Post by Franz KruseUnd dann tauchen da ganz neue Schreibungen wie
"zuhause" auf, die es bisher nicht gab.
"Zuhause" hat er sich aber nicht ausgedacht, sondern der
Sprachwirklichkeit abgeschaut.
Das bezweifle ich. War die Schreibung etwa verbreitet?
Ei freilich.
Folgendes aus der Gutenberg-Literatursammlung (die kennst Du aber dich,
oder?) gefischt, deutschsprachige (zumeist) Weltliteratur:
| Er lag dicht über der Treppe, gerade, als sei niemand dort zuhause.
(Hans Christian Andersen, Das alte Haus)
| Deshalb werde ich oft zuhause ausgelacht, aber das tut nichts.
(Hans Christian Andersen, Alles am rechten Platz)
Anmerkung: Weitere Andersen-Märchen spare ich mir, die lässt Du
gewiss nicht gelten, aber sind noch ein paar mit "zuhause".
| In drei Stunden bin ich zuhause. In drei Stunden bin ich daheim.
| Ich werde wieder wissen, wo ich hingehöre.
(Klabund, Rasputin)
| Durch diese Antwort beruhigt, öffnete Brittles die Tür weit und
| sah sich einem stattlichen Manne im Mantel gegenüber, der sofort
| nähertrat und seine Stiefel ruhig an der Matte reinigte, als ob
| er hier zuhause sei.
(Charles Dickens, Oliver Twist, 31. Kapitel)
Anmerkung: Hier hätte sich Dein Sprachgefühl in einem einzigen Satz
sogar zweimal aufbäumen müssen - /zuhause/ *und* /nähertreten/, das
ist starker Tobak, nicht?
| Und laßt mir die Axt an der Wand zuhause; -
| Denn Ihr wißt, wie sie los' Euch im Handgelenk sitzt,
| Wenn der Met und das Bier Euch die Schläfen erhitzt.
(Henrik Ibsen, Das gest auf Solhaug, 1. Akt)
| Zuhause trägt sie sich meist ebenso, wie die Frauen im Dorfe,
| in Blauleinen oder Beiderwand, und nur, wenn sie mit dem
| Diesbauern zur Kirche fährt, zieht sie sich schwarz an, wie
| das in Ohlenhof gebräuchlich ist.
(Hermann Löns, Die Häuser von Ohlenhof/Tante Janna)
| [...] der Mutter Hausrat tragen sie ohn Ermüden die Kreuz und
| die Quer, dahin und dorthin, wo es ihnen wohl scheint, daß Scheer
| und Knaul und Nadelbüchs recht zuhause wären in Winkeln [...]
(Honoré de Balzac, Kinderschnabelweisheit)
| Er bleibt eine ganze Nacht von zuhause fort.
(Edgar Allen Poe, Der entwendete Brief)
| Aber niemand war zuhause, die Haustür war geschlossen.
(Johanna Spyri, In sicherer Hut, 4. Kapitel)
| In den Geschäften entlang ist das Geld wie zuhause
| und verkleidet sich scheinbar in Seide, Nelken und Pelz.
(Rainer Maria Rile, Sonette an Orpheus)
| Nachmittag, wenn er allein zuhause war, kniete er vor dem Ofen
| und sah regungslos in das Schwelen und Knistern der Glut und sog
| den heißen Hauch ein, der um seine Wangen leckte, bis ihm die
| Augen tränten und die Stirn glühte.
(Hugo von Hofmannsthal, Age of Innocence)
| Matthieu, der der Schwester zu Gefallen auch zuhause blieb,
| und Viktor und sie machten die ganze Bande dieses concert
| spirituel.
(Jean Paul, 24. Hundposttag [2])
Ist es genug Literatur? Und damit Du nicht sagen kannst, es seien vielleicht
nur vereinzelte Regionalismen, unfähige Übersetzer, veraltete Formen oder
poeteneigene Sprachgefühlverirrungen, hier noch ein paar Zeitungen aus den
zurückliegenden Jahren (ARS oder NRS spielt keine Rolle, sie werden es ja
nicht alle von Ickler abgeschrieben haben):
| Die sitzen zuhause in Moskau und kriechen vor Sehnsucht auf dem
| Zahnfleisch, während ihre Girls knutschend durch die Welt fahren.
(Der Spiegel online)
| Die Bilder, die ABC, NBC, CBS, CNN und Fox zuhause in die Fernsehstuben
| senden werden, werden deshalb kaum von den Wünschen der US-amerikanischen
| Generäle abweichen.
(Neues Deutschland 2003)
| Wer blau macht oder den Schnupfen zuhause auskuriert, braucht keinen
| Ärger zu fürchten.
(Die Welt, 2001)
| Er kreist lesend im den Laternenpfahl, weil er zuhause keinen Strom hat.
(Die Zeit, 2003)
| Beide Partner arbeiten zuhause, beide brauchen ihr eigenes Büro und wollen
| sich doch nicht voreinander zurückziehen.
(Die Zeit 1999)
| Warum eine weite Reise machen, wenn es doch zuhause so schön sein kann?
(Süddeutsche Zeitung, 2003)
Und das, obwohl "zuhause" weder nach alter noch nach neuer Schreibung
Es passte wohl
einfach besser in seine Adverbienliste in § 12.
Matthias
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Die Engländer würden bei weitem nicht so viel Leder machen, wenn
sie bloß ihre eigenen Felle gerbten. Prof. Galletti
*** Wer zum Teufel ist Galletti? => http://www.galletti.de/ ***