich, so dass nah liegt, die
Taten derselben Person zuzuschreiben."
Hier also mal eine Engführung der Konzepte |selb| und |gleich|.
Die Details sind Abstrakta, wären also nach deinen obigen Ausführungen
allenfalls dieselben.

Nebenbemerkung: in der Mathematik ist "gleich" dasselbe wie "dasselbe",
wobei letzteres selten so verwendet wird. "identisch" hat eine Reihe von
verschiedenen Bedeutungen je nach Kontext und wird informell verwendet, also
wenn ohne Definition klar ist, wie es gemeint ist. Aber um mathematischen
Jargon gehts hier ja nicht.
--
Helmut Richter
H.-P. Schulz
2018-06-01 09:09:11 UTC
Permalink
Post by Helmut Richter
Post by H.-P. Schulz
"Zur selben Zeit" heißt es, aber - komischer Weise - "gleichzeitig"
(und nicht *'selbzeitig').
"Sie sangen die selben Lieder wie damals."
"Diese beiden Exemplare gehören unterschiedlichen Arten der selben
Familie an."
"Jetzt, nach zwanzig Jahren, rief der Anblick die selben Gefühle
hervor wie einst."
"
Bei Gattungen würde ich dir recht geben, denn jede Gattung gibts nur einmal,
und eine gleiche, die nicht dieselbe ist, gibts nicht, oder man würde statt
"gleich" lieber "ähnlich" oder "eng verwandt" sagen, um Missverständnisse zu
vermeiden. Bei Abstrakta nicht: da gibts oft neben dem Abstraktum selbst
außerdem ein oder mehrere Vorkommen davon.
Das wird dann aber immer auch extra markiert.
Im Fall von Wörtern wäre diese Markierung durch das Verb 'sprechen'
(o.ä.) gegeben.
Ein Wort, einfach so, *ist* erstmal nur, es existiert konzeptuell in
den Köpfen der Mitglieder der Sprachgemeinschaft. M.a.W. selbst auf
der konzeptuellen Ebene gibt es vorderhand nur Exemplare, aber eben
abstrakte solche. Jede Kommunikation ist - sozusagen metathematisch -
auch ein Abgleich, oder auch Aushandeln, eines abstrakten,
_integrierten Konzepts_.
Auf Deutsch: Erkundung, ob bzw. sicherstellen, dass
das Gegenüber so ziemlich "dasselbe unter einem Wort verstehe" wie man
selbst.
Post by Helmut Richter
Kann man bei zwei verschiedenen Gelegenheiten dieselben Worte sprechen?
Aber ja doch. Das je aktuelle Sprechen, der jeweilige Sprechvorgang:
Der ist freilich einmalig.
Aber ein Wort ist ein Konzept, ein Abstraktum (ein Glück, dass es so
ist! ;-)) ) s.o.
Das Sprechen eines Wortes ist ein Exemplar, eine konkrete "Version"
(eines Verweises auf) des abstrakten Konzepts.
Post by Helmut Richter
Kaum, denn wenn sie einmal
gesprochen wurden, kann man sie vielleicht noch aufschreiben, aber zum
Sprechen sind sie verbraucht. Hier, meine ich, ist "dasselbe" und "das
gleiche" dasselbe und daher auch das gleiche. Alles andere ist
Haarspalterei, die das Haar nicht einmal trifft.
Post by H.-P. Schulz
Mein Vater und mein Bruder haben dasselbe Gewicht.
(Hier ist das (selbe) Gewicht die Referenz.)
aber
Mein Vater und mein Bruder wiegen gleich viel.
(Das Ergebnis eines Vergleichs)
(Mein Vater wiegt gleich viel wie mein Bruder)
Beim zweiten Beispiel stimme ich zu: deswegen gibt es ein "gleich viel",
aber kein "selb viel".
"gleich viel" ist ugs. (und, "haarspalterisch" gesehen (und hier ist
desd!), unrichtig) für "dieselbe Menge/Anzahl".

Man beachte, dass ich "selb-" und "gleich-" nicht in derselben(!)
Wortart sehe.

Man beachte auch das erste Diktum betr. Sg. und Pl.
Post by Helmut Richter
Zum ersten Beispiel siehe meine Bemerkung oben.
Post by H.-P. Schulz
"Viele Details der Tathergänge sind gleich, so dass nah liegt, die
Taten derselben Person zuzuschreiben."
Hier also mal eine Engführung der Konzepte |selb| und |gleich|.
Die Details sind Abstrakta,
Nein, sorry, die sind ganz konkret. Und sie sind in den in Rede
stehenden Fällen natürlich nicht gleich bis ins Allerkleinste, sondern
mehr strukturell/konditionell gleich. Das wird durch das Konzept
|gleich| aber klar mit abgedeckt.
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