[...] Himmelsmechanik versteht sich nicht zu Unrecht als eine
*sehr* exakte Wissenschaft - die Satellitenbahnen sind so genau
bekannt, daß aus ihren sehr kleinen Störungen sogar
Gravitationanomalien der Erde abgeleitet werden).
Tss, reg' dich mal ein bisschen ab.
Du hast wirklich - das ist kein Vorwurf, sondern eine Feststellung -
einfach nicht genug Hintergrundwissen. Dann solltest du dich
vielleicht auch mal mit den Theorien etwas zurückhalten. Es ist schon
bezeichnend, mit welchem Eifer du dich auf eine so beliebige Aussage
wie "systematische Fehler sind nicht möglich" stürzt - nur weil dir
das die Tür für beliebig abstruse Theorien zu öffnen scheint. Dabei
bist du doch sonst der Erste, der Experte misstraut, wenn dir deren
Aussagen nicht in den Kram passen.
Also, die Einzelantworten:
1.) Deine Annahmen über die Abwesenheit systematischer Fehler im
Bahnbestimmungsprozess scheinen sich allein auf die Messung selbst zu
beziehen. Aber erstens wird die Messung selbst nie bei jeder einzelnen
Radarstation frei von Fehlern sein. Zweitens ist das aber noch nicht
einmal wesentlich - von Belang sind bei der Bahnbestimmung ja nicht
allein die Messungen selbst, sondern auch das verwendete Modell der
Bahnstörungen des spezifischen Objekts.
Denn man kann mit Radar ja nicht direkt die Bahn messen, sondern
allenfalls die Signallaufzeit und die Dopplersignatur). Diesen
Messungen muss eine Schätzung der bahn angepasst werden, so dass die
Summe der Fehlerquadrate der Messungen bezüglich der "berechneten
Messungen" zu den Messzeitpunkten, also der Rückrechnung dessen, was
man bei der als gegeben angenommenen Bahn hätte messen müssen,
minimiert wird.
Wenn sich im Modell der Bahnstörung, also beispielsweise im
ballistischen Parameter, eine kleine Fehlannahme verbirgt, dann kannst
du zwar vielleicht eine schöne Bahn an die Messwerte, die wird aber
nicht ganz der wirklichen Bahn entsprechen. Notabene: Der ballistische
Parameter ist eine Funktion der Zeit, wenn der betreffende Flugkörper
nicht ganz symmetrisch aufgebaut ist (ist er nie).
Das ist schon mal ein plausibler systematischer Fehler. Wer behauptet,
den könne man ganz ausschließen, lehnt sich ziemlich weit aus dem
Fenster. Ich weiß auch nicht, was du die Experten gefragt hast, mit
denen du geredet hast, denke aber mal, es ging da nur um die reinen
Messungen an sich - was beileibe nicht ausreicht, denn es ist nur ein
Teil des ganzen Puzzlespiels.
Hinzu kommt, dass die bestimmte Bahn des Weltraumschrotts auch noch in
TLEs verpackt wird, eine zwar effiziente und leicht zu handhabende,
aber eben auch mit einem gewissen Fehler behaftete Art der Wiedergabe
von Bahndaten.
So, und jetzt überlege dir mal, um wie wenig man daneben liegen muss
- beispielsweise in der Exzentrizität, damit bei einer
Relativgeschwindigkeit von 11.5 km/s in einem fast rechtwinkligen
Aufeinandertreffen anstelle eines Blattschusses ein Verfehlen in
komfortablem Abstand berechnet wird. Willst du dich wirklich
hinstellen und sagen, das sei völlig ausgeschlossen?
2.) Du überschätzt generell die Möglichkeiten zur Bahnbestimmung, die
man mit Radar hat. Es erfolgt ja keine Verfolgung über mehrere Bahnen
hinweg, sondern immer nur kleiner Bögen. Die Beobachtungsgeometrie
muss nicht immer geeignet sein, um alle Elemente gleichermaßen gut zu
bestimmen, das würde man dan auch über die Zeit nicht herausbekommen.
Wie gesagt - hier hätte schon ein kleiner Fehler gereicht.
3.) Das Tatsache, dass die höheren Terme des Gravitationspotenzial der
Erde (Es geht um Abweichungen vom isotropen Kugelpotenzial,
"Anomalien" ist nicht das richtige Wort) aus
Satellitenbahnbestimmungen abgeleitet werden, ist zwar allgemein
richtig, du kannst daraus aber nicht ableiten, dass die Bahnbestimmung
von Satellliten, egal mit welcher Methode, generell eine mit Null
Fehlern behaftete, absolut exakte Wissenschaft sei. Gerade bei der
Bestimmung des Potenzials treibt man erheblichen Aufwand,
beispielsweise indem man zwei Satelliten ko-planar fliegen lässt, die
ihren Abstand voneinander hochgenau mittels Laser messen. Warum macht
man das wohl, wen man - wie du zu meinen glaubst - allein schon mit
Radarmessungen absolut richtige Bahnbestimmungen hinbekommen würde?
Dieses Beispiel ist im gegebenen Kontext absolut irrelevant. Die
gängige Praxis - die ESA berechnet für einige ihrer Satelliten auf
täglicher Basis das Kollisionsrisiko mit Weltraumschrott oder anderen
aktive Satelliten - zeigt, dass die erzielbare Vorhersagegenauigkeit
im Abgleich einer vorhergesagten Satellitenbahn (die Bahnen der ESA-
Satelliten liegen natürlich nicht als TLEs vor, denn das wäre zu
ungenau) mit den Bahnen anderer Körper als TLEs eben durchaus von
eingeschränkter Genauigkeit ist.
Es erscheint mir also weder unplausibel noch unrealistisch, dass es
hier einfach eine Fehleinschätzung gegeben hat. Vielleicht kam hinzu
noch ein kleiner unentdeckter systematischer Fehler, das ist entgegen
deiner Behauptungen in keinster Weise auszuschließen, hätte aber im
gegebenen Fall sehr wohl zu einer fehlerhaft als unkritische
beurteilten Begegnung führen können.
Du kannst jetzt annehmen und behaupten und nicht zusammenhängende
Factoids zusammenführen, bis du schwarz wirst, fir Situation ist so
wie sie ist.
4.) Das Beispiel mit dem Mordfall ist absolut irrelevant, aber
amüsant, deswegen gehe ich darauf ein: Auch die Polizei wird sehr wohl
die Plausibilität von Tat-Szenarien, sofern sie mit den Spuren
konsistent sind, ins Kalkül ziehen.Wenn also Müller erschossen wurde
und man findet Meier im gleichen Raum mit der rauchenden Pistole in
der Hand, dann ist Meier hochgradig tatverdächtig. Natürlich kann es
vielleicht irgendwie sein, dass in Wirklichkeit Schmidt ein Verfahren
zur lokalen Zeitbeeinflussung entwickelt hat, und praktisch die Zeit
anhielt, in Müllers Wohnung eindrang, Müller erschoss, Meier die
Pistole in die Hand drückte, sich entfernte und dann die Zeit wieder
weiterlaufen ließ. Und natürlich kann Meier diese Behauptung
vorbringen, das steht ihm frei. Da soll ihm die Polizei mal
nachweisen, dass das nicht so war.
5.) Versicherungsbetrug: Gibt es dafür irgendeinen Hinweis, außer dass
die Betreiberfirma schon mal pleite war? Sind sie denn versichert?
Stehen Sie trotz ihrer jetzigen Geschäftsbeziehung zum US-Militär noch
auf finanziell wackligen Füßen? Schadet ihnen nicht vielleicht sogar
dieses Ereignis mehr, als es ihnen nützen könnte? Wie, das weißt du
nicht? Und trotzdem stellst du eine solche Theorie auf, na so was ...
Wenn man absichtlich - entweder als böswilliger Angestellter oder im
Rahmen eines großangelegten Versicherungsboykotts - Schaden anrichten
wollte, dann gäbe es sicherlich für Insider zuverlässigere und weniger
dem Zufall ausgelieferte Methoden. Fehlerhafte Software, die
"ungewollt" dazu führt, dass der gesamte Treibstoff in einem großen
Manöver abgeblasen wird - irgendwas in der Richtung. Wenn es schon
eine Kollision sein muss (Aber warum muss es? Das macht doch gar
keinen Sinn), dann würde ich mir wenigstens einen Zeitpunkt aussuchen,
bei dem ein Fremdobjekt frontal entgegenkommt - da ist nämlich die
"Erfolgschance" deutlich größer. Ich meine ja nur mal so - falls man
zulassen will, dass Logik die eigenen schönen Theorien verwässert.
6.) Die Theorie mit dem getarnten Flugkörper auf dem Omid-Satelliten
ist sozusagen die Krönung. Erstens ignoriert sie alls oben gesagte.
Zweitens lässt sie die Bahnmechanik außen vor, beispielsweise, dass
die geographische Breite der Kollision aus der Bahnebene des Omid-
Satelliten so gut wie unmöglich zu erreichen ist. Die Plausibilität
der Annahme, dass Iran zwar einerseits eine Primitivrakete aus fremder
Hardware zusammenschustern muss, andererseits aber eine so ausgefeilte
Nutzlast mitschickt, ist natürlich nicht gegeben, aber das stört hier
wohl auch nicht mehr jeden.
Abschließend kann ich dir versichern, dass es durchaus schlimmere
Zeitvertreibe als das Sesselpupsen gibt.