Post by Patrick RudinQuizfrage: Man nehme eine übliche Stadt mit etwa 100 Trams. Wieviel
Prozent davon sind Reserve, damit Zusammenstösse, Lernfahrten,
Ausfälle und geplante Wartung nicht zur Angebotseinschränkung führen?
Das hängt signifikant davon ab, um welche Fahrzeugtypen es sich
handelt, sowie von betriebsspezifischen Gegebenheiten.
Der Fahrzeugtyp beeinflußt die (Nicht-)Verfügbarkeit infolge Ausfällen.
Die Spanne ist dabei enorm weit. Es gibt Fahrzeugtypen mit bis zu 97%
Verfügbarkeit (Tatras bei tschechischen Betreibern), und solche mit
kaum mehr als 50% Verfügbarkeit. Es wurden auch schon unter 50% gesehen.
Lokale Gegebenheiten sind z.B. Häufigkeit und Art von Vandalismusschäden
sowie die "Politik" des Betreiber-Managements bezüglich deren
Beiseitigung. Steinigungen von Straßenbahen kommen auch in Westeuropa
vor, nicht nur in Kalkutta. Relevant sind auch die Häufigkeit von
Unfällen mit Kraftfahrzeugen, Einflüsse infolge des
Infrastrukturzustandes etc. usw.
Dazu kommen noch solche "Schmankerl" wie "übliche" Lieferzeiten für
Ersatzteile, die schonmal dazu führen, daß Fahrzeuge monatelang
lahmgelegt werden. Oder moderne "Managementstrategien" der
Betreiber bezüglich planmäßiger Nichtinstandhaltung strikt nach
Budgetzielvorgabe (früher auch mal als afrikanische, sowjetische oder
indische Instandhaltungsstrategie bezeichnet aber im Zuge der
Globalisierung hierzulande mittlerweile voll integriert).
Für einen mittel-/westeuropäischen Straßenbahnbetreiber würde ich alles
zwischen 10 und 20% "Reserve" als "normal" ansehen, wie schon jemand
anders geschrieben hat. Deutlich weniger als 10% Nichtverfügbarkeit
halte ich bei modernen Fahrzeugen für utopisch. Mehr als 20% geht schon
in Richtung "abgrundtief grottenschlecht". Aber ich habe auch schon ganz
anderes gesehen.
Gerade bei "modernen" Fahrzeugen gibt es z.T. erschreckende
Ausfallraten. AnsaldoBreda ist überall. Und Zahlenwerte, die auf dem
Papier angeblich "gewährleistet" werden, kann man in der Realität
getrost vergessen. Denn wenn der nagelneue Schrott erstmal auf dem Hof
steht, ist es auch schon zu spät. Siehe Combino, Göteborg oder diverse
britische Betreiber, die verältnismäßig junge Fahrzeuge vorzeitig
verkaufen wollen.
Kurz: Die "Zuverlässigkeit" und "Verfügbarkeit" moderner Fahrzeuge der
großen europäischen Hersteller zu schlagen sollte für einen
"Neueinsteiger" als Konkurrenten eigentlich kein Problem sein. Der
Markt wartet eigentlich nur auf den "Schienen-Toyota". Nur wenn man's
halt so macht wie z.B. Stadler, d.h. sich "erfolgreiche" Karrieristen
ins Haus holt und damit natürlich die Organisationspathologien der
"Etablierten" minutiös kopiert, ist das Resultat zwangsläufig.
Interessant in diesem Zusammenhang wäre es z.B. wie sich Solaris
entpuppt oder wie sich Skodas Fahrzeuge bei einem westeuropäischen
Betreiber machen würden.
MfG,
Wolfgang