Post by Mark ObrembalskiPost by Ralf JoerresWegen 'bei'. Die Gegenfrage 'Und bei dir?' würde passen, wenn die erste
Frage 'Wie läuft's bei dir (so)?' gewesen wäre. Die passende Reaktion
auf 'Wie geht's?' - 'Gut, und ...?' wäre m.E. '... und dir?', oder nicht?
"Wie geht's" gehört zu den Ausdrücken, die man normalerweise in
informeller, mündlicher Kommunikation benutzt. In diesem Kontext schert
man sich oft wenig um Regeln, die in der Schriftsprache oder in formellen
Situationen gelten. Das "Und bei dir?" lässt sich ohne weiteres als
Ellipse von "Und wie läuft es bei Dir?" oder "Und wie sieht es bei Dir
aus" deuten. Es liegt damit ganz im Rahmen der Umgangssprache, und ich
fände das auch unter deutschen Muttersprachlern überhaupt nicht
ungewöhnlich, in der Kneipe etc. auch nicht bei hochgebildeten. Sehr
verbreitet ist diese Antwort auf "Wie geht's" meiner Erfahrung nach
nicht, aber ich habe auch noch nie darauf geachtet.
Wenn die Leute, die so was sagen, bei Dir Deutsch lernen, solltest Du sie
allerdings wohl darauf hinweisen, dass die Antwort in etwas formelleren
Situationen nicht angemessen ist. "Wie geht's" mag es da angesichts der
sehr weiten Verbreitung noch manchmal sein, wo die Antwort schon als
unpassend empfunden würde.
Post by Ralf JoerresMir kommt 'Wie geht's bei dir?' auch
an umgangssprachlichen Maßstäben gemessen nicht korrekt vor, aber ich
kann mich da täuschen.
Das finde auch ich nicht korrekt, aber auf "Wie geht's Dir?" mit "Gut,
und wie steht's bei Dir?" zu antworten schon. Und das kann man dann halt
auch auf "Gut, und bei Dir?" verkürzen.
Danke für Deine Einschätzung. Ich kann das alles gut nachvollziehen und
sehe es im Grunde genauso, trotzdem stört mich da irgendetwas. Ich würde
auf die letzte von Dir genannt Äußerung immer eine kleine Fortsetzung
nach dem Muster (Gut, und bei dir...) 'wie läuft's da so?' / 'wie stehen
da die Aktien?' / 'bei dir alles okay?' oder etwas Vergleichbares
erwarten, bzw. als Deutscher ergänzt man das unausgesprochenerweise in
dieser Art. Dazu sind aber die Deutschlerner nicht in der Lage, sie
lernen im Zweifel, dass man im Deutschen sagt, 'bei mir geht's gut'
statt 'mir geht's gut' und landen dann bei Sätzen wie 'bei meinem Opa
geht's gut'. Nicht zu unterschätzen ist dabei, dass in außer-indoeuro-
päischen Sprachen eine Kategorie wie 'Dativ' oft nicht vorhanden ist.
Hinzu kommt, dass ich im Unterricht ein korrekteres Deutsch vermitteln
muss, als es im wahren Leben anzutreffen ist. Ich sollte z.B. nach
Möglichkeit in der ersten Person Präsens die Verbendung -e immer deutlich
aussprechen, obwohl das in meiner Region außer bei Verben wie 'warten'
absolut unüblich ist. Das hat (zumindest) zwei Gründe: Die Kursteilnehmer
sollen nicht in Umgangssprache schreiben, und sie sollen nicht die
Imperativform (komm!) mit der 1. Person Präsens vermischen (ich komm', ich
käm') und auch nicht denken, dass diese 1.-Person-Endung im Präsens und
Präteritum gleich ist oder sich andere Pseudo-Regeln zusammenbasteln, die
über kurz oder lang zu Widersprüchen führen.
So gesehen ist es für meinen unterrichtlichen Bedarf sinnvoll, dass die TN
lernen, dass 'bei mir' zunächst einmal 'bei mir zu Hause' bedeutet und
dass ansonsten die Variable 'bei jemandem' sich auf einen Satzteil bezieht,
der üblicherweise mit 'bei' angeschlossen wird (bei mir hat das funktioniert,
bei mir ist alles okay...). Dies wiederum mit dem strategischen Ziel, dass ´
sie aufmerksam darauf werden, wie die einzelnen Satzteile in den Satz
eingefügt sind: 'bei dieser Frage, dabei, wobei, bei all dem' usw. sind
syntaktisch gesehen funktionsanalog, und meine Hoffnung ist, dass die TN
das irgendwann erkennen und als durchgängiges Bauprinzip selbst anzuwenden
lernen, für _alle_ Präpositionen, aber auch für einen Standard-Akkusativ,
einen Standard-Dativ usw.
In dieser strategischen Hinsicht ist es vielleicht übertrieben, gegen das
'und bei dir?' anzugehen. Ich muss für die Prüfung allerdings kleine Dialoge
einüben, und jeder dieser Dialoge startet bei meinen TN mit der Floskel
'wiegehtsundbeidir'. Als Deutscher ergänzt man das wie gesagt intern mühelos,
wie von Dir beschrieben, zu 'und wie läuft's bei dir?', diesen Hintergrund
haben die Deutschlerner nicht.
Ich hab' jetzt bei Youtube so einen Dialog von Deutschen geführt gesehen.
Da kommt das 'und bei dir?' ganz natürlich rüber:
auf 0:16.
Gruß Ralf Joerres