Discussion:
aufgrund, wegen, weil & Co.
(zu alt für eine Antwort)
H.-P. Schulz
2018-04-17 09:02:21 UTC
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Gunhilds "Relativpronomen"-Thread bringt mich drauf ...

Ich hatte vor Jahren solche Übungsblätter gebastelt, Deutsch-Allerlei
für "Nachhilfe" (die waren *sehr* beliebt! Wär' ich geschäftlich
interessiert - ich hätte das in Buchform zusammenfassen können, mit
Aussicht auf doch einigen Verkauf), und dort hatte ich mir auch die
Konsekutiv/Kausal/Final-Satzeinleiter vorgenommen.

Die Kinder (eigentlich alle Klassenstufen ab ca. 5) sollten
Wortschatz-Bewusstsein erwerben, differenzieren lernen usw.usf..

Ich hatte das, wenn ich mich recht erinnere, folgender Maßen
aufgebaut:

Gegeben war eine Menge Konjunktionen, etwa

[weil, da, wegen, um ... zu, aufgrund, infolge, anlässlich, durch]

Dann wurden Phrasenpaare gegeben, die unter Verwendung einer der
Konjunktionen in ein Gefüge transformiert werden sollten (nicht
zwingend HS-NS).
Die Sätze waren inhaltlich derart, dass immer eine der gegebenen
Konjunktionen die *bei weitem* sinnvollste war.

Ein Beispiel:

a) Der 100. Geburtstag Albert Einsteins
b) Ein Sonderbriefmarke

Lösung:

Anlässlich Albert Einsteins 100. Geburtstag gibt die Post eine
Sonderbriefmarke heraus.


Noch eines:

a) Die Gastwirtschaft bleibt am Freitag geschlossen
b) Eine private Feier

Lösung:

Wegen einer privaten Feier bleibt die Gastwirtschaft am Freitag
geschlossen.


Und dann noch eines:

a) Ich habe mich von ihm abgewandt
b) Er ist ein Fanatiker geworden

Lösung:

Ich habe mich von ihm abgewandt, weil er ein Fanatiker geworden ist.


Immer lässt sich darlegen, warum die verwendete Konjunktion die einzig
sinnvolle ist - - -, wenn man die Konjunktionen semantisch (und
natürlich auch rein grammatikalisch) _differenzieren_ kann.

Selbstverständlich gibt es auch unklarere Fälle, in denen eine
Konjunktion die anderen an Plausibilität nicht eben turmhoch überragt.
Aber *genau gleich* gut werden in einem gegebenen Zusammenhang kaum je
zwei sein.

(Dass "man" natürlich fast immer fast alles irgendwie "sagen" kann,
ist trivial - und kann nicht Gegenstand einer Analyse sein ... ;-)) )
Ralf Joerres
2018-04-30 13:46:32 UTC
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Post by H.-P. Schulz
Gunhilds "Relativpronomen"-Thread bringt mich drauf ...
Ich hatte vor Jahren solche Übungsblätter gebastelt, Deutsch-Allerlei
für "Nachhilfe" (die waren *sehr* beliebt! Wär' ich geschäftlich
interessiert - ich hätte das in Buchform zusammenfassen können, mit
Aussicht auf doch einigen Verkauf), und dort hatte ich mir auch die
Konsekutiv/Kausal/Final-Satzeinleiter vorgenommen.
Die Kinder (eigentlich alle Klassenstufen ab ca. 5) sollten
Wortschatz-Bewusstsein erwerben, differenzieren lernen usw.usf..
Ich hatte das, wenn ich mich recht erinnere, folgender Maßen
Gegeben war eine Menge Konjunktionen, etwa
[weil, da, wegen, um ... zu, aufgrund, infolge, anlässlich, durch]
Dann wurden Phrasenpaare gegeben, die unter Verwendung einer der
Konjunktionen in ein Gefüge transformiert werden sollten (nicht
zwingend HS-NS).
Die Sätze waren inhaltlich derart, dass immer eine der gegebenen
Konjunktionen die *bei weitem* sinnvollste war.
a) Der 100. Geburtstag Albert Einsteins
b) Ein Sonderbriefmarke
Anlässlich Albert Einsteins 100. Geburtstag gibt die Post eine
Sonderbriefmarke heraus.
a) Die Gastwirtschaft bleibt am Freitag geschlossen
b) Eine private Feier
Wegen einer privaten Feier bleibt die Gastwirtschaft am Freitag
geschlossen.
a) Ich habe mich von ihm abgewandt
b) Er ist ein Fanatiker geworden
Ich habe mich von ihm abgewandt, weil er ein Fanatiker geworden ist.
Immer lässt sich darlegen, warum die verwendete Konjunktion die einzig
sinnvolle ist - - -, wenn man die Konjunktionen semantisch (und
natürlich auch rein grammatikalisch) _differenzieren_ kann.
Selbstverständlich gibt es auch unklarere Fälle, in denen eine
Konjunktion die anderen an Plausibilität nicht eben turmhoch überragt.
Aber *genau gleich* gut werden in einem gegebenen Zusammenhang kaum je
zwei sein.
(Dass "man" natürlich fast immer fast alles irgendwie "sagen" kann,
ist trivial - und kann nicht Gegenstand einer Analyse sein ... ;-)) )
Interessant. Ich mache zuweilen auch derartige Übungen und versuche dabei,
möglichst einfachen Alltagswortschatz einzusetzen. Daher fiele 'anlässlich'
von vornherein weg. Früher hatte ich da schnell viele Beispiele beisammen,
heute dauert das länger, vielleicht weil es möglichst genau passen soll,
oder weil zu viele Kriterien zusammenkommen, es soll sich ja u.a. auch
'natürlich' anhören. Das ist dann harte Arbeit, mit viel Nachschlagen,
auch mit viel Googeln, um herauszubekommen: Kann man das wirklich so sagen?
Bzw.: Sagt man das wirklich so?

Gruß Ralf Joerres
H.-P. Schulz
2018-04-30 17:26:08 UTC
Permalink
Post by Ralf Joerres
Interessant. Ich mache zuweilen auch derartige Übungen und versuche dabei,
möglichst einfachen Alltagswortschatz einzusetzen. Daher fiele 'anlässlich'
von vornherein weg.
Warum? Was ist an 'anlässlich' schwierig oder ungebräuchlich? Da sei
mal nicht *zu* pimpelig, mute deinen Adepten ruhig mal was (und das
'anlässlich' wäre ja nun weißgott nichts Dolles!) zu!
Post by Ralf Joerres
Früher hatte ich da schnell viele Beispiele beisammen,
heute dauert das länger, vielleicht weil es möglichst genau passen soll,
Freilich, ja. Bei mir dauert das auch eine Weile. Ich nehme nichts
her, nur weil es das erste ist, was mir einfiel. Ich bin schon recht
pingelig v.wg. "möglichst genau passen".
Interessant finde ich, wie ich im Zuge so einer Beispiele-Bastelei
selbst über manches erst Klarheit gewinne.
Post by Ralf Joerres
oder weil zu viele Kriterien zusammenkommen, es soll sich ja u.a. auch
'natürlich' anhören.
Ja, klar! Ich würd 's aber nicht 'natürlich' sondern 'lebensecht'
nennen. Und nicht immer denselben 08/15-Scheiß her nehmen!
Post by Ralf Joerres
Das ist dann harte Arbeit, mit viel Nachschlagen,
auch mit viel Googeln, um herauszubekommen: Kann man das wirklich so sagen?
Bzw.: Sagt man das wirklich so?
Komisch, das mache ich nie. Ich habe da offenbar viel (zu viel?)
Selbstvertrauen bzw. vertraue meiner Beobachtungsgabe sehr weit.
Ist aber nun auch Training; Übung; Routine (ich nehme jetzt einfach
mal an, dass ich dir darin um ein paar Jahre voraus bin ... ;-)).

Ich hab' den ganze Übungsblätterkram dann doch irgendwann gelöscht,
mangels Verwendung. Vielleicht hätte ich das tatsächlich irgendwie in
eine allgemein verfügbare Form bringen sollen ... Das waren so um 60
Einheiten, querbeet durch die Grammatik und Rechtschreibung,
Wortschatzaufbau --- so Sachen halt.
Ich mach inzwischen mehr in Elementar-Mathe, Geometriegeschichten
(mittels GeoGebra - eine ziemlich gute Software), werde das dann auf
YT-Format bringen; Camtasia hilft.
Ralf Joerres
2018-05-05 11:58:17 UTC
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Post by H.-P. Schulz
Post by Ralf Joerres
Interessant. Ich mache zuweilen auch derartige Übungen und versuche dabei,
möglichst einfachen Alltagswortschatz einzusetzen. Daher fiele 'anlässlich'
von vornherein weg.
Warum? Was ist an 'anlässlich' schwierig oder ungebräuchlich? Da sei
mal nicht *zu* pimpelig, mute deinen Adepten ruhig mal was (und das
'anlässlich' wäre ja nun weißgott nichts Dolles!) zu!
Ist eine Frage des Levels. Ich hab bis jetzt nur bis B1 unterrichtet,
da passt 'anlässlich' nicht wirklich rein. Vielleicht lehrplanmäßig schon,
aber hinsichtlich der sonst bereits erworbenen und hinreichend verfes-
tigten Strukturen definitiv nicht. In einem Kurs mit 'guten Teilnehmern'
ginge das vielleicht, bzw. in einem Kurs mit einem anderen Konzept, in
dem die TN nicht auf Teufel komm raus mit nur halb verdaulichem Vokabular
geflutet werden und in dem ihnen nicht ständig neue Strukturen um die
Ohren gehauen werden, die dann eher 'vorgestellt' als 'eingeübt' werden.

Außerdem sollte man - auch in einem Deutschkurs - zwischen aktiver und
passiver Sprachbeherrschung deutlich unterscheiden. 'Anlässlich + Gen.'
ist weitaus klarer passiv als aktiv zu vermitteln.

Der absehbare Sprachwandel spielt auch eine Rolle. Der Genitiv außer in
attributiver Funktion ist massiv auf dem Rückzug. Es ist nur eine Frage
der Zeit, bis sich der Dativ hinter 'anlässlich' durchgesetzt haben
wird, oder unser plurizentrisches Deutsch wird sich in noch ein paar
sozial markierte Sprachregister mehr aufsplitten (pc-talk + gegendert +
genitiv-affiner Sprachgebrauch). Beim Gendern ist die Abspaltung bereits
weit vorangeschritten, die sog. Unterschicht hat damit so gar nix am Hut
und Otto Normaldeutscher ooch nich, es ist mehr ein auf bestimmte Formen
des öffentlichen Sprachgebrauchs eingeschränkter Bürokratismus als
lebendige Sprachentwicklung. Was den Genitiv nach 'anlässlich' angeht:
Google hat (undifferenziert) angeblich 17000 Treffer für "anlässlich dem".
Post by H.-P. Schulz
Post by Ralf Joerres
Früher hatte ich da schnell viele Beispiele beisammen,
heute dauert das länger, vielleicht weil es möglichst genau passen soll,
Freilich, ja. Bei mir dauert das auch eine Weile. Ich nehme nichts
her, nur weil es das erste ist, was mir einfiel. Ich bin schon recht
pingelig v.wg. "möglichst genau passen".
Interessant finde ich, wie ich im Zuge so einer Beispiele-Bastelei
selbst über manches erst Klarheit gewinne.
Ja, kenn ich. Vor allem zum Thema 'Bedeutung' komme ich da zu immer neuen
Einsichten. Überspitzt würde ich inzwischen sagen, die Bedeutung eines
Wortes besteht aus ihren Gebrauchsbeschränkungen.
Post by H.-P. Schulz
Post by Ralf Joerres
oder weil zu viele Kriterien zusammenkommen, es soll sich ja u.a. auch
'natürlich' anhören.
Ja, klar! Ich würd 's aber nicht 'natürlich' sondern 'lebensecht'
nennen. Und nicht immer denselben 08/15-Scheiß her nehmen!
Sowieso. Die Lehrbücher sind da mittlerweile auch nicht schlecht
'aufgestellt' (so oder so aufgestellt = schabloneske Formel von
zweifelhaftem Gebrauchswert, find grad nix Besseres), z.B. habe ich
aus einem Lehrbuch auch für mich selbst gelernt dieses 'och nee' für
'(ich möchte das) eigentlich lieber nicht' und das '(also) ich weiß
nicht' im Sinne von 'sollen wir das wirklich (so) machen?' Die beiden
find ich z.B. wirklich 'lebensecht'. Daraus lässt sich zwar kein
Gewinn in Form einer allgemeingültigen Regel schlagen, aber die beiden
sind als Lexikoneintrag im Teilbereich 'gesprochene Sprache' schon ganz
nett und hören sich wirklich 'deutsch' an.
Post by H.-P. Schulz
Post by Ralf Joerres
Das ist dann harte Arbeit, mit viel Nachschlagen,
und Zeitfresser, ich kann mich da auch schlecht zügeln, um etwas genau
zu wissen
Post by H.-P. Schulz
Post by Ralf Joerres
auch mit viel Googeln, um herauszubekommen: Kann man das wirklich so sagen?
Bzw.: Sagt man das wirklich so?
Komisch, das mache ich nie. Ich habe da offenbar viel (zu viel?)
Selbstvertrauen bzw. vertraue meiner Beobachtungsgabe sehr weit.
Ich erlebe immer wieder, gerade auch in desd, dass Kollegen darauf
vertrauen, dass ihre persönlichen Maßstäbe schon irgendwie 'richtig'
und vor allem 'richtiger' als die anderer sind. Ich halte das für naiv
und für einer professionellen Haltung gegenüber dem Objekt der Analyse
(und der Sprachvermittlung) abträglich. Es kann m.E. nicht schaden,
sich dessen bewusst zu bleiben, dass die jeweilige Sprachbiographie
zwar den Ausgangspunkt des eigenen Regelbewusstseins bildet, dass letzte-
res aber nur die reale Ausgabe vieler möglicher Regelmaßstäbe bildet
- von denen darüber hinaus das wenigste sich konkret ausformulieren
lässt. Schlechte Lehrbuch- und Übungsmaterialschreiber halten sich mit
so etwas nicht auf. Sie denken sich am Fließband Sätze aus, die kein
Mensch jemals sagen würde. Im Internet findet man reichlich davon,
aber auch bei den sogenannten Lernhilfen. Für mich ist das reine
Zeilenschinderei, die Autoren wollen halt Geld verdienen und die Seiten
voll bekommen.
Post by H.-P. Schulz
Ist aber nun auch Training; Übung; Routine (ich nehme jetzt einfach
mal an, dass ich dir darin um ein paar Jahre voraus bin ... ;-)).
Da liegste wahrscheinlich falsch, oder biste schon ne Weile in Rente?
Post by H.-P. Schulz
Ich hab' den ganze Übungsblätterkram dann doch irgendwann gelöscht,
mangels Verwendung. Vielleicht hätte ich das tatsächlich irgendwie in
eine allgemein verfügbare Form bringen sollen ... Das waren so um 60
Einheiten, querbeet durch die Grammatik und Rechtschreibung,
Wortschatzaufbau --- so Sachen halt.
Ich mach inzwischen mehr in Elementar-Mathe, Geometriegeschichten
(mittels GeoGebra - eine ziemlich gute Software), werde das dann auf
YT-Format bringen; Camtasia hilft.
Auch schön. Man kann ja leider nicht alles machen, was einen herausfordert.

Gruß Ralf Joerres
Helmut Richter
2018-05-05 13:07:36 UTC
Permalink
Post by Ralf Joerres
Der absehbare Sprachwandel spielt auch eine Rolle. Der Genitiv außer in
attributiver Funktion ist massiv auf dem Rückzug. Es ist nur eine Frage
der Zeit, bis sich der Dativ hinter 'anlässlich' durchgesetzt haben
wird, oder unser plurizentrisches Deutsch wird sich in noch ein paar
sozial markierte Sprachregister mehr aufsplitten (pc-talk + gegendert +
genitiv-affiner Sprachgebrauch). Beim Gendern ist die Abspaltung bereits
weit vorangeschritten, die sog. Unterschicht hat damit so gar nix am Hut
und Otto Normaldeutscher ooch nich, es ist mehr ein auf bestimmte Formen
des öffentlichen Sprachgebrauchs eingeschränkter Bürokratismus als
Google hat (undifferenziert) angeblich 17000 Treffer für "anlässlich dem".
Ich glaube nicht, dass sich das Gendern im allgemeinen nichtbürokratischen
Sprachgebrauch durchsetzt: es ist umständlich und seine Botschaft, dass ein
Lehrer und eine Lehrerin zwei verschiedene Berufe haben, entspricht nicht
der gesellschaftlichen Realität. Vielmehr hat man außerhalb der
Gender-Experten erkannt und als erwünscht empfunden, dass es wurscht ist und
sein soll, ob ein Lehrer zufällig männlich oder weiblich ist. – Entspricht
umgekehrt so ein Sprachwandel der gesellschaftlichen Realität wie der
Wegfall von "Fräulein", setzt er sich auch ohne EU-weite behördliche
Anordnung rasch durch.

Damit gehören nicht-attributiver Genitiv (wie "bedarf einer Überprüfung",
"entbehrt einer Grundlage") und Gendern ähnlichen Sprachregistern an.
Post by Ralf Joerres
Sowieso. Die Lehrbücher sind da mittlerweile auch nicht schlecht
'aufgestellt' (so oder so aufgestellt = schabloneske Formel von
zweifelhaftem Gebrauchswert, find grad nix Besseres), z.B. habe ich
aus einem Lehrbuch auch für mich selbst gelernt dieses 'och nee' für
'(ich möchte das) eigentlich lieber nicht' und das '(also) ich weiß
nicht' im Sinne von 'sollen wir das wirklich (so) machen?' Die beiden
find ich z.B. wirklich 'lebensecht'. Daraus lässt sich zwar kein
Gewinn in Form einer allgemeingültigen Regel schlagen, aber die beiden
sind als Lexikoneintrag im Teilbereich 'gesprochene Sprache' schon ganz
nett und hören sich wirklich 'deutsch' an.
"och nee" hört sich vor allem norddeutsch an. Die Verallgemeinerung
auf "deutsch" ist unzulässig.
Post by Ralf Joerres
Ich erlebe immer wieder, gerade auch in desd, dass Kollegen darauf
vertrauen, dass ihre persönlichen Maßstäbe schon irgendwie 'richtig'
und vor allem 'richtiger' als die anderer sind. Ich halte das für naiv
und für einer professionellen Haltung gegenüber dem Objekt der Analyse
(und der Sprachvermittlung) abträglich. Es kann m.E. nicht schaden,
sich dessen bewusst zu bleiben, dass die jeweilige Sprachbiographie
... und Sprachgeographie
Post by Ralf Joerres
zwar den Ausgangspunkt des eigenen Regelbewusstseins bildet, dass letzte-
res aber nur die reale Ausgabe vieler möglicher Regelmaßstäbe bildet
- von denen darüber hinaus das wenigste sich konkret ausformulieren
lässt. Schlechte Lehrbuch- und Übungsmaterialschreiber halten sich mit
so etwas nicht auf.
--
Helmut Richter
U***@web.de
2018-05-05 16:16:29 UTC
Permalink
Post by Helmut Richter
"och nee" hört sich vor allem norddeutsch an. Die Verallgemeinerung
auf "deutsch" ist unzulässig.
Und eben hörte ich in einer der Folgen von
https://www.br.de/mediathek/video/alpha-retro-auf-gut-bairisch-ein-exkurs-ueber-unsere-volks-und-heimatsprache-av:5acf7529b7da5c0018876ae5
, daß 'zwo' bairisch die Femininform der Kardinalzahl ist.

Gruß, ULF
Poul E. Jørgensen
2018-05-05 16:49:46 UTC
Permalink
Und eben hörte ich [...] daß 'zwo' bairisch die Femininform der Kardinalzahl ist.
Wird diese Form bairisch nur in Verbindung mit femininen Wörtern verwendet?

Oder: Handelt es sich eigentlich nur um diese rein historische Information:
Im Mittel- und Frühneuhochdeutschen finde man
zwên(e) (mask.)
zwô (fem.)
zwei (neutr.)

Im heutigen Bairisch aber gebe es nur noch die Form zwo.
--
Fjern Z hvis du svarer pr. e-mail.
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U***@web.de
2018-05-05 17:05:09 UTC
Permalink
Post by Poul E. Jørgensen
Und eben hörte ich [...] daß 'zwo' bairisch die Femininform der Kardinalzahl ist.
Wird diese Form bairisch nur in Verbindung mit femininen Wörtern verwendet?
Davon ging ich nach dem Fernsehkurs aus.
Post by Poul E. Jørgensen
Im Mittel- und Frühneuhochdeutschen finde man
zwên(e) (mask.)
zwô (fem.)
zwei (neutr.)
Dann hätte ich das ja nicht als Bairisch deklariert.

Man hört es aber gelegentlich außerhalb von
Bayern etwa an Ladenkassen.
Post by Poul E. Jørgensen
Im heutigen Bairisch aber gebe es nur noch die Form zwo.
Nicht nur noch.

Hier https://de.wikipedia.org/wiki/Bairische_Dialekte#Numeralia_(Zahlwörter)
wird sie als regional eingegrenzt und veraltend beschrieben,
die Sendung war auch die Wiederholung von 1968.

Gruß, ULF
Helmut Richter
2018-05-05 21:02:50 UTC
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Post by U***@web.de
Post by Poul E. Jørgensen
Im Mittel- und Frühneuhochdeutschen finde man
zwên(e) (mask.)
zwô (fem.)
zwei (neutr.)
Dann hätte ich das ja nicht als Bairisch deklariert.
Man hört es aber gelegentlich außerhalb von
Bayern etwa an Ladenkassen.
Was hört man da? Ein feminines zwô neben mask./neutr. Formen? Wohl kaum.

"zwo" ist unter Standarddeutsch-Sprechern die genusunabhängige Form von
"zwei", die klanglich nicht mit "drei" verwechselt werden kann, so wie die
Monatsnamen "Juno" und "Julei" nicht miteinander verwechselt werden
können. Man verwendet solche Formen nur bei Verwechslungsgefahr, zum
Beispiel beim mündlichem Nennen von Telefonnummern oder Kalenderdaten.
Post by U***@web.de
Post by Poul E. Jørgensen
Im heutigen Bairisch aber gebe es nur noch die Form zwo.
Ich habe auf Bairisch bis jetzt in freier Wildbahn nur "zwoa" gehört, und
die genusabhängigen Varianten immer nur als Beitrag von Leuten, die sich mit
Sprachgeschichte auskennen. Es mag durchaus Dialekte des Bairischen geben,
in denen die alten Formen noch lebendig sind.

Die Form "zwoa" enthält den Diphthong -oa-, der im Bairischen regelmäßig
(aber nicht ausnahmslos) dort steht, wo im Standarddeutschen ein -ei- [ae]
steht, das schon im Mitteldeutschen ein Diphphong -ei- [EI] war. Also beim
Zählen:

Mhd: eins, zwei, drî
Nhd: eins, zwei, drei
Bairisch: oans, zwoa, drei
Sächsisch: eens, zwee, drei

Die drei Zahlen enthalten also zwei *verschiedene* Vokale oder Diphthonge,
die zufällig im Standarddeutschen gleich klingen und gleich geschrieben
werden. Mit Genusunterschieden hat das nichts zu tun.

--
Helmut Richter
Helmut Richter
2018-05-05 21:15:33 UTC
Permalink
Post by Helmut Richter
Die Form "zwoa" enthält den Diphthong -oa-, der im Bairischen regelmäßig
(aber nicht ausnahmslos) dort steht, wo im Standarddeutschen ein -ei- [ae]
steht, das schon im Mitteldeutschen ein Diphphong -ei- [EI] war. Also beim
muss natürlich heißen: im Mittelhochdeutschen

Helmut Richter
Sergio Gatti
2018-05-06 09:13:23 UTC
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Post by Helmut Richter
Die Form "zwoa" enthält den Diphthong -oa-, der im Bairischen regelmäßig
(aber nicht ausnahmslos) dort steht, wo im Standarddeutschen ein -ei- [ae]
steht, das schon im Mitteldeutschen ein Diphphong -ei- [EI] war. Also beim
Mhd: eins, zwei, drî
Nhd: eins, zwei, drei
Bairisch: oans, zwoa, drei
Sächsisch: eens, zwee, drei
Die drei Zahlen enthalten also zwei *verschiedene* Vokale oder Diphthonge,
die zufällig im Standarddeutschen gleich klingen und gleich geschrieben
werden. Mit Genusunterschieden hat das nichts zu tun.
Darf ich deinen letzten Absatz im Hinblick auf die heutige
Lage und zur Erleichterung der Leute verändern, die bei
Heinz, Ralf und andere Deutsch lernen?
Diese drei Zahlen enthalten also zwei *ursprünglich*
verschiedene Vokale oder Diphthonge, die im heutigen
Standarddeutschen zusammengefallen sind. ...

Die übliche Darstellung ist natürlich: Diese drei Zahlen
enthalten heute einen Diphthong, der aber das Ergebnis der
sprachlichen Entwicklung von zwei verschiedenen Lauten ist.
Helmut Richter
2018-05-06 11:52:06 UTC
Permalink
Post by Sergio Gatti
Post by Helmut Richter
Die Form "zwoa" enthält den Diphthong -oa-, der im Bairischen regelmäßig
(aber nicht ausnahmslos) dort steht, wo im Standarddeutschen ein -ei- [ae]
steht, das schon im Mitteldeutschen ein Diphphong -ei- [EI] war. Also beim
Mhd: eins, zwei, drî
Nhd: eins, zwei, drei
Bairisch: oans, zwoa, drei
Sächsisch: eens, zwee, drei
Die drei Zahlen enthalten also zwei *verschiedene* Vokale oder Diphthonge,
die zufällig im Standarddeutschen gleich klingen und gleich geschrieben
werden. Mit Genusunterschieden hat das nichts zu tun.
Darf ich deinen letzten Absatz im Hinblick auf die heutige
Lage und zur Erleichterung der Leute verändern, die bei
Heinz, Ralf und andere Deutsch lernen?
Diese drei Zahlen enthalten also zwei *ursprünglich*
verschiedene Vokale oder Diphthonge, die im heutigen
Standarddeutschen zusammengefallen sind. ...
Die übliche Darstellung ist natürlich: Diese drei Zahlen
enthalten heute einen Diphthong, der aber das Ergebnis der
sprachlichen Entwicklung von zwei verschiedenen Lauten ist.
Ja, das ist die übliche Darstellung, die zugleich für Deutschlernende die
leichtverständlichste ist – falls die sich überhaupt für die Geschichte
dieses Diphthongs interessieren.

Dieser Thread behandelte aber ein bairisches Wort (nicht von mir
aufgebracht) und da kam es mir darauf an, darauf hinzuweisen, dass die
beiden Diphthonge in sehr vielen und sehr unterschiedlichen deutschen
Dialekten noch unterschieden werden: nicht nur im Schweizerdeutschen, wo im
Wesentlichen noch die mhd Vokale gesprochen werden, sondern auch in
süddeutschen Dialekten wie Schwäbisch (bei den Vokalen ganz anders als
Schweizerdeutsch obwohl sonst ähnlich) und Bairisch sowie in den ganz anders
klingenden Dialekten Sächsisch und Berlinisch. Aus dieser Sicht kann man
nicht sagen, dass der Unterschied spurlos verschwunden ist.

--
Helmut Richter
Sergio Gatti
2018-05-06 14:40:44 UTC
Permalink
Post by Helmut Richter
Post by Sergio Gatti
Post by Helmut Richter
Die Form "zwoa" enthält den Diphthong -oa-, der im Bairischen regelmäßig
(aber nicht ausnahmslos) dort steht, wo im Standarddeutschen ein -ei- [ae]
steht, das schon im Mitteldeutschen ein Diphphong -ei- [EI] war. Also beim
Mhd: eins, zwei, drî
Nhd: eins, zwei, drei
Bairisch: oans, zwoa, drei
Sächsisch: eens, zwee, drei
Die drei Zahlen enthalten also zwei *verschiedene* Vokale oder Diphthonge,
die zufällig im Standarddeutschen gleich klingen und gleich geschrieben
werden. Mit Genusunterschieden hat das nichts zu tun.
Darf ich deinen letzten Absatz im Hinblick auf die heutige
Lage und zur Erleichterung der Leute verändern, die bei
Heinz, Ralf und andere Deutsch lernen?
Diese drei Zahlen enthalten also zwei *ursprünglich*
verschiedene Vokale oder Diphthonge, die im heutigen
Standarddeutschen zusammengefallen sind. ...
Die übliche Darstellung ist natürlich: Diese drei Zahlen
enthalten heute einen Diphthong, der aber das Ergebnis der
sprachlichen Entwicklung von zwei verschiedenen Lauten ist.
Ja, das ist die übliche Darstellung, die zugleich für Deutschlernende die
leichtverständlichste ist – falls die sich überhaupt für die Geschichte
dieses Diphthongs interessieren.
Dieser Thread behandelte aber ein bairisches Wort (nicht von mir
aufgebracht) und da kam es mir darauf an, darauf hinzuweisen, dass die
beiden Diphthonge in sehr vielen und sehr unterschiedlichen deutschen
Dialekten noch unterschieden werden: nicht nur im Schweizerdeutschen, wo im
Wesentlichen noch die mhd Vokale gesprochen werden, sondern auch in
süddeutschen Dialekten wie Schwäbisch (bei den Vokalen ganz anders als
Schweizerdeutsch obwohl sonst ähnlich) und Bairisch sowie in den ganz anders
klingenden Dialekten Sächsisch und Berlinisch. Aus dieser Sicht kann man
nicht sagen, dass der Unterschied spurlos verschwunden ist.
Worauf es mir ankommt: Ich weiß, dass wir alle keine
Kristallkugel haben und sicher tot sein werden, bevor es so
weit kommt, aber welche lautliche Entwicklung von "ei" in
eins, zwei, drei im _Standarddeutschen_ erwarten die
DESD-Leser in 300-500 Jahren? Eine identische, weil es
inzwischen ein Laut ist, oder eine unterschiedliche auf der
Grundlage der Dialekte, die den genannten Unterschied noch
heute aufweisen?
Martin Gerdes
2018-05-06 21:34:28 UTC
Permalink
Post by Sergio Gatti
Post by Helmut Richter
Post by Helmut Richter
Mhd: eins, zwei, drî
Nhd: eins, zwei, drei
Bairisch: oans, zwoa, drei
Sächsisch: eens, zwee, drei
Dieser Thread behandelte aber ein bairisches Wort (nicht von mir
aufgebracht) und da kam es mir darauf an, darauf hinzuweisen, dass die
beiden Diphthonge in sehr vielen und sehr unterschiedlichen deutschen
Dialekten noch unterschieden werden
Worauf es mir ankommt: Ich weiß, dass wir alle keine
Kristallkugel haben und sicher tot sein werden, bevor es so
weit kommt, aber welche lautliche Entwicklung von "ei" in
eins, zwei, drei im _Standarddeutschen_ erwarten die
DESD-Leser in 300-500 Jahren?
Der Standarddeutsche hat schon jetzt keinen Sinn für bestimmte
Unterschiede zwischen ähnlichen Vokalen ("Beeren" - Tiere oder
Pflanzen?). Wenn man zwei unterschiedliche Kategorien in eine Schublade
wirft, geht der Unterschied natürlich flöten.

Ob die Standarddeutschen in 500 Jahren überhaupt noch Deutsch sprechen
oder Englisch oder Arabisch, das kann wohl keiner wissen.
Sergio Gatti
2018-05-07 07:54:33 UTC
Permalink
Post by Martin Gerdes
Der Standarddeutsche hat schon jetzt keinen Sinn für bestimmte
Unterschiede zwischen ähnlichen Vokalen ("Beeren" - Tiere oder
Pflanzen?).
Du könntest recht haben, aber du sollst bessere Beispiele
vorbringen. In meinem "Wörterbuch der deutschen Aussprache"
sind die ersten Vokale in Beeren und Bären _nicht_
identisch. Ergo sind Aussprachen, die diesen Unterschied
nicht machen, regional oder dialektal, aber kein Standard.
Post by Martin Gerdes
Ob die Standarddeutschen in 500 Jahren überhaupt noch Deutsch sprechen
oder Englisch oder Arabisch, das kann wohl keiner wissen.
Arabisch sicher nicht. Erdöl geht langsam zur Neige und die
Anziehungskraft der arabischen Kultur hält sich in Grenzen.
Warum so pessimistisch? Wäre die Rede von Maltesisch oder
Bretonisch, könnte ich deine Zweifel teilen.
Übrigens: Wer sind für dich Standarddeutsche? Was macht sie
aus? Fortsetzung lieber privat, soweit die Antwort nichts
mit der deutschen Sprache zu tun haben sollte.
U***@web.de
2018-05-07 10:38:43 UTC
Permalink
Post by Sergio Gatti
Post by Martin Gerdes
Ob die Standarddeutschen in 500 Jahren überhaupt noch Deutsch sprechen
oder Englisch oder Arabisch, das kann wohl keiner wissen.
Arabisch sicher nicht. Erdöl geht langsam zur Neige und die
Anziehungskraft der arabischen Kultur hält sich in Grenzen.
Trotzdem wird Wert darauf gelegt, daß Muslime den
Koran im Original lesen.

Gruß, ULF
Poul E. Jørgensen
2018-05-07 14:31:55 UTC
Permalink
Post by U***@web.de
Trotzdem wird Wert darauf gelegt, daß Muslime den
Koran im Original lesen.
In nicht-arabischen Ländern werden, für den religiösen Gebrauch, Korane
zweisprachig herausgegeben.
--
Fjern Z hvis du svarer pr. e-mail.
Remove the Z if replying by e-mail.
Stefan Schmitz
2018-05-08 20:50:37 UTC
Permalink
Post by U***@web.de
Post by Sergio Gatti
Post by Martin Gerdes
Ob die Standarddeutschen in 500 Jahren überhaupt noch Deutsch sprechen
oder Englisch oder Arabisch, das kann wohl keiner wissen.
Arabisch sicher nicht. Erdöl geht langsam zur Neige und die
Anziehungskraft der arabischen Kultur hält sich in Grenzen.
Trotzdem wird Wert darauf gelegt, daß Muslime den
Koran im Original lesen.
Und wie viele außerhalb des arabischen Sprachraums tun das auch?
U***@web.de
2018-05-09 07:40:02 UTC
Permalink
Moin,
Post by Stefan Schmitz
Post by U***@web.de
Trotzdem wird Wert darauf gelegt, daß Muslime den
Koran im Original lesen.
Und wie viele außerhalb des arabischen Sprachraums tun das auch?
Wir war so, als seien in einer Fernsehreportage einmal
türkische Koranschulen für Kinder gezeigt worden,
mit Lesesprache Arabisch.

Bin da aber nicht besonders kundig.

Gruß, ULF
Martin Gerdes
2018-05-07 22:15:59 UTC
Permalink
Post by Martin Gerdes
Der Standarddeutsche hat schon jetzt keinen Sinn für bestimmte
Unterschiede zwischen ähnlichen Vokalen ("Beeren" - Tiere oder
Pflanzen?).
Du könntest recht haben, aber du soll[te]st bessere Beispiele
bringen. In meinem "Wörterbuch der deutschen Aussprache"
sind die ersten Vokale in Beeren und Bären _nicht_
identisch.
Geh mal in Deinem Wohnort auf die Straße und hör den Leuten zu.

Was ein Meetchen ist, weißt Du vermutlich.
Post by Martin Gerdes
Ob die Standarddeutschen in 500 Jahren überhaupt noch Deutsch sprechen
oder Englisch oder Arabisch, das kann wohl keiner wissen.
Arabisch sicher nicht.
Wer weiß?
Erdöl geht langsam zur Neige und die Anziehungskraft der arabischen
Kultur hält sich in Grenzen.
Die Anziehung der deutschen Sozialleistungen für arabischsprechende
Menschen dürfte weiterhin hoch bleiben, auch ist deren
Reproduktionsquote höher als die der Biodeutschen. Über 500 Jahre könnte
das sehr wohl den Ausschlag geben.
Übrigens: Wer sind für dich Standarddeutsche?
Das sind Leute, die glauben, daß ihr Sozio- oder Regiolekt
Standarddeutsch sei (Man findet solche vorwiegend unter Norddeutschen).
Manfred Hoß
2018-05-07 22:27:22 UTC
Permalink
Post by Martin Gerdes
Die Anziehung der deutschen Sozialleistungen für arabischsprechende
Menschen dürfte weiterhin hoch bleiben, auch ist deren
Reproduktionsquote höher als die der Biodeutschen. Über 500 Jahre könnte
das sehr wohl den Ausschlag geben.
Wie sich die Geburtenrate in den nächsten 500 Jahren entwickeln wird, das
weiß ich nicht. Aber sie wird auf jeden Fall nicht konstant bleiben,
sondern sich ändern. Schon von daher sind Überlegungen, wann Zuwanderer die
Mehrheit stellen werden, unsinnig.

Gruß
Manfred.
Stefan+ (Stefan Froehlich)
2018-05-08 16:36:20 UTC
Permalink
Post by Manfred Hoß
Wie sich die Geburtenrate in den nächsten 500 Jahren entwickeln
wird, das weiß ich nicht. Aber sie wird auf jeden Fall nicht
konstant bleiben, sondern sich ändern. Schon von daher sind
Überlegungen, wann Zuwanderer die Mehrheit stellen werden,
unsinnig.
Die Überlegung ist alleine schon deshalb unsinnig, weil die Kinder
der Zuwanderer keine Zuwanderer mehr sind, und die Zuwanderer
wiederum werden in 500 Jahren nicht mehr am Leben sein.

Eine ganze Reihe von (aussterbenden) Wiener Akzenten, die von der
"autochtonen" Bevölkerung so geliebt und geschätzt werden, sind
letztendlich auch Hinterlassenschaften früherer Zuwanderer. Such is
life.

Servus,
Stefan
--
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Offizieller Erstbesucher(TM) von mmeike

Für Stunden des Glücks: Stefan - spielen, in allen Lagen!
(Sloganizer)
U***@web.de
2018-05-09 07:38:05 UTC
Permalink
Post by Stefan+ (Stefan Froehlich)
Post by Manfred Hoß
Wie sich die Geburtenrate in den nächsten 500 Jahren entwickeln
wird, das weiß ich nicht. Aber sie wird auf jeden Fall nicht
konstant bleiben, sondern sich ändern. Schon von daher sind
Überlegungen, wann Zuwanderer die Mehrheit stellen werden,
unsinnig.
Die Überlegung ist alleine schon deshalb unsinnig, weil die Kinder
der Zuwanderer keine Zuwanderer mehr sind,
Sie haben aber definitionsgemäß Migrationshintergrund.
Post by Stefan+ (Stefan Froehlich)
und die Zuwanderer
wiederum werden in 500 Jahren nicht mehr am Leben sein.
Nicht ganz unwesentlich, wo sich die Zuwanderer und ihre Kinder
ihre Ehepartner suchen (oder gesucht bekommen).

Gruß, ULF
Stefan+ (Stefan Froehlich)
2018-05-09 10:17:42 UTC
Permalink
Post by U***@web.de
Post by Stefan+ (Stefan Froehlich)
Post by Manfred Hoß
Wie sich die Geburtenrate in den nächsten 500 Jahren entwickeln
wird, das weiß ich nicht. Aber sie wird auf jeden Fall nicht
konstant bleiben, sondern sich ändern. Schon von daher sind
Überlegungen, wann Zuwanderer die Mehrheit stellen werden,
unsinnig.
Die Überlegung ist alleine schon deshalb unsinnig, weil die
Kinder der Zuwanderer keine Zuwanderer mehr sind,
Sie haben aber definitionsgemäß Migrationshintergrund.
In 500 Jahren (aber auch bereits in 150) sind die Kinder der Kinder
ebenfalls nicht mehr am Leben, und über mehr als 2 Generationen hat
die Erfassung von Migrationshintergründen ohnehin keinen Sinn.
Post by U***@web.de
Post by Stefan+ (Stefan Froehlich)
[...] und die Zuwanderer wiederum werden in 500 Jahren nicht
mehr am Leben sein.
Nicht ganz unwesentlich, wo sich die Zuwanderer und ihre Kinder
ihre Ehepartner suchen (oder gesucht bekommen).
Auch das schleift sich ein, wie die Vergangenheit gezeigt hat. Der
Gegenteilige Eindruck entsteht nur dadurch, dass jeder von uns nur
einen sehr kurzen Zeitraum persönlich beobachten kann.

Servus,
Stefan
--
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Offizieller Erstbesucher(TM) von mmeike

Stefan - mit dem reichlichen Feeling schmerzlicher Glieder.
(Sloganizer)
Martin Gerdes
2018-05-10 08:20:09 UTC
Permalink
Post by Stefan+ (Stefan Froehlich)
Post by Manfred Hoß
Wie sich die Geburtenrate in den nächsten 500 Jahren entwickeln
wird, das weiß ich nicht. Aber sie wird auf jeden Fall nicht
konstant bleiben, sondern sich ändern. Schon von daher sind
Überlegungen, wann Zuwanderer die Mehrheit stellen werden,
unsinnig.
Die Überlegung ist alleine schon deshalb unsinnig, weil die Kinder
der Zuwanderer keine Zuwanderer mehr sind
... sondern entweder mit der autochthonen Bevölkerung verschmelzen oder
dauerhaft Minderheiten oder Parallelgesellschaften bilden.
Post by Stefan+ (Stefan Froehlich)
und die Zuwanderer wiederum werden in 500 Jahren nicht mehr am Leben sein.
Es ging um Änderungen dessen, was hierzulande von der Bevölkerung
gesprochen wird.
Post by Stefan+ (Stefan Froehlich)
Eine ganze Reihe von (aussterbenden) Wiener Akzenten, die von der
"autochtonen" Bevölkerung so geliebt und geschätzt werden, sind
letztendlich auch Hinterlassenschaften früherer Zuwanderer. Such is
life.
Manfred Hoß
2018-05-10 09:19:03 UTC
Permalink
Post by Martin Gerdes
Post by Stefan+ (Stefan Froehlich)
Post by Manfred Hoß
Wie sich die Geburtenrate in den nächsten 500 Jahren entwickeln
wird, das weiß ich nicht. Aber sie wird auf jeden Fall nicht
konstant bleiben, sondern sich ändern. Schon von daher sind
Überlegungen, wann Zuwanderer die Mehrheit stellen werden,
unsinnig.
Die Überlegung ist alleine schon deshalb unsinnig, weil die Kinder
der Zuwanderer keine Zuwanderer mehr sind
... sondern entweder mit der autochthonen Bevölkerung verschmelzen oder
dauerhaft Minderheiten oder Parallelgesellschaften bilden.
1685, also vor 333 Jahren, ließen sich ungefähr 20.000 von etwa 200.000
Hugenotten, die aus Frankreich geflüchtet waren, infolge des Edikts von
Potsdam in Brandenburg nieder, die meisten davon in Berlin und Umgebung.
(In Berlin gab es seit 1672 eine Hugenottengemeinde.) Die Flüchtlinge
wurden in vielerlei Hinsicht unterstützt, auch finanziell, und hatten
einige Privilegien. Lange Zeite bildeten sie eine Parallelgesellschaft.
Selbst heute, also nach insgesamt 346 Jahren, die es die Hugenottengemeinde
in Berlin bereits gibt, kannst du in der Französischen Kirche zu Berlin
einen Gottesdienst in französischer Sprache besuchen.

Macht dir das Angst?
Post by Martin Gerdes
Post by Stefan+ (Stefan Froehlich)
und die Zuwanderer wiederum werden in 500 Jahren nicht mehr am Leben sein.
Es ging um Änderungen dessen, was hierzulande von der Bevölkerung
gesprochen wird.
Gut, Französisch war wohl eher die Sprache des Adels als die des gemeinen
Volkes. So soll ja beispielsweise Friedrich der Große besser Französisch
als Deutsch gesprochen haben. Aber es ist doch offensichtlich so, dass noch
heute in Deutschland Deutsch gesprochen wird und nicht Französisch, obwohl
vor etwas mehr als 300 Jahren zehntausende Hugenotten nach Deutschland
flüchten. Und ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass in 200 Jahren
die Menschen in Deutschland Französisch sprechen werden.

Siehst du das anders?

Gruß
Manfred.
Manfred Hoß
2018-05-10 09:24:00 UTC
Permalink
Post by Martin Gerdes
Post by Stefan+ (Stefan Froehlich)
Post by Manfred Hoß
Wie sich die Geburtenrate in den nächsten 500 Jahren entwickeln
wird, das weiß ich nicht. Aber sie wird auf jeden Fall nicht
konstant bleiben, sondern sich ändern. Schon von daher sind
Überlegungen, wann Zuwanderer die Mehrheit stellen werden,
unsinnig.
Die Überlegung ist alleine schon deshalb unsinnig, weil die Kinder
der Zuwanderer keine Zuwanderer mehr sind
... sondern entweder mit der autochthonen Bevölkerung verschmelzen oder
dauerhaft Minderheiten oder Parallelgesellschaften bilden.
1685, also vor 333 Jahren, ließen sich ungefähr 20.000 von etwa 200.000
Hugenotten, die aus Frankreich geflüchtet waren, infolge des Edikts von
Potsdam in Brandenburg nieder, die meisten davon in Berlin und Umgebung.
(In Berlin gab es seit 1672 eine Hugenottengemeinde.) Die Flüchtlinge
wurden in vielerlei Hinsicht unterstützt, auch finanziell, und hatten
einige Privilegien. Lange Zeite bildeten sie eine Parallelgesellschaft.
Selbst heute, also nach insgesamt 346 Jahren, die es die Hugenottengemeinde
in Berlin bereits gibt, kannst du in der Französischen Kirche zu Berlin
einen Gottesdienst in französischer Sprache besuchen.

Macht dir das Angst?
Post by Martin Gerdes
Post by Stefan+ (Stefan Froehlich)
und die Zuwanderer wiederum werden in 500 Jahren nicht mehr am Leben sein.
Es ging um Änderungen dessen, was hierzulande von der Bevölkerung
gesprochen wird.
Gut, Französisch war wohl eher die Sprache des Adels als die des gemeinen
Volkes. So soll ja beispielsweise Friedrich der Große besser Französisch
als Deutsch gesprochen haben. Aber es ist doch offensichtlich so, dass noch
heute in Deutschland Deutsch gesprochen wird und nicht Französisch, obwohl
vor etwas mehr als 300 Jahren zehntausende Hugenotten nach Deutschland
flüchteten. Und ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass in 200 Jahren
die Menschen in Deutschland Französisch sprechen werden.

Siehst du das anders?

Gruß
Manfred.
Jakob Achterndiek
2018-05-10 12:39:58 UTC
Permalink
Post by Manfred Hoß
1685, also vor 333 Jahren, ließen sich ungefähr 20.000 von etwa 200.000
Hugenotten, die aus Frankreich geflüchtet waren, infolge des Edikts von
Potsdam in Brandenburg nieder, die meisten davon in Berlin und Umgebung.
[..] Macht dir das Angst?
Uns fehlt ein Goethe, der uns ein Hexameter-Epos "Siegfried und Aida"
schreibt. So etwas darf man nicht dem Kino und Fernsehen überlassen,
sondern unsere Kinder brauchen mal wieder etwas feierlich-würdig-
Vernünftiges zum Auswendiglernen:
Hàb ich den Plàtz vor dem Bàhnhof nie sò voller Tèddies gesèhen,
Plüschig und knuddelig-weich und gemacht, die Fremden zu trösten,
Die von klimatischen und ökonomischen Ungleichgewichten der
Welt in wandernden Scharen in unsere Länder getrieben.
[..]
--
j/\a
Martin Gerdes
2018-05-11 11:15:45 UTC
Permalink
Post by Manfred Hoß
Post by Martin Gerdes
... sondern entweder mit der autochthonen Bevölkerung verschmelzen oder
dauerhaft Minderheiten oder Parallelgesellschaften bilden.
1685, also vor 333 Jahren, ließen sich ungefähr 20.000 von etwa 200.000
Hugenotten, die aus Frankreich geflüchtet waren, infolge des Edikts von
Potsdam in Brandenburg nieder
Selbst heute, also nach insgesamt 346 Jahren, die es die Hugenottengemeinde
in Berlin bereits gibt, kannst du in der Französischen Kirche zu Berlin
einen Gottesdienst in französischer Sprache besuchen.
... und die Herren de Maizière, fraglos Hugenottenabkömmlinge sprechen
noch heute muttersprachlich Französisch.
Post by Manfred Hoß
Macht dir das Angst?
Na klar!

[Auf eine so doofe Frage _MUSS_ es eine mindestens gleich doofe Antwort
geben.]
Sergio Gatti
2018-05-08 06:03:15 UTC
Permalink
Post by Martin Gerdes
Post by Martin Gerdes
Der Standarddeutsche hat schon jetzt keinen Sinn für bestimmte
Unterschiede zwischen ähnlichen Vokalen ("Beeren" - Tiere oder
Pflanzen?).
Du könntest recht haben, aber du soll[te]st bessere Beispiele
bringen. In meinem "Wörterbuch der deutschen Aussprache"
sind die ersten Vokale in Beeren und Bären _nicht_
identisch.
Geh mal in Deinem Wohnort auf die Straße und hör den Leuten zu.
Berliner Aussprache = Standarddeutsch? Was für ein
Aufschrei, wenn ich oder Christina das behaupten würden! :-)
Heinz Lohmann
2018-05-08 12:58:52 UTC
Permalink
Post by Sergio Gatti
Post by Martin Gerdes
Post by Martin Gerdes
Der Standarddeutsche hat schon jetzt keinen Sinn für bestimmte
Unterschiede zwischen ähnlichen Vokalen ("Beeren" - Tiere oder
Pflanzen?).
Du könntest recht haben, aber du soll[te]st bessere Beispiele
bringen. In meinem "Wörterbuch der deutschen Aussprache"
sind die ersten Vokale in Beeren und Bären _nicht_
identisch.
Geh mal in Deinem Wohnort auf die Straße und hör den Leuten zu.
Berliner Aussprache = Standarddeutsch? Was für ein
Aufschrei, wenn ich oder Christina das behaupten würden! :-)
Zumindest in der Aussprache sind die beiden Vokale ziemlich dicht
benachbart.

Duden 6 "Aussprache"
Bär [bɛ:ɐ̯], Bärenstein ['bɛ:rənʃta͜in] (Plural ist sonst nicht angegeben);
Wiktionary [bɛːɐ̯];
Beere ['be:rə];
Wiktionary: [ˈbeːʀə]

Beim Bären bewegt sich der Unterkiefer etwas stärker nach unten.

In meiner Heimatgegend (MS-Land) spricht man Tier und Pflanze IIRC
gleich als [bɛːɐ̯n] bzw. [bɛɐ̯n] aus.
Dort lautet die norddeutsche Stadt [bre:m] auch.

Nur meine 2 角 ...
--
mfg
Heinz Lohmann
Tamsui, Taiwan

Gedanken sind nicht stets parat,
man schreibt auch, wenn man keine hat. W.B.
Stefan Ram
2018-05-09 20:11:33 UTC
Permalink
Post by Heinz Lohmann
Beim Bären bewegt sich der Unterkiefer etwas stärker nach unten.
Der Unterschied zwischen [i] und [æ] ist der maximal
mögliche. Es handelt sich um fünf Millimeter (Zahnabstand).

Der Unterschied zwische [e] und [ɛ] beträgt zwei Millimeter,
also immerhin noch 40 vom Hundert des maximal möglichen Unterschieds.

Wahrscheinlich nehmen wir den Unterschied als geringer war,
weil er im Deutschen wohl selten (nie?) phonemisch ist.
"Bären/Beeren" wäre zwar ein Minimalpaar, aber dies kann
meist durch den Kontext erschlossen werden.

~~

Man mache einmal folgendes Experiment: Man beiße Ober- und
Unterkiefer fest zusammen, und versuche nun zu sagen: "Die
Bären kaufen Beeren.". Es wird vermutlich möglich sein, dies
dann so zu sagen, daß jemand anders es versteht (und sogar
der Unterschied [e]/[ɛ] hörbar wird). Dies liegt daran, daß
der Sprechapparat diverse Kompensationsmechanismen besitzt,
um ein Vokaltrapez auch dann noch produzieren zu können,
wenn ein Teil des Apparates ausfällt. Daher ist es etwas
vereinfacht, wenn man die Unterschiede zwischen den Lauten
immer mit einer Unterkieferbewegung erklären will. Aber ohne
solche Hilfsmittel der Verständigung ist die Kommunikation
darüber erschwert (wenn man nicht anfangen will, von
Formanten zu sprechen).

Die Zunge entfernt sich normalerweise auch noch einmal
vom Gaumen, wenn der Laut offner wird. Dadurch wird der
Unterschied der Öffnung des Kiefers praktisch verdoppelt.
Wenn der Unterkiefer fixiert wird, dann gibt es immer
noch diese Variabilität der Zungen.

Es ist unglaubwürdig, was in "The Queen's Justice" (Folge
drei von Staffel sieben) passiert. Dort hat Ellaria als
"Knebel" ein Stofband um den Kopf, das zwischen ihren
Schneidezähnung durchgeht und kann im Film nur noch wimmern,
aber gar nicht mehr verständlich artikulieren, wohingegen
man in der Realität mit solch einem Knebel durchaus noch gut
sprechen können sollte. (Natürlich könnte es sein,
daß Ellaria absichtlich so tut, als könne sie nicht
sprechen, weil ihr ein wirkungsloser Knebel lieber ist als
ein wirkungsvollerer.)
Diedrich Ehlerding
2018-05-10 07:27:59 UTC
Permalink
Post by Stefan Ram
Wahrscheinlich nehmen wir den Unterschied als geringer war,
weil er im Deutschen wohl selten (nie?) phonemisch ist.
"Bären/Beeren" wäre zwar ein Minimalpaar,
So selten nun auch wieder nicht. Außer den Bären bzw. Beeren fallen mir
spontan noch ein:

Segen / sägen
Seele / Säle
Ehre / Ähre
Meer, mehr / Mär
Meere / Mähre
schweren / schwären
Scheren / Schären
Reeder / Räder
Fehden / Fäden
--
pgp-Key (RSA) 1024/09B8C0BD
fingerprint = 2C 49 FF B2 C4 66 2D 93 6F A1 FF 10 16 59 96 F3
HTML-Mail wird ungeleſen entſorgt.
Heinz Lohmann
2018-05-10 10:11:12 UTC
Permalink
Post by Diedrich Ehlerding
Post by Stefan Ram
Wahrscheinlich nehmen wir den Unterschied als geringer war,
weil er im Deutschen wohl selten (nie?) phonemisch ist.
"Bären/Beeren" wäre zwar ein Minimalpaar,
So selten nun auch wieder nicht. Außer den Bären bzw. Beeren fallen mir
Segen / sägen
Seele / Säle
Ehre / Ähre
Meer, mehr / Mär
Meere / Mähre
schweren / schwären
Scheren / Schären
Reeder / Räder
Fehden / Fäden
Beide Laute fallen stärker zusammen, wenn ein "r" nach dem e/ä steht.
--
mfg
Heinz Lohmann
Tamsui, Taiwan

Gedanken sind nicht stets parat,
man schreibt auch, wenn man keine hat. W.B.
Diedrich Ehlerding
2018-05-10 12:02:58 UTC
Permalink
Post by Heinz Lohmann
Post by Diedrich Ehlerding
Post by Stefan Ram
Wahrscheinlich nehmen wir den Unterschied als geringer war,
weil er im Deutschen wohl selten (nie?) phonemisch ist.
"Bären/Beeren" wäre zwar ein Minimalpaar,
So selten nun auch wieder nicht. Außer den Bären bzw. Beeren fallen mir
Segen / sägen
Seele / Säle
Ehre / Ähre
Meer, mehr / Mär
Meere / Mähre
schweren / schwären
Scheren / Schären
Reeder / Räder
Fehden / Fäden
Beide Laute fallen stärker zusammen, wenn ein "r" nach dem e/ä steht.
Kann ich für mich nicht bestätigen. etwa in den Fällen "Ehre/Ähre",
"Meer/Mär" ist MUSEN der UNterschied ebenso deutlich wie im Falle
"Segen/sägen".

Ich ergänze zunächst obige Liste noch um ein paar weitere (MUSEN)
Minimalpaare:

wehren / währen
stehle / Stähle
zehren / Zähren
heeren / hären
Fliesenleger / Fliesenläger
Zeh / zäh

In allen meinen Beispielen habe ich jeweils ein langes geschlossenes bzw.
ein langes offenes e. Denkst du möglicherweise an solche Paare wie

Heer / Herr
Speere / Sperre

m.a.W. langes geschlossenes vs. kurzes offenes e? In der Tat spreche ich
(als Standardd^WBoreali; Martin wird uns gleich erklären, dass das im
Schwäbischen anders ist) ein kurzes e (fast) immer offen, also als kurzes
ä.

Diedrich
--
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HTML-Mail wird ungeleſen entſorgt.
Manfred Hoß
2018-05-10 12:18:40 UTC
Permalink
Post by Diedrich Ehlerding
Post by Heinz Lohmann
Post by Diedrich Ehlerding
Post by Stefan Ram
Wahrscheinlich nehmen wir den Unterschied als geringer war,
weil er im Deutschen wohl selten (nie?) phonemisch ist.
"Bären/Beeren" wäre zwar ein Minimalpaar,
So selten nun auch wieder nicht. Außer den Bären bzw. Beeren fallen mir
Segen / sägen
Seele / Säle
Ehre / Ähre
Meer, mehr / Mär
Meere / Mähre
schweren / schwären
Scheren / Schären
Reeder / Räder
Fehden / Fäden
Beide Laute fallen stärker zusammen, wenn ein "r" nach dem e/ä steht.
Kann ich für mich nicht bestätigen. etwa in den Fällen "Ehre/Ähre",
"Meer/Mär" ist MUSEN der UNterschied ebenso deutlich wie im Falle
"Segen/sägen".
Wie ist aus deiner Sicht der Unterschied bei Lerche / Lärche?

Gruß
Manfred.
Diedrich Ehlerding
2018-05-10 12:28:25 UTC
Permalink
Post by Manfred Hoß
Post by Diedrich Ehlerding
Kann ich für mich nicht bestätigen. etwa in den Fällen "Ehre/Ähre",
"Meer/Mär" ist MUSEN der UNterschied ebenso deutlich wie im Falle
"Segen/sägen".
Wie ist aus deiner Sicht der Unterschied bei Lerche / Lärche?
Da ist der Vokal kurz. Beides klingt für mich gleich - kurzes e, also
offen. Wiktionary nennt ebenfalls bei beiden die gleiche Aussprache:
[ˈlɛʁçə]

Diedrich
--
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HTML-Mail wird ungeleſen entſorgt.
Stefan Ram
2018-05-10 17:05:37 UTC
Permalink
Post by Diedrich Ehlerding
Da ist der Vokal kurz. Beides klingt für mich gleich - kurzes e, also
[ˈlɛʁçə]
Bei solchen Diskussionen fällt es besonders auf,
wie einige Teilnehmer die Realität durch die IPA-Brille sehen.
In der IPA ist der nächstoffenere Laut nach [e] das [ɛ].
Daher nehmen einige Teilnehmer nur [e] und [ɛ] wahr.

Tatsächlich kennt das Deutsche aber einen Laut zwischen [e] und [ɛ],
nämlich das [ᴇ].

[ˈʔeːʁe/ Ehre
[ʔᴇntˈʃʊldɪɡʊŋ] Entschuldigung
[ˈʔɛːʁᵻ] oder [ˈʔᴇːʁᵻ] Ähre

Ich kenne die Ausspracheregeln jetzt nicht genau, aber
vermute, daß ein unbetontes <e> oft zu [ᴇ] "abgeschwächt"
wird und das etwas "anstrengende" [ɛ] ebenfalls oft.

Im Englischen ist es dann natürlich wichtig,
zwischen [ɛ] und [æ] zu unterscheiden:

/mæn/ man
/mɛn/ men

, etwas, das manchem Deutschen nicht leicht fällt.

unrounded rounded vocoids
i ᴉ ɨ ɯ ш ϒ y ʉ μ u high (A), close
ɪ ɩ ᵻ ω Ш ч ʏ ᵿ ɷ ʊ lower-high (B), close
e ɘ ə ɤ ϫ ? ø ɵ ¤ o higher-mid (C), mid
ᴇ ≡ ɜ ᴥ ᴥ̅ ? ᴓ ɞ ƍ σ lower-mid (D), mid
ɛ ⌂ ɐ ʌ ʌ̅ ? œ ᴔ ʚ ɔ higher-low (E), open
æ ᴀ a ɑ α ? ɶ ҩ ∞ ɒ low (F), open
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Stefan Ram
2018-05-10 17:08:52 UTC
Permalink
Post by Stefan Ram
[ˈʔɛːʁᵻ] oder [ˈʔᴇːʁᵻ] Ähre
Damit will ich nicht bestreiten, daß manche tatsächlich
[ˈʔeːʁᵻ] sagen! Das obige Zitat sollte nur die
empfehlenswerte Standardlautung darstellen.
Diedrich Ehlerding
2018-05-10 17:28:00 UTC
Permalink
Post by Stefan Ram
wie einige Teilnehmer die Realität durch die IPA-Brille sehen.
In der IPA ist der nächstoffenere Laut nach [e] das [ɛ].
Daher nehmen einige Teilnehmer nur [e] und [ɛ] wahr.
Dass Wiktionary "Lärche" und "Lerche" gleich ausspricht, entspricht meiner
eigenen Wahrnehmung. Ich kenne die Feinheiten von IPA gar nicht; ich habe
nur festgestellt und zitiert, dass Wiktionary genau das schreibt, was
meiner eigenen Aussprache bzw. Wahrnehmung entspricht, nämlich dass ich
"Lerche" und "Lärche" gleich ausspreche.

"Ehre" und "Ähre" hingegen unterscheide ich deutlich, ebenso wie die
anderen von mir genannten Minimalpaare.
Post by Stefan Ram
Tatsächlich kennt das Deutsche aber einen Laut zwischen [e] und [ɛ],
nämlich das [ᴇ].
Es ging um die Phoneme - hast du ein Minimaltripel?
Post by Stefan Ram
Ich kenne die Ausspracheregeln jetzt nicht genau, aber
vermute, daß ein unbetontes <e> oft zu [ᴇ] "abgeschwächt"
wird und das etwas "anstrengende" [ɛ] ebenfalls oft.
Bei unbetonten Vokalen fällt es mir ganz allgemein schwer, offene und
geschlossene Aussprache zu unterscheiden.

Diedrich
--
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Stefan Ram
2018-05-10 17:31:14 UTC
Permalink
Post by Diedrich Ehlerding
Dass Wiktionary "Lärche" und "Lerche" gleich ausspricht, entspricht meiner
eigenen Wahrnehmung. Ich kenne die Feinheiten von IPA gar nicht; ich habe
nur festgestellt und zitiert, dass Wiktionary genau das schreibt, was
meiner eigenen Aussprache bzw. Wahrnehmung entspricht, nämlich dass ich
"Lerche" und "Lärche" gleich ausspreche.
Das wollte ich nicht bestreiten!
Post by Diedrich Ehlerding
Post by Stefan Ram
Tatsächlich kennt das Deutsche aber einen Laut zwischen [e] und [ɛ],
nämlich das [ᴇ].
Es ging um die Phoneme
Ach so.
Post by Diedrich Ehlerding
- hast du ein Minimaltripel?
Nein.
Sergio Gatti
2018-05-10 19:16:02 UTC
Permalink
Post by Diedrich Ehlerding
Dass Wiktionary "Lärche" und "Lerche" gleich ausspricht, entspricht meiner
eigenen Wahrnehmung. Ich kenne die Feinheiten von IPA gar nicht; ich habe
nur festgestellt und zitiert, dass Wiktionary genau das schreibt, was
meiner eigenen Aussprache bzw. Wahrnehmung entspricht, nämlich dass ich
"Lerche" und "Lärche" gleich ausspreche.
Wiktionary betrachte ich nicht als maßgeblich, aber ein
DDR-Wörterbuch der deutschen Aussprache gibt dir recht.
Wie sprichst du bzw. wie spricht man in deiner Gegend
(Welche?) Bären/Beeren?

In welchen Teilen Deutschland würde man verneinen, dass man
"Lerche" und "Lärche" gleich ausspricht?
a) Standarddeutsch
b) regionale Aussprache
c) Dialekt
Diedrich Ehlerding
2018-05-11 05:29:04 UTC
Permalink
Post by Sergio Gatti
Wie sprichst du bzw. wie spricht man in deiner Gegend
(Welche?)
Hannover
Post by Sergio Gatti
Bären/Beeren?
unterschiedlich (Bären mit langem offenem Vokal, Beeren mit langem
geschlossenen Vokal)
Post by Sergio Gatti
In welchen Teilen Deutschland würde man verneinen, dass man
"Lerche" und "Lärche" gleich ausspricht?
a) Standarddeutsch
nein, da würde man das nicht verneinen
Post by Sergio Gatti
b) regionale Aussprache
c) Dialekt
ich weiß nicht, ob es Regionen gibt, wo man das unterschiedlich
ausspricht. Wenn ja, dann vermute ich: vielleicht in süddeutschen
Dialekten (Martin Gerdes erklärt uns ja immer wieder - und kann es auch
hörbar (selbst für einen Boreali wie mich hörbar) vorsprechen - dass
Schwaben ein betontes kurzes geschlossenes e kennen, was es in meiner
Gegend eher nicht gibt. Auch in Bayern hört man so etwas. Wie die aber die
Lerche aussprechen, weiß ich nicht)
--
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fingerprint = 2C 49 FF B2 C4 66 2D 93 6F A1 FF 10 16 59 96 F3
HTML-Mail wird ungeleſen entſorgt.
Stefan Ram
2018-05-10 20:03:20 UTC
Permalink
Post by Stefan Ram
Post by Diedrich Ehlerding
Es ging um die Phoneme
Ach so.
Allerdings, insofern hier darüber gesprochen wurde,
wie jemand etwas tatsächlich /ausspricht/,
ging es schon um /Phone/.
Martin Gerdes
2018-05-11 11:15:45 UTC
Permalink
Post by Diedrich Ehlerding
Post by Stefan Ram
Wahrscheinlich nehmen wir den Unterschied als geringer war,
weil er im Deutschen wohl selten (nie?) phonemisch ist.
"Bären/Beeren" wäre zwar ein Minimalpaar,
So selten nun auch wieder nicht. Außer den Bären bzw. Beeren fallen mir
Segen / sägen
Seele / Säle
Ehre / Ähre
Diese 3 Wörter zählen zu den Schibboleths, an denen man die Konfession
eines Schwaben erkennt: Der Katholik spricht die e der ersten Wörter
lang und geschlossen, der Evangele lang und offen (somit gleich wie die
jeweils zweiten Wörter).
Post by Diedrich Ehlerding
Meer, mehr / Mär
Meere / Mähre
ok.
Post by Diedrich Ehlerding
schweren / schwären
Scheren / Schären
meinetwegen.
An sich spreche ich diese gleich.
Post by Diedrich Ehlerding
Reeder / Räder
Fehden / Fäden
ok.

PS: "Lärche" und "Lerche" spreche ich gleich aus.

Martin Gerdes
2018-05-11 11:15:45 UTC
Permalink
Post by Stefan Ram
Post by Heinz Lohmann
Beim Bären bewegt sich der Unterkiefer etwas stärker nach unten.
Der Unterschied zwischen [i] und [æ] ist der maximal
mögliche. Es handelt sich um fünf Millimeter (Zahnabstand).
Der _was_?

Den "Zahnabstand" mißt man sagittal, nicht achsial.

Oftmals ist es besser, der Schuster bleibt bei seinem Leisten.
Helmut Richter
2018-05-09 20:56:31 UTC
Permalink
Zumindest in der Aussprache sind die beiden Vokale ziemlich dicht benachbart.
Duden 6 "Aussprache"
Bär [bɛ:ɐ̯], Bärenstein ['bɛ:rənʃta͜in] (Plural ist sonst nicht angegeben);
Wiktionary [bɛːɐ̯];
Beere ['be:rə];
Wiktionary: [ˈbeːʀə]
Beim Bären bewegt sich der Unterkiefer etwas stärker nach unten.
In meiner Heimatgegend (MS-Land) spricht man Tier und Pflanze IIRC gleich als
[bɛːɐ̯n] bzw. [bɛɐ̯n] aus.
Dort lautet die norddeutsche Stadt [bre:m] auch.
Benachbart mögen sie sein, gleich sind sie nicht. Ich kann das
Beeren/Bären-Beispiel nicht leiden, weil es fehlerhafte norddeutsche
Aussprache beinahe zur Norm erklärt, besonders in §13 der Regeln zur
Amtlichen Rechtschreibung, wo es heißt „Für langes [e:] und langes [ε:], die
in der Aussprache oft nicht unterschieden werden, schreibt man ä, sofern es
eine Grundform mit a gibt, zum Beispiel: quälen (wegen Qual). Wörter wie
sägen, Ähre (aber Ehre), Bär sind Ausnahmen.“

Also „Bär“ ist eine Ausnahme, obwohl es nich den
Buchstaben-/Laut-Zuordnungen keine Schreibung ohne ä geben kann: das korrekt
ausgesprochene Wort kann nur „Bär“ oder „*Bähr“ geschrieben werden.

Man stelle sich vor, an anderer Stelle stünden lauter Sonderregeln für
Leute, die [s] und [z] (Bußen – Busen) nicht unterscheiden oder [pf] und [f]
(Pfeile – Feile) oder [ʃ] und [ç] (Kirsche – Kirche) oder [ʏ] und [ɪ]
(küssen – Kissen). Alles absurd. Aber die paar Norddeutschen, die kein [ε:]
sprechen können, müssen eine Extrawurst gebraten kriegen.

Ich bleibe dabei: wer „Beeren“ und „Bären“ in der Aussprache nicht
unterscheidet, hat genausowenig eine richtige deutsche Aussprache wie
jemand, der eines der anderen genannten Paare nicht unterscheidet. Er darf
das, und es macht bei manchen Regiolekten den Charme aus, aber es ist eben
keine deutsche Hochsprache.

--
Helmut Richter
Christian Weisgerber
2018-05-09 21:58:40 UTC
Permalink
Aber die paar Norddeutschen, die kein [ε:] sprechen können, müssen
eine Extrawurst gebraten kriegen.
Ich bin verwirrt, dass das immer auf den Norden beschränkt wird.
Für mich (Rhein-Neckar) sind Bären/Beeren, Ähre/Ehre auch keine
Minimalpaare.
--
Christian "naddy" Weisgerber ***@mips.inka.de
Helmut Richter
2018-05-09 23:04:04 UTC
Permalink
Post by Christian Weisgerber
Aber die paar Norddeutschen, die kein [ε:] sprechen können, müssen
eine Extrawurst gebraten kriegen.
Ich bin verwirrt, dass das immer auf den Norden beschränkt wird.
Für mich (Rhein-Neckar) sind Bären/Beeren, Ähre/Ehre auch keine
Minimalpaare.
Beides [ε:] oder beides [e:]?
--
Helmut Richter
Christian Weisgerber
2018-05-10 13:57:51 UTC
Permalink
Post by Helmut Richter
Post by Christian Weisgerber
Ich bin verwirrt, dass das immer auf den Norden beschränkt wird.
Für mich (Rhein-Neckar) sind Bären/Beeren, Ähre/Ehre auch keine
Minimalpaare.
Beides [ε:] oder beides [e:]?
[eː]
--
Christian "naddy" Weisgerber ***@mips.inka.de
Helmut Richter
2018-05-10 07:36:53 UTC
Permalink
Post by Helmut Richter
Benachbart mögen sie sein, gleich sind sie nicht. Ich kann das
Beeren/Bären-Beispiel nicht leiden, weil es fehlerhafte norddeutsche
Aussprache beinahe zur Norm erklärt, besonders in §13 der Regeln zur
Amtlichen Rechtschreibung, wo es heißt „Für langes [e:] und langes [ε:], die
in der Aussprache oft nicht unterschieden werden, schreibt man ä, sofern es
eine Grundform mit a gibt, zum Beispiel: quälen (wegen Qual). Wörter wie
sägen, Ähre (aber Ehre), Bär sind Ausnahmen.“
Also „Bär“ ist eine Ausnahme, obwohl es nich den
Buchstaben-/Laut-Zuordnungen keine Schreibung ohne ä geben kann: das korrekt
ausgesprochene Wort kann nur „Bär“ oder „*Bähr“ geschrieben werden.
Genauer: mich regt eigentlich nicht die Ausnahme auf, sondern die Regel,
nach der ä *nur* als Umlaut von a gesehen wird. Bei mären, Bär, Käfer,
Schädel, spähen, Strähne ist das nicht der Fall. Lauter Ausnahmen einer
ansonsten korrekten Regel?

--
Helmut Richter
Christian Weisgerber
2018-05-10 15:15:55 UTC
Permalink
Post by Helmut Richter
Genauer: mich regt eigentlich nicht die Ausnahme auf, sondern die Regel,
nach der ä *nur* als Umlaut von a gesehen wird. Bei mären, Bär, Käfer,
Schädel, spähen, Strähne ist das nicht der Fall.
Wo kommen diese ä /ɛː/ eigentlich her? Ist die Unterscheidung
zwischen /eː/ und /ɛː/ überhaupt etymologisch begründbar?

Laut _dtv-Atlas zur deutschen Sprache_:

Althochdeutsch hatte:
kurz: ë < ger. *e und
< ger. *i (vor a, e, o)
e < ger. *a (vor i, j: Umlaut)
lang: ē < ger. *ē₁ und
< ger. *ai (vor r, h, w)

Mittelhochdeutsch hatte:
kurz: ë < ahd. ë
e < ahd. e
ä < ahd. a (Sekundärumlaut)
lang: ē < ahd. ē
ǟ < ahd. ā (Sekundärumlaut)

Wie daraus die neuhochdeutschen Vokale entstanden sind, steht leider
nicht mehr im dtv-Atlas. Ich nehme an:

kurz: /ɛ/ < mhd. ë, e, ä alle zusammengefallen?
lang: /eː/ < mhd. ē
/ɛː/ < mhd. ǟ

Aber damit sind wir wieder bei der Ausgangsfrage: Wo kommen jetzt
die /ɛː/ her, die nicht aus Umlaut (also mhd. ǟ) entstanden sind?
Durch Dehnung in offener Tonsilbe aus einem der Kurzvokale? Aber
wie haben sie sich da von /eː/ getrennt? Gibt es da ein System?
--
Christian "naddy" Weisgerber ***@mips.inka.de
Helmut Richter
2018-05-10 15:57:53 UTC
Permalink
Post by Christian Weisgerber
Wie daraus die neuhochdeutschen Vokale entstanden sind, steht leider
kurz: /ɛ/ < mhd. ë, e, ä alle zusammengefallen?
lang: /eː/ < mhd. ē
/ɛː/ < mhd. ǟ
Aber damit sind wir wieder bei der Ausgangsfrage: Wo kommen jetzt
die /ɛː/ her, die nicht aus Umlaut (also mhd. ǟ) entstanden sind?
Durch Dehnung in offener Tonsilbe aus einem der Kurzvokale? Aber
wie haben sie sich da von /eː/ getrennt? Gibt es da ein System?
Wie wohl bekannt ist, bin ich nicht vom Fach. Ich hab bloß mal ein paar
Wörter gesammelt und habe kein System entdecken können – vielmehr fast
alle denkbaren Varianten, wie ein mhd e-Laut einen langen nhd e-Laut
zuwegebringen kann. Umlautfrei ist die Dehnung des ë. Das waren die
Beispiele in meinem letzten Beitrag.

Alles zusammen in http://hhr-m.userweb.mwn.de/de-vowels/history/#e-ae
--
Helmut Richter
Christian Weisgerber
2018-05-08 15:45:25 UTC
Permalink
Post by Martin Gerdes
Post by Martin Gerdes
Ob die Standarddeutschen in 500 Jahren überhaupt noch Deutsch sprechen
oder Englisch oder Arabisch, das kann wohl keiner wissen.
Erdöl geht langsam zur Neige und die Anziehungskraft der arabischen
Kultur hält sich in Grenzen.
Die Anziehung der deutschen Sozialleistungen für arabischsprechende
Menschen dürfte weiterhin hoch bleiben, auch ist deren
Reproduktionsquote höher als die der Biodeutschen. Über 500 Jahre könnte
das sehr wohl den Ausschlag geben.
Wir können selbst rückblickend die Ausbreitung der gegenwärtigen
Sprachen kaum erklären (wie wurde Europa weitgehend indogermanisch?),
von fundierten Vorhersagen ganz zu schweigen.

Ich erwähne bei dieser Gelegenheit einmal wieder Nicholas Ostler,
_Empires of the Word_, ein Überblick über die Sprachen, die große
zeitliche und räumliche Ausbreitung erfahren haben, von Sumerisch
bis Englisch. Das ist faszinierend, aber der Autor versucht auch
herauszufinden, welche Eigenschaften einer Sprache dazu verhelfen,
eine „Weltsprache“ zu werden - und scheitert.
--
Christian "naddy" Weisgerber ***@mips.inka.de
Christian Weisgerber
2018-05-08 15:32:14 UTC
Permalink
Post by Sergio Gatti
Post by Martin Gerdes
Der Standarddeutsche hat schon jetzt keinen Sinn für bestimmte
Unterschiede zwischen ähnlichen Vokalen ("Beeren" - Tiere oder
Pflanzen?).
Du könntest recht haben, aber du sollst bessere Beispiele
vorbringen. In meinem "Wörterbuch der deutschen Aussprache"
sind die ersten Vokale in Beeren und Bären _nicht_
identisch. Ergo sind Aussprachen, die diesen Unterschied
nicht machen, regional oder dialektal, aber kein Standard.
Naja, wenn der Standard nicht für alle Zeiten unveränderlich sein
soll, dann muss jede Änderung als Abweichung von der Norm anfangen,
bevor sie sich soweit ausgebreitet hat, dass sie zum neuen Standard
wird.

Das ist durchaus beobachtbar: Die Standardaussprache der großen
Kultursprachen wurde Ende des 19. Jahrhunderts erfasst und in
Wörterbüchern festgehalten, aber die aktuellen Prestigeformen haben
sich inzwischen von diesen konservativen Beschreibungen entfernt.

https://en.wikipedia.org/wiki/German_phonology#Phonemic_status_of_/%C9%9B%CB%90/
--
Christian "naddy" Weisgerber ***@mips.inka.de
Christian Weisgerber
2018-05-08 15:09:09 UTC
Permalink
Post by Sergio Gatti
Kristallkugel haben und sicher tot sein werden, bevor es so
weit kommt, aber welche lautliche Entwicklung von "ei" in
eins, zwei, drei im _Standarddeutschen_ erwarten die
DESD-Leser in 300-500 Jahren? Eine identische, weil es
inzwischen ein Laut ist, oder eine unterschiedliche auf der
Grundlage der Dialekte, die den genannten Unterschied noch
heute aufweisen?
Allein, dass der Sachverhalt hier in der Gruppe immer wieder erklärt
werden muss, zeigt doch, dass der Zusammenfall im Standarddeutschen
und ihm nahestehenden Varianten vollzogen ist und den Sprechern die
historische Unterscheidung nicht mehr geläufig ist und auch aus dem
Dialekt nicht mehr übertragen wird.

Ich erwarte also, dass die weitere Entwicklung von „ei“ eine
identische ist. Falls eine neuerliche Spaltung eintritt, wird sie
nach neuen Kriterien erfolgen und die alte Unterscheidung nicht
wiederherstellen.

Sprachwandel geht immer vom Jetzt aus. Verschwundenes aus der
Vergangenheit spielt keine Rolle mehr.

Mögliche, typische Entwicklungen von [aɪ]~[ae]~[aɛ]: Glättung zu
einem langen Vokal in die eine oder andere Richtung, also [aː] oder
[eː]~[ɛː].
--
Christian "naddy" Weisgerber ***@mips.inka.de
Helmut Richter
2018-05-08 16:15:25 UTC
Permalink
Post by Christian Weisgerber
Ich erwarte also, dass die weitere Entwicklung von „ei“ eine
identische ist. Falls eine neuerliche Spaltung eintritt, wird sie
nach neuen Kriterien erfolgen und die alte Unterscheidung nicht
wiederherstellen.
Sprachwandel geht immer vom Jetzt aus. Verschwundenes aus der
Vergangenheit spielt keine Rolle mehr.
Klingt plausibel.
Post by Christian Weisgerber
Mögliche, typische Entwicklungen von [aɪ]~[ae]~[aɛ]: Glättung zu
einem langen Vokal in die eine oder andere Richtung, also [aː] oder
[eː]~[ɛː].
Alle drei gibts ja schon, allerdings für die beiden -ei- verschieden:
Niederösterreichisch [aː] für junge -ei- und [ɛː] für junge und
Obersächsisch [eː] für alte. Aber du meinst sicher Sprachwandelprozesse, die
eh langsamer verlaufen und die möglicherweise durch die starke schriftliche
Fixierung der Sprache weiter ausgebremst werden. Wenn man bedenkt, dass Mhd
nur rund 300 Jahre gedauert hat und Nhd jetzt schon über 600 ...

--
Helmut Richter
U***@web.de
2018-05-06 11:40:30 UTC
Permalink
Moin,
Post by Helmut Richter
Post by U***@web.de
Post by Poul E. Jørgensen
Im Mittel- und Frühneuhochdeutschen finde man
zwên(e) (mask.)
zwô (fem.)
zwei (neutr.)
Dann hätte ich das ja nicht als Bairisch deklariert.
Man hört es aber gelegentlich außerhalb von
Bayern etwa an Ladenkassen.
Was hört man da? Ein feminines zwô neben mask./neutr. Formen? Wohl kaum.
Nein. Die Diffenzierung bezog sich auf den
einschlägigen Sprachraum.

Bei der Sendung hatte ich mich vertan, war
die 3. Lektion von https://www.br.de/mediathek/video/alpha-retro-auf-gut-bairisch-ein-exkurs-ueber-unsere-volks-und-heimatsprache-av:5acf7529d6162200189d86ec
Post by Helmut Richter
"zwo" ist unter Standarddeutsch-Sprechern die genusunabhängige Form von
"zwei", die klanglich nicht mit "drei" verwechselt werden kann,
Hat man es dem Bairischen entlehnt oder aber einer
'früherhochdeutschen' Form?
Post by Helmut Richter
so wie die
Monatsnamen "Juno" und "Julei" nicht miteinander verwechselt werden
können. Man verwendet solche Formen nur bei Verwechslungsgefahr, zum
Beispiel beim mündlichem Nennen von Telefonnummern oder Kalenderdaten.
Post by U***@web.de
Post by Poul E. Jørgensen
Im heutigen Bairisch aber gebe es nur noch die Form zwo.
Ich habe auf Bairisch bis jetzt in freier Wildbahn nur "zwoa" gehört, und
die genusabhängigen Varianten immer nur als Beitrag von Leuten, die sich mit
Sprachgeschichte auskennen. Es mag durchaus Dialekte des Bairischen geben,
in denen die alten Formen noch lebendig sind.
Zur BR-offiziellen Volksbildung anno 1969 siehe oben.
Post by Helmut Richter
Die Form "zwoa" enthält den Diphthong -oa-, der im Bairischen regelmäßig
(aber nicht ausnahmslos) dort steht, wo im Standarddeutschen ein -ei- [ae]
steht, das schon im Mitteldeutschen ein Diphphong -ei- [EI] war. Also beim
Mhd: eins, zwei, drî
Nhd: eins, zwei, drei
Bairisch: oans, zwoa, drei
Auch in der Sendung ward überliefert, daß ein 'î' im Bairischen
gerne zu 'ei' wurde.
Post by Helmut Richter
Sächsisch: eens, zwee, drei
Die drei Zahlen enthalten also zwei *verschiedene* Vokale oder Diphthonge,
die zufällig im Standarddeutschen gleich klingen und gleich geschrieben
werden. Mit Genusunterschieden hat das nichts zu tun.
Die hatte ich für Neuhochdeutsch auch nie behauptet oder behaupten wollen.

Gruß, ULF
Ingo Stiller
2018-05-06 11:48:32 UTC
Permalink
Post by Helmut Richter
Post by U***@web.de
Post by Poul E. Jørgensen
Im Mittel- und Frühneuhochdeutschen finde man
zwên(e) (mask.)
zwô (fem.)
zwei (neutr.)
Dann hätte ich das ja nicht als Bairisch deklariert.
Man hört es aber gelegentlich außerhalb von
Bayern etwa an Ladenkassen.
Was hört man da? Ein feminines zwô neben mask./neutr. Formen? Wohl kaum.
https://de.wiktionary.org/wiki/zwo
--- Wiktionary ----
Zwo ist die weibliche Form für die Kardinalzahl zwei im Deutschen.
Beispiel: zwo Frauen, aber zween Männer und zwei Kinder.
Sie wird aber kaum noch in dieser Funktion verwendet. Üblich ist die Form noch bei einer deutlichen Ansage von Ziffern zur Unterscheidung von drei.
------------------
U***@web.de
2018-05-06 11:56:10 UTC
Permalink
Moin,
Post by Ingo Stiller
Post by Helmut Richter
Post by U***@web.de
Post by Poul E. Jørgensen
Im Mittel- und Frühneuhochdeutschen finde man
zwên(e) (mask.)
zwô (fem.)
zwei (neutr.)
Dann hätte ich das ja nicht als Bairisch deklariert.
Man hört es aber gelegentlich außerhalb von
Bayern etwa an Ladenkassen.
Was hört man da? Ein feminines zwô neben mask./neutr. Formen? Wohl kaum.
https://de.wiktionary.org/wiki/zwo
--- Wiktionary ----
Zwo ist die weibliche Form für die Kardinalzahl zwei im Deutschen.
Beispiel: zwo Frauen, aber zween Männer und zwei Kinder.
Sie wird aber kaum noch in dieser Funktion verwendet.
'Zween' halte ich im Hochdeutschen für tot.
http://woerterbuchnetz.de/cgi-bin/WBNetz/wbgui_py?sigle=DWB&mode=Vernetzung&lemid=GZ12631#XGZ12631

im 19. jh. wird zween von dichtern bewuszt verwandt,
um der sprache altertümlichen klang zu geben:
Uhland w. (1898) 1, 264 u. ö.;
Mörike ges. schr. 1, 158 Göschen.

Gruß, ULF
Erik Meltzer
2018-05-06 08:28:37 UTC
Permalink
Moin!

On 05.05.2018 19:05, ***@web.de wrote:
["zwo" für "zwei"]
Post by U***@web.de
Dann hätte ich das ja nicht als Bairisch deklariert.
Man hört es aber gelegentlich außerhalb von
Bayern etwa an Ladenkassen.
Ich, alles Bairischen gänzlich unverdächtig, kenne "zwo" als
deutlichere Form des Zahlwortes "zwei", etwa beim Diktieren
von Telefon- und ähnlichen Nummern, um Verwechselungen mit dem
je nach Qualität des Sprachkanals ähnlich klingenden Wort
"drei" vorzubeugen.

Liebe Grüße,
Ermel.
--
Nach 10 Jahren oder so zurück im Usenet.
Schmeckt wie früher.
H.-P. Schulz
2018-05-06 08:32:55 UTC
Permalink
Post by Erik Meltzer
kenne "zwo" als
deutlichere Form des Zahlwortes "zwei", etwa beim Diktieren
von Telefon- und ähnlichen Nummern, um Verwechselungen mit dem
je nach Qualität des Sprachkanals ähnlich klingenden Wort
"drei" vorzubeugen.
Ähnlicher Fall: Die Monatsnamen Juni und Juli als 'Juno' und 'Julei'
auszusprechen.
Manfred Hoß
2018-05-06 15:40:41 UTC
Permalink
Post by H.-P. Schulz
Post by Erik Meltzer
kenne "zwo" als
deutlichere Form des Zahlwortes "zwei", etwa beim Diktieren
von Telefon- und ähnlichen Nummern, um Verwechselungen mit dem
je nach Qualität des Sprachkanals ähnlich klingenden Wort
"drei" vorzubeugen.
Ähnlicher Fall: Die Monatsnamen Juni und Juli als 'Juno' und 'Julei'
auszusprechen.
Am Telefon sage ich "zwei" und "drrrei", aber nicht "zwo". Hingegen sage
ich durchaus "Juno" und "Juli",um ein Missverstehen zu vermeiden.

Gruß
Manfred.
Christian Weisgerber
2018-05-05 21:54:57 UTC
Permalink
Post by Poul E. Jørgensen
Im Mittel- und Frühneuhochdeutschen finde man
zwên(e) (mask.)
zwô (fem.)
zwei (neutr.)
Vergleiche Altenglisch > Englisch:
Nominativ/Akkusativ
Maskulinum: twēġen > twain
Neutrum/Femininum: twā > two

Die hier Mitlesenden werden bei “twain” vermutlich an Mark Twain
und die Herkunftsgeschichte dieses Pseudonyms denken; im aktuellen
Sprachgebrauch ist die Wendung “never the twain shall meet” noch
geläufig.
--
Christian "naddy" Weisgerber ***@mips.inka.de
Ralf Joerres
2018-05-06 12:09:30 UTC
Permalink
Post by Helmut Richter
"och nee" hört sich vor allem norddeutsch an. Die Verallgemeinerung
auf "deutsch" ist unzulässig.
Wie sagt 'Ihr da unten' denn?
Beispiel:
- Na, Käffchen gefällig? - Och nee, lass mal, ich wollte uns nachher
'n Kakao machen.
Oder:
- Heute Party bei Nico. Du kommst doch mit, oder? - Och nee, muss das
sein? Mit ist nicht nach Party, schon gar nicht bei Nico!
Oder:
- Och nee, jetzt ist dieses blöde Ventil schon wieder kaputtgegangen,
so langsam fang ich an zu verzweifeln.

Gruß Ralf Joerres
Helmut Richter
2018-05-07 11:17:20 UTC
Permalink
Post by Ralf Joerres
Wie sagt 'Ihr da unten' denn?
Es sind jedenfalls drei völlig verschiedene Situationen, was eine
Post by Ralf Joerres
- Heute Party bei Nico. Du kommst doch mit, oder? - Och nee, muss das
sein? Mit ist nicht nach Party, schon gar nicht bei Nico!
Heit treffma uns beim Nico. Geh weiter, geh hoit aa mit. – A naa, dees
brauchts doch ned. I måg überhaupts nirgends ned hi, und zum Nico scho
glei går ned.
Post by Ralf Joerres
- Och nee, jetzt ist dieses blöde Ventil schon wieder kaputtgegangen,
so langsam fang ich an zu verzweifeln.
Herrschaftseiten, jetz is dees bläde Ventui scho wieder hi. Jetz wer-i
aber boid narrisch.

--
Helmut Richter
Ralf Joerres
2018-05-07 14:32:21 UTC
Permalink
Post by Helmut Richter
Post by Ralf Joerres
Wie sagt 'Ihr da unten' denn?
Es sind jedenfalls drei völlig verschiedene Situationen, was eine
Post by Ralf Joerres
- Heute Party bei Nico. Du kommst doch mit, oder? - Och nee, muss das
sein? Mit ist nicht nach Party, schon gar nicht bei Nico!
Heit treffma uns beim Nico. Geh weiter, geh hoit aa mit. – A naa, dees
brauchts doch ned. I måg überhaupts nirgends ned hi, und zum Nico scho
glei går ned.
Post by Ralf Joerres
- Och nee, jetzt ist dieses blöde Ventil schon wieder kaputtgegangen,
so langsam fang ich an zu verzweifeln.
Herrschaftseiten, jetz is dees bläde Ventui scho wieder hi. Jetz wer-i
aber boid narrisch.
Toll, hat mich echt sehr gefreut! Nachfrage: Ist dieses 'Herrschaftszeiten'
nicht eher ein Sprachzeichen für 'starke Verärgerung', quasi als 'jetzt
reicht's mir aber!', praktisch die Faust auf dem Tisch? So hatte ich das
bis jetzt verstanden. Mein 'och nee' sollte eher einen langsam steigenden,
dennoch lahmen und resignativen Überdruss ausdrücken, so als 'ich weiß,
man da kann man ja eh nix machen, aber muss das jetzt wirklich wieder
sein?', also 'och nee, bitte nicht schon wieder...' Aber vielleicht sind
die Bayern in Deutschland ja auch das, was die US-Amerikaner für die Welt
sind, und kennen keinen Fatalismus ... Früher dachte ich öfter, hier im Ruhrgebiet herrscht ein zwar schicksalsergebener, aber auch ein wenig
quengliger Ton, sowas kann ich mir für Bayern wirklich schwer vorstellen.

Gruß Ralf Joerres
Thomas Schade
2018-05-07 21:42:08 UTC
Permalink
Post by Helmut Richter
Herrschaftseiten, jetz is dees bläde Ventui scho wieder hi. Jetz wer-i
aber boid narrisch.
Wirklich 'Herrschafts/s/eiten'? Ich habe das bisher immer als
'Herrschafts/z/eiten' gehört. Selbst verwenden tu ich's nicht, selbst
nach 40 Jahren München ist es mir nicht in den üblichen Sprachgebrauch
eingegangen.


Ciao
Toscha
--
If you don't sin Jesus died for nothing.
Gunhild Simon
2018-05-08 12:50:28 UTC
Permalink
Post by Thomas Schade
Post by Helmut Richter
Herrschaftseiten, jetz is dees bläde Ventui scho wieder hi. Jetz wer-i
aber boid narrisch.
Wirklich 'Herrschafts/s/eiten'? Ich habe das bisher immer als
'Herrschafts/z/eiten' gehört. Selbst verwenden tu ich's nicht, selbst
nach 40 Jahren München ist es mir nicht in den üblichen Sprachgebrauch
eingegangen.
Vielleicht ist das nur die Umschrift des Dialekts.

Mir erscheint "Herrschaftszeiten" auch zutiefst
bairisch. Ich kenne daneben "Herrschaften!" als
Ersatz für Deftigeres.

Vielleicht ist beides ein Ausdruck für fast zu späte
Rückbesinnung auf gute Manieren:
Vermeidung von "Herrgott nochmal! Herrje(-sus)!" oder ähnlich, zur Vermeidung von Gotteslästerlichkeiten.
Ähnlich wie "Schei--benkleister, Verdamm(mich)t!
Verflucht(e Kiste)!

Den fraglichen Ausdruck "Herrschaftszeiten" kenne
ich aus einem Roman*, der in Bayern spielt.
Eine sehr alte, sehr geistig und körperlich aktive
aber gleichermaßen schrullige Dame pflegte ihn
exorbitant zu gebrauchen.

Gerade in der Ausländerpädagogik ist es von Wichtigkeit, Kraftausdrücke und Fäkalsprache zu
vermeiden, denn sie sprechen sich um vieles leichter nach, als man sie in der eigenen Muttersprache mit
allen sozialen Implikationen gebraucht.

Die türkischen Flüche und Schimpförter sind
besonders heftig.
Ich verstehe sie sogar.
Moslems können im sexuellen Kontext überaus beleidigend sein. Ein Spiegel starrer Moralvorschriften.

* Joachim Meyerhoff: Ach diese Lücke, diese
entsetzliche Lücke!

Gruß
Gunhild
Helmut Richter
2018-05-10 06:54:44 UTC
Permalink
Post by Gunhild Simon
Post by Thomas Schade
Post by Helmut Richter
Herrschaftseiten, jetz is dees bläde Ventui scho wieder hi. Jetz wer-i
aber boid narrisch.
Wirklich 'Herrschafts/s/eiten'? Ich habe das bisher immer als
'Herrschafts/z/eiten' gehört. Selbst verwenden tu ich's nicht, selbst
nach 40 Jahren München ist es mir nicht in den üblichen Sprachgebrauch
eingegangen.
[...]
Vielleicht ist beides ein Ausdruck für fast zu späte
Vermeidung von "Herrgott nochmal! Herrje(-sus)!" oder ähnlich, zur Vermeidung von Gotteslästerlichkeiten.
Ähnlich wie "Schei--benkleister, Verdamm(mich)t!
Verflucht(e Kiste)!
So sieht es Ludwig Merkle in seiner Bairischen Grammatik
(ISBN 3-88034-127-3, S. 198) auch. Neben vielen anderen Beispielen finden
sich:

Gruzäfümfàl = besonders raffiniert: das -fix wird rechtzeitig in ein
harmloses Fümfàl (Fünfpfennigstück) umgebogen

Heàschaftddseidden = derselbe Trick wie bei Gruzäfümfàl: das angefangene
Sàkràment wird schnell in sà-iddn (= seiten) umgewandelt.

(Ich mag die strikt phonetische Schreibung nicht besonders und bevorzuge
eine, die die Verwandtschaft zu deutschen Wörtern erkennen lässt. Aber das
ist pure Geschmacksache.)
--
Helmut Richter
U***@web.de
2018-05-05 16:10:20 UTC
Permalink
Post by Ralf Joerres
Post by H.-P. Schulz
Post by Ralf Joerres
Interessant. Ich mache zuweilen auch derartige Übungen und versuche dabei,
möglichst einfachen Alltagswortschatz einzusetzen. Daher fiele 'anlässlich'
von vornherein weg.
Warum? Was ist an 'anlässlich' schwierig oder ungebräuchlich? Da sei
mal nicht *zu* pimpelig, mute deinen Adepten ruhig mal was (und das
'anlässlich' wäre ja nun weißgott nichts Dolles!) zu!
Ist eine Frage des Levels. Ich hab bis jetzt nur bis B1 unterrichtet,
da passt 'anlässlich' nicht wirklich rein. Vielleicht lehrplanmäßig schon,
aber hinsichtlich der sonst bereits erworbenen und hinreichend verfes-
tigten Strukturen definitiv nicht. In einem Kurs mit 'guten Teilnehmern'
ginge das vielleicht
Eben. In einem Kurs, der etwa TN auf den bei B1 beginnenden
universitären Vorbereitungsdeutschkurs vorbereitet.

Bei gemischt besetzten Kursen würde ich 'Anlass' präsentieren,
was man immer mal wieder brauchen kann, und 'anlässlich'
als optionalen Wortschatz für strebsame TN.

Es geht ja nicht um Scherze wie 'seines Amtes für verlustig erklärt'.

Gruß, ULF
Ralf Joerres
2018-05-06 11:57:45 UTC
Permalink
Post by U***@web.de
Post by Ralf Joerres
Post by H.-P. Schulz
Post by Ralf Joerres
Interessant. Ich mache zuweilen auch derartige Übungen und versuche dabei,
möglichst einfachen Alltagswortschatz einzusetzen. Daher fiele 'anlässlich'
von vornherein weg.
Warum? Was ist an 'anlässlich' schwierig oder ungebräuchlich? Da sei
mal nicht *zu* pimpelig, mute deinen Adepten ruhig mal was (und das
'anlässlich' wäre ja nun weißgott nichts Dolles!) zu!
Ist eine Frage des Levels. Ich hab bis jetzt nur bis B1 unterrichtet,
da passt 'anlässlich' nicht wirklich rein. Vielleicht lehrplanmäßig schon,
aber hinsichtlich der sonst bereits erworbenen und hinreichend verfes-
tigten Strukturen definitiv nicht. In einem Kurs mit 'guten Teilnehmern'
ginge das vielleicht
Eben. In einem Kurs, der etwa TN auf den bei B1 beginnenden
universitären Vorbereitungsdeutschkurs vorbereitet.
So würde ich das unterschreiben. Das BaMF scheint eine andere Parole
ausgegeben zu haben: B2 obligatorisch vor einer (auch dualen) Ausbildung,
also einer normalen Berufsausbildung in einem 'Lehrberuf' (und nicht nur:
duales Studium) erst B2, was ich für Quatsch halte. Ich weiß aber nicht,
ob diese Kolportagen meiner Kollegen zutreffen. Als ich jedoch mit dem
Unterrichten in Integrationskursen anfing, bekam ich das so auch von
meinen 'Vorgesetzten' zu hören. (Sie sind zwar meine Vorgesetzten,
aber ihre eigentliche Arbeit sind Kursmanagement und -verwaltung).
Post by U***@web.de
Bei gemischt besetzten Kursen würde ich 'Anlass' präsentieren,
was man immer mal wieder brauchen kann, und 'anlässlich'
als optionalen Wortschatz für strebsame TN.
Ja, wobei sich da wieder das Problem stellt, wie man den TN die
Verknüpfungen der Wörter untereinander so vermittelt, dass sie allmählich
dahin kommen, sich die Bedeutungen von Ableitungen und Phrasen mit
diesem Stamm selbst zusammenzureimen: veranlassen, Veranlassung,
anlassbezogen, aus diesem Anlass. beim geringsten Anlass, bei besonderen
Anlässen... Dafür habe ich bis jetzt noch kein Konzept.
Post by U***@web.de
Es geht ja nicht um Scherze wie 'seines Amtes für verlustig erklärt'.
Fürwahr. Gruß Ralf Joerres
U***@web.de
2018-05-06 12:01:17 UTC
Permalink
Moin,
Post by Ralf Joerres
Post by U***@web.de
Eben. In einem Kurs, der etwa TN auf den bei B1 beginnenden
universitären Vorbereitungsdeutschkurs vorbereitet.
So würde ich das unterschreiben. Das BaMF scheint eine andere Parole
ausgegeben zu haben: B2 obligatorisch vor einer (auch dualen) Ausbildung,
duales Studium) erst B2, was ich für Quatsch halte.
Für das eigentliche Fachstudium benötigt man meist C1, selten B2.

Gruß, ULF
Ralf Joerres
2018-05-06 12:16:39 UTC
Permalink
Post by U***@web.de
Moin,
Post by Ralf Joerres
Post by U***@web.de
Eben. In einem Kurs, der etwa TN auf den bei B1 beginnenden
universitären Vorbereitungsdeutschkurs vorbereitet.
So würde ich das unterschreiben. Das BaMF scheint eine andere Parole
ausgegeben zu haben: B2 obligatorisch vor einer (auch dualen) Ausbildung,
duales Studium) erst B2, was ich für Quatsch halte.
Für das eigentliche Fachstudium benötigt man meist C1, selten B2.
Schon. Und man muss auch berücksichtigen, wie diese Kurse real ablaufen.
Die wenigsten lernen bis B1 ein halbwegs brauchbares Deutsch, sie werden
nur mit Wörtern und Strukturen vollgestopft wie Gänse, nach dem Verdauen
fragt keiner, außerdem sind die Kurse extrem heterogen besetzt, was Lern-
und Strukturierungsfähigkeit angeht. Das würde sich dann in B2 wohl noch
steigern, und da denke ich: Besser ne Ausbildung machen und über Arbeit
und Berufsschule Kontakt zu Deutschen bekommen, da haben sie mehr davon.

Gruß Ralf Joerres
Stefan Ram
2018-05-06 13:03:11 UTC
Permalink
Post by Ralf Joerres
Schon. Und man muss auch berücksichtigen, wie diese Kurse real ablaufen.
Die wenigsten lernen bis B1 ein halbwegs brauchbares Deutsch, sie werden
nur mit Wörtern und Strukturen vollgestopft wie Gänse, nach dem Verdauen
fragt keiner,
Deswegen stelle ich in meinen Kursen nach vielen wichtigen
Themen Übungsfrage und erteile Übungsaufgaben. Dann sehe
ich, ob die Aufgaben richtig erledigt wurden. Falls nicht,
wird das Thema noch einmal rekapituliert und dann erneut
eine Aufgabe dazu gestellt. Meist schaffen es dann beim
zweiten Anlauf mehr Kursteilnehmer.
Post by Ralf Joerres
außerdem sind die Kurse extrem heterogen besetzt, was Lern-
und Strukturierungsfähigkeit angeht.
Es ist auch meine Erfahrung, daß Heterogenität in
Vorkenntnissen und in Lernfähigkeiten den Unterricht
erschwert. Ich bin erstaunt, daß solche Heterogenität
in einigen Fällen heute sogar gefördert wird und sehe
dies als Sabotage an.
Post by Ralf Joerres
Das würde sich dann in B2 wohl noch
steigern, und da denke ich: Besser ne Ausbildung machen und über Arbeit
und Berufsschule Kontakt zu Deutschen bekommen, da haben sie mehr davon.
Das kann zu Fossilisierung (wo beim Zweitspracherwerb bzw.
Fremdsprachenerwerb die Sprachkenntnisse über einen
erreichten unzulänglichen Stand hinaus nicht weiter-
entwickelt werden und gleichsam „versteinern“) führen!

Daher wäre es wahrscheinlich besser, das parallel zu machen.
Aber es muß erst einmal ein Grundniveau geben, bevor jemand
in der Arbeit auf Deutsch kommunizieren kann. Und dieses
Grundniveau könnte beispielsweise B2 sein. Dann kann
parallel zur Arbeit C1 angestrebt werden.

Die traurige Wahrheit ist, daß das Erreichen eines Niveaus,
wie B2 oder C1 für viele Menschen viel mehr Zeit und Energie
(nicht nur ihre eigene) kostet, als manche vielleicht
erwarten, und vielleicht für einige gar nicht möglich ist.

Dies kann teilweise auf eine begrenzte Aufnahmefähigkeit des
Langzeitgedächtnisses zurückgeführt werden, das pro
Unterrichtsstunde ungefähr eine Textzeile aufnehmen kann.
Man kann in einem Kurs mit 100 Stunden also nicht mehr
lernen als auf zwei oder drei Seiten paßt.
U***@web.de
2018-05-08 11:49:48 UTC
Permalink
Post by Ralf Joerres
Post by U***@web.de
Post by Ralf Joerres
Post by H.-P. Schulz
Post by Ralf Joerres
Interessant. Ich mache zuweilen auch derartige Übungen und versuche dabei,
möglichst einfachen Alltagswortschatz einzusetzen. Daher fiele 'anlässlich'
von vornherein weg.
Warum? Was ist an 'anlässlich' schwierig oder ungebräuchlich? Da sei
mal nicht *zu* pimpelig, mute deinen Adepten ruhig mal was (und das
'anlässlich' wäre ja nun weißgott nichts Dolles!) zu!
Ist eine Frage des Levels. Ich hab bis jetzt nur bis B1 unterrichtet,
da passt 'anlässlich' nicht wirklich rein. Vielleicht lehrplanmäßig schon,
aber hinsichtlich der sonst bereits erworbenen und hinreichend verfes-
tigten Strukturen definitiv nicht. In einem Kurs mit 'guten Teilnehmern'
ginge das vielleicht
Eben. In einem Kurs, der etwa TN auf den bei B1 beginnenden
universitären Vorbereitungsdeutschkurs vorbereitet.
So würde ich das unterschreiben.
"So. 'Anla[ß/ss]' haben wir jetzt gelernt, Sie erinnern sich?
Geburtstag, Jubiläum, Amtseinführung etcetera.

Wir hätten da ein Verb, ziemlich gebräuchlich sogar.
'Kannst Du bitte das Licht anlassen?'

Sie ahnen, das Licht brennt beziehungsweise leuchtet bereits,
und man lä[ß/ss] es so, wie es ist, also keine Veränderung.

Wir kommen jetzt zum Anlasser. Nein, wenn Sie jetzt denken, der
sei für fehlende Veränderung zuständig, dann liegen Sie falsch."

Gruß, ULF
x***@gmail.com
2018-05-08 16:45:48 UTC
Permalink
Post by U***@web.de
Post by Ralf Joerres
So würde ich das unterschreiben.
"So. 'Anla[ß/ss]' haben wir jetzt gelernt, Sie erinnern sich?
Geburtstag, Jubiläum, Amtseinführung etcetera.
Wir hätten da ein Verb, ziemlich gebräuchlich sogar.
'Kannst Du bitte das Licht anlassen?'
Sie ahnen, das Licht brennt beziehungsweise leuchtet bereits,
und man lä[ß/ss] es so, wie es ist, also keine Veränderung.
Wir kommen jetzt zum Anlasser. Nein, wenn Sie jetzt denken, der
sei für fehlende Veränderung zuständig, dann liegen Sie falsch."
Der Anlasser wird auch Starter genannt und ist ein
Elektromotor mit einem elektromagnetischen Bauteil,
das das Starterritzel in den Zahnkranz der Schwungscheibe
schiebt - FR
Helmut Richter
2018-05-10 07:15:51 UTC
Permalink
Post by U***@web.de
"So. 'Anla[ß/ss]' haben wir jetzt gelernt, Sie erinnern sich?
Geburtstag, Jubiläum, Amtseinführung etcetera.
Wir hätten da ein Verb, ziemlich gebräuchlich sogar.
'Kannst Du bitte das Licht anlassen?'
Sie ahnen, das Licht brennt beziehungsweise leuchtet bereits,
und man lä[ß/ss] es so, wie es ist, also keine Veränderung.
Wir kommen jetzt zum Anlasser. Nein, wenn Sie jetzt denken, der
sei für fehlende Veränderung zuständig, dann liegen Sie falsch."
Ich habe den Eindruck, dass durch fast jede Kombination von
Allerweltsvorsilben wie auf-, ab-, zu-, an-, ein-, aus-, vor-, nach-, um-,
bei- mit Allerweltsverben wie -stellen, -setzen, -legen, -lassen, -bringen,
-laufen, -gehen, -kommen, -fahren, -sprechen, -nehmen, -geben ein Wort
entsteht, und viele davon haben mehrere Bedeutungen, die sich meistens nicht
aus der Bedeutung der beiden Bestandteile herleiten lassen. Wenn das alle
solchen Vorsilben und Verben wären und im Schnitt jeder Kombination nur zwei
Bedeutungen hat, wären das 240 Vokabeln – also Paare Wort/Bedeutung) – zu
lernen. Wird das in DaF-Kursen planmäßig gemacht? Oder lernt man die
einzelnen Bedeutungen unabhängig voneinander, so dass man überrascht ist,
wenn in einem Kontext die zuvor gelernte Bedeutung etwa von „anstellen“ oder
„aufbringen“ ganz und gar nicht passt?

--
Helmut Richter
U***@web.de
2018-05-11 06:39:12 UTC
Permalink
Moin,
Post by Helmut Richter
Wird das in DaF-Kursen planmäßig gemacht? Oder lernt man die
einzelnen Bedeutungen unabhängig voneinander, so dass man überrascht ist,
wenn in einem Kontext die zuvor gelernte Bedeutung etwa von „anstellen“ oder
„aufbringen“ ganz und gar nicht passt?
Stellen Sie sich bitte hier an!
Stellen Sie sich nicht so an!

Gruß, ULF
Jakob Achterndiek
2018-05-07 12:46:11 UTC
Permalink
Ist eine Frage des Levels. [..] Der absehbare Sprachwandel spielt
auch eine Rolle. [..] Die Lehrbücher sind da mittlerweile auch nicht
schlecht 'aufgestellt' [..],
z.B. habe ich aus einem Lehrbuch auch für mich selbst gelernt dieses
'och nee' für '(ich möchte das) eigentlich lieber nicht' und das
'(also) ich weiß nicht' im Sinne von 'sollen wir das wirklich (so)
machen?' Die beiden find ich z.B. wirklich 'lebensecht'.
So etwas steht wirklich in euren Lehr- und Lernbüchern?
Dann verstehe ich, warum unsere frankophone schwarze Perle, als
sie neulich im Nebenzimmer ein gerahmtes Bild klirrend von der
Wand gescherbt hatte, spontan, herzhaft und laut "Scheiße!" rief.
Es ist doch schön, wenn ihr auch für den Gemütshaushalt unserer
fremden Gäste etwas Gutes tut!
--
j/\a
Ralf Joerres
2018-05-07 15:24:28 UTC
Permalink
Post by Jakob Achterndiek
Ist eine Frage des Levels. [..] Der absehbare Sprachwandel spielt
auch eine Rolle. [..] Die Lehrbücher sind da mittlerweile auch nicht
schlecht 'aufgestellt' [..],
z.B. habe ich aus einem Lehrbuch auch für mich selbst gelernt dieses
'och nee' für '(ich möchte das) eigentlich lieber nicht' und das
'(also) ich weiß nicht' im Sinne von 'sollen wir das wirklich (so)
machen?' Die beiden find ich z.B. wirklich 'lebensecht'.
So etwas steht wirklich in euren Lehr- und Lernbüchern?
Dann verstehe ich, warum unsere frankophone schwarze Perle, als
sie neulich im Nebenzimmer ein gerahmtes Bild klirrend von der
Wand gescherbt hatte, spontan, herzhaft und laut "Scheiße!" rief.
Es ist doch schön, wenn ihr auch für den Gemütshaushalt unserer
fremden Gäste etwas Gutes tut!
Du wirst sie sicherlich darin schulen, auf gehobenem Niveau zu fluchen,
wie es sich für einen sprachsensiblen Haushalt geziemt: Ach du liebes
bisschen, was hast du Dummerchen da jetzt wieder angestellt!?

Ansonsten sehe ich noch einen gewissen Abstand zwischen 'och nee' und
'scheiße!' - heute gerne auch 'fuck!', wobei das Bild dazu passend
'verkackt' wäre: 'Fuck, was hängt diese verkackte Bild mir auch im Weg!'

Oder wolltest du sagen, dass, so wie wir Grundgesetze haben, die kein
Jedermannrecht sind, wie z.B. das Wahlrecht, wir bis mindestens Anfang B2
ein Ausländerdeutsch unterrichten sollten, in dem bestimmte Wörter nicht
vorkommen dürfen?

Nicht auszuschließen übrigens, dass sich der eine oder andere Ausländer
auch mal mit Deutschen unterhält, von denen er so einiges erfährt, das
nicht im Lehrbuch steht. Das war jedenfalls Inhalt meiner ersten
privaten Gespräche mit Franzosen. Nicht, dass ich darum gebeten hätte,
die jungen Leute fanden es wichtig, mir das beizubiegen - über Argot
zu sprechen, ist in Frankreich ohnehin ein beliebtes Konversationsthema.

...

Ich hab jetzt doch mal im Lehrwerk nachgesehen: 'ich weiß nicht' als
Floskel für eine vorsichtige Ablehnung kommt in den Hörtexten vor,
'och nee' nicht. Das hab ich wohl selbst in irgendeiner Sprechaktsammlung
gefunden. Ich weiß nicht, ob es eine Gelegenheit gab, das anzubringen,
wahrscheinlich nicht. Ist ja auch nur sone kleine Nebenbei-Geschichte,
ein Körnchen Salz an der Suppe. Normalerweise steht da immer so viel
Grammatik und Vokabelerklärung auf dem Programm, da bleibt für richtig
lebensechte Sprache nicht so viel Raum, und das ist auch okay so, denn
wo sollte man da anfangen und wo aufhören?

Gruß Ralf Joerres
Stefan Ram
2018-05-07 15:42:38 UTC
Permalink
Post by Ralf Joerres
Jedermannrecht sind, wie z.B. das Wahlrecht, wir bis mindestens Anfang B2
ein Ausländerdeutsch unterrichten sollten, in dem bestimmte Wörter nicht
vorkommen dürfen?
In ihrem /passiven/ Wortschatz schon.
Jakob Achterndiek
2018-05-07 21:02:17 UTC
Permalink
Post by Ralf Joerres
Post by Jakob Achterndiek
Es ist doch schön, wenn ihr auch für den Gemütshaushalt unserer
fremden Gäste etwas Gutes tut!
Du wirst sie sicherlich darin schulen, auf gehobenem Niveau zu fluchen,
wie es sich für einen sprachsensiblen Haushalt geziemt: Ach du liebes
bisschen, was hast du Dummerchen da jetzt wieder angestellt!?
[..]
Oder wolltest du sagen, dass, so wie wir Grundgesetze haben, die kein
Jedermannrecht sind, wie z.B. das Wahlrecht, wir bis mindestens Anfang B2
ein Ausländerdeutsch unterrichten sollten, in dem bestimmte Wörter nicht
vorkommen dürfen?
Als ich für ein paar Jahre mein Brot in Kolumbien verdiente, habe ich
manches gelernt, unter anderem auch diese Kleinigkeit: Es gibt auch dort
Wörter, die sind unschicklich, man sagt sie nicht, jedenfalls nicht laut
und nicht in guter Gesellschaft. Für manche gab es Blitzableiter-Wörter.
"!miér--coles!" war ein solcher Blitzableiter; auf deutsch fällt mir
keine Parallele ein, allenfalls der Spruch: "Paß auf, du trittst gleich
in Hundesch--schon passiert!" So etwas lernte man allerdings auch nur in
guter Gesellschaft, keinesfalls jedoch in den Sprach- und
Konversations-Stunden, die ein an dortiger Nationaluniversität lehrender
Dozent hielt.

Was ich - mit dem sisyphalen Vorsatz, mich jeglichen mißverständlichen
Humors zu enthalten - sagen will: Die Sprache, mit der man sich mit der
größten Wahrscheinlichkeit in Deutschland in allen Provinzen und mit
fast allen Eingeborenen fast aller Stände und Schichten verständigen
kann, ist das Hochdeutsche. Da hielte ich es für ein Gebot der Vernunft
und der Sprachdidaktik, eben dieses - und nur dieses! - Hochdeutsche zu
lehren.

Alles weitere lernen die Sprachlehrlinge dann von den Menschen, mit
denen sie später umgehen. Wenn sie von denen dann "ooch" oder "ja mei"
oder "Scheiße" oder gar "hinsichtlich" und was auch immer übernehmen,
dann hat das eine andere (nur situative) Beglaubigung, als wenn es im
staatlich geförderten Unterricht von einem staatlich privilegierten
Sprachlehrer autorisiert wird.
--
j/\a
U***@web.de
2018-05-08 09:06:56 UTC
Permalink
Post by Jakob Achterndiek
Als ich für ein paar Jahre mein Brot in Kolumbien verdiente, habe ich
manches gelernt, unter anderem auch diese Kleinigkeit: Es gibt auch dort
Wörter, die sind unschicklich, man sagt sie nicht, jedenfalls nicht laut
und nicht in guter Gesellschaft. Für manche gab es Blitzableiter-Wörter.
"!miér--coles!" war ein solcher Blitzableiter; auf deutsch fällt mir
keine Parallele ein,
Etwas weniger üblichers Ausweichwort, nicht selten, nur
im Hauptgebrauch unüblich:

Schei...benkleister!

Gruß, ULF
Ralf Joerres
2018-05-09 08:03:18 UTC
Permalink
Post by Jakob Achterndiek
Post by Ralf Joerres
Post by Jakob Achterndiek
Es ist doch schön, wenn ihr auch für den Gemütshaushalt unserer
fremden Gäste etwas Gutes tut!
Du wirst sie sicherlich darin schulen, auf gehobenem Niveau zu fluchen,
wie es sich für einen sprachsensiblen Haushalt geziemt: Ach du liebes
bisschen, was hast du Dummerchen da jetzt wieder angestellt!?
[..]
Oder wolltest du sagen, dass, so wie wir Grundgesetze haben, die kein
Jedermannrecht sind, wie z.B. das Wahlrecht, wir bis mindestens Anfang B2
ein Ausländerdeutsch unterrichten sollten, in dem bestimmte Wörter nicht
vorkommen dürfen?
Als ich für ein paar Jahre mein Brot in Kolumbien verdiente, habe ich
manches gelernt, unter anderem auch diese Kleinigkeit: Es gibt auch dort
Wörter, die sind unschicklich, man sagt sie nicht, jedenfalls nicht laut
und nicht in guter Gesellschaft. Für manche gab es Blitzableiter-Wörter.
"!miér--coles!" war ein solcher Blitzableiter; auf deutsch fällt mir
keine Parallele ein, allenfalls der Spruch: "Paß auf, du trittst gleich
in Hundesch--schon passiert!" So etwas lernte man allerdings auch nur in
guter Gesellschaft, keinesfalls jedoch in den Sprach- und
Konversations-Stunden, die ein an dortiger Nationaluniversität lehrender
Dozent hielt.
Was ich - mit dem sisyphalen Vorsatz, mich jeglichen mißverständlichen
Humors zu enthalten - sagen will: Die Sprache, mit der man sich mit der
größten Wahrscheinlichkeit in Deutschland in allen Provinzen und mit
fast allen Eingeborenen fast aller Stände und Schichten verständigen
kann, ist das Hochdeutsche. Da hielte ich es für ein Gebot der Vernunft
und der Sprachdidaktik, eben dieses - und nur dieses! - Hochdeutsche zu
lehren.
Das stimmt, und es stimmt nicht. Auch für Schimpf- und Kraftwörter gibt
es Regeln des Gebrauchs, und es kann sinnvoll sein, im Unterricht auch
darauf einzugehen. Eine mehr oder weniger erbsenprinzessinhafte
Empörtheit und Skandalisierung des Gebrauchs dieser angeblich 'Unaussprech-
lichen' führt nur dazu, dass Deutschlerner ihnen Bedeutungen zuschreiben,
die sie nicht haben. Die Kinder sind auf den Schulhöfen inzwischen aus
den Gehegen der Schicklichkeit ausgebrochen, um es ganz vorsichtig auszu-
drücken. Soll erwachsenen Deutschlernern auf diesem Feld ein Minimum an
Kompetenz vorenthalten bleiben?

Und jetzt mal ganz ernsthaft: Was ist an einem Wort wie 'Scheiße' schlimm?
Am Wort selbst nun mal nichts, es geht einzig und allein um die Regel, sie
in formellen Situationen nicht zu benutzen. Was eine solche formelle
Situation ist, erfährt und definiert jeder für sich selbst. Am Arbeitsplatz
sorgt ein für sich selbst gesagtes 'Scheiße' nach meiner Erfahrung nicht
mehr für eine hochgezogenen Augenbraue, auch nicht im Büro. Sobald aber
eine gewisses Maß an Öffentlichkeit hinzutritt, wirkt die Taburegel: Groß-
raumbüro, irgendwo fällt was, man sieht nicht, wo, Klirren, Scherben, aus
derselben Richtung: 'Scheiße!'. Da lacht jeder, der es mitbekommen hat,
einerseits schadenfroh über das Missgeschick, andererseits über die für
alle klar zutage getretene Auto-Agression, welche den Genuss der Schaden-
freude zusätzlich steigert. [Dahinter steckt wahrscheinlich Abwehr eigener
Angst: Wie gut, dass mir das nicht passiert ist.] Bei einer Präsentation
vor Unbekannten oder Höhergestellten ist so ein Ausspruch tunlichst zu
vermeiden. Aber sollen Deutschlerner nicht eher mit dem Alltag klarkommen?
Was ist, wenn trotzdem jemand in meiner deutschlernerischen Gegenwart das
Wort benutzt, ist das dann eine Beleidigung, muss ich vielleicht reagieren?
Welche Risiken gehe ich ein, wenn ich selbst das Wort benutze? Ich höre es
ziemlich oft, stimmt denn dann überhaupt, dass man das Wort nicht selbst
in den Mund nehmen soll?
Post by Jakob Achterndiek
Alles weitere lernen die Sprachlehrlinge dann von den Menschen, mit
denen sie später umgehen. Wenn sie von denen dann "ooch" oder "ja mei"
oder "Scheiße" oder gar "hinsichtlich" und was auch immer übernehmen,
dann hat das eine andere (nur situative) Beglaubigung, als wenn es im
staatlich geförderten Unterricht von einem staatlich privilegierten
Sprachlehrer autorisiert wird.
Hier kommt das Element 'Vorbild' hinzu, was okay ist. Auch höre ich ein
'dafür wirst du nicht bezahlt.' Mit der Frage, ob nicht-salonfähige
Wörter in Wörterbücher aufgenommen werden sollen, sich größere Geister
als meine Wenigkeit Gedanken gemacht. Sie haben sich alle für die
Aufnahme entschieden. Für den Unterricht stellt sich für mich eher
die Frage der Gewichtung: Wieviel Raum soll so etwas einnehmen? Sehr
wenig. Könnte man ganz darauf verzichten? Ja, das ginge. Was mir daran
nicht gefiele, wäre wieder mal der Umgang mit Angst: Das darfst - du
Lehrer - aber nicht. Und du sollst deinen Schülern auch Angst vor einem
eigenen Umgang mit diesen Wörtern machen. Für mich ist es so: Ich bin
verantwortlich, den Schülern die deutsche Sprache zu vermitteln.
Schimpfwörter gehören im Alltag dazu. Man braucht keine Angst vor ihnen
zu haben, aber man soll vorsichtig mit ihnen sein, und man muss in etwa
wissen, was sie bedeuten. Man soll sie nach Möglichkeit vermeiden. Als
Lehrer sollte man eine professionelle Haltung zum Thema einnehmen.
Zu versuchen, Schimpfwörter komplett zu ignorieren, ist unprofessionell.

Gruß Ralf Joerres
U***@web.de
2018-05-09 08:26:19 UTC
Permalink
Moin,
Post by Ralf Joerres
Zu versuchen, Schimpfwörter komplett zu ignorieren, ist unprofessionell.
Den Schimpfwörtergebrauch bringe man irgendwann
nach bestandenem B1, und auch dann möglichst nicht komplett
bzw. nur in einem optionalen und speziellen Kurs.

Du willst nicht wirklich TN und TNinnen verschrecken.

Gruß, ULF
Christina Kunze
2018-05-09 19:03:38 UTC
Permalink
Post by U***@web.de
Moin,
Post by Ralf Joerres
Zu versuchen, Schimpfwörter komplett zu ignorieren, ist unprofessionell.
Den Schimpfwörtergebrauch bringe man irgendwann
nach bestandenem B1, und auch dann möglichst nicht komplett
bzw. nur in einem optionalen und speziellen Kurs.
Du willst nicht wirklich TN und TNinnen verschrecken.
Wenn ich eine Fremdsprache lerne, will ich die gängigen Schimpfwörter
vor bestandenem B1 kennen.
Nicht, um sie zu benutzen, das wird nur peinlich und ist ohnehin nicht
meine Art. Aber um sie zu erkennen.
Das ist mir vor allem wichtig, wenn ich im muttersprachlichen Umfeld
bin, und das sind ja Ralfs Kursteilnehmer (hoffentlich gelegentlich mal).

chr
Heinz Lohmann
2018-05-10 01:33:39 UTC
Permalink
Post by Christina Kunze
Wenn ich eine Fremdsprache lerne, will ich die gängigen Schimpfwörter
vor bestandenem B1 kennen.
Nicht, um sie zu benutzen, das wird nur peinlich und ist ohnehin nicht
meine Art. Aber um sie zu erkennen.
Das ist mir vor allem wichtig, wenn ich im muttersprachlichen Umfeld
bin, und das sind ja Ralfs Kursteilnehmer (hoffentlich gelegentlich mal).
Unsere Anfänger kennen schon relativ frühzeitig das Wort "scheiße",
obwohl es in keinem Lehrbuch auftaucht.

Um die Wirkung des Schimpfworts etwas deutlich zu machen, gebrauche ich
meist mal den chinesischen Standardfluch 他媽的 (tamade). Die Reaktion der
Studis zeigt mir, dass sie durchaus merken, in welcher Situation
"scheiße" nicht angemessen ist.

Für den Eigengebrauch empfehle ich Mist. Das geht eigentlich immer noch
durch.

PS: Welche gängigen Schimpfwörter sollte man denn noch vor B1 kennen?
--
mfg
Heinz Lohmann
Tamsui, Taiwan

Gedanken sind nicht stets parat,
man schreibt auch, wenn man keine hat. W.B.
Christina Kunze
2018-05-10 04:09:17 UTC
Permalink
Post by Heinz Lohmann
PS: Welche gängigen Schimpfwörter sollte man denn noch vor B1 kennen?
Darf ich mir was wünschen?
Was Leute sagen, wenn ihnen ein volles Marmeladenglas auf den
Fliesenboden fällt (von Mann ey! bis Scheiße! oder was Leute sonst noch
so sagen).
Was Leute sagen, wenn ihnen der Bus wegfährt.
Was Leute sagen, wenn jemand wirklich fies zu ihnen war.
WAs Leute sagen, wenn sie jemand anderem vermitteln wollen, dass sie
sich gerade total ärgern.
Was Leute sagen, wenn sie *über* jemanden anders vermitteln wollen, dass
sie wütend auf ihn/sie sind.
Wie Leute sagen, dass man Sex hat (am besten von der hoffähigen Form bis
zu den unanständigen Ausrücken).

Auf Deutsch wäre das vor allem Mist, Scheiße, Kacke, verdammt, süße
Dinge wie verflixt und zugenäht oder nicht so nette wie verfickt.
Liebe machen, Sex haben, ficken, bumsen.

In anderen Sprachen ist die Palette da größer. In Osteuropa kommt man um
"kurva" (Nutte) nicht herum, das war früher so "unanständig", dass meine
eine Großtante rot geworden ist und verschämt gekichert hat, als mein
Vater von einer Kurve (auf Deutsch! Straßenbiegung, das ging aus dem
Kontext eindeutig hervor!) sprach, woraufhin er mir erklären musste,
warum. Da war ich so klein, dass ich von der ganzen Sache noch gar keine
Ahnung hatte.
Heute ist das ein Füllwort wie "äh" (in Wirklichkeit eher ein
Verstärkungswort wie "geil") und man braucht es schon deshalb, weil man
wissen muss, dass man es bei Verstehensversuchen ruhig überhören kann.
Als mir das Wort auf Ungarisch dann begegnete, kannte ich es schon, da
verwenden sie es nämlich auch.

Gerade auf Ungarisch habe ich aber erlebt, wie blöd es ist, die
Schimpfwörter nicht zu kennen.
Die Familie, in der ich Ungarisch gelernt habe, hat sich immer sehr
bemüht, ordentlich zu sprechen. Nicht nur, aber auch meinetwegen.
(In späteren Jahren hat dieses Bemühen nachgelassen, aber es ist immer
noch ein verhältnismäßig schönes und wortschatzreiches Ungarisch, das
sie verwenden.)
Irgendwie hatte ich oft mit so sprachlich braven Leuten zu tun, und erst
als ich angefangen haben zu übersetzen, kamen mir die wirklich
hässlichen Schimpfwörter unter - mit dem Ergebnis, dass ich sie zuerst
nicht adäquat übersetzen konnte, denn ich konnte ihre Konnotationien
nicht einschätzen.

Ok, da war ich weit über B1, aber trotzdem.

chr
Henning Sponbiel
2018-05-10 06:36:54 UTC
Permalink
Post by Heinz Lohmann
Unsere Anfänger kennen schon relativ frühzeitig das Wort "scheiße",
obwohl es in keinem Lehrbuch auftaucht.
Um die Wirkung des Schimpfworts etwas deutlich zu machen, gebrauche ich
meist mal den chinesischen Standardfluch ??? (tamade). Die Reaktion der
Studis zeigt mir, dass sie durchaus merken, in welcher Situation
"scheiße" nicht angemessen ist.
Für den Eigengebrauch empfehle ich Mist. Das geht eigentlich immer noch
durch.
PS: Welche gängigen Schimpfwörter sollte man denn noch vor B1 kennen?
Idiot, Trottel, Arschloch und Schitt (Shit) fallen mir spontan ein.


Henning
Jakob Achterndiek
2018-05-09 10:09:14 UTC
Permalink
[..] Als Lehrer sollte man eine professionelle Haltung zum Thema
einnehmen. Zu versuchen, Schimpfwörter komplett zu ignorieren,
ist unprofessionell.
Kurze Lehrstunde über das Fluchen im Klima der Xenophobie:

Der Perle im Haushalt der Familie, die unter uns wohnt, fällt
eine Blumenvase aus der Hand und zerscherbt. Ich höre es durch
die sommerlich geöffneten Fenster bis an meinen Schreibtisch:
"..zefix nochamol!"

Unsere Perle wischt ein Bild von der Wand, dessen Glas zerscherbt:
"Merde!"

Was sagt uns das? -
Herrlich unverbildet sind sie, alle beide! Jede in ihrer Sprache.

Nun hat unsere aber "Scheiße!" gesagt. Was sagt uns das nun wieder? -
Das ist Integration!
--
j/\a
U***@web.de
2018-05-09 10:52:54 UTC
Permalink
[...]
Das verstehe ich ohnehin nicht.

Habt Ihr Sgrafitti hinter Glas?

Gruß, ULF
H.-P. Schulz
2018-05-09 12:08:35 UTC
Permalink
Post by U***@web.de
[...]
Das verstehe ich ohnehin nicht.
Habt Ihr Sgrafitti hinter Glas?
Du meinst "Spaghetti hinter Glas", oder?
U***@web.de
2018-05-09 12:16:24 UTC
Permalink
Moin,
Post by H.-P. Schulz
Post by U***@web.de
Das verstehe ich ohnehin nicht.
Habt Ihr Sgrafitti hinter Glas?
Du meinst "Spaghetti hinter Glas", oder?
Warum sollte ich das meinen?

Gruß, ULF
H.-P. Schulz
2018-05-09 13:47:50 UTC
Permalink
Post by U***@web.de
Moin,
Post by H.-P. Schulz
Post by U***@web.de
Das verstehe ich ohnehin nicht.
Habt Ihr Sgrafitti hinter Glas?
Du meinst "Spaghetti hinter Glas", oder?
Warum sollte ich das meinen?
"Sgraffitti" - ist das nicht eine andere Schreibweise für Spaghetti?
Außerdem finde ich Spaghetti hinter Glas eine allerliebste Idee.
U***@web.de
2018-05-09 17:27:27 UTC
Permalink
Post by H.-P. Schulz
Post by U***@web.de
Post by H.-P. Schulz
Post by U***@web.de
Das verstehe ich ohnehin nicht.
Habt Ihr Sgrafitti hinter Glas?
Du meinst "Spaghetti hinter Glas", oder?
Warum sollte ich das meinen?
"Sgraffitti" - ist das nicht eine andere Schreibweise für Spaghetti?
Nein, so oft Du auch fragen magst.

Gruß, ULF
x***@gmail.com
2018-05-09 11:25:03 UTC
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Post by Jakob Achterndiek
[..] Als Lehrer sollte man eine professionelle Haltung zum Thema
einnehmen. Zu versuchen, Schimpfwörter komplett zu ignorieren,
ist unprofessionell.
Der Perle im Haushalt der Familie, die unter uns wohnt, fällt
eine Blumenvase aus der Hand und zerscherbt.
Ach! - Die Vase ist perdü -
Klickeradoms! - von Medici!
Christina Kunze
2018-05-09 19:05:38 UTC
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Post by Jakob Achterndiek
Der Perle im Haushalt der Familie, die unter uns wohnt, fällt
eine Blumenvase aus der Hand und zerscherbt. Ich höre es durch
"..zefix nochamol!"
"Merde!"
Sagt man "zerscherben" da, wo Du herkommst, oder da, wo Du jetzt wohnst?
Hier sagt man es nicht, also fällt mir das Wort bei Dir auf.

chr
Jakob Achterndiek
2018-05-09 22:33:44 UTC
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Post by Christina Kunze
Post by Jakob Achterndiek
"Merde!"
Sagt man "zerscherben" da, wo Du herkommst, oder da, wo Du jetzt wohnst?
Hier sagt man es nicht, also fällt mir das Wort bei Dir auf.
Wohl weder - noch.
Aber die digibib Deutsche Literatur zeigt neun Fundstellen von Fischarts
Gargantua bis Rilkes Stundenbuch, darunter H.v.Kleists zerscherbter Krug
gleich zweimal. Warum hätte ich hinter deren Kreativität zurückstehen
sollen?
:)
--
j/\a
Christina Kunze
2018-05-01 04:22:10 UTC
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Post by Ralf Joerres
Interessant. Ich mache zuweilen auch derartige Übungen und versuche dabei,
möglichst einfachen Alltagswortschatz einzusetzen.
Das hängt von den Lernenden ab. Wendet man solche Übungen für
Muttersprachler an, kann der Wortschatz anspruchsvoller sein als im
Fremdsprachenunterricht.
Da fällt "anlässlich" gar nichts ins Gewicht, wenn die Grundschüler das
nicht kennen, so lernen sie es hier eben kennen, sie kennen ja alle
anderen Wörter.

Deshalb eignen sich auch Übungsbücher/-blätter für die Grundschule nicht
zum Sprachenlernen (ist jedenfalls meine Erfahrung).

chr
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