Post by Christina KunzePost by Gunhild SimonPost by Andreas KarrerWährend des Lehrens sind es sicher Lehrende, aber nach neuerem
Sprachgebrauch bleiben sie auch nach Lehrende Lehrende.
Ich war früher Lehrende.
Na. Toll!
Ich bin Jurist.
Ich bin Lehrerin - allerdings pensioniert.
Das ist interessant. Kürzlich hörte ich eine Frau über ihren berenteten
Mann sagen, er sei Arzt gewesen (beide Ü80).
Mir kommt es so vor, als ob meine Mutter sich eher immer noch als Ärztin
sieht und in diesen Zusammenhang keine Vergangenheitsform verwendet.
Du also auch nicht.
Wenn in einer Veranstaltung ein Gast kollabiert, dürfte für die
Einschätzung seiner Situation und die Einleitung der nötigen Maßnahmen
ein Ü80-Arzt nützlicher sein als ein jungdynamischer Informatiker (so
der alte Arzt körperlich und geistig noch zur Hilfe in der Lage ist).
Post by Christina KunzePost by Gunhild SimonIch habe den Eindruck, daß jüngere Menschen, wie mein
Sohn (27), in anderen Sprachkategorien denken.
Sprechen sie nicht ausschließlich von Geflüchteten und
Studierenden?
Das ist die Vorgabe. Ich bin da teils auch opportunistisch, ich sage
"Studierende", wo es gewünscht ist (jedenfalls meistens), aber das heißt
nicht, dass ich so denke.
Mal frech angemerkt: In der Einhaltung von staatlichen Sprachnormen sind
Mitbürgerinnen und Mitbürger aus den neuen Bundesländern möglicherweise
eher geübt als Mitbürgerinnen und Mitbürger aus den alten solchen.
Das Auseinanderweichen von öffentlicher und privater Sprache kennt man
aus Diktaturen allgemein; ich sehe die Genderei durchaus als
diktatorisch.
Post by Christina KunzeEs ist eher so, dass ich Studenten und Dozenten denke, aber weiß
(schließlich bin ich von Anfang an mit doppeltem Sprachgebrauch
aufgewachsen), in welcher Situation ich was sage.
Was als beleidigend aufgefaßt wird, ist höchst subjektiv. Es ist
unweckmäßig, stets nur das individuelle Empfinden eines diesbezüglich
eventuell hypersensiblen Mitmenschen zum Kriterium zu machen. Sprache
hat primär eine Kommunikationsfunktion, und dabei geht meist primär um
konkrete Sachverhalte, die man sinnvollerweise nicht allzusehr mit
Ideologie anreichern sollte.
Mir kommt in diesem Zusammenhang regelmäßig das Gleichnis vom
barmherzigen Samariter in den Sinn: Da brauchte einer dringend Hilfe,
doch der Schriftgelehrte und der Levit, die sicher perfekt in
gendergerechter Sprache waren, haben sich dazu nicht herabgelassen. Der
Samariter aber, der gendergerechte Sprache weder mochte, noch konnte,
hat angefaßt und den Mann gerettet. Die Sprachgeschichte hat es ihm
gedankt: Er, der damals Verachtete, Geringgeschätzte, gilt heute als
Muster für Nächstenliebe. Den Schriftgelehrten aber, der sich damals die
gendergerechte Sprache ausgedacht hat und der dachte, daß allein daran
die Welt genesen werde, gilt uns Nachgeborenen heute als zwielichtig und
bigott.
:-)