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Südafrika im Sleeper
(zu alt für eine Antwort)
Rolf Wittig
2003-12-01 21:39:05 UTC
Permalink
Hallo zusammen,
möchte mich mal wieder melden, diesmal mit einer Bahn Story aus
Südafrika,
wo ich neulich war, um die alten Strecken, über die ich vor dreissig
Jahren als Heizer gefahren bin, nochmal aufzusuchen.
Längere Story!

< Im Schlafwagen von Port Elizabeth nach Bloemfontein >

Denn es gibt sie noch, die Südafrikanische Eisenbahn. Obwohl sie
inzwischen in Spoornet umbenannt und auch aufgesplittert wurde in
verschiedene Gesellschaften. Die Fernreisezüge nennen sich nun
"Sosholoza Myl"

Und mit so einem wollte ich gern fahren. Denn den Blue Train kennt man
ja fast überall. Der kostet aber so etwa 1000 E pro Nase - mindestens,
der Sosholoza aber nur rund 60 E! Das ist der kleine Unterschied.

So marschierte ich also in Kapstadt zu dem einst piekfeinen und
supermodernen Hauptbahnhof, um am Fahrkartenschalter zwei
Schlafwagenplätze zu buchen. Der mächtige Sackbahnhof stand noch an der
gleichen Stelle, nur war die ehemals blitzsaubere Halle jetzt fast
vollständig mit Verkaufsständen von Sandalen, Bananen, und
Billigklamotten vollgestellt. Nach Fragen bei einem der zahlreich
herumstehenden Sicherheitsmenschen fand ich dann auch das Booking
Office, ganz hinten in einem Seitentrakt.

Dort teilte mir der uralte Zulu-Mitarbeiter nach längerem Forschen in
seinem Computer mit, dass die Schlafwagen von Port Elizabeth nach
Johannesburg in der nächsten Woche alle ausverkauft seinen. - Na, dann
eben nicht. Muss ich halt mit was anderem fahren.

Eine Woche später versuchte ich es trotzdem noch einmal, diesmal direkt
im schnuckeligen kleinen Bahnhof von Port E. dortselbst. Den zu besuchen
man uns allerdings vorher eindringlich gewarnt hatte. Das sei dort unten
eine "High Risk Area", und Weissen nicht anzuraten, da hin zu gehen. Wir
gingen trotzdem, und wurden am Fahrkartenschalter wieder in ein
besonderes Büro nebenan verwiesen, dessen Eisengitter-Sicherheitstür
dann extra für uns geöffnet wurde. Der freundliche, diesmal weisse
Eisenbahner, unterbrach extra seine Kaffepause, schwang sich an seinen
Schreibtisch und fand sogleich ein freies Abteil erster Klasse. "Sie
haben aber Glück, es ist das letzte". Kostenpunkt 56 Euro für ein
Zweibettabteil für rund 800 Kilometer. Na, wir waren ganz glücklich.
Also doch noch eine Bahnfahrt in Afrika.

Am nächsten Tag unter den ehrfurchtsvollen Blicken der zu 90% schwarzen
Menschen im Bahnhof schritten wir durch den streng bewachten Zugang auf
den mit Stacheldraht gesicherten Bahnsteig, an dem ein langer
blau-gelber Train stand.
Ganz vorn die erster Klasse Waggons. Sein Abteil hatte man anhand der am
Bahnsteig ausgehängten Passagierliste herauszufinden, auf der jeder
Mitreisende namentlich verzeichnet war.

Ja, das sah doch alles sehr nett aus. Zwar wirken die Kapspur-Wagen für
uns ein bisschen kleinbahnmässig, aber drin war es recht geräumig,
fließend Wasser im Abteil, schöne altmodische herablassbare Fenster,
Sonnenblenden, weiße Laken, Decken - prima. - Und die Hälfte aller
Abteile war leer.

"This train never is on time", hatte der Mann an der Sperre geklagt. Na,
die blaue Gleichstromlok kam jedenfalls fünf Minuten vor Depart an den
Zug und wir setzten uns fast nach Plan in Bewegung. Die Bremsprobe kann
nicht allzu streng gewesen sein.- Man soll doch nicht immer auf die
Miesmacher hören! Allerdings merkte der alte Eisenbahner aber bald, dass
das nicht so bleiben würde, denn es folgte eine Baustelle nach der
anderen, wo der schöne Train schleichen und warten musste. Nach drei
Stunden Fahrt auf der eingleisigen Strecke, in Alicedale war die
Verspätung bereits auf eine Stunde angewachsen. Auf der menschenleeren
Station warteten wirauf den Gegenzug, ein Containerexpress sollte
kommen.

Ein wohlbeleibter Weißer, die Hände in den Hosentaschen, mit diesem
verdriesslich-verächtlichen Blick im Gesicht, kam den Bahnsteig entlang,
um mit unseren Abteilnachbarn zu klönen. "Sie sind doch sicher der
Driver?" fragte ich ihn. "Ja, warum?" "Na, wenn Sie hier sind, kann ja
der Zug nicht abfahren. - Ich wollte gern die Lok fotografieren." -
"Nein ohne mich fährt der nicht, garantiert". Also kriegte ich doch noch
meine Fotos.

Gegen acht begaben wir uns dann in den grossen, im knallbunten Zulu
Design dekorierten Dining Car, der aus zwei verbundenen Wagen bestand.
Im Küchenwaggon dampfte und schmurgelte es schon mächtig wohlriechend.
Weich schaukelnd, irgendetwas afrikanisch Gegrilltes verzehrend,
blinzelten wir in einen Traum-Sonnenuntergang in der Karoo-Wüste,
während die Flasche Kapwein sich langsam leerte.

Wieder im Abteil, dachte ich, da können wir jetzt beruhigt ausschlafen,
der Zug kommt bestimmt nicht pünktlich nach Bloemfontein. Denn dort um
4.15 anzukommen, das war das einzig Unangenehme an der Fahrt. Weil: Was
machste um diese Zeit als vermutlich einziger Weisser in der Hauptstadt
des Freistaates?

Ja. Pustekuchen! Zehn vor Vier warf uns der Kollege Schlafwagenbegleiter
aus unserem warmen Kapweinrauschbett. "Der spinnt!" sagte ich gewiefter
Bahnkenner zu meiner Frau". Das geht gar nicht, wir hatten über eine
Stunde plus. Die wecken die Leute einfach nach der Plan-Ankunftszeit.
Leg dich nur wieder hin. Das kann noch lange dauern." Meine Frau ist
aber eine, die sich an offizielle Aufforderungen hält, gang egal ob hier
oder in Afrika, und zog sich an.

Inzwischen schaukelte unser Train über irgendwelche Bahnhofsweichen. Im
nebligen Spühregen versuchte ich das Stationsschild zu entziffern:
"Bloemfontein". "Ja, da lext mi am A..." würde der Bayer sagen! Also nix
wie anziehen und raus!

Es gab auch ein Kiosk und einen Wartesaal auf dem einstigen
Knotenbahnhof, der einmal Mengen von Nah- und Fernzüge hatte ein- und
ausgefahren sehen und der nun leer war, nachdem die Schlußlichter
unseres Express um die Ecke verschwunden waren. Aber im Wartesaal
lagerten bereits Mütter mit Kindern dicht an dicht auf dem Boden, und
der Kiosk öffnete um acht.

Also setzten wir uns auf die Bahnsteigbank und warteten. Bis um sieben
eines der großen Hotels in der Stadt sein Frühstücksbuffet eröffnete.
Das entschädigte uns dann wieder alles. -

Schöne Grüsse

Rolf Wittig


< Hier gleich noch die Fahrpläne der Sosholoza Myl Züge >
< www.spoornet.co.za > - look for the ‘passenger’ box at the bottom
of the Spoornet home page.

Cape Town - Johannesburg - Pretoria “Trans-Karoo” - Runs daily
10:00 Cape Town 15:30
23:45 De Aar 01:35
3:46 Kimberley 21:20
12:16 Johannesburg 12:30
14:10 Pretoria 10:20

Cape Town - Bloemfontein - Durban “Trans-Oranje”
18:50 Cape Town 08:45
08:00 Durban 18:30

Johannesburg - Durban on the “Trans Natal”
Runs daily except Tuesdays & Sundays - 1st class 2-berth & 4-berth
sleepers 2nd sleepers Restaurant car
18:30 Johannesburg 07:44
01:31 Ladysmith 00:42
04:58 Pietermaritzburg 21:36
07:10 Durban 19:15

Johannesburg - Port Elizabeth on the “Algoa”
Runs daily except Tuesdays & Saturdays
13:15 Johannesburg 11:35
20:30 Bloemfontein 04:50
09:15 Port Elizabeth 15:00

Johannesburg - East London on the “Amatola”
14:20 Johannesburg 10:50
21:35 Bloemfontein 04:08
10:20 East London 14:15

Johannesburg - Kimberley - Bloemfontein “Diamond Express”
19:40 Johannesburg 06:10
04:06 arr. Kimberley dep. 21:15
04:50 dep. Kimberley arr. 20:49
07:45 Bloemfontein 18:00

Cape Town - East London
10:25 Cape Town 14:10
23:45 De Aar 00:40
14:22 East London 10:00
Martin Preuss
2003-12-01 22:19:17 UTC
Permalink
Post by Rolf Wittig
Hallo zusammen,
möchte mich mal wieder melden, diesmal mit einer Bahn Story aus
Südafrika,
wo ich neulich war, um die alten Strecken, über die ich vor dreissig
Jahren als Heizer gefahren bin, nochmal aufzusuchen.
Längere Story!
Hallo Rolf,
danke für die schöne Geschichte, da kam bei uns gleich wieder
Urlaubsstimmung auf. Wir waren im September in Südafrika (allerdings
Mietwagen).
Nächstesmal möchte ich auch mal ein Stück mit der Bahn fahren, und wenn's
nur zwischen Knysna und Georg ist...


Gruss
Martin
Rolf Wittig
2003-12-02 19:58:50 UTC
Permalink
Hallo Martin
Post by Martin Preuss
danke für die schöne Geschichte, da kam bei uns gleich wieder
Urlaubsstimmung auf. Wir waren im September in Südafrika (allerdings
Mietwagen).
ja, hatte ich dann auch - von Bloemfontein aus
Post by Martin Preuss
Nächstesmal möchte ich auch mal ein Stück mit der Bahn fahren, und wenn's
nur zwischen Knysna und Georg ist...
der letzte Regel-Dampfzug in Südafrika, oder? Bespannt mit einer 19D, hab ihn
gesehen.

Knysna, würde ich das nächste Mal auch besuchen, nicht nur wegen der 19D

MfG

Rolf
Martin Preuss
2003-12-02 21:09:48 UTC
Permalink
"Rolf Wittig" <***@t-online.de> schrieb im Newsbeitrag news:***@t-online.de...

Hallo Rolf,
Du hast Post :-)


Gruss
Martin
U***@web.de
2020-07-22 12:27:26 UTC
Permalink
Post by Rolf Wittig
Dort teilte mir der uralte Zulu-Mitarbeiter nach längerem Forschen in
seinem Computer mit, dass die Schlafwagen von Port Elizabeth nach
Johannesburg in der nächsten Woche alle ausverkauft seinen. - Na, dann
eben nicht. Muss ich halt mit was anderem fahren.
Eine Woche später versuchte ich es trotzdem noch einmal, diesmal direkt
im schnuckeligen kleinen Bahnhof von Port E. dortselbst. Den zu besuchen
man uns allerdings vorher eindringlich gewarnt hatte. Das sei dort unten
eine "High Risk Area", und Weissen nicht anzuraten, da hin zu gehen. Wir
gingen trotzdem, und wurden am Fahrkartenschalter wieder in ein
besonderes Büro nebenan verwiesen, dessen Eisengitter-Sicherheitstür
dann extra für uns geöffnet wurde. Der freundliche, diesmal weisse
Eisenbahner, unterbrach extra seine Kaffepause, schwang sich an seinen
Schreibtisch und fand sogleich ein freies Abteil erster Klasse. "Sie
haben aber Glück, es ist das letzte". Kostenpunkt 56 Euro für ein
Zweibettabteil für rund 800 Kilometer. Na, wir waren ganz glücklich.
Also doch noch eine Bahnfahrt in Afrika.
Am nächsten Tag unter den ehrfurchtsvollen Blicken der zu 90% schwarzen
Menschen im Bahnhof schritten wir durch den streng bewachten Zugang auf
den mit Stacheldraht gesicherten Bahnsteig, an dem ein langer
blau-gelber Train stand.
Ganz vorn die erster Klasse Waggons. Sein Abteil hatte man anhand der am
Bahnsteig ausgehängten Passagierliste herauszufinden, auf der jeder
Mitreisende namentlich verzeichnet war.
Ja, das sah doch alles sehr nett aus. Zwar wirken die Kapspur-Wagen für
uns ein bisschen kleinbahnmässig, aber drin war es recht geräumig,
fließend Wasser im Abteil, schöne altmodische herablassbare Fenster,
Sonnenblenden, weiße Laken, Decken - prima. - Und die Hälfte aller
Abteile war leer.
Ich habe mir einen Wolf gesucht und nichts gefunden - Südafrika
hat sich zwischenzeitlich einen normalspurigen Inselbetrieb, wenn
auch ohne Nachtzüge, zugelegt, den Gautrein.

Gruß, ULF

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