Wieso sagt man 'zwei Bier!' und nicht 'zwei Biere!'
|Manche Substantiva, denen früher eine sinnlichere Bedeutung
|(wie etwa : Schar, Gruppe, Häuflein) zugekommen sein mag,
|sind zu Angaben einer reinen Zahl geworden. Sie haben zum
|Teil nicht nur ihre Flexion, sondern auch ihre Selbständigkeit
|verloren und sind zu Anhängseln vorhergehender Zahlwörter geworden.
|Dies ist schon in altdeutscher Zeit geschehen mit der Bezeichnung
|der Zehnzahl und ihrer höheren Ordnungen (Potenzen). Im Got.
|zwar liegt tigus = Dekade noch als flectiertes, selbständiges
|Masculinum vor (z. B. fidvôr tigjus = 40 ; Acc. þinstiguns Mt. 27, 3).
|Aehnlich auch im Altnordischen; vgl. Noreen § 379.
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|Ahd. aber ist daraus das flexionslose -zug, mhd. -zec , nhd.
|-zig geworden, dessen ursprüngliche substantivische Natur nur
|noch aus dem alts., ahd. und mhd. in der Regel davon abhängigen
|Genetiv (fiarzug dago, manno, Hei. 963 thrîtig wintro) erkannt
|werden kann, worüber Näheres beim Genetiv § 239 ff. — Got. hund,
|Plur. timf hunda; ahd. hund, später hundert, das mhd. allgemein
|üblich wird, immer unflectiert, aber noch mit abhängigem Genetiv:
|0. II, 4, 3 niwan hunt zîto: alts. Hei. 2836 siluberscattô tuê hund.
|— Das got. þûlisundi ist selbständiges Substantivum mit dem Plural
|fimf þûsundjôs ; auch ahd. ist es noch als flectiertes Subst. belegt:
|0. III, 6, 4 finf thûsonton mannes, aber auch schon unflectiert (vgl.
|Graff 5, 231); mhd. erscheint es nur selten flectiert (Jerosch. 176 c
|U zwênzic tûsenten), meist unflectiert, auch in den obliquen Casus
|(Büchl. 2, 26 mit tûsent tûsent leiden). Im Nhd. sind hundert und
|tausend ganz zu flexionslosen Zahlworten geworden {zwei-, drei-
|u. s. w.), daneben aber wieder zu flexionsfähigen Substantiven
|ausgebildet: viele Hunderte, mit Hunderten und Tausenden spielen.
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|In gleicher Weise haben nun auch andere ursprünglich substantivisch
|flectierte Zahlangaben ihre Flexion verloren, wie Paar
|(sechs Paar Schuhe), Dutzend (zwei Dutzend Löffel), Schock, Gross.
|Ebenso die zur Veranschaulichung der Einzahl dienenden Wörter
|Stück, Mann, Kopf, Haupt, Laib : 6 Stück Vieh, hundertachtzig
|dienstfähige Mann (W. T. 4, 3), 100 Kopf Kohl, 10 Haupt Bindvieh,
|zivei Laib Brot. Ferner die eine bestimmte Zahl von Papierbogen
|angebenden Substantiva: Buch, Ries, Alphabet und selbst Blatt als
|Einzelmass dafür: 3 Buch Papier u. s. w.
Grundzüge der deutschen Syntax nach ihrer geschichtlichen
Entwicklung - Oskar Erdmann (1886)