Post by Hans-Peter DiettrichDas geht IMO nur auf Vertragsbasis. Eine *Jedermann*-Lizenz (gem. Linux
Klausel) kann jederzeit von jedermann als Erlaubnis für eine (weitere,
einzelne, selbständige) Werksnutzung verwendet werden. Ein Passus wie
"gilt nur für Personen, die noch nie gegen das Urheberrecht verstoßen
haben" halte ich für juristisch sehr problematisch, da er nicht
werksbezogen ist, sondern personenbezogen und damit im Widerspruch zu
"jedermann". Für mich sieht das verdächtig nach Sippenhaft oder "nur für
Arier" aus, um es einmal überspitzt auszudrücken.
Solange hier kein Experte dazu antwortet, können wir nur mehr oder
weniger wild spekulieren...
Post by Hans-Peter DiettrichPost by Ingo ThiesIm Extremfall könnte hierdurch aus einer minderschweren URV eine URV im
gewerblichem Umfang werden, gegen die von Amts wegen ermittelt werden
müsste und auf die bis zu 5 Jahre Freiheitsstrafe stehen ("Noch 3x
singen")...
Diese Verurteilung ist fallbezogen und kann ihn nicht daran hindern,
dieses oder andere Werke weiterhin erlaubterweise zu nutzen.
Die Frage ist ja, ob aufgrund der ATC der Fall auf die Nutzung in der
Zeit nach Verfall der Nutzungserlaubnis ausgedehnt werden kann, und so
die Schwelle zur Verfolgung ex officio überschritten werden kann.
Post by Hans-Peter DiettrichPost by Ingo ThiesWenn der Urheber kein Abmahnling ist, sondern ehrlicher Vertreter freier
Inhalte, dann könnte so ein Fall auch für ihn zur PR-mäßigen
Kernschmelze werden. Die Community verzeiht ggf. nicht so schnell, wie
ein Verfahren eingestellt wird.
Das verstehe ich nicht. Wieso soll die Community darüber erbost sein,
wenn einer ihrer Vertreter die Konsequenzen demonstriert, die sich aus
unerlaubter Nutzung ergeben können?
Zumindest die CC-Community dürfte eher noch allergisch auf
Hausdurchsuchungen etc. nach URVen sein, und wenn es die Urheberrechte
eines der ihren betrifft, könnte der schnell als Verräter an der Idee
dastehen.
Daher sollte man in so einem Fall schnell reagieren und klarstellen,
dass man selber nicht Initiator der Ermittlungen war, sondern sich das
ganze aufgrund eines Missverständnisses oder einer schlecht gestrickten
Lizenz verselbständigt hat.
Die GNU-Community hat da m.E. deutlich mehr Haare auf den Zähnen, evtl.
auch, weil die meisten bekannt gewordenen Verstöße gegen die GPL durch
große Unternehmen und nicht durch einfache Blogger mit Werbebanner
(=kommerziell) oder beschallte Weihnachtsmarktstände oder singende
Kinder (OK, das war die GEMA, nicht die CC-Gemeinde ;-)) begangen werden.
Post by Hans-Peter DiettrichWenn umgekehrt Rechtsverstöße ohne
jegliche Folgen bleiben, wer sieht dann noch einen Grund dafür, sich
überhaupt an solche Lizenzen zu halten?
Es geht um die Angemessenheit der Folgen. Zumal in der o.g. Situation
diese Rechtsfolgen ja u.U. ohne Zutun und sogar ohne vorheriges Wissen
des Rechteinhabers eintreten kann.
Da hat man vor einiger Zeit ein gutes Foto unter CC-BY-NC-SA
veröffentlicht, denkt nichts böses, und eines Tages flattert ein Brief
von der Ermittlungsbehörde ins Haus, dass bei einem werbefinanzierten
Blogger wegen Lizenzverstoßes und nachfolgender wochenlanger und kraft
ATC nunmehr unerlaubter Nutzung (aufgrund der Dauer nunmehr von
"gewerblichem Umfang") eine Hausdurchsuchung stattfand, Rechner und
Datenträger beschlagnahmt wurden. In der Haut der "Petze" möchte ich
dann nicht stecken...
OK, das Szenario mag unwahrscheinlich sein. Kometeneinschläge sind auch
unwahrscheinlich, und doch wird es die Erde eines Tages wieder treffen
(der Mars wird nächstes Jahr nur um astrononische "Haaresbreite"
davonkommen, wenn Komet C/2013 A1 Siding Spring am 14. Oktober auf einen
Kaffee vorbeischaut). Und anders als Kometen kann man URV-Fehlalarmen
vorbeugen :-)
Post by Hans-Peter DiettrichPost by Ingo ThiesPost by Hans-Peter DiettrichWenn die einzige Konsequenz wäre, daß der Nutzer ein Werk nicht mehr
nutzen darf, dann ändert das überhaupt nichts - er hat sich ja zuvor
schon nicht daran gehalten.
Aber mit fortschreitender Dauer der Verletzung steigt ihre Schwere.
Das ist erst dann von Belang, wenn es tatsächlich zu Konsequenzen kommt.
Die kinetische Energie des Kometen ist auch erst von Belang, wenn er die
Erde trifft. Die Frage ist doch eher: Wird er überhaupt treffen?
Spricht, lässt das UrhG (oder das US-amerikanische Copyright) eine
solche Konstellation überhaupt zu?
Post by Hans-Peter DiettrichPost by Ingo ThiesEine ATC aber bewirkt genau das: Jede Nutzung ab der Verletzung wird
illegal, sofern sie nicht innerhalb der engen Grenzen des UrhG
stattfindet. Zumindest, wenn die Klausel rechtswirksam ist.
Bitte formuliere diese Aussage präziser, so kann ich nichts dazu sagen.
Also: Am Montag, dem 2. Dezember um 15:10 Nachmittags beging X einen
Verstoß gegen die CC-BY-SA-3.0-Lizenz von Urheber U, indem X das Werk
mit unvollständiger Autorennennung (tw. Verstoß gegen BY) und ohne
Lizenzhinweis (Verstoß gegen SA) in sein Blog stellte. Bemerkt werde der
Verstoß bereits am Morgen des 3. Dezember durch einen selbsternannten
Robin-CC-Gravenhood (G, Name geändert), der das Ganze parallel an U und
X meldet, nebst Hinweis auf die Illegalität der Werksnutzung durch die
automatische Terminierung der Lizenz im Moment des Rechteverstoßes. X
behebt den Verstoß umgehend, nach weniger als 24h, ohne sich jedoch bei
G oder U zu melden. Dummerweise befindet sich U seit Anfang Dezember im
australischen Outback auf Suvrival-Tour und kommt erst Mitte Januar
wieder nach D zurück, nachdem er auf dem Zwischstopp in Dubai die Mail
vom 3. Dezember vorfindet sowie eine weitere von Anfang Januar, wo G um
Rückmeldung bittet, ob sich X bei ihm wegen der erforderlichen
Lizenzerneuerung gemeldet habe. U verneint und lässt auch seine
Verwunderung durchblicken, was das Ganze solle, da die gegenwärtige
Nutzung ja völlig lizenzkonform sei, aber er habe jetzt eh keine Zeit,
sich darum zu kümmern, weil er vor dem Rückflug nur das Burj Khalifa
besichtigen wolle.
G will das aber nicht auf sich beruhen lassen und meldet das ganze am
13. Januar an die zuständige Staatsanwaltschaft, wo es der übereifrige
Staatsanwalt S zu Händen bekommt. Dieser sieht in dem seit nunmehr 6
Wochen andauernden Urheberrechtsverstoß (aufgrund der erloschen
Nutzungserlaubnis) eine URV in gewerblichem Umfang und beginnt zu
ermitteln. Folge: Hausdurchsuchung bei X mit allem Drum und Dran. Am
16., spät abends um 23 Uhr bei Dunkelheit und Schneeregen gerade mit
vollem Jetlag zu Hause ngenommen, fischt U die Post von S aus dem
Briefkasten und fällt aus allen Wolken über das, was alles passiert ist,
während er auf Reisen war.
Post by Hans-Peter DiettrichPost by Ingo ThiesEine ATC würde aber den Umfang der
URV künstlich vergrößern, was man ggf. sogar als rechtsmissbräuchlich
ansehen könnte.
Oder als unwirksam, aus diesem oder anderen Gründen.
Nun kommen wir langsam zum Kern meiner Fragestellung...
Post by Hans-Peter DiettrichPost by Ingo ThiesHierfür reicht doch eine Sanktionsandrohung für den Fall einer
unterlassenen Unterlassung(sic!) der Lizenzverletzung bzw. für den
Wiederholungsfall aus, man muss nicht gleich einen rauchenden Krater
präsentieren...
Ich versuche mal, das zu verstehen. Du möchtest also einem Richter
klarmachen, daß die Nutzungserlaubnis wegen *vorhergegangener*
Rechtsverletzungen entzogen wurde, obwohl in der aktuellen Nutzung alle
werksbezogenen Einschränkungen der Lizenz beachtet wurden?
Fast: Ich möchte nicht dem Richter klarmachen, dass dem so wäre, sondern
hier fragen, *ob* dem so wäre.
Gruß,
Ingo