Salut!
Post by Patrick RudinBei wievielen Promillen läge denn die Grenze, dass ein langer Zug wieder
anfahren könnte?
Beim Lokführer 0,0. ;)
Ansonsten sind 12 Promille eine nette Steigung, aber überhaupt nichts
ungewöhnliches. Die komplette SFS Mannheim- Stuttgart ist mit max. 12
Promille realisiert worden und da fahren seit Jahrzehnten auch
Güterzüge. Auf der Geislinger Steige mit durchschnittlich 22,5 Promille
hat eine 150er E-Lok bei freier Durchfahrt immer noch 935 Tonnen den
Berg hochgezerrt.
Das Problem, welches sich in Rastatt stellt ist allerdings, dass die
Grenzlasten der Züge gegenüber den bisherigen Werten abgesenkt werden
müssen, wenn sie durch den Tunnel fahren sollen. Für die Zugbetreiber
heißt das in einer simplen Gleichung: Weniger Einnahmen je Zugfahrt. Die
werden daher eine ebene Trasse durch den Bahnhof vorziehen.
Bei freier Durchfahrt und der verhältnismäßig kurzen Rampe sollten
allerdings auch durch den Tunnel hohe Tonnagen möglich sein. Die
Massenträgheit wird ja nicht abgeschaltet, wenn ein Dach über dem Gleis
ist (Er_fahr_ungswert!). Die Herausforderung dürfte mehr darin liegen,
die Züge im Zulauf so zu staffeln, dass eine freie Durchfahrt
gewährleistet werden kann. Der geneigt- verständig- mitdenkende Tf wird,
bei erkennbarem Halt (ETCS/LZB bieten da ja etwas Vorschau und/oder der
Fdl/die BL wäre(n) ungewöhnlich mitteilsam) entweder von sich aus
langsamer an die Sache herangehen oder seinen Zug vor oder im Gefälle
stoppen um ihn vor der Rampe wieder in Schwung bringen zu können.
Was die Anfahrt angeht: Man braucht im Zugverband mehr Zugkraft als
Hangabtriebskraft um Anfahren zu können. Mehr Gewicht bedeutet mehr
Hangabtrieb, mehr Loks bedeutet mehr Zugkraft. Auf (nahezu) gerader
Rampe muss man keine Rücksicht auf resultierende seitwärts gerichtete
Kräfte nehmen, womit der begrenzende Faktor für die Zugkraft die
Haltbarkeit der Kupplungen (i.d.R. > 400kN, Automatikkupplungen in
Ganzzügen gerne auch das doppelte) ist. Wenn allerdings am vorderen Ende
die Zugkraft zu groß würde, könnte man Traktion von vorne in den
Zugverband oder an dessen Ende legen (kennt man zb. von den
Nordamerikanischen Mehrfachtraktionen). Das Problem hier: Es gibt bei
uns nichts mit zugelassener Fernsteuerung, womit Zwischen- oder
Schubloks besetzt sein müssen, wenn sie arbeiten sollen (und auf dem
Rest der Strecke unbesetzten unnützen Ballast darstellen).
Die Länge des Zugs spielt natürlich auch eine Rolle: Ein kurzer
schwerer Zug aus gleichartigen Wagen (zb. Ganzzug mit Erz/Kohle) hält
traktionsmäßig einiges mehr aus was ungleichmäßige und seitliche Kräfte
angeht, hat aber den Nachteil möglicherweise komplett im steilsten
Abschnitt einer Rampe zum Halten zu kommen. Ein langer gemischter
Güterzug hingegen ist in Bezug auf Zerrungen, Rucke und seitliche Kräfte
empfindlicher (da kann mittendrin ein leichter unbeladener Wagen sein),
aber er verteilt sein Gewicht unter Umständen günstiger. So ist es
durchaus denkbar, dass die Lok am Übergang zur Steigung steht, während
der hintere Zugteil noch im Gefälle zur Tunnelsohle hin steht und damit
beim Anfahren quasi "anschiebt".
Es gibt noch weitere Faktoren, wie zb. die Reibverhältnisse der
Strecke. In einem Tunnelbereich ohne eingeschleppte Nässe auf den
Schienen wird man einen Zug immer leichter beschleunigen können, wie am
Tunnelende oder unter freiem Himmel. Mit Sand bekommt man ein paar kN
mehr auf die Schiene, als ohne. Mit leichtgängigen Rädern, Lagern und
Bremsen geht es besser, als wenn im Winter alles dicke Eispanzer mit
herumschleppt (Bonusgewicht! Hangabtrieb!).
Anders gesagt: Es gibt keine ganz einfache Antwort auf die Frage.
Grüßle, Helmut