Discussion:
Bevölkerung schrumpf
(zu alt für eine Antwort)
Stefan Schmitz
2019-03-05 18:49:09 UTC
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Eigentlich liest und hört man ja gar nicht so selten, dass die Bevölkerung
schrumpft. Ist das korrektes Deutsch? Oder bloß ein unauffälliger Fehler?

Gestern musste ich allerdings im DLF hören, dass sie in Deutschlands ländlichen
Gebieten altert und schrumpft. Das fand ich falsch.

Offenbar denkt man im ersten Fall automatisch daran, dass es um die Anzahl der
Bewohner geht. Im zweiten Fall geht es aber um Eigenschaften der Bewohner, da
funktioniert der Automatismus nicht mehr.
Ingo Stiller
2019-03-05 19:04:47 UTC
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Fragt mich aber nicht, wer als erster diesen Versprecher getätigt hat :-)

Gruß Ingo
Josef
2019-03-05 20:08:51 UTC
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Soll wohl eher heissen: Zahl der Einwohner schrumpft.
Die Bevölkerung schrumpft nicht. Bald werden viele Deutsche 2m gross
sein und 120 Jahre alt werden.
Quinn C
2019-03-07 18:30:10 UTC
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Post by Stefan Schmitz
Eigentlich liest und hört man ja gar nicht so selten, dass die Bevölkerung
schrumpft. Ist das korrektes Deutsch? Oder bloß ein unauffälliger Fehler?
Damit habe ich kein Problem. Das fällt für mich unter normale
Metonymie.
Post by Stefan Schmitz
Gestern musste ich allerdings im DLF hören, dass sie in Deutschlands ländlichen
Gebieten altert und schrumpft. Das fand ich falsch.
Offenbar denkt man im ersten Fall automatisch daran, dass es um die Anzahl der
Bewohner geht. Im zweiten Fall geht es aber um Eigenschaften der Bewohner, da
funktioniert der Automatismus nicht mehr.
Ja, das hat was zeugmatisches.
--
GUGELFUHR(E), f., scherz, spasz, narrheit,
GRIMM, Deutsches Wörterbuch
Martin Gerdes
2019-03-07 22:22:01 UTC
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Post by Quinn C
Post by Stefan Schmitz
Eigentlich liest und hört man ja gar nicht so selten, dass die Bevölkerung
schrumpft.
So hätte ich das auch geschrieben. Es ist eine Hamburger Besonderheit,
das t am Ende wegzulassen ("Nich schlech, nich?")
Post by Quinn C
Post by Stefan Schmitz
Ist das korrektes Deutsch? Oder bloß ein unauffälliger Fehler?
Damit habe ich kein Problem. Das fällt für mich unter normale
Metonymie.
Sprache ist nicht logisch, sondern praktisch.
Post by Quinn C
Post by Stefan Schmitz
Gestern musste ich allerdings im DLF hören, dass sie in Deutschlands ländlichen
Gebieten altert und schrumpft. Das fand ich falsch.
Offenbar denkt man im ersten Fall automatisch daran, dass es um die Anzahl der
Bewohner geht. Im zweiten Fall geht es aber um Eigenschaften der Bewohner, da
funktioniert der Automatismus nicht mehr.
Ja, das hat was zeugmatisches.
Die Versicherungsmenschen sagen, bestimmte Bevölkerungsgruppen stürben
häufiger. Gemeint ist, daß die Sterberaten in einer bestimmten
Bevölkerungsgruppe höher sind als in einer anderen. Wer spitzfindig ist,
mag einwenden, daß jeder Mensch genau einmal stirbt. Aber -- siehe oben
-- Sprache ist nicht logisch, sondern praktisch.

Wenn jemand sagt, die Bevölkerung schrumpfe und altere, ist völlig klar,
was gemeint ist. Mission erfüllt.
Jakob Achterndiek
2019-03-07 23:31:26 UTC
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Post by Martin Gerdes
-- Sprache ist nicht logisch, sondern praktisch.
Der Ursprung dieses Spruches scheint ebenso US-amerikanisch zu sein
wie die Geschichte seiner Bestätigung. Das ging nämlich so:
Im Jahre 1933 ließ ein gewisser J. P. Thompson sich seine Erfindung
der Kreuzschlitzschraube patentieren und verkaufte das Patent 1935 an
den Schraubenfabrikanten Henry F. Phillips. Außerhalb der USA setzte
sich die Erfindung (vielleicht auch kriegsbedingt) nur langsam durch,
so daß deutsche Seeleute, die nach dem Krieg solche Schrauben in ameri-
kanischen Häfen kauften, sie mangels passender Schraubendreher mit dem
Hammer ins Holz trieben. Sie gaben diesen Schrauben deshalb auch den
Namen "amerikanische Türschloßnägel".
Dies ist ein früher Beleg dafür, wie sich die Sprache besonders dann
als "nicht logisch, aber praktisch" erweist, wenn jemand etwas erklären
soll, was er selbst noch nicht so ganz richtig durchschaut hat.
Mein Bürge für diese Geschichte ist ab 1953 zur See gefahren und war
später viele Jahre Kapitän auf ziemlich dicken Containerschiffen.
--
;) j/\a
Andreas Karrer
2019-03-08 09:59:46 UTC
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Post by Jakob Achterndiek
Post by Martin Gerdes
-- Sprache ist nicht logisch, sondern praktisch.
Der Ursprung dieses Spruches scheint ebenso US-amerikanisch zu sein
Im Jahre 1933 ließ ein gewisser J. P. Thompson sich seine Erfindung
der Kreuzschlitzschraube patentieren und verkaufte das Patent 1935 an
den Schraubenfabrikanten Henry F. Phillips. Außerhalb der USA setzte
sich die Erfindung (vielleicht auch kriegsbedingt) nur langsam durch,
so daß deutsche Seeleute, die nach dem Krieg solche Schrauben in ameri-
kanischen Häfen kauften, sie mangels passender Schraubendreher mit dem
Hammer ins Holz trieben. Sie gaben diesen Schrauben deshalb auch den
Namen "amerikanische Türschloßnägel".
Dies ist ein früher Beleg dafür, wie sich die Sprache besonders dann
als "nicht logisch, aber praktisch" erweist, wenn jemand etwas erklären
soll, was er selbst noch nicht so ganz richtig durchschaut hat.
Mein Bürge für diese Geschichte ist ab 1953 zur See gefahren und war
später viele Jahre Kapitän auf ziemlich dicken Containerschiffen.
Das das vereinzelt so gewesen ist, mag sein.

Was es allerdings mit SINLSIP zu tun hat, springt mir jetzt nicht ins
Auge. Eher noch mit "if all you have is a hammer, everything looks like
a nail", zu dem es, wie kann es anders sein, eine WP-Seite gibt ("Law
of the instrument").

Nun ist ohne weiteres zu konzedieren, dass deutsche Seeleute nach dem
Krieg arm dran waren, aber so arm, dass sie nur einen Hammer und nicht
auch einen Satz von Schlitzschraubenziehern hatten, waren sie wohl doch
nicht. Und mit solchen lässt sich auch eine Kreuzschlitzschraube rein-
und rausschrauben. Geht nicht gut, aber geht.

Ohnehin: Die Herren Thompson und Phillips haben /ein/ Problem gelöst,
nämlich dass der Schraubenzieher zentriert wird und nicht mehr
seitlich abrutschen kann. Dafür haben sie ein weiteres erzeugt: Die
vier Flanken beim Ph-Schraubenzieher sind nämlich schief, so dass es
die Klinge axial herausdrückt, wenn man nur dreht und nicht auch
(stark) drückt. So ist ein Kreuzschlitzschraubenkopf sehr schnell
ausgenudelt. Pozidriv ist besser, aber nicht wirklich gut. Erst mit
Innensechskant/Inbus und Torx wurde das richtig gemacht.



- Andi
U***@web.de
2019-03-08 10:05:18 UTC
Permalink
Post by Andreas Karrer
Post by Jakob Achterndiek
Der Ursprung dieses Spruches scheint ebenso US-amerikanisch zu sein
Im Jahre 1933 ließ ein gewisser J. P. Thompson sich seine Erfindung
der Kreuzschlitzschraube patentieren und verkaufte das Patent 1935 an
den Schraubenfabrikanten Henry F. Phillips. Außerhalb der USA setzte
sich die Erfindung (vielleicht auch kriegsbedingt) nur langsam durch,
so daß deutsche Seeleute, die nach dem Krieg solche Schrauben in ameri-
kanischen Häfen kauften, sie mangels passender Schraubendreher mit dem
Hammer ins Holz trieben. Sie gaben diesen Schrauben deshalb auch den
Namen "amerikanische Türschloßnägel".
Dies ist ein früher Beleg dafür, wie sich die Sprache besonders dann
als "nicht logisch, aber praktisch" erweist, wenn jemand etwas erklären
soll, was er selbst noch nicht so ganz richtig durchschaut hat.
Mein Bürge für diese Geschichte ist ab 1953 zur See gefahren und war
später viele Jahre Kapitän auf ziemlich dicken Containerschiffen.
Das das vereinzelt so gewesen ist, mag sein.
Was es allerdings mit SINLSIP zu tun hat, springt mir jetzt nicht ins
Auge. Eher noch mit "if all you have is a hammer, everything looks like
a nail", zu dem es, wie kann es anders sein, eine WP-Seite gibt ("Law
of the instrument").
Nun ist ohne weiteres zu konzedieren, dass deutsche Seeleute nach dem
Krieg arm dran waren, aber so arm, dass sie nur einen Hammer und nicht
auch einen Satz von Schlitzschraubenziehern hatten,
Mußten angeheuerte Seeleute jeweils Privatwerkzeug mitbringen?
Post by Andreas Karrer
waren sie wohl doch
nicht. Und mit solchen lässt sich auch eine Kreuzschlitzschraube rein-
und rausschrauben. Geht nicht gut, aber geht.
Ohnehin: Die Herren Thompson und Phillips haben /ein/ Problem gelöst,
nämlich dass der Schraubenzieher zentriert wird und nicht mehr
seitlich abrutschen kann.
Auch muß in der Kreuzversion der Schraubendreher in der
Größe nicht so sehr mit der des Schraubenkopfes harmonieren wie
in der herkömmlichen Ausführung.

Gruß, ULF
Peter Veith
2019-03-09 10:04:50 UTC
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Post by Stefan Schmitz
Eigentlich liest und hört man ja gar nicht so selten, dass die Bevölkerung
schrumpft.
Mir noch als "Einwohnerzahl" bekannt, die zurückgeht.
Post by Stefan Schmitz
Ist das korrektes Deutsch? Oder bloß ein unauffälliger Fehler?
Inzwischen schon. Ich darf nicht mehr von Einwohn*er*n schreiben, weil
sich dadurch die weibliche Teilmenge ausgeschlossen fühle. Somit ist es
die "Bevölkerung", die nicht "zurückgeht" (wohin auch?), sondern
"schrumpft". Eigentlich schrumpft bestenfalls nur ihre Anzahl.
Post by Stefan Schmitz
Gestern musste ich allerdings im DLF hören, dass sie in Deutschlands ländlichen
Gebieten altert und schrumpft. Das fand ich falsch.
Offenbar denkt man im ersten Fall automatisch daran, dass es um die Anzahl der
Bewohner geht. Im zweiten Fall geht es aber um Eigenschaften der Bewohner, da
funktioniert der Automatismus nicht mehr.
Da springen wir automatisch zum Durchschnittseinwoh^^^Durchschnitt der
Bevölkerung ... ist aber auch nicht gutes Deutsch, erinnert mich spontan
an Kohls "Halbierung der Arbeitslosen".

Veith
--
"Wir sind erledigt", ist kein Statusbericht! (Hyperdrive)
http://ddr-luftwaffe.blogspot.de
U***@web.de
2019-03-09 10:10:27 UTC
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Post by Peter Veith
erinnert mich spontan
an Kohls "Halbierung der Arbeitslosen".
- Herr Bundeskanzler, wie ist der Zustand der Koalition?
- ES GIBT KEINEN ZUSTAND!

Gruß, ULF

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