Post by Torsten MuellerJetzt weiss ich endlich wieder, warum ich damals lieber Bayern3 Rias
oder NDR gehört habe.
Und was lief da so, 1973? Roy Black? Rex Dildo? Marianne Rosenberg?
Immer vorausgesetzt, man schaltete zu den richtigen Sendungen ein:
Stones, Canned Heat, Eric Clapton, Rory Gallagher ...
Ich will ja niemandes Gefühle verletzen, denn die Musik während
bestimmter Lebensjahre prägt sich ein und hat einen hohen Gefühlswert
unabhängig von ihrer Qualität, aber Pop und Rock aus der DDR sagen mir
als außerhalb Aufgewachsenem schon besonders wenig.
Um mich zu wiederholen: Zuviel Konservatorium und zuwenig Garage,
zuviel Poesie und zuwenig Trotz - "Kastratengesäusel", wie damals ein
Westberliner Kumpel immer sagte.
Wobei ich sagen muss, dass ab Ende der 60er der gute Blues und Rock
'n' Roll weltweit eine Tendenz in diese Richtung hatten. Die
Feuilletons hatten sich der Musik bemächtigt, sie wurde Kunst. Und zu
den Jungs aus dem Hinterhof kammen immer mehr Jünglinge mit
Musikstudium, die zeigen wollten, was sie alles können. Aus Musikern
wurden Künstler, die in der Royal Albert Hall spielen wollten. Die
einen tendierten zum Jazz, andere machten auf Klassik, unsägliche
Konzept-Alben kamen raus usw. Nur wenige brachten es fertig, so wie
Jimi Hendrix wirklich den Rock weiter zu entwickeln, oder hatten den
Mut, wie Eric Clapton auch wieder zu einfachen Liedchen
zurückzukehren.
Das war eine allgemeine Tendenz. Ich habe damals auch mitgemacht, und
fand das gut, wenn ein angebliches Niveau immer weiter hochgejubelt
wurde. Erst viel später habe ich kapiert, dass das Besondere der
Stones ist, dass sie immer was von einer Garagenband behalten haben.
Creedence Clearwater Revival waren mir damals viel zu banal und
primitiv - heute finde ich viele der "einfachen" Stücke genial.
Die verderbliche Tendenz zum "Niveau" finde ich beim DDR-Rock
besonders heftig ausgeprägt. Da spielen wahrscheinlich die
Qualitätsansprüche der Obrigkeit und ihre Auswahlkriterien eine üble
Rolle sowie die Unmöglichkeit, sich einfach als rotzige Proleten aus
dem Hinterhof präsentieren zu können, die Spaß daran haben, geile
Musik für Samstagnacht zu machen.
Gruß
Gerald
Gruß
Gerald
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Der Reichstag - eine deutsche Geschichte
Eine Dokumentation von Ute Bönnen und Gerald Endres
Sonntag, 3. Oktober, um 14.05 in der ARD
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