Post by Jakob AchterndiekPost by Ralf JoerresPost by Jakob AchterndiekHochsprache - Standardsprache - Sprachschlamperei.
[..] Die Linguistiker haben nur andere Namen dafür.
Quatsch. Der ganz grobe Wörterbuchstandard zur Stilebenenbezeichnung ist
gehoben - (unmarkiert) - umgangssprachlich - derb - vulgär. Daneben gibt
es weitere Markierungen wie 'fachsprachlich', 'bildungssprachlich',
'veraltet', 'veraltend', 'mundartlich', 'jugendsprachlich', 'emotional',
'amtssprachlich', 'altertümelnd', 'Jargon', 'salopp' und viele andere.
Das sind keine Stufen, sondern ist (auch im Cantorschen Sinne) ein
Gemenge von Spezifikationen, Schattierungen, Färbungen, Abtönungen
und dergleichen mit vielfältigen Überschneidungen und bisweilen nur
ungenau zu ziehenden und auch zeitlich fließenden Grenzen der
Teilmengen.
Du sagst es. Da aber eine bestimmte Teilmenge der teils von Berufs wegen
mit Sprache Befassten sich mit Vorliebe der voreingestellten Oben-unten-
Metaphorik und der damit verbundenen wertenden Bezeichnungen bedient,
stehen sie vielfach dennoch im Ruch, weiter oben (= gut) bzw. vor allem
weiter unten (= schlecht) angesiedelt zu sein. Die Bezeichnung 'gehoben'
drückt das unumwunden aus, für viele andere der genannten Bezeichnungen
fällt es nicht schwer, derartige Verbindungen zu assoziieren: bildungs-
sprachlich - Sprache der Gebildeten, der wenn man so will kulturell
Privilegierten > oben; salopp = nachlässig, unkontrolliert bis hin zu
flapsig, kein Benimm > unten; mundartlich = kein 'Hoch'deutsch > tenden-
ziell unten; emotional = unkontrolliert, ohne Contenance > unten, usw.
Das ist jetzt natürlich seeehr pauschal. Aber wer bestimmt in unserer
Gesellschaft, wie man sich zu benehmen, wie man eine Bewerbung zu
schreiben, wie man 'gut' zu sprechen hat? Es sind nicht die kleinen
Leute, sondern welche von 'denen oben'. Und die haben auch die Bezeich-
nungen für den sprachlichen Dresscode ausgedacht, selbstverständlich
immer verbunden mit Wertungen wie 'geht' oder 'geht gar nicht' oder
'geht bedingt' oder 'geht nur in Milieus, in denen ich gottlob nicht
verkehre' - es sei denn man stellt sich sowohl den Linguisten als auch
den normbewussten Sprachkritikaster als ein dem Materiellen entsagendes
Schulmeisterlein Wutz vor, das sich im Geistigen solcherlei Plattheiten
enthoben wähnt, in der gesellschaftlichen Realität jedoch mit den Wölfen
heulen muss und die hegemonialen Wertmaßstäbe der upper classes nicht
in Frage zu stellen hat. Auf Wörterbuchschreiber mag das Bild in
pekuniärer Hinsicht gar zutreffen, damit allein ist zumal im Webozän
nicht viel Geld zu machen.
Nicht umsonst spricht man übrigens von 'Stilebenen' und von 'hoher' und
'niederer Sprache', mit welch letzterer nicht das Niederdeutsche gemeint
ist.
Grundsätzlich hast Du mit Deiner Einordnung als "Spezifikationen,
Schattierungen, Färbungen, Abtönungen und dergleichen" erst einmal recht,
aber ich unterstelle, dass die Basisunterteilung nach einer wie auch immer
ermittelten sprachlichen 'Qualität' vorgenommen wird (siehe Dein
"Hochsprache - Standardsprache - Sprachschlamperei"), nur dass man sich
heutzutage auch hier nicht nur gepflegter ausdrückt, sondern 'Sprach-
schlampereien' auch anders, nämlich differenzierter auffasst. Die anderen
Begriffe stehen quer dazu, lassen sich aber weitläufig auf das Stufensystem
beziehen.
Gruß Ralf Joerres