braesicke (***@despammed.com) schrieb
am 03.03.06 um 19:11 in /de/soc/politik/misc
Post by Lars BraesickePost by Martin BlumentrittWenn man nicht weiß, daß gerade der Talmud aus Streit besteht,
manifestiert man seine Unkundigkeit.
Man sollte wohl auch Mischna von Gemara und Halacha von Aggada unterscheiden
können. Ich zitierte die Mischna.
Das ist blöd genug, weil diese ohne Interpretation gar keinen Sinn
macht. Schon die Ordnung, wie sie Rabbi Akiwa vornahm, ist
Interpretation angehäuften Traditionsstoffes, die einer mündlichen
Tradition entsprangen, deren schriftliche Fixierung anfangs sogar
verboten war. Der ganze Talmud ist im Übrigen Auslegung der Torah und
anderer historischer Schriften. Der äußere Aufbau ist chronologisch,
der alte Text in der Mitte, um die sich dann die neuren Texte ranken.
Kaum dürfte man allerdings alte Texte, die zumeist älter sind als das
Christentum, heranziehen, um zu beurteilen, was heute im Judentum der
Fall ist.
Post by Lars BraesickeDer Talmud enthält in der Tat widerstreitende Ansichten. Das "Gesetz" ist
dennoch eindeutig und höchstens seine Ausdeutung und Kommentierung möglich.
Eindeutig für den Erhabensten. Was aber Gesetz ist, ist ohne
Hermeneutig gar nicht zu haben. Im Talmud finden sich derartige
Normen für die Sexualität auch nur beiläufig, der Stellenwert ist
nicht groß. Bestimmte Verbote haben später allenfalls noch
symbolische Bedeutung. In liberalen Synagogen geht man wesentlich
weiter, das Thema wird im Lichte moderner Sexualwissenschaft
betrachtet und die sieht in den interpersonalen Beziehungen, der
"Wirbildung"(Hans Giese), das Entscheidende an menschlicher
Sexualität, so daß Homosexualität als Inversion gleichberechtig neben
der Heterosexualität steht. Ansonsten gilt für Juden dasselbe, was
für alle gilt, Vorurteile über Homosexualität sind verbreitet. Es
wird in den Gemeinden darüber diskutiert, daß sie allzusehr auf
Ehepaare mit Kinder fixiert sind. Wie zu allen Dingen gibt es im
Judentum KEINE autoritative Lehrmeinung, weil es diese generell nicht
gibt.
Post by Lars BraesickeIm hier zitierten Fall herrscht Eindeutigkeit.
Du darfst mir gern Stellen des Talmud nennen, die dem als gottgegeben
betrachteten und bereits in der Tora festgelegten Gesetz hier widerprechen.
Jemanden, der die Schriften buchstäblich interpretiert, kann nur als
Depp bezeichnet werden, das geht über Orthodoxie ja schon hinaus.
Post by Lars BraesickePost by Martin BlumentrittPost by Lars Braesicke"Das Thema ist konfliktgeladen. Denn es gibt homosexuelle Jüdinnen
und Juden- aber die Normen, auf denen das Judentum gründet, schließen
homosexuelle Menschen aus.
Eben. Offensichtlich ist es nicht so einfach.
Was eben, was ist offensichtlich?
Es ist offensichtlich nicht einfach für homosexuelle Juden mit dem jüdischen
Gesetz klarzukommen.
Wenn sie aus konservativen oder orthodoxen Familien kommen,
vielleicht. Im Grunde ist solcher vorkritischer Umgang mit Texten
allerdings eher unjüdisch. Dämlich wäre es Leute auf unerbittliche
Texte einfach ohne Hermeneutig lostzulassen.
Post by Lars BraesickePost by Martin BlumentrittSchon gar nicht, wenn
man Schriften wie den Traktat Synhedrin - zur Zeit des 2. Tempels
sic! (wann die wohl war?) - mein heranziehen zu können.
Wir sprachen vom "jüdischen Gesetz".
Wann wurde das denn festgelegt?
Das ist ewig. Das Wissen darum ist historisch und muß die Wahrheit
erst entfalten, entwickeln. Was sich wissenschaftlich nicht als wahr
erweist, kann nur Fehldeutung von Menschen sein. Das ist ein
Grundsatz von Hermeneutik. G*tt kan sich nicht irren, also müssen
sich die damaligen Menschen geirrt haben. Und das gilt auch für
orthodoxe Interpreten.
Post by Lars BraesickePost by Martin BlumentrittVöllige Willkür.
Das ist in etwa so wie Islamisten mit dem Koran umgehen, sich das
aussuchen, was ihren Haß stützt, den Rest vergessen. Wenn z.B. Idioten
Aufstände wegen dänische Karikaturen organisieren, [...]
Weißt du nicht weiter, oder warum schweifst du ab?
Ich schweife nicht ab, sondern vergleiche. Es ist derselbe Umgang mit
Texten.
Post by Lars BraesickeEs geht hier darum, was das jüdische Gesetz festlegt. Etwas, das niht von
einem Staat festgelegt wird, sondern als gottgegeben betrachtet wird.
Es geht weder um Karikaturen noch um den Islam.
Was die ethischen Normen sind, die G*tt Moses übermittelt hat, ist
Sache des Verstehens, der Inhalt ist nicht von selbst verständlich.
Das Verstehen ist ein Entwicklungsprozeß über Jahrtausende.
Post by Lars BraesickePost by Martin BlumentrittDa muß man dämlich sein, das noch zu fragen. Auf einer Parade auf dem
CSD, kommt das bestimmt gut an.
Eine Forderung auf einer Demonstration wird nicht an die Demomitglieder
gerichtet, sondern an die Gesellschaft, hier an den Staat Israel und die
dort für Eheschließungen zuständigen Rabbis.
Und? Kommt ihre Forderung an?
Das kommt sie. Wo gibt es mehr Liberalität als in Israel auf der
Welt?
Post by Lars BraesickePost by Martin BlumentrittWie sieht denn so eine Talmud-Seite aus?
Rechteckig.
Mehrere sich umrankende Rechtecke von Schrift.
Post by Lars BraesickePost by Martin BlumentrittWo befindet sich denn die
Gemara - also die Diskussionen - im Verhältnis zur Mischna.
Außen drumherum.
Wie oben schon gesagt, ist dort Geschichte festgehalten. Die Gemara
bringt im Übrigen auch Torah und andere Texte ein, Diskussionen,
Meinungen, Einwendungen und Antworten, was davon zeugt, daß die
Einheit des Judentums der Streit ist.
Post by Lars BraesickePost by Martin BlumentrittHat es nur einen einzigen Fall gegeben, wo wegen Homosexualität
irgendjemand gesteinigt wurde? Wann soll das denn gewesen sein?
Es geht hier nicht um Steinigungen. Daß dies nicht geschieht, ist unstrittig
und andere Religionen könnten sich ein Beispiel hieran nehmen.
Nein, es geht um das Verbot der Homosexualität im jüdischen Gesetz, daß du
die angegebenen drastischen Strafen, ob angewendet oder nicht, deutlich
bekräftigt wird.
Das ist selbst bei Orthodoxen nur noch symbolisch. Mit dem wirklichen
Leben hat das nichts zu tun. Und mittlerweile führt das auch zu
anderen Auffassungen der Ethik. Dies und nur dies ist von Bedeutung.
Post by Lars BraesickePost by Martin BlumentrittWie heißt das Lied noch, wie sind alle kleine Sünderlein. Also nichts
was irgendjemand vom Hocker haut, selbst bei der Orthodoxie. Much ado
about nothing. Jedenfalls wird niemand in Israel gesteinigt am CSD,
wo 200.000 Leute feiern, in aller Öffentlichkeit.
Das hat niemand (mal von der Tora und der Mischna abgesehen) behauptet. Du
hingegen behauptetest die Erlaubtheit der Homosexualität nach jüdischem
Gesetz.
Das behaupte ich auch weiterhin. Die Interpreten, die das anders
sehen, haben sich halt geirrt. Solche Verbote sind obsolet, weil sie
dem heutigen Kenntnisstand nach sich als falsch erwiesen haben. Und
dem ist Rechnung zu tragen.
Post by Lars BraesickePost by Martin BlumentrittPost by Lars BraesickePost by Martin Blumentrittaus: Artikel *Sexualität* aus dem Lexikon der Ethik hrg. von O.Höffe
Was hat das mit dem jüdischen Gestz zu tun?
Sehr viel, da wird dasselbe nämlich abgehandelt, worum es hier geht.
Es geht hier um das jüdische Gesetz. Diese ist vielleicht eine Quelle,
dennoch ungleich der Ethik.
Das Gesetz ist die Ethik. Und da ethos ja soviel wie Gebrauch,
gelebtes Leben bedeutet, ist eine Ethik historisch. Das unterscheidet
sie von Moral als unbedingter Verpflichtung, die für alle gilt.
Post by Lars BraesickePost by Martin BlumentrittNaja, die Christen. Die haben ja auch die Perversionen entwickelt.
Die Juden haben das Hohe Lied. Und da zeigt sich das Folgende: [...]
Und schon wieder schweift er ab ...
Keineswegs. Darum geht es.
Post by Lars BraesickePost by Martin BlumentrittPost by Lars Braesicke"Abartigkeit = mit anderer Art in Kontakt kommen."
Da Maddin definiert sich seine Sprache selbst.
Abartigkeit ist das Verfehlen der Art. Was sonst? Und das tut man nun
mal, wenn man Tiere fickt. Dann ist man ab-artig.
Wie gesagt: Du definierst dir deine Sprache selber.
Das Wort Art ist umfassender als der moderne biologische Begriff der Art
(Species).
Art f. (< 12. Jh.). Mhd art m./f., mndd. art f. 'angeborene
Eigentümlichkeit, Natur, Herkunft, Art und Weise'
Aber interessant, von dir solch biologistische Auffassungen zu lesen.
Ich hoffe, das artet nicht aus ...
Damit habe ich mich einige Jahrzehnte länger beschäftigt als Du. Das
spielt schon in der Antike eine Rolle, etwa in der Kategorienlehre
des Aristoteles. Aber hier dürfte die Bestimmung Mayrs, die den
Restplatonismus, Arten als unhistorisch anzusehen, überwindet,
sinnreicher sein. Daß der Mensch vom Tier sich unterscheidet, da er
nicht ausschließlich biologisch aufzufassen ist, das zeigt sich
gerade auch an seiner Sexualität. Darin manifestiert sich auch seine
Art, die eben nicht nur biologisch ist, was allerdings durch die
Biologie bestimmt ist: Instinktverlust. Die Sexualität hat nicht nur
eine Funktion für die Fortpflanzung, sondern auch eine soziale, die
Wirbildung. Dies unterscheidet den Menschen auch von Tieren, bei
denen das wesentlich nicht der Fall ist.
Post by Lars BraesickePost by Martin BlumentrittPost by Lars BraesickeAch? Eben witzeltest du noch: "Solange ich zwei gesunde Hände habe,
kommt mir keine Frau ins Haus"
Warum sollte Sex mit einem Schaf nicht der Vorbereitung auf
"richtigen Sex" dienen können?
Weil man sich mit solchen Abartigkeiten in widerlichsten Abschaum
verwandelt.
Begründung durch Behauptung.
Die Begründung war schon gegeben worden. Zur Sexualität - was sich
gerade in der Homosexualität zeigt, die keine Fortpflanzungsfunktion
hat - gehört ihre Funktion die Zwischenmenschlichkeit zu vermitteln.
Die Sodomie, Vergewaltigung von Tieren, ist keine menschliche
Sexualität, sondern eine Abweichung von der menschlichen Art:
Abartigkeit. Dies ist KEINE quantitative Bestimmung, im Sinne des
quantitativen Vorkommens, das man soziologisch als abweichenden
Verhaltens bezeichnet, sondern eine qualitative. Was seltener
vorkommt, muß nicht abartig sein. Zur Art gehört aber, daß sie ein
"geschlossenes reproduktives System" ist. Die Abwehr von Verhalten,
das nicht artgemäß ist, bedeutet, daran festzuhalten, daß Menschen
ihrem Begriff entsprechend zu leben das Recht und die Pflicht haben.
Post by Lars BraesickePost by Martin BlumentrittZum Glück kommen sie nur selten vor und sie werden von
fast allen zurecht abgelehnt.
Entschuldigung, aber du führst als Begründung irgendwelche Umfrageergebisse
an? Mithin hätten also auch Antisemiten recht, wenn der prozentuale Anteil
antisemitisch Überzeugter recht hoch wäre?
Der Anteil von Antisemiten ist sehr hoch. Das besagt aber genauso wie
die Anzahl von Leuten, die - in Einklang mit der Vernunft - nur etwas
über die Verbreitetheit von Einstellungen aus. So die Verbreitung von
Antisemitismus über die Verkommenheit der Leute, die geringe
Verbreitung von Kannibalismus, Zoophilie usw. über menschlichen
Fortschritt, der schon erreicht ist.
Post by Lars BraesickePost by Martin BlumentrittPost by Lars Braesickeoder - im Falle
Post by Martin Blumentritteiner problematischen Störung - verhindert wird. Die Wirbildung im
sexuellen Sinne gehört ja zum menschlichen Leben, insbesondere die
personale Liebe.
Daher spricht rein gar nichts gegen Homosexualität, aber sehr viel
gegen die Sodomie.
Es gehört viel zum menschlichen Leben, nicht nur "Wirbildung" und Liebe. Es
gehört auch die Masturbation dazu, die Spermaentleerung entweder in die
hohle Hand, in die Gummipuppe oder in die Katzenmuschi. Wo ist der
qualitative Unterschied?
Es ist sogar ein Unterschied ums Ganze. Masturbation, die Liebe und
Wirbildung ersetzt oder vorgezogen wird, ist - im Gegensatz zu den
Fällen die vorbereitend sind oder bei Mangel an Gelegenheit oder
Partnern - krankhaft, eben wie de brutale Spruch "Solange ich zwei
gesunde Hände habe..." Es gehört zum Menschsein vom Tier sich zu
unterscheiden, sich als Krone der Schöpfung zu betrachten ist eine
unbedingte, absolute menschliche Verpflichtung. Das aufzugeben wäre
die totale Entmenschung des Menschen, er wäre weniger als Scheisse
wert. Im Übrigen Abartige vollziehen sexuelle Akte an Tieren nicht
aus, weil menschliche Partner fehlen - das Stereotyp vom einsamen
Hirten -, sondern aufgrund von krankhaften Defiziten.
Da kann ich eine Expertin, die sich über Jahre mit der Psychologie de
Mensch-Tier-Beziehung beschäftigt hat, heranziehen:
--------
Sexueller Missbrauch
Zoophilie
- die mißverstandene, die mißbräuchliche Tierliebe
Hanna Rheinz
Die Zoophilie gehört wahrscheinlich zu den am wenigsten öffentlich
wahrgenommenen Bereichen der Gewalt und des Mißbrauchs, die von
Menschen anderen Lebewesen gegenüber ausgeübt wird.
Die Zoophilie, übersetzt: "Liebe zum Tier", ist gerade keine "Liebe"!
Wer Tiere sexuell ausbeutet, dem fehlt es nicht nur an Respekt und
Achtung vor dem Lebewesen; der zoophile Täter zeigt überdies - und
das macht die Zoophilie psychologisch brisant - keinerlei Empathie
für das ausgebeutete Tier. Der Begriff Zoophilie ist daher nicht nur
ein Euphemismus für ein zutiefst mitleidsloses Verhalten, sondern er
gibt auch die zynische Haltung wieder, die Menschen Tieren gegenüber
an den Tag legen, ohne sie überhaupt noch als ethisches und
psychologisches Problem zu erkennen.
Aus psychologischer Sicht beschreibt die Zoophilie eine Störung der
Fremd- und Selbstwahrnehmung, und damit einhergehendes emotionales
und moralisches Defizit, das es dem Täter möglich macht, Tiere als
Sexualobjekte zu nutzen, Tiere emotional und körperlich auszubeuten
und sie zum Opfer masturbatorischer Handlungen und Anal- sowie
Genitalpenetrationen zu machen.
In der Kulturgeschichte gibt es zahlreiche Zeugnisse dieser
mißverstandenen und mißverständlichen Beziehung zum Tier. Doch erst
in jüngster Zeit ist aus dieser in früheren Zeitaltern geächteten und
sanktionierten Form der sexuell getönten Beziehung zum Tier eine
weltweit, vor allem durch das Internet verbreitete Verhaltensweise
geworden.
Die Mischung von Intimität und Exhibitionismus wie sie vom Internet
ermöglicht wird, das Tabuverletzungen in einem rechtsfreien Raum
erlaubt, fördert den Mißbrauch von Tieren als Form sexueller
Mißbrauchs- und Gewalthandlungen. Die Zoophilie ist inzwischen zu
einer Handlung avanciert, die einem Initiationsritus gleicht. Der
Raum Internet fördert die Verbreitung dieser Verhaltensperversionen
gerade auch unter Kindern und Jugendlichen, die sich mit der
Tabuüberschreitung vor anderen hervortun wollen.
Wir fragen uns, wie diese Zunahme zoophiler Handlungen aus
psychologischer Sicht erklärt werden kann.
Zunächst einmal fällt auf, daß die Beschreibungen der Zoophilie als
normaler Verhaltensweise mit Verweis auf vermeintlich zoophile und
pornographische Darstellungen in der Kunst und Kulturgeschichte einem
kardinalen Denkfehler entspringt.
Neben der Zoophilie als sexueller Handlung, ist die Darstellung von
Intimität zwischen Mensch und Tier Ergebnis einer nicht geglückten
Symbolisierung.
Dieser Zusammenhang wird deutlich, wenn man die in den Kulturen und
Religionen verbreiteten zoophilen Darstellungen analysiert. Sie sind
die bildhafte Umsetzung der in den Kulturen der Welt entwickelten
Symbole und Narrative, die Menschen und Tiergestalten in intimer Nähe
darstellen. Die abendländische Tradition beruft sich auf den
griechischen Pantheon, wenn sie diese Mensch-Tier Körpersymbiose
beschreiben will, außereuropäisch lassen sich im Hinduismus,
Jainismus und in den Schöpfungsmythen afrikanischer und
amerikanischer Kulturen Mensch-Tier Interaktionen finden, die
sexueller Natur zu sein scheinen. Doch eine sexuelle Deutung greift
hier zu kurz.
Das dazugehörige Narrativ macht deutlich, daß die Tiere hier als
Götter und Repräsentanten von materiellen und spirituellen
Energieformationen verstanden werden und vor diesem Hintergrund mit
Menschen in Beziehung treten.
Die Mythologien mit ihren Schöpfungsgeschichten zeigen, daß sogar
vermeintliche Zeugungsakte von Mensch und Tier als symbolische
Verdichtungen verstanden werden müssen, als Ikonen der
Auseinandersetzung und der Begegnung von Wesen, die durch Artgrenzen
voneinander geschieden sind.
Ziel dieser Begegnung ist die Neu-Erfindung der Welt. Und hier stehen
wir vor der Schnittstelle, die auch das seelische Geschehen im
Bereich der Mensch-Tier Interaktion erfaßt.
Parallel zur Metapher der Neuerfindung der Welt im Bild der
Verschränkung von Mensch und Tier, entstand die Vorstellung der
seelischen Verschränkung und Symbiose von Mensch un Tier. Sie findet
ihre Entsprechung in zahlreichen Mythologemen, die den
gleichberechtigten - in moderner Terminologie - partnerschaftlichen
Austausch von Wesen beschreiben, die zwar durch die Schranken der Art
voneinander getrennt sind, vor dem Hintergrund der seelischen
Entwicklung jedoch miteinander verbunden sind. Dem gegenüber steht
die pathologische Psychodynamik der Zoophilie, die in letzter
Konsequenz als Metapher einer gescheiterten Suche nach Individuation
und Menschwerdung erkennbar wird. Wer durch Tabubruch und gewaltsames
Überschreiten der Artgrenzen, wer durch einen Gewaltakt, die eigenen
Grenzen erfahren will, endet in der Entgrenzung und das heißt im
Selbstverlust.
Diese psychologische Deutung des Phänomens der Zoophilie ebnet den
Weg zu seinem Verständnis der Mensch-Tier Intimität, die über das
reduktionistische, pornographische Inhalte in den Vordergrund
stellende pragmatische Begreifen der Zoophilie als Manifestation
eines kulturgeschichtlich und sozialpsychologisch tolerierten
Tabubruchs hinausgeht.
Diese Deutung legt zugrunde, daß es sich bei der Verschränkung von
menschlichen und tierlichen Leibern nicht um ein Indiz eines
sodomistischen Aktes handelt, sondern um die Veranschaulichung eines
seelischen Ich-Du Verhältnisses gegenseitiger Bezogenheit und
Verantwortung. Genau dies ist die Botschaft der frühen Kulturen: das
gemeinsame Schicksal von Mensch und Tier in einer auf Endlichkeit,
zwischen den Polen von Leben und Tod, Göttlichkeit und Irdischkeit,
Schmerz und Freude, Loyalität und Kampf ausgerichteten Existenz in
dieser Welt. Gerade in den letzten Jahrzehnten hat sich dem gegenüber
eine Deutungsweise des Mensch Tier Verhältnisses durchgesetzt, das
den spirituellen Kern dieser Intimität verleugnet; an ihre Stelle
rückt eine genital pervertierte Sexualität mit Nutzvieh, Großtieren
und Heimtieren. Aus psychologischer Sicht hat das zoophile
Mißverständnis, der sexuelle Mißbrauch und die sexuelle Ausbeutung
von Tieren (ebenso wie von Kindern) eine entdifferenzierende Wirkung.
Machtrituale, Omnipotenz, Kontrolle über Leben und Tod,
Grenzüberschreitungen, mit all ihren seelischen und charakterlichen
Abgründen - all diese im Alltagsbewußtsein verschwiegenen und
verleugneten Erlebens- und Verhaltensfelder werden dem Tier gegenüber
ausgelebt. Persönlichkeiten mit neurotischen Anteilen werden oft in
eine Scham- und Schuld-Dynamik verstrickt, die - Suchtverhalten und
zwanghaften Störungen vergleichbar - nicht zur Verhaltensveränderung
führt, sondern zu einer Zunahme der Gewaltbereitschaft. Eine
kurzfristige Linderung der Schuld kann nur durch zwanghaftes
Ausagieren in immer extremeren Formen erreicht werden. Es ist die
Pseudo-Erlösung des Täters nach der verborgen gebliebenen Tat, die
Linderung des Menschen, der sein Gewissen einer Abstumpfung aussetzt.
Auch die Bagatellisierung der sodomistischen Handlungen - wie sie
auch Teile der neueren psychologischen Literatur auszeichnen - ist in
diesem Kontext zu sehen. Anders als die von
triebpsychologisch-psychopathischen Diagnosen geprägten
psychoanalytischen Tradition, werden empirisch-psychologische
Arbeiten bei allem Fleiß der statistischen Auswertung doch in der
Gefahr die affektiven Komponente und persönlichkeitspsychologischen
Langzeitwirkungen zoophiler Handlungen zu übersehen. Die Übergange
zwischen Normalverhalten und sexuellem Mißbrauch, Überstimulierung
und Verhaltensstörungen sind allerdings oft fließend. Das Kraulen des
Bauches geht in sexuelle Stimulation über. Der Mensch benutzt das
Tier, um Wünsche nach Nähe und Zärtlichkeit auszuleben, die sexueller
Erregung den Weg ebnen, die nicht selten schuldhaft erlebt wird und
dazu führen, das Tier im nachhinein zu bestrafen. Ein Kreislauf mit
suchtähnlichen Zügen nimmt hier seinen Ausgang, denn die Scham und
Schuld Problematik kann zu einem Wechselbad von Nähe und Distanz,
Anlocken und Zurückstoßen, Vertrauen und Ekel führen.
Zum sexuellen Mißbrauch tritt die Züchtigung und stellvertretende
Bestrafung.
Dem gegenüber muß darauf hingewiesen werden: Den unmittelbaren
Schäden am Leib und an der tierlichen Persönlichkeit stehen die
verheerenden Auswirkungen am Menschen gegenüber. Der Täter wiegt sich
in der Gewißheit Kontrolle auszuüben, doch diese steht auf tönernen
Füßen und ebnet den Weg zu abnehmender Frustrationstoleranz, die,
auch dieser Aspekt ist auffällig, weiteren sexuellen Gewalthandlungen
den Weg ebnet. Tiere, aber auch Kinder und Erwachsene in
Abhängigkeitsbeziehungen entsprechen dem Opferprofil.
Während die Psychologie und Psychoanalyse diese Form der Perversion
noch weitgehend bagatellisiert und deren destruktive und
entdifferenzierende Auswirkungen schlichtweg ausklammert, läßt der
neue Kommentar zum deutschen Tierschutzgesetz die seelische Dimension
des sexuellen Mißbrauchs und der und nachfolgenden Traumatisierung
nicht unerwähnt. Nicht nur die körperliche Versehrtheit, sondern auch
Schäden finden Erwähnung. Unter diesem Aspekt ist auch ein nicht
nachweislich zu Schmerzen führender sexueller Mißbrauch eines Tieres
zu diskutieren 18,Rn 30.
Hier wird auch das psychologisch nachgewiesene Kontinuum von rohen
Handlungen, die weiteren Gewalthandlungen Tür und Tor öffnen, erfaßt.
Dies legt die unter º 17, Rn 33 des Tierschutzkommentars gemachte
Differenzierung nahe: Gängige Definition ist, daß eine gefühllose
Gesinnung dann vorliegt, wenn der Täter bei der Mißhandlung das
notwendige als Hemmung wirkende Gefühl für den Schmerz des
mißhandelten Lebewesens verloren hat, das in gleicher Weise bei jedem
menschlich und verständig Denkenden sich eingestellt haben würde.
Die in zoophilen, gerade nicht auf Tierliebe, sondern auf Verachtung,
ja Haß des Tieres zurückgehenden Handlungen sind das Abbild einer
tiefgreifenden und auch in andere Bereiche des Alltags hinein
verzweigten kollektiven Empathiestörung. Sie mündet in eine affektiv
und visuell demonstrierte Abstumpfung dem Opfer gegenüber, unabhängig
davon, ob es sich um ein Tier, ein Kind oder einen Erwachsenen
handelt.
Vor dem Objektiv des Camcorders erscheinen nämlich auch Menschen
eindimensional und damit stumm. Dies erleichtert Übergriffe und
Verhaltensweisen, die im klinischen Kontext mit psychiatrischen
Diagnosen versehen würden, doch im Umgang mit Tieren als normal
gelten, oder sogar - im Rahmen von Gruppenprozessen und Mutproben -
als vorbildliches, nachahmenswertes Verhalten, zu dem der Täter
angefeuert-, und für das er am Ende sogar bewundert wird.
Zur Zoophilie gehören daher nicht nur die extremen Formen der
Perversion und des malignen Narzißmus, sondern auch die auf
schizoiden Affekt-Abspaltungen beruhenden genitalen und erotischen
Impulse. Dem Tier gegenüber kann diese auch in der Prostitution
manifestierte Trennung von Sexualität und affektiver Bindung
gewissenlos und ohne Selbstrechtfertigung ausgelebt werden, nicht
zuletzt, weil dem Tier gegenüber Zärtlichkeit und Bindung ja ohnehin
keine Rolle spielen, sondern von Leistungserwartungen und
ästhetischen Kriterien verdrängt sind.
Dazu gehört auch, daß die Ausübung körperlicher Gewalt dem Tier
gegenüber Teil des als normal bewerteten Verhaltensrepertoires im
Umgang mit Tieren ist. Fixierungs- und Fesselungsmethoden gehören
ebenso dazu wie das Instrumentarium von Konditionierung und
Bestrafung mittels Elektroschock, Amputationen, Entfernen von
Hörnern, Zähnen und Krallen, Narkotisieren, ja sogar Hypnotisieren;
all dies sind akzeptierte Methoden, mit denen die Dominanz über das
Tier durchgesetzt wird.
Aus psychologischer Sicht fällt überdies auf, daß der zoophile Täter
nicht zwischen Phantasie und Wirklichkeit unterscheidet. Die
Gewalthandlung dem Tier gegenüber erscheint als legitime Fortsetzung
der Gewaltphantasie.
Neben den Kontroll- und Allmachtswünschen, neben der oft hochgradig
kontaktarmen, aggressiven und mißtrauischen Haltung des Zoophilen
anderen Menschen gegenüber, neben der Neidproblematik und der
Verachtung des Tieres, die sich bis zum Haß - bezeichnenderweise auch
auf die Sexualität des Tieres - steigern kann, fällt vor allem die
mangelnde Liebesfähigkeit des zoophilen Täters auf.
Eine sexuelle Variante wie die Homosexualität, nennen die
organisierten Zoophilen inzwischen ihre Veranlagung, die sich per
Internet inzwischen mit großer Geschwindigkeit weltweit verbreitet
und einen neuen Reiz des sexuellen Erlebens verspricht.
Der Begriff Zoophilie verbirgt, daß es sich hier um nichts anderes
als um eine weitere Form der als Sexualität maskierten Macht über
einen nicht einwilligenden Sexualpartner handelt.
Zoophile verstehen sich nicht selten als Tierliebhaber, die sich dem
Austausch von Zärtlichkeiten auf Gegenseitigkeit und Freiwilligkeit
hingeben. Sie verweisen darauf, daß Säugetiere, einschließlich des
Menschen, über die Fähigkeit verfügen selbst im Erwachsenenalter noch
zu kindlichem Verhalten fähig zu sein, Zärtlichkeits- und
Geborgenheitsgefühle zu empfinden, aber auch vermitteln zu können,
die aufs engste mit der Kindheit und der mütterlichen Liebe verbunden
sind.
Doch zoophile Täter leugnen den Unterschied zwischen körperlicher
Nähe wie Streicheln und Umarmen eines Tieres und dem gewaltsamen
Eindringen in den Körper des Tieres. Argumente, wie sie bereits von
Pädophilen eingesetzt werden, erfahren hier eine Neuauflage etwa: Das
macht dem Kind sicherlich genauso viel Spaß wie mir. Oder: "Sieh mal,
das Tier bietet sich dir doch richtig an, etwa weil es läufig, rollig
oder rossig ist."
Die auf Vertrauen und Zuwendung beruhende Haltung der Liebe als
artübergreifende Kommunikationsbereitschaft der Lebewesen wird hier
ad absurdum geführt.
Zoophilie freilich ist auch Teil einer Lebenseinstellung, die heute
weit verbreitet ist; der zoophile Täter spiegelt hier lediglich eine
auch andernorts praktizierte und akzeptierte Haltung. Auf sie trifft
die Beschreibung des Psychoanalytikers Erich Fromm zu: Er verwandelt
alles Leben in Dinge.
Obwohl Fromm sich weder der Sodomie noch der Zoophilie widmete,
treffen die von Erich Fromm als Nekrophilie beschriebenen
Lebenseinstellungen auf den Zoophilen zu. Der Zoophile nutzt die im
Tier verkörperte Lebenszugewandtheit und Lebensfreude nicht, sondern
will sie - stellvertretend am Tier - am Ende auch bei sich selbst
durch die körperliche und seelische Gewalt des sexuellen Mißbrauchs
pervertieren und zerstören.
Dieser nekrophilen und destruktiven Haltung stellt Fromm das Ideal
der Biophilie gegenüber.
Obwohl dieses Gegensatzpaar Nekrophilie und Biophilie die Grauzonen
zoophiler Handlungen nicht ausreichend berücksichtigt, eignet es
sich, um die gesellschaftliche Relevanz dieses psychologischen
Phänomens zu beschreiben. Als "Rache des ungelebten Lebens" wird die
nekrophile und zoophile Lebenseinstellung als Motor eines
zerstörerischen Umgangs mit dem eigenen Leben und dem Leben anderer
erkennbar.
Copyright Dr. Hanna Rheinz
Dipl.-Psych., M.A., Psychologische Psychotherapeutin
-------------
Post by Lars BraesickePost by Martin BlumentrittPost by Lars BraesickeUnd die Sodomie ist eine davon.
Nein, diese ist eine Abartigkeit, die über bloße Perversion
hinausgeht. Im Gegensatz zu den meisten Perversionen, die überhaupt
nicht problematisch, sondern alltäglich sind, ist das
subhumane Verhalten von Sodomisten eben nicht bloß pervers,
sondern dem Menschen gar nicht mehr adäquat.
... behauptest du.
Nein, habe ich oft genug begründet.
Post by Lars BraesickeGut, das rhythm. Reiben eines Hundes am Bein des Herrchen ist wahrscheinlich
auch nicht gerade "hundeadäquat", aber ist es drum "subcanisch" und der Hund
zu verurteilen?
Das müßte dann supercanisch sein, da der Mensch ein höheres Wesen
ist.
Post by Lars BraesickePost by Martin BlumentrittDas menschliche Dasein,
menschliche Sexualität wird grundsätzlich verfehlt.
... meinst du.
Nein, das ist eine Erkenntnis, keine Meinung.
Post by Lars BraesickePost by Martin BlumentrittUnd das kann man
nur verurteilen oder man stellt sich außerhalb jeglicher
Menschlichkeit.
Ach so.
Genauso ist es.
mfg Martin Blumentritt http://www.martinblumentritt.de/
"Bis 1933 habe ich mich für die Verweigerung des Militärdienstes
eingesetzt. Als aber der Faschismus aufkam, erkannte ich, dass dieser
Standpunkt nicht aufrechtzuerhalten war, wenn nicht die Macht der Welt
in die Hände der schlimmsten Feinde der Menschheit geraten soll. Gegen
organisierte Macht gibt es nur organisierte Macht; ich sehe kein anderes
Mittel, so sehr ich es auch bedaure.
Die Deutschen haben nach einem wohlerwogenen Plan viele Millionen
Zivilisten hingeschlachtet, um sich an deren Stelle zu setzen. ( ) Sie
würden es wieder machen, wenn sie nur könnten. Die paar weißen Raben,
die es unter ihnen gegeben hat, ändern daran absolut nichts."
(Albert Einstein)