Post by Stefan RamIch wundere mich einmal wieder über die Diskussionen zum
sogenannten »Leistungsschutzrecht«: Ich habe einmal im
Usenet gelesen, daß das Urheberrecht grundsätzlich Zitate
verbietet, außer in gewissen engen Grenzen (etwa bei einer
eigenen inhaltlichen gedanklichen Auseinandersetzung mit
diesem Zitat im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit). Es
soll aber demnach im deutschen Recht keinen Anspruch auf das
geben, was im USA-Recht »fair use« heißt.
Wenn das stimmt, wäre es eher ein »Fehler« der
Rechtssprechung gewesen, Suchmaschinen die Zitate von
Ausschnitten auf Suchmaschinenergebnisseiten überhaupt zu
gestatten, da Suchmaschinen sich mit diesen Zitaten ja
nicht weiter selbst geistig auseinandersetzen.
Die Übertragung und Anzeige von Suchergebnissen erfolgt IMO nicht
öffentlich, sondern auf spezielle Anfrage eines Benutzers. Damit ließe
sich die Speicherung in der Suchmaschine als technisch bedingt
betrachten, und die Anzeige selbst verletzt kein Nutzungsrecht[1].
Damit sehe ich das Problem eher als ein netz-ökonomisches, indem eine
zentrale Stelle Millionen von hypothetischen privaten Suchmaschinen
ersetzt, die (ohne Zwischenspeicherung) mit ihren ad-hoc Scans des
gesamten Netzes zu einer gewaltigen Belastung des Netzes führen würden.
Es mag zwar für Verlage mißlich sein, wenn eine Suchmaschine unter
Verwendung ihrer Angebote Geld verdient, sie davon aber nichts
abbekommen; diese Einkünfte beruhen aber nicht auf dem (urheberrechtlich
geschützen) Anteil des Angebots, sondern auf dem Wissen um dessen
(ungeschützten) Inhalt (Stichworte), und stammen (derzeit) auch nicht
von den Nutzern der Suchmaschinen, sondern aus Werbeeinkünften. So
könnte eine Suchmaschine auf die Angabe von Zitaten auch verzichten, und
sich auf die IMO völlig unstrittige Angabe der vom Nutzer vorgegebenen
Suchkriterien zu jeder Fundstelle beschränken. Daran dürfte aber keiner
der Beteiligten ein Interesse haben.
[1] Jede Ausgabe/Anzeige eines Werks setzt voraus, daß dieses überhaupt
zugänglich ist. Die Verlage *wollen* ja, daß ihre Werke gefunden und
konsumiert werden, können konsequenterweise einen Zugang[2] also nicht
grundsätzlich unterbinden.
Damit müßte IMO eine Regelung schon beim *Zugang* zu den betroffenen
Werken ansetzen, z.B. in Form von pay-per-view. Dann könnte jede
*Weitergabe* solcher Werke, gesamt oder in Ausschnitten, zwischen dem
Rechtsinhaber und Nutzer abgerechnet werden, unter Einbziehung etwaiger
Vermittler (Suchmaschinen...), die für jede Weitergabe eines
zwischengespeicherten Inhalts einstehen müssen.
[2] Soweit der Zugang zu - und die Weitergabe von - Werken
Nutzungsrechten unterliegt, liegt es an den Anbietern, die
entsprechenden Konditionen festzulegen, bzw. am Gesetzgeber, neue Arten
von Nutzungsrechten zu definieren.
Wir sind ja schon weit von den vom Urheberrecht angenommenen Modell der
Verbreitung von (Sprach-)Werken in gedruckter Form entfernt, so daß die
Rechtevergabe und Abrechnung per Werkstück kaum mehr zeitgemäß ist. Auch
der öffentliche Vortrag solcher Werke wurde praktisch vollständig von
der privaten Abfrage verdrängt.
Die Bindung von Nutzungsarten an *Öffentlichkeit* erscheint mir deshalb
ziemlich überholt, führt höchstens noch zu juristischen Verrenkungen,
mit denen Öffentlichkeit herbeikonstuiert wird, oder Annahmen über die
Implementierung von Diensten getroffen werden, die praktisch nicht
nachprüfbar sind (online TV Recorder...). Das ebenfalls unerwünschte
Filesharing ist derzeit(!) nur deshalb feststellbar, weil die aktuellen
Implementierungen die technisch einfachste Lösung gewählt haben, die
dummerweise rechtlich nicht korrekt ist; praktisch könnte der gleiche
Effekt (unbegeschränkte Weiterverbreitung) auch gesetzeskonform erreicht
werden.
Letzendlich stellt sich mir das Problem des Leistungschutzes primär
nicht als Aufgabe des *Gesetzgebers* dar, sondern als die Frage nach der
*Finanzierung* nicht nur des Schaffens, sondern auch der Verbreitung von
Werken und anderen Inhalten.
Während früher der Transport von Werkstücken, oder die Bereitstellung
von Räumlichkeiten für öffentliche Vorführungen, einfach auf den
jeweiligen Endnutzer umgelegt werden konnte, spielt heute beim Internet
die Bereitstellung und Auslasung der Infrastruktur eine zunehmende
Rolle. Das inzwischen manifeste Problem der Energieverteilung, zwischen
den Windparks an der Küste und den Verbrauchern im Binnenland, trifft
ganz ähnlich auch das Internet. Die Einspeisung von Medien, speziell TV,
belastet die vorhandene Infrastruktur in einer Weise, die den Transport
zu einem echten Kostenfaktor werden läßt. Wenn wir die Preisentwicklung
auf dem Energiesektor (Strom, Benzin...) betrachten, könnten sich analog
die Internetbetreiber bald ähnlich beim Endverbraucher "bedienen" wie
andere Oligopole. Auch im Hinblick auf andere Transportsysteme (Schiene,
Straße...) lassen sich Ähnlichkeiten mit dem Internet finden. Die
Flatrate entspricht dann etwa einer Vignette oder Bahncard, und eine Art
Lkw-Maut könnte die Verlage und Sender treffen - evtl. auch
Suchmaschinen. Dagegen erscheint mir der Hickhack um Rechte und Lizenzen
wie Peanuts.
DoDi