Post by Christian WeisgerberIch halte das für eine unpassende Wortwahl, weil »vorenthalten«
impliziert, dass ein Anspruch bestünde und dass etwas vorsätzlich
behindert würde.
Da magst Du schon recht haben. Aber mir gefällt der Klang von
"vorenthalten" schlicht besser als der von "nicht mehr anbieten". ;-)
Und nein, ich bilde mir nicht ein, einen Rechtsanspruch auf
irgendwelche SF-Übersetzungen aus dem Englischen (oder
irgendeiner Sprache) zu haben.
Nur ist es so, daß viele Jahre lang viele englischsprachige Autoren
hierzulande brav und ordentlich und stetig "gepflegt" wurden.
Ein gewisser, anscheinend leider nicht übermäßig großer
Leserstamm wurde geschaffen. Der jetzt doch ziemlich
traurig im Regen steht und seine Suchtmittel nicht länger bei
den üblichen Dealern findet.
Post by Christian WeisgerberAnsonsten kannst du doch nicht ernsthaft erwarten, dass alles
übersetzt wird?
Erwarten kann ich es schon. ;-)
Auch wenn ich nirgendwo gesagt habe, daß ich _alles_ übersetzt
haben möchte. Ich könnte z.b. sehr gut auf die restlichen 5000
Star Trek Bücher verzichten (die doch ohnehin kaum mehr
verkauft werden).
Aber ganz im Ernst: zur Zeit darf man als Junkie mit meist zwei
Übersetzungen bei Bastei (oft ist eine davon aber "nur" eine
Neuübersetzung/Neuauflage eines Klassikers) und grad noch
_einer_ ernsthaften Veröfentlichung bei Heyne im Monat
rechnen. So bescheiden und lieb und verständnisvoll bin ich
nun wieder auch nicht, um damit zufrieden zu sein.
Post by Christian WeisgerberKlassischerweise werden nur einige ganz wenige,
ausgesucht hochwertige Dinge übersetzt. Man könnte also etwa die
Übersetzung der Nebula- und Hugo-Gewinner erwarten.
Man könnte. "Man" hat das früher getan. Und diese Erwartung
wurde damals auch erfüllt. Ich führe meine eigene Liste der
Preisträger-Romane (und Stories), da sind auch die Nominierungen
enthalten. Bis Mitte der 90er Jahre sind die weitaus meisten
dieser Titel auch brav erschienen, ich hatte und habe da nur
wenige Lücken. Damit ist's nun vorbei. Und die Zahl meiner
englischen Originale steigt an. Was letztendlich auch bedeutet,
daß die deutschen Verlage noch einen eigentlich braven
und regelmäßigen und verläßlichen Käufer mehr verlieren.
Post by Christian WeisgerberDie existierende
Massenübersetzung aus dem Englischen ist ohnehin schon außergewöhnlich.
Auf andere Quellsprachen findet sie auch keine Anwendung. Wieviel
original in anderen Sprachen geschriebene SF wird in Deutschland
veröffentlicht?
Sicherlich zu wenig. Aber bei aller Trauer um die unbeachtet bleibende
SF aus aller Herren Länder; die Amerikaner, Kanadier, Engländer und
Australier bilden nun mal tatsächlich eine Art Maß aller Dinge im
Genre. Und Deutsche, Franzosen, Italiener, Spanier, Russen, etc.
werden weit weniger aneinander gemessen, als vielmehr eher
alle zusammen an den Englischschreibenden.
Post by Christian WeisgerberWobei ich mich in diesem Zusammenhang auch frage, wie ein Verlag
überhaupt entscheidet Rechte an einem Werk zu erwerben und eine
Übersetzung in Auftrag zu geben. Sitzt da ein Redakteur und liest
Originalveröffentlichungen (an) oder entsprechende Rezensionen?
Wenn der Job beim Verlag noch besetzt ist. Oder Agenturen bieten
(vor allem) Romane international an.
Und wenn ich als passiver Leser halbwegs Bescheid weiss, was
z.b. in den USA gerade veröffentlicht wird, was gut, und was
weniger gut beurteilt wird, dann kann das der Profi, der davon
leben soll und will, auch tun.
Post by Christian WeisgerberDann müsste er die entsprechende Sprache kennen...
Was im Fall des Englischen so ein arges Handicap nicht sein
sollte. Und ansonsten muß er sich halt wirklich auf Rezensionen,
bereits vorliegende Übersetzungen oder schlichtweg den Ruf
und den Marktwert des Autoren verlassen. (Was vermutlich
ohnehin das wichtigste und letztendlich entscheidende
Argument sein wird.)
Post by Christian WeisgerberDas ist natürlich nur zu verständlich. Man stelle sich vor, alle
Werke aus Europa würden in alle anderen europäischen Sprachen
übersetzt.
Ich vermisse die paar italienischen oder französischen
Übersetzungen tatsächlich, die es früher manchmal gegeben
hat. Und da ist es völlig ausgeschlossen, daß ich auf das
Original zurückgreife.
Post by Christian WeisgerberEine kombinatorische Explosion. Offenkundig gilt auch
für die Belletristik, was für wissenschaftliche Publikationen schon
lange gilt: Wer (international) gelesen werden will, schreibt
Englisch.
Das ist aber so arg vereinfacht, daß es schon nicht mehr
stimmt. Wer international gelesen werden will, muß im
eigenen Land in die Bestsellerlisten kommen, dann das
Glück einer ersten Übersetzung bekommen, und auch
dort weit oben in die Bestsellerlisten eintauchen.
Weder Lem, Ecco oder Süskind haben m.W. in Englischer
Sprache geschrieben. Nicht nur King, Koontz oder Clancy
und Grisham werden weltweit verkauft.
Post by Christian WeisgerberPost by Rudolf ThiessHarlan Ellison: Wird seit ewigen Zeiten hier nahezu totgeschwiegen.
(Okay, ist auch kein uebermaessig _aktueller_ Autor.)
Ellison hat keine oder kaum Romane geschrieben, sondern hauptsächlich
Kurzgeschichten und kürzere Erzählungen. Das passt nicht in den
modernen Markt.
Das wird so oft immer wieder wiederholt, bis es wahr wird (oder
es schon ist.) Aber nicht immer muß man sich an Auflagen
und Verkaufszahlen von Bestsellerromanen orientieren. Sogar
Lyrik läßt sich verkaufen. Daß man in Deutschland den Kurz-
geschichtenmarkt hat regelrecht wegsterben lassen, war kein
Ruhmesblatt. Oder sollte ich besser sagen: daß die 'Großen'
dieses Marktsegment aufgegeben haben, denn die 'Kleinen'
scheinen sich ja noch zu bemühen.
Post by Christian WeisgerberIch meine mich vage an Aussagen zu erinnern, dass der Versuch
Ellison zu veröffentlichen ein unkalkulierbares Risiko darstelle.
Ob er da schlimmer als David Gerrold sein kann?
Post by Christian WeisgerberVielleicht teilen die Herausgeber meine (durch _The Terminal
Experiment_ und _Illegal Alien_ geformte) Meinung, dass Sawyer
maßlos überschätzt und lesbar, aber nicht lesenswert ist.
Ich denke, daß die Benfords und Wüstenplanet-Fortsetzungen
und Foundation-Weiterführungsbände schlichtweg keinen Platz
für anderes lassen, schon gar nicht für einen Autoren, der
hier nicht etabliert ist und dessen erstes und einziges Buch
vermutlich nicht sonderlich gut verkauft wurde.
Eigentlich habe ich keine arg schlimmen Erinnerungen an's
Terminal Experiment.
Rudolf