Post by Henning KochPost by Ralf KoenigIch spinne mal: die wichtigste Änderung könnte in Zukunft sein, dass die
EU-Typzulassung immer nur befristet ausgestellt wird. Und diese muss
*aktiv* durch eine neue Messung verlängert werden (zwischen Hersteller
und einem reformierten KBA). Sie wird dort auch immer wieder auf
illegale Abschalteinrichtungen geprüft (neue Erkenntnisse auf Seite der
Umweltbehörden, neue Firmware-Versionen der Hersteller).
Auch heute schon gibt es die Möglichkeit, Typgenehmigungen
nachträglich zurückzuziehen, wenn sich die Fahrzeuge als nicht
vorschriftsmäßig erweisen.
Meine Vermutung wäre ja genau so.
Das Zurückziehen von Typzulassungen für //bereits zugelassene
Fahrzeuge// scheint aber eine (rechtlich) komplexe Sache zu sein.
Typengenehmigungsrichtlinie 2007/46/EG. An sich müssten dort nach Art.
46 der Richtlinie war die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet,
abschreckende Sanktionen für Verstöße gegen die Richtlinie vorgesehen
werden. Wurden aber nicht. :-) Auch Ergebnis des 5.
Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages (VW
Untersuchungsausschuss).
Das wäre dann wirklich ein Juristen-Thema. Einmal theoretisch und einmal
praktisch. de.soc.recht.strassenverkehr wäre dafür wohl das richtige.
Einfacher ist es also für neue Erstzulassungen.
Einen Mini-Einblick bekommt man hier:
http://www.spiegel.de/auto/aktuell/volkswagen-affaere-luxemburg-entzieht-abgaszertifikat-fuer-ea-189-motor-a-1133365.html
* Technische Typzulassung in einem EU-Land (das wird wohl ein CoC sein)
* Einhaltung der Emissionswerte in einem anderen EU-Land
Und da haben sich die Autohersteller natürlich das ausgesucht, was
besonders gut geklappt hat.
http://www.focus.de/auto/news/abgas-skandal/abgas-skandal-zulassungstourismus-nur-ein-deutscher-hersteller-laesst-alle-autos-in-deutschland-zu_id_5571052.html
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Hier lassen deutsche Hersteller ihre Autos zu
Audi: Deutschland, Luxemburg
BMW: Deutschland, Luxemburg
BMW Alpina und BMW M GmbH: Deutschland
Ford: Deutschland, Großbritannien, Luxemburg
Daimler: Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien
Opel: Deutschland, Italien, Niederlande, Großbritannien, Luxemburg,
Malta
Porsche: Luxemburg
Volkswagen: Deutschland, Luxemburg
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"Im Rahmen des Prüfverfahrens führt ein akkreditiertes Prüfunternehmen
dann die erforderlichen Messungen durch. Problematisch erscheint hierbei
aus meiner Sicht, dass diese privaten Prüfunternehmen, die hier mit
öffentlich-rechtlichen Aufgaben betraut werden, angesichts ihrer Nähe zu
den Herstellern kaum als unabhängig angesehen werden können."
Ich kann mir vorstellen, dass das die Sache nicht gerade einfacher macht.
Ein Daten-Fuchs bekommt aus öffentlichen Daten (Auskunftspflicht der
Behörden gibt es ja!) bestimmt auf HSN-TSN-Basis da eine Menge heraus.
Bei den Zulassungsstellen muss das ja vorhanden sein und bei den
Prüforganisationen auch.
Aber die DUH hat auch schon mal sowas verlangt, und dann 600 Seiten
geschwärztes PDF erhalten. Alles geschwärzt wegen
Industrie-Geheimnissen, die der Herausgabe nicht zugestimmt haben. :-)
Also: selbst das ist ne schwierige Geschichte.
Leute können die Typzulassungs-Nummern an sich natürlich aus ihren
Fahrzeugscheinen (Feld K - "Nummer der EG-Typgenehmigung oder ABE")
selbst zusammensammeln. Bei der FSD müsste sowas auch gleich in
Datenform da sein.
Oder hier: https://www.eucaris.net/
"EUCARIS, the EUropean CAR and driving license Information System, is a
system that connects countries so they can share vehicle and driving
licence information and other transport related data. EUCARIS is not a
database but an exchange mechanism that connects the Vehicle and Driving
Licence Registration Authorities in Europe. EUCARIS is developed by and
for governmental authorities and supports a.o. the fight against car
theft and registration fraud."
Hier gibt's nen kleinen Einblick:
https://ereg-association.eu/publications/the-vehicle-chain-in-europe-2014/
Post by Henning KochEigentlich müsste man das sogar tun und die entsprechenden Fahrzeuge
aus dem Verkehr ziehen. Dass das bisher nicht geschehen ist (AFAIK ist
Porsche jetzt der erste Fall, in dem in Deutschland die Zulassung
ausgesetzt wird?),
Ja, so ist auch meine Wahrnehmung: beim Porsche Cayenne 3.0 TDI mit der
8-Gang-Automatik EURO6 wird für Neuzulassungen (nur DE, ganze EU?)
ausgesetzt bis Porsche eine neue Firmware abnehmen lässt. Das ist hier
für dieses Städtchen relevant, denn "wir" endmontieren die Dinger. :-)
Und nun stehen sie da.
Meine Wissens ist das auch das erste mal, dass sowas ausgesetzt wird.
Was ich jetzt aber gelesen habe (Spiegel-Artikel oben):
Luxemburg zog Anfang 2017 ein Abgasgutachten für die EURO5-Typzulassung
von EA189-Dieselmotoren zurück. Der wurde für Marokko, Algerien,
Südafrika noch in Neufahrzeugen verbaut, und auch diese Länder beziehen
sich auf die europäischen Zulassungen.
Also wenn es noch Rechtsanwälte mit Zeit, technischem Interesse aber
ohne aktuelle Kunden gibt: die können sich da richtig austummeln. :-) Zu
verdienen gibt's bestimmt was.
Post by Henning Kochdürfte reines Entgegenkommen dem Bürger (Wähler)
gegenüber sein. Rein von der Logik her ist es natürlich auch
nachvollziehbar, den Bürger nicht für Verfehlungen der Hersteller
übermäßig stark zur Verantwortung zu ziehen.
Naja, im Prinzip würde es dem Besitzer doch nützen: denn natürlich macht
der dann seinen Anspruch sofort gegen den Händler oder Hersteller
geltend und hat ein richtig scharfes Schwert in der Hand: Betrug und auf
der Grundlage Anfechtung der Kaufverträge. Und das ist natürlich eine
Bedrohung für die Industrie und Auto-Händler, inbesondere bei der
VAG-Gruppe mit deren Geständnis.
Und es gibt eine zweite Bedrohung: die Zulassungsbehörden und
Aufsichtsbehörden selbst werden dann von Bürgern verklagt, weil ihre
Verwaltungsprozesse nicht geklappt haben, so dass nun diese drastischen
Stilllegungen nötig wären. Und ein Kunde, der seine Karre überhaupt
nicht mehr fahren darf, hat da wesentlich mehr Feuer im Arsch als ein
Kunde, der sein Auto weiterfährt, dann mal bei der Inspektion nen Update
und alles ist schicki.
Hier sind also Industrie und Zulassungsbehörden in einem Boot - und das
wissen beide. :-)
Die erste Staatshaftungsklage ist nun auch schon passiert:
5.8.2017
https://www.vw-schaden.de/aktuelles/abgasskandal-staatshaftung-klage-auf-schadensersatz-gegen-bundesrepublik-deutschland
--> "Staatshaftungsklage" - was es nicht alles gibt.
Stoll & Sauer ist ist schon bekannt als "VW-Jäger". Nun nehmen sie sich
auch die behördliche Seite aufs Korn: die BRD vertreten durch das
Bundesverkehrsministerium, vertreten durch Herrn Dobrindt, Oberaufseher
über das KBA. Der Kläger will die 19.000 EUR Kaufpreis für nen GTD
zurück (muss dann ja ein Gw gewesen sein), dafür bekommt die BRD das
Auto. :-) Das nenn ich mal nen Deal.
Werbe-Ton dort: "Wir sind der Marktführer im VW Abgasskandal: mit über
35.000 Geschädigten und mehr als 3.400 laufenden Klageverfahren
vertreten wir die meisten Betroffenen.“"
Natürlich streicht die Kanzlei ihre Erfolge heraus, während wohl viele
Kladen nicht erfolgreich sein werden.
Also vielleicht wären Sammelklagen eine gute Idee. Denn was sollen die
armen Gerichte denn mit 3400 Klagen machen? Woraus dann sogar mehrere
Mio Einzelklagen werden könnten, wenn das alle Betroffenen machen? Aber
Herr Dobrindt hat auch die Musterfeststellungsklage verhindert.
https://www.tagesschau.de/inland/sammelklage-dobrindt-101.html
Heer Maas (Justizminister) lässt sich da aber auch Zeit und Ruhe - wie
Frau Hendricks (Umweltministerin).
Post by Henning KochPost by Ralf KoenigOBD-Teil
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* Firmware Motorsteuerung und Geriebesteuerung sind zugelassene
Versionen => Maßnahme gegen Veränderungen der Firmware (Chiptuning,
OBD-Tuning), Byte-Inhalt auslesen, neue Prüfsumme darüber berechnen,
diese checken gegen Referenz des KBA. Das KBA pflegt eine Datenbank,
welche Firmware-Versionen mit welchen Prüfsummen zu welchem Zeitpunkt ok
sind. Passiert alles in Software.
sowas in der Art ist ja momentan schon geplant für die
update-pflichtigen VW-Modelle.
Mal schauen, ob und wann das kommt. An sich ist schon seit EURO5
(2009/2010) ja die Verfügbarkeit eines Passthrough-Interface nach SAE
J2534 vorgeschrieben (Zugriff auf Byte-Ebene an den
High-Level-Protokollen vorbei). Damit auch freie Werkstätten die
Motorsteuerungssoftware aktualisieren können - aber mit den
Hersteller-Tools und der Hersteller-Firmware.
https://www.obd-2.de/euro-5-j2534-passthru.html
Jetzt, 7 Jahre später, darf es dann auch langsam mal lesend in einem
AU/HU-Massenprozess genutzt werden. :-)
Eins ist klar als Ausblick: Over-the-Air--Updates für neue Fahrzeuge
werden kommen - sehr schnell und natürlich auch für die Motorsteuerung
von Verbrennerfahrzeugen. :-) Vielleicht zu schnell - wenn da Leute
pennen und die Dinger angreifbar wären.
Grüße,
Ralf