Nord-
Post by Andreas KarrerPost by Helmut RichterPost by René MarquardtDeutschland galt und gilt "Dialekt is baeh. Zeugt von
prekaerer Bildungsferne!",
In Süddeutschland ist das gemeinhin anders, wenngleich ich bei meinen
gelegentlichen Besuchen merke, daß der Dialekt verflacht, vor allem
Amtsträger irgendwelcher Art (und sei es nur die Ladnerin) in meinen
Ohren ziemlich gschrauft sprechen.
Post by Andreas KarrerPost by Helmut RichterNein, überhaupt nicht. Wie kommst du auf sowas?
Natürlich ist das so. Sprichst du Dialekt, wenn du wegen einer
Kleinigkeit aufs Amt musst, und du merkst, dass die Beamtin am
Schalter Bayerin ist und wohl auch Dialekt kann? Nein, du sprichst
bairische Umgangssprache.
Ich habe in meiner Geburtsstadt den dort üblichen Dialekt gesprochen und
tue das heute noch, wohlwissend, daß in dem kleinen Städtchen der
Dialekt hochsprachennäher ist als auf dem "L~and" drumherum (nasaliertes
a, wie "Chance"). Bestimmte Strukturmerkmale des Dialekt der Umgegend
(etwa Vokallängungen in Wörtern wie "Koobf", "Kaalb" und "Haaamr")
traten in der Stadt nicht auf, wer sie Sprach, war unmittelbar als
Landmensch erkannt (und nicht wenige schauten auf in deswegen herab, so
wie der gemeine "Stuggatter" sich Mehr-Dialekt-Sprechern gegenüber
erhaben fühlt (und der Norddeutsche dem Süddeutschen generell).
Ich könnte mir vorstellen, daß das in Minga, Helmuts Wohnumfeld,
sinngemäß genauso ist.
Post by Andreas KarrerDu bist in Frankfurt und wirst von der Polizei angehalten, du vermutest,
bist aber nicht ganz sicher, dass du eben trotz Verbot links abgebogen
bist oder sowas. Dann holst du dein bestes Hochdeutsch hervor, obwohl
der Polizist Umgangssprache spricht und anzunehmen ist, dass der
Polizist moderaten oberbairischen Dialekt mühelos verstehen würde.
Ob der Polizist es ernst meint oder nicht, erkennt man mühelos daran, ob
er selbst Dialekt oder Hochsprache spricht.
Post by Andreas KarrerElterngesprach in der Schule, der Lehrer kommt aus NRW? Hochdeutsch.
Der Lehrer aus NRW muß mäßigen Dialekt aushalten. Heißt es nicht immer,
Zuwanderer sollten sich aktiv um Integration bemühen?
Post by Andreas KarrerGibt es Aufsichtsratsvorsitzende, Bundesminister und
Fernsehjournalisten, die beim Interview in der Tagesschau Dialekt
reden?
Kanzler Schmidt hat seinen Hamburger Regiolekt nie abgelegt, er ist
zugegeben deutlich näher an der Hochsprache (Was ist das?) als mein
üblicher Dialekt. Die ortstypische Nichtaussprache verschiedener r und
etwa das Trennen derer mit da (Da können die nichts für.) gehen im
Tagesschauinterview locker durch.
Post by Andreas KarrerHier wird in allen diesen Fällen selbstverständlich Dialekt
gesprochen. OK, beim Tagesschauinterview ist es nicht ganz so
selbstverständlich.
In der Schweiz wird auch im offiziellen Umfeld mehr Dialekt gesprochen
als im Großen Kanton, zu Fremden aber in der Regel Hochsprache im
vermutlich unvermeidlichen Schweizer Akzent, den diese Fremden irrig für
Dialekt halten. Intern wird auf Dialekt umgeschaltet in der (oft
Fehl-)Annahme, daß diese Schwaben das nicht verstehen könnten.
Sinngemäß den gleichen Sprachgebrauch habe ich in Luxemburg erlebt:
Untereinander Luxemburgisch (das ist Moselfränkisch), nach außenhin
Hochdeutsch (was meine Ohren als deutlichen Kölschen Akzent
interpretieren).