Discussion:
Klage gegen außeroertliche RWBP - LK Nienburg, B441 Leese - Loccum
(zu alt für eine Antwort)
Olokun
2017-06-11 20:42:21 UTC
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Nebenan im Verkehrsportal wurde das schon zum Thema gemacht:

http://www.verkehrsportal.de/board/index.php?
s=&showtopic=112999&view=findpost&p=1057912658

(enthält Zitate zu entsprechenden Einstiegs-Beiträgen)

Ursprünglich ging es mir dabei hauptsächlich um die 205er an der Radbahn
des Kreisverkehrs, den Radfahrer „verkehrtherum“ befahren sollen.
Nach der zwischenzeitlich erfolgten StVOänderung ist natürlich auch
interessant was das Gericht zur RWBP so meint. Kennt jemand schon ein
nach dieser Änderung erfolgtes Urteil zu einer außerörtlichen RWBP? Etwas
unglücklich wenn es im ersten danach gleich um einen an einer
Bundesstraße geht. Dafür aber vorm VG Hannover, das ja schon einige
radfahrerfreundliche Urteile verkündet hat.

Die Verhandlung ist _vor_Ort_ am 14.6, also jetzt am Mittwoch. Ich werde
natürlich berichten.
Olokun
2017-07-27 08:28:10 UTC
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Post by Olokun
http://www.verkehrsportal.de/board/index.php?
s=&showtopic=112999&view=findpost&p=1057912658
(enthält Zitate zu entsprechenden Einstiegs-Beiträgen)
Ursprünglich ging es mir dabei hauptsächlich um die 205er an der Radbahn
des Kreisverkehrs, den Radfahrer „verkehrtherum“ befahren sollen.
Nach der zwischenzeitlich erfolgten StVOänderung ist natürlich auch
interessant was das Gericht zur RWBP so meint. Kennt jemand schon ein
nach dieser Änderung erfolgtes Urteil zu einer außerörtlichen RWBP?
Etwas unglücklich wenn es im ersten danach gleich um einen an einer
Bundesstraße geht. Dafür aber vorm VG Hannover, das ja schon einige
radfahrerfreundliche Urteile verkündet hat.
Die Verhandlung ist _vor_Ort_ am 14.6, also jetzt am Mittwoch. Ich werde
natürlich berichten.
Das Urteil mit meinen Anmerkungen:

http://www.verkehrsportal.de/board/index.php?
s=&showtopic=112999&view=findpost&p=1057934186

Von der Verhandlung selbst gab es letztlich nichts zu berichten, es wurde
detailiert die Örtlichkeit unter Augenschein genommen, das Protokoll
umfaßt einschließlich der Lichtbilder 51 Seiten. Zur Sache hatte sich die
Kammer aber nicht geäußert.
Lediglich über den kurzen innerörtlichen Abschnitt der RWBP erklärte der
Beklagte, dass die Benutzungspflicht dort aufgehoben werden würde.
Michael Heydenbluth
2017-07-28 04:31:22 UTC
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Post by Olokun
Post by Olokun
http://www.verkehrsportal.de/board/index.php?
s=&showtopic=112999&view=findpost&p=1057912658
(enthält Zitate zu entsprechenden Einstiegs-Beiträgen)
Ursprünglich ging es mir dabei hauptsächlich um die 205er an der Radbahn
des Kreisverkehrs, den Radfahrer „verkehrtherum“ befahren sollen.
Nach der zwischenzeitlich erfolgten StVOänderung ist natürlich auch
interessant was das Gericht zur RWBP so meint. Kennt jemand schon ein
nach dieser Änderung erfolgtes Urteil zu einer außerörtlichen RWBP?
Etwas unglücklich wenn es im ersten danach gleich um einen an einer
Bundesstraße geht. Dafür aber vorm VG Hannover, das ja schon einige
radfahrerfreundliche Urteile verkündet hat.
Die Verhandlung ist _vor_Ort_ am 14.6, also jetzt am Mittwoch. Ich werde
natürlich berichten.
http://www.verkehrsportal.de/board/index.php?
s=&showtopic=112999&view=findpost&p=1057934186
Von der Verhandlung selbst gab es letztlich nichts zu berichten, es wurde
detailiert die Örtlichkeit unter Augenschein genommen, das Protokoll
umfaßt einschließlich der Lichtbilder 51 Seiten. Zur Sache hatte sich die
Kammer aber nicht geäußert.
Lediglich über den kurzen innerörtlichen Abschnitt der RWBP erklärte der
Beklagte, dass die Benutzungspflicht dort aufgehoben werden würde.
Trotz der neuen Regelung wurde eine außerhalb geschlossener Ortschaft
gelegene Radwegbenutzungspflicht aufgehoben, aber viel ist das Urteil
leider nicht wert. Die Behörde wird sich wohl nicht die Mühe machen
müssen, vor dem OVG die 2. Instanz zu versuchen.

Ganz klar (und erwartet) hat das VG angenommen, eine
Radwegbenutzungspflicht außerhalb geschlossener Ortschaft sei geeignet
zur Gefahrenbekämpfung, sie sei das einzige infrage kommende Mittel,
dasselbe sehe auch der Gesetzgeber so und daher sei die Anordnung der
Radwegbenutzungspflicht prinzipiell rechtmäßig. Hingegen sei sie aber im
konkreten Fall fehlerhaft erfolgt (und wurde daher im Urteil
aufgehoben), weil die VwV-Bedingungen nicht eingehalten worden seien und
soooo gefährlich, daß das "ausnahmsweise" hätte erfolgen dürfen, sei die
Straße nun auch wieder nicht.

Und dann werden die VwV-Verstöße aufgezählt: Fehlende kleine Schilder
"Radverkehr in beide Richtungen" über den "Vorfahrt achten"-Schildern
bei einigen Nebenstraßen und fehlende Furtmarkierungen. Das war's im
Wesentlichen, wenn ich nichts überlesen habe.

Also nichts. was die Behörde nicht mit einem Pott Farbe und einem
Auftrag an den Schildermacher hinbiegen könnte (und dann
selbstverständlich die Radwegbenutzungspflicht wieder anordnet).

Das VG hat sich nicht mit den (ich nehme mal an: vorgebrachten)
Argumenten auseinandergesetzt, daß, statistisch gesehen, die Sicherheit
eben nicht durch das laut Urteil "geeignete" und "als einziges infrage
kommende Mittel" Radwegbenutzungspflicht erhöht wird. Andererseits
brauchte es das auch nicht unbedingt zu machen, da im konkreten Fall
wegen Ausführungsmängel die Anordnung sowieso rechtsfehlerhaft war.

Für Niedersachsen ist das Urteil denn doch ein Gewinn, weil unendlich
viele Radwegkilometer sowas von außerhalb der VwV-Bedingungen sind, daß
man damit vielleicht doch die eine oder andere Behörde zur Einsicht bringt.
Frank Bokelmann
2017-07-31 06:19:01 UTC
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Post by Michael Heydenbluth
Trotz der neuen Regelung wurde eine außerhalb geschlossener Ortschaft
gelegene Radwegbenutzungspflicht aufgehoben, aber viel ist das Urteil
leider nicht wert. Die Behörde wird sich wohl nicht die Mühe machen
müssen, vor dem OVG die 2. Instanz zu versuchen.
Ganz klar (und erwartet) hat das VG angenommen, eine
Radwegbenutzungspflicht außerhalb geschlossener Ortschaft sei geeignet
zur Gefahrenbekämpfung, sie sei das einzige infrage kommende Mittel,
dasselbe sehe auch der Gesetzgeber so und daher sei die Anordnung der
Radwegbenutzungspflicht prinzipiell rechtmäßig. Hingegen sei sie aber im
konkreten Fall fehlerhaft erfolgt (und wurde daher im Urteil
aufgehoben), weil die VwV-Bedingungen nicht eingehalten worden seien und
soooo gefährlich, daß das "ausnahmsweise" hätte erfolgen dürfen, sei die
Straße nun auch wieder nicht.
Und dann werden die VwV-Verstöße aufgezählt: Fehlende kleine Schilder
"Radverkehr in beide Richtungen" über den "Vorfahrt achten"-Schildern
bei einigen Nebenstraßen und fehlende Furtmarkierungen. Das war's im
Wesentlichen, wenn ich nichts überlesen habe.
Also nichts. was die Behörde nicht mit einem Pott Farbe und einem
Auftrag an den Schildermacher hinbiegen könnte (und dann
selbstverständlich die Radwegbenutzungspflicht wieder anordnet).
Das VG hat sich nicht mit den (ich nehme mal an: vorgebrachten)
Argumenten auseinandergesetzt, daß, statistisch gesehen, die Sicherheit
eben nicht durch das laut Urteil "geeignete" und "als einziges infrage
kommende Mittel" Radwegbenutzungspflicht erhöht wird. Andererseits
brauchte es das auch nicht unbedingt zu machen, da im konkreten Fall
wegen Ausführungsmängel die Anordnung sowieso rechtsfehlerhaft war.
Für Niedersachsen ist das Urteil denn doch ein Gewinn, weil unendlich
viele Radwegkilometer sowas von außerhalb der VwV-Bedingungen sind, daß
man damit vielleicht doch die eine oder andere Behörde zur Einsicht bringt.
Also mal ehrlich: das Urteil wäre ein Riesengewinn, wenn sich nur alle VG auf diese Rechtsprechung einigen könnten. Denn niemand - auch ich nicht - würde behaupten, dass die benutzung vieler außerörtlicher Radwege keinen signifikanten Sicherheitsgewinn bieten. Alle Probleme, die innerorts das Radfahren augf Radwegen zum Russischen Roulette machen (Kampfparker, Idioten-Fußgänger, Rechtsabbieger, ...) sind außerorts doch deutlich seltener. Dafür ist die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen Radfahrer und Kfz-Verkehr deutlich höher. Bei der Verteilung der toten Radfahrer relativ zur Nutzung steht Radfahren außerorts auch nicht gut da. Keinen Sicherheitsgewinn durch Radwegebenutzung kann man da nur bei Straßen fast ohne Kfz-Verkehr haben.

Aber, und da liegt das Problem, fast alle Behörden sagen sich, wenn die Benutzungspflicht notwendig, dass die Beachtung der Vorschriften für die Radwege unnötig sei. Und damit kommen sie außerhalb einiger weniger Gerichtsbezirke (z.B. Dresden und Hannover) auch noch durch. Dass läßt derzeit bundesweit die Ziele der "Fahrradnovelle von 1997" in unerreichbare Ferne rücken. Die nicht notwendigen Benutzungspflichten werden immer mehr abgebaut (was aber de tatsächliche Benutzung der Radwege kaum mindert). Die Radwege, deren Benutzung notwendig ist, sind dagegen - mit dem Segen der VG(!) - teilweise in einem Zustand der Verwahrlosung, der eher an Bilder aus einer Klepptokratie oder einem gescheiterten Staat als an deutsches Verwaltungshandeln denken läßt, weil die Richter vor der Konsequenz ehrlicher Urteile zurückschrecken.

In Hamburg macht sich die StVB nicht mal mehr die Mühe von Widerspruchsentscheidungen, die auch nur den Anschein der Begründung einer Ermessensentscheidung wahren, oder irgendwelche Reparaturen vor dem Termin der mündlichen Verhandlung. Da stehen die Richter dann vor einer unbenutzbaren Kraterlandschaft und weisen die Klagen ab. Hier fährt man besser ohne VG-Urteil auf der Fahrbahn und macht die Sache mit dem Amtsgericht ab. Kostet nix, hilft aber dem Rechtsfrieden auch nicht. Da läuft außerhalb Hannovers einiges schief.

Und die Urteile aus Berlin und Schleswig-Holstein, wo mitunter die Benutzung von völlig verwahrlosten Radwegen einfach für nicht notwendig erklärt wird, die aber tatsächlich in der Hauptverkehrszeit sogar mit schweren Motorrädern benutzt werden, hilft auch nur bedingt, weil das Problem nicht benannt wird.
Thomas Sçhlueter
2017-07-31 08:52:43 UTC
Permalink
Post by Frank Bokelmann
Also mal ehrlich: das Urteil wäre ein Riesengewinn, wenn sich nur
alle VG auf diese Rechtsprechung einigen könnten. Denn niemand -
auch ich nicht - würde behaupten, dass die benutzung vieler
außerörtlicher Radwege keinen signifikanten Sicherheitsgewinn
bieten.
Doch, hier, ich behaupte das.
Post by Frank Bokelmann
Alle Probleme, die innerorts das Radfahren augf Radwegen zum
Russischen Roulette machen (Kampfparker, Idioten-Fußgänger,
Rechtsabbieger, ...) sind außerorts doch deutlich seltener. Dafür ist
die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen Radfahrer und Kfz-Verkehr
deutlich höher.
Das Fatale ist, dass die hohen außerörtlichen KFZ-Geschwindigkeiten erst
recht auch jeden Vorrangfehler (Vorfahrt, Fahrbahnquerung,
Linksabbiegen) zur Quelle schwerster oder tödlicher Verletzungen machen.
Dies betrifft nicht nur den Radverkehr, sondern auch Kradfahrer und
nicht zuletzt auch die Autoinsassen selbst. Hinzu kommt für Kraftfahrer
das dramatisch gestiegene Risiko im Begegnungsverkehr. Solche Risiken
kann man also ganz sicher nicht dadurch heilen, dass ein Teil der
Gefährdeten da fahren muss/darf, wo sich die ohnehin erhöhten
Gefährdungen noch häufiger auswirken werden. Das einzige wirksame
Gegenmittel besteht in der Durchsetzung der Beachtung von § 3 StVO, also
in einer allgemeinen Verkehrsberuhigung.
Post by Frank Bokelmann
Bei der Verteilung der toten Radfahrer relativ zur Nutzung steht
Radfahren außerorts auch nicht gut da.
Das Gleiche gilt für Kradfahrer, Mofafahrer, Autofahrer und nicht
zuletzt für Fußgänger.
Post by Frank Bokelmann
Keinen Sicherheitsgewinn durch Radwegebenutzung kann man da nur bei
Straßen fast ohne Kfz-Verkehr haben.
Der klassische Unfall im außerörtlichen Längsverkehr spielt sich nachts
und/oder auf einsamen Kreisstraßen, also gerade bei "fast ohne
KFZ-Verkehr" ab. Auf belebten Bundesstraßen zur Hauptverkehrszeit gibt
es solche Unfälle nicht, obwohl da der Radverkehr sicherlich *sehr* viel
stärker als in den Nachtstunden sein dürfte.

Tom
Anton Ertl
2017-07-31 08:47:30 UTC
Permalink
Denn niemand - auch ich =
nicht - w=C3=BCrde behaupten, dass die benutzung vieler au=C3=9Fer=C3=B6rtl=
icher Radwege keinen signifikanten Sicherheitsgewinn bieten. Alle Probleme,=
die innerorts das Radfahren augf Radwegen zum Russischen Roulette machen (=
Kampfparker, Idioten-Fu=C3=9Fg=C3=A4nger, Rechtsabbieger, ...) sind au=C3=
=9Ferorts doch deutlich seltener. Daf=C3=BCr ist die Geschwindigkeitsdiffer=
enz zwischen Radfahrer und Kfz-Verkehr deutlich h=C3=B6her. Bei der Verteil=
ung der toten Radfahrer relativ zur Nutzung steht Radfahren au=C3=9Ferorts =
auch nicht gut da. Keinen Sicherheitsgewinn durch Radwegebenutzung kann man=
da nur bei Stra=C3=9Fen fast ohne Kfz-Verkehr haben.
Deine mehrfachen Verneinungen sind etwas verwirrend, aber jedenfalls
behaupte ich, dass die Benutzung ausseroertlicher Radwege keinen
Sicherheitsgewinn bietet, und schon gar keinen signifikanten. Dazu
sind die Faelle, vor denen Radwege angeblich schuetzen sollen
(Unfaelle beim Ueberholen von Radfahrern durch Autofahrer) zu selten,
und Unfaelle, die von Radwegen beguenstigt werden (z. B. beim Queren
der Fahrbahn, aber auch vieles andere mehr, siehe die 50 Gruende,
einen Radweg nicht zu benutzen, und das Prinzip Radweg) zu haeufig.

Jetzt stellt sich die Frage, warum Du (wenn ich Deine verklausulierte
Formulierung richtig durchschaut habe) behauptest, dass
ausseroertliche Radwege einen signifikanten Sicherheitsgewinn boeten.

Ich beobachte bei mehreren Postern hier ein Muster, dass sie den
Autofahrern/Radwegfans etwas zugestehen wollen (der eine will ihnen
geringe Seitenabstaende beim Ueberholen zugestehen, der andere die
Sicherheit von ausseroertlichen Radwegen), vielleicht in der Hoffnung,
dass die andere Seite ihnen dann bei den Sachen, die ihnen wichtiger
sind, ihrerseits entgegenkommt. Das funktioniert so nicht. Die
nehmen das Geschenk einfach an, ohne sich zu bedanken, und koennen
ihre Kraefte dann auf den Rest konzentrieren, und nehmen das Geschenk
vielleicht noch als Schuetzenhilfe (z.B.: "Nicht einmal Frank
Bokelmann, der sich als [herabwuerdigende Bezeichnung] einen Namen
gemacht hat, bestreitet, dass Radwege einen signifikanten
Sicherheitsgewinn bieten koennen. Daher ist die
Radwegbenutzungspflicht alternativlos.").

- anton
--
de.rec.fahrrad FAQ: http://0x1a.de/rec/fahrrad/
Radfahrer sollten vor oder hinter fahrenden Kfz fahren und nicht daneben
B. Küffner
2017-08-01 07:46:43 UTC
Permalink
jedenfalls
Post by Anton Ertl
behaupte ich, dass die Benutzung ausseroertlicher Radwege keinen
Sicherheitsgewinn bietet, und schon gar keinen signifikanten.
Das ist vrichtig, es zeigt auch eine Unfallstudie für Außerortsstrecken mit und ohne Radweg, die bereits 1982 von der BASt durchgeführt wurde:
https://groups.google.com/d/msg/de.rec.fahrrad/gTJxb7zQUQs/XJom1s3mAgAJ
Martin Gerdes
2017-07-31 22:02:18 UTC
Permalink
Post by Frank Bokelmann
Also mal ehrlich: das Urteil wäre ein Riesengewinn,
wenn sich nur alle VG auf diese Rechtsprechung einigen
könnten.
Ist es das? Man mag es bezweifeln.
Post by Frank Bokelmann
Denn niemand - auch ich nicht - würde behaupten, dass
die Benutzung vieler außerörtlicher Radwege keinen
signifikanten Sicherheitsgewinn bieten.
Ich halte mich für einen solchen Niemand.
Post by Frank Bokelmann
Alle Probleme, die innerorts das Radfahren auf
Radwegen zum Russischen Roulette machen
(Kampfparker, Idioten-Fußgänger, Rechtsabbieger,
...) sind außerorts doch deutlich seltener.
Dafür ist die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen
Radfahrer und Kfz-Verkehr deutlich höher.
... und es gibt neue Gefahren, die es innerorts in der Weise nicht gibt,
abgesehen davon, daß die Oberfläche von außerörtlichen Radwegen
spätestens ein halbes Jahr nach Inbetriebnahme signifikant schlechter
ist als die der Fahrbahn, von der Führung derselben ganz zu schweigen.

Es scheint ein unseliges Gesetz zu sein, neben jedem außerörtlichen
Radweg Bäume pflanzen zu müssen, die man hinterher als Radfahrer
hoppel-hoppel-hoppel an ihren Wurzeln bereits mit dem Hintern erkennt.

Ich habe an solchen Stellen schon Radfahrer stürzen sehen. Auf der
danebenliegenden Fahrbahn wäre das (da glatt) nicht passiert.

Die Fahrbahn ist außerörtlich breit genug, daß ein entgegenkommendes
Fahrzeug (egal welcher Art) kein Problem darstellt. Für außerörtliche
Radwege gilt das nicht, die sind in aller Regel zu schmal für
Gegenverkehr. Es gibt dort aber Gegenverkehr -- der dort eine
zusätzliche Gefährdung darstellt, die es auf der Fahrbahn nicht gibt.

Eine neue Gefährdung sind Querungen, die nur deswegen nötig sind, weil
der Radweg eigentlich keinen Platz neben der Fahrbahn hatte und daher
zwischen den Ortschaften fröhlich von links nach rechts hüpft und
umgekehrt. Und an solchen (nur durch die Konstruktion der Radwege
nötigen Querungen) gibt es immer wieder schwere Unfälle auch mit Toten.

Ich komme gerade aus dem Urlaub zurück von einer Gegend, wo es vor
Fahrrädern nur so wimmelt. Dort ist die Verkehrsdichte auf Radwegen
erheblich dichter als auf der Fahrbahn, dazu kommen die Fußgänger, die
aus Sicherheitsgründen mit den Radfahrern im Gegenverkehr die 1,80 m
Hoppelasphalt teilen.
Post by Frank Bokelmann
Bei der Verteilung der toten Radfahrer relativ zur Nutzung steht
Radfahren außerorts auch nicht gut da.
-v, bitte.
Post by Frank Bokelmann
Keinen Sicherheitsgewinn durch Radwegebenutzung kann man da nur bei
Straßen fast ohne Kfz-Verkehr haben.
Aber, und da liegt das Problem, fast alle Behörden sagen sich,
wenn die Benutzungspflicht notwendig, dass die Beachtung der
Vorschriften für die Radwege unnötig sei.
Das sagen die Behörden nicht. Die Behörden sagen: Der Lolli ist das
Entscheidende, alles andere ist egal. Wo Lolli, da Rad weg. Klappe zu,
Affe tot.
Post by Frank Bokelmann
Und damit kommen sie außerhalb einiger weniger Gerichtsbezirke
(z.B. Dresden und Hannover) auch noch durch.
Ex falso quodlibet.
Post by Frank Bokelmann
Dass läßt derzeit bundesweit die Ziele der "Fahrradnovelle von
1997" in unerreichbare Ferne rücken. Die nicht notwendigen
Benutzungspflichten werden immer mehr abgebaut
???
Post by Frank Bokelmann
(was aber die tatsächliche Benutzung der Radwege kaum mindert).
Die Radwege, deren Benutzung notwendig ist, sind dagegen - mit
dem Segen der VG(!) - teilweise in einem Zustand der
Verwahrlosung, der eher an Bilder aus einer Kleptokratie
oder einem gescheiterten Staat als an deutsches Verwaltungshandeln
denken läßt, weil die Richter vor der Konsequenz ehrlicher
Urteile zurückschrecken.
Schönes Wortgeklingel. Ich bin anderer Meinung.

Erstmal gibt es keine Radwege, deren Benutzung "notwendig" ist, wohl
aber deutlich zuviele, bei denen behördlich ohne großes Nachdenken
Benutzungspflicht angeordnet wird. Die behördliche Benutzungspflicht
resultiert normalerweise nicht aus einer Güterabwägung, sondern aus
einem unbedingten Reflex, der da heißt: "Fahrrad? Benutzungspflicht."

Den Bogen zwischen Kleptokratie und deutschem Verwaltungshandeln schaffe
ich gedanklich nicht.
Post by Frank Bokelmann
In Hamburg macht sich die StVB nicht mal mehr die Mühe von
Widerspruchsentscheidungen, die auch nur den Anschein der
Begründung einer Ermessensentscheidung wahren, oder irgendwelche
Reparaturen vor dem Termin der mündlichen Verhandlung. Da stehen
die Richter dann vor einer unbenutzbaren Kraterlandschaft und
weisen die Klagen ab.
Hier fährt man besser ohne VG-Urteil auf der Fahrbahn und macht
die Sache mit dem Amtsgericht ab. Kostet nix, hilft aber
dem Rechtsfrieden auch nicht. Da läuft außerhalb Hannovers
einiges schief.
Und innerhalb Hannovers?
Post by Frank Bokelmann
Und die Urteile aus Berlin und Schleswig-Holstein, wo mitunter
die Benutzung von völlig verwahrlosten Radwegen einfach für
nicht notwendig erklärt wird, die aber tatsächlich in der
Hauptverkehrszeit sogar mit schweren Motorrädern benutzt
werden, hilft auch nur bedingt, weil das Problem nicht
benannt wird.
Und?

Ich habe mal einen Text gelesen, in dem sinngemäß stand: Der Staat tut
nichts für mich als Radfahrer, seine Vorschriften gängeln mich, aber sie
schützen mich nicht. Warum sollte ich mich seinen Vorschriften
unterwerfen?
Frank Bokelmann
2018-04-03 12:50:20 UTC
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Post by Olokun
Post by Olokun
http://www.verkehrsportal.de/board/index.php?
s=&showtopic=112999&view=findpost&p=1057912658
(enthält Zitate zu entsprechenden Einstiegs-Beiträgen)
Ursprünglich ging es mir dabei hauptsächlich um die 205er an der Radbahn
des Kreisverkehrs, den Radfahrer „verkehrtherum“ befahren sollen.
Nach der zwischenzeitlich erfolgten StVOänderung ist natürlich auch
interessant was das Gericht zur RWBP so meint. Kennt jemand schon ein
nach dieser Änderung erfolgtes Urteil zu einer außerörtlichen RWBP?
Etwas unglücklich wenn es im ersten danach gleich um einen an einer
Bundesstraße geht. Dafür aber vorm VG Hannover, das ja schon einige
radfahrerfreundliche Urteile verkündet hat.
Die Verhandlung ist _vor_Ort_ am 14.6, also jetzt am Mittwoch. Ich werde
natürlich berichten.
http://www.verkehrsportal.de/board/index.php?
s=&showtopic=112999&view=findpost&p=1057934186
Von der Verhandlung selbst gab es letztlich nichts zu berichten, es wurde
detailiert die Örtlichkeit unter Augenschein genommen, das Protokoll
umfaßt einschließlich der Lichtbilder 51 Seiten. Zur Sache hatte sich die
Kammer aber nicht geäußert.
Lediglich über den kurzen innerörtlichen Abschnitt der RWBP erklärte der
Beklagte, dass die Benutzungspflicht dort aufgehoben werden würde.
Nun gibt es ein weiteres Urteil des VG Hannover (vom 17. Januar 2018, 7 A 2194/16), das auch veröffentlicht wird und daher für die Argumentation besonders geeignet ist:

http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/?quelle=jlink&docid=JURE180005125&psml=bsndprod.psml&max=true

Ist also in Juris und daher allen Richtern zugänglich.

Schön liest sich die Anwendung des § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO (Rn. 33 bis 35 des Urteils).
Bernd Ullrich
2018-04-03 20:27:14 UTC
Permalink
Post by Frank Bokelmann
Post by Olokun
Post by Olokun
http://www.verkehrsportal.de/board/index.php?
s=&showtopic=112999&view=findpost&p=1057912658
(enthält Zitate zu entsprechenden Einstiegs-Beiträgen)
Ursprünglich ging es mir dabei hauptsächlich um die 205er an der Radbahn
des Kreisverkehrs, den Radfahrer „verkehrtherum“ befahren sollen.
Nach der zwischenzeitlich erfolgten StVOänderung ist natürlich auch
interessant was das Gericht zur RWBP so meint. Kennt jemand schon ein
nach dieser Änderung erfolgtes Urteil zu einer außerörtlichen RWBP?
Etwas unglücklich wenn es im ersten danach gleich um einen an einer
Bundesstraße geht. Dafür aber vorm VG Hannover, das ja schon einige
radfahrerfreundliche Urteile verkündet hat.
Die Verhandlung ist _vor_Ort_ am 14.6, also jetzt am Mittwoch. Ich werde
natürlich berichten.
http://www.verkehrsportal.de/board/index.php?
s=&showtopic=112999&view=findpost&p=1057934186
Von der Verhandlung selbst gab es letztlich nichts zu berichten, es wurde
detailiert die Örtlichkeit unter Augenschein genommen, das Protokoll
umfaßt einschließlich der Lichtbilder 51 Seiten. Zur Sache hatte sich die
Kammer aber nicht geäußert.
Lediglich über den kurzen innerörtlichen Abschnitt der RWBP erklärte der
Beklagte, dass die Benutzungspflicht dort aufgehoben werden würde.
http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/?quelle=jlink&docid=JURE180005125&psml=bsndprod.psml&max=true
Ist also in Juris und daher allen Richtern zugänglich.
---------------------------
Post by Frank Bokelmann
Schön liest sich die Anwendung des § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO (Rn. 33 bis 35 des Urteils).
Rn. 38 ist auch schön...

BU
Martin Glas
2018-04-04 08:17:06 UTC
Permalink
Am Dienstag, 3. April 2018 14:50:21 UTC+2 schrieb Frank Bokelmann:
...
Post by Frank Bokelmann
Ist also in Juris und daher allen Richtern zugänglich.
Schön liest sich die Anwendung des § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO
(Rn. 33 bis 35 des Urteils).
Was mir allerdings nicht klar ist: warum soll nur eine
Verpflichtungsklage rechtmäßig sein? Die Behörde hat 2016
erneut über die Benutzungspflicht unter Ausübung von
Ermessen entschieden. In meinen Augen ist damit eine
Anfechtungsklage (sofern sie rechtzeitig erhoben wird)
gegen diese Entscheidung selbstverständlich zulässig.
Dietmar Kettler
2018-04-04 09:59:25 UTC
Permalink
Post by Martin Glas
Post by Frank Bokelmann
Schön liest sich die Anwendung des § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO
(Rn. 33 bis 35 des Urteils).
Was mir allerdings nicht klar ist: warum soll nur eine
Verpflichtungsklage rechtmäßig sein? Die Behörde hat 2016
erneut über die Benutzungspflicht unter Ausübung von
Ermessen entschieden. In meinen Augen ist damit eine
Anfechtungsklage (sofern sie rechtzeitig erhoben wird)
gegen diese Entscheidung selbstverständlich zulässig.
Die Klage ist auch als Anfechtungsklage erhoben worden. Es gab allerdings Besonderheiten in der Angelegenheit: Es war ja schon der zweite Prozess in derselben Sache, weil die Beklagte nicht tat, wozu sie sich in dem ersten Prozess verpflichtet hatte. Das Gericht folgt mir zwar in mancher Hinsicht, aber nicht in jeder. Nach einer ausführlichen Erörterung in der mündlichen Verhandlung über die Frage, welcher Klageantrag wohl der richtige sei (iSv: dem Kläger wohl den erwünschten Erfolg bringen wird), habe ich den 2. Antrag als Verpflichtungsantrag gestellt. Es nutzt ja nichts, zu glauben, man habe in einer prozessualen Frage die besseren Argumente, wenn das Gericht dem Kläger dann in letzter Sekunde allein wegen dieser unterschiedlichen Ansichten in der prozessualen Frage Steine statt Brot gibt. Die Schilder sind übrigens mittlerweile komplett weg.

Dietmar
Sepp Ruf
2018-04-21 21:20:47 UTC
Permalink
Post by Martin Glas
...
Post by Frank Bokelmann
Ist also in Juris und daher allen Richtern zugänglich.
Schön liest sich die Anwendung des § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO
(Rn. 33 bis 35 des Urteils).
Was mir allerdings nicht klar ist: warum soll nur eine
Verpflichtungsklage rechtmäßig sein? Die Behörde hat 2016
erneut über die Benutzungspflicht unter Ausübung von
Ermessen entschieden. In meinen Augen ist damit eine
Anfechtungsklage (sofern sie rechtzeitig erhoben wird)
gegen diese Entscheidung selbstverständlich zulässig.
Achtung!
Wie mir ein ungefragt in den (nun kaercherbeduerftigen) Gebaecktraeger
geworfener Flyer mitteilt, sucht Martin Glas und sein Verein am 22. April
eure Unterstuetzung fuer mehr CopenhagenizeTM:
www.adfc-m.de/sternfahrt
Motto "EIN RAD-GESETZ FÜR BAYERN!"[1]

Amtliche Gefahrendurchsage:
Bevoelkerung und Verkehrsteilnehmer werden dringend gebeten, das
Gefahrengebiet (etwa S-Bahn-Bereich M) ab ca. 7:00 MESZ geraeumt zu haben
bzw. ausserhaeusliche Aktivitaeten in hinreichendem Abstand zu den
Torklereinfallschneisen Richtung Olympiastadion® vorzunehmen. Auch in der
zweiten Tageshaelfte ist nach Moeglichkeit Auto zu fahren, um auch im
Schienenverkehr nicht von verschwitzten Akku-leer-Nachhausetorklern
belaestigt zu werden. Radwege und Gehwege sind in jedem Fall zu meiden,
Kraftfahrzeuge gegen heckscheibenmesmerisierte St.Yropor-Stukas durch das
Aufstapeln von Melonentuermen im offenen Kofferraum zu sichern. Lassen Sie
verwirrt und orientierungslos wirkende Wahnwestentraeger keinesfalls in
Vorgarten oder Haus ein, sondern schuetten Sie das erbetene Getraenk in Form
von Brennnesselbruehe ueber die Nepper und Schlepper!
--
[1] nicht zu verwechseln m. Vormerkelunrecht RGBl 1935 I, S. 769 ff.
Christoph Herrmann
2018-04-05 10:31:02 UTC
Permalink
Post by Frank Bokelmann
Post by Olokun
Post by Olokun
http://www.verkehrsportal.de/board/index.php?
s=&showtopic=112999&view=findpost&p=1057912658
(enthält Zitate zu entsprechenden Einstiegs-Beiträgen)
Ursprünglich ging es mir dabei hauptsächlich um die 205er an der Radbahn
des Kreisverkehrs, den Radfahrer „verkehrtherum“ befahren sollen.
Nach der zwischenzeitlich erfolgten StVOänderung ist natürlich auch
interessant was das Gericht zur RWBP so meint. Kennt jemand schon ein
nach dieser Änderung erfolgtes Urteil zu einer außerörtlichen RWBP?
Etwas unglücklich wenn es im ersten danach gleich um einen an einer
Bundesstraße geht. Dafür aber vorm VG Hannover, das ja schon einige
radfahrerfreundliche Urteile verkündet hat.
Die Verhandlung ist _vor_Ort_ am 14.6, also jetzt am Mittwoch. Ich werde
natürlich berichten.
http://www.verkehrsportal.de/board/index.php?
s=&showtopic=112999&view=findpost&p=1057934186
Von der Verhandlung selbst gab es letztlich nichts zu berichten, es wurde
detailiert die Örtlichkeit unter Augenschein genommen, das Protokoll
umfaßt einschließlich der Lichtbilder 51 Seiten. Zur Sache hatte sich die
Kammer aber nicht geäußert.
Lediglich über den kurzen innerörtlichen Abschnitt der RWBP erklärte der
Beklagte, dass die Benutzungspflicht dort aufgehoben werden würde.
http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/?quelle=jlink&docid=JURE180005125&psml=bsndprod.psml&max=true
Ist also in Juris und daher allen Richtern zugänglich.
Schön liest sich die Anwendung des § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO (Rn. 33 bis 35 des Urteils).
Ich finde auch: Schönes Urteil! Vielen Dank der/m Kläger/in & ihrem/seinem Rechtsanwalt :-)
Michael Heydenbluth
2018-04-05 17:37:40 UTC
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Post by Frank Bokelmann
http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/?quelle=jlink&docid=JURE180005125&psml=bsndprod.psml&max=true
Ist also in Juris und daher allen Richtern zugänglich.
Schön liest sich die Anwendung des § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO (Rn. 33 bis 35 des Urteils).
Sehe ich das richtig, daß sinngemäß gesagt wurde: Wenn § 45 (9) Satz 3
anwendbar ist, dann ist Satz 1 nicht anwendbar (...vollständig
verdrängt)? Da jedoch Satz 3 ausdrücklich außerörtliche Radwege
ausgenommen hat, sei Satz 1 anzuwenden. Und da die Beschilderung nicht
"zwingend notwendig" war, ist sie rechtswidrig.

Ist ja eine schöne Auffassung: Beschränkungen nur wenn notwendig, und
das gilt sogar für Radfahrer.

Aber sie beißt sich mit der Auffassung des VG (??? Mönchengladbach???),
das in einem Urteil zu Schutzstreifen mal schrieb, daß Schutzstreifen
ausdrücklich von Satz 3 ausgenommen wurden, um die Anordnung (wg. der
"Radverkehrsförderung") von Schutzstreifen auch dann zu ermöglichen,
wenn es keine Bedingungen nach Satz 3 gebe. Dieser Vereinfachungsregel
würde es zuwider laufen, wenn dann noch an Satz 1 gemessen würde. Dieser
Satz sei daher auch nicht anzuwenden. Z.B. könne ein "Lückenschluß"
gewünscht sein, und es sei kontraproduktiv, wenn das Ziel der
Radverkehrsförderung wegen einer erforderlichen zwingenden Notwendigkeit
nicht erreicht werden könne.

Und es war ja auch so, daß der Bundesrat außerörtliche Radwege in den
Ausnahmenkatalog aufgenommen hat, weil "wegen der
Differenzgeschwindigkeit" die Gefährlichkeit für den Radverkehr
außerorts bereits im normalen Straßenverkehr bestehe und daher keine
besonderen Gegebenheiten mehr nachgewiesen werden müßten.

Im Endeffekt läuft das auf "Beschränkungen für den Radverkehr auch ohne
Erfordernis" hinaus. Kein Zweifel meinerseits, daß der Bundesrat das wollte.

Welcher der beiden Auffassungen werden die VG denn nun folgen? Gibt's
schon eine Tendenz?
Michael Heydenbluth
2018-04-06 06:14:06 UTC
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Post by Michael Heydenbluth
Sehe ich das richtig, daß sinngemäß gesagt wurde: Wenn § 45 (9) Satz 3
anwendbar ist, dann ist Satz 1 nicht anwendbar (...vollständig
verdrängt)? Da jedoch Satz 3 ausdrücklich außerörtliche Radwege
ausgenommen hat, sei Satz 1 anzuwenden. Und da die Beschilderung nicht
"zwingend notwendig" war, ist sie rechtswidrig.
Ist ja eine schöne Auffassung: Beschränkungen nur wenn notwendig, und
das gilt sogar für Radfahrer.
Aber sie beißt sich mit der Auffassung des VG (??? Mönchengladbach???),
Kölle war's.

https://openjur.de/u/730731.html

[Zitat]
Zwar sind Schutzstreifen für Radfahrer ausdrücklich nur von § 45 Abs. 9
Satz 2 StVO ausgeschlossen. Der durch diese Ausnahme von § 45 Abs. 9
Satz 2 StVO verfolgte Zweck würde aber unterlaufen, wenn für
Schutzstreifen für Radfahrer stattdessen § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO
angewandt würde. Denn dessen Voraussetzungen für die Anordnung von
Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sind jedenfalls erheblich
strenger als die des § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO,[...]

Denn die Begründung zur Änderung des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO,
[...]führt trotzdem aus:

"Eines der wesentlichen Ziele der "Schilderwaldnovelle" ist die
Förderung des Radverkehrs. ... Dazu gehört auch, den Behörden vor Ort
größere Spielräume bei der Anlage von Radverkehrsanlagen einzuräumen.
Mit diesem Ziel ist es nicht vereinbar, das Erfordernis der strengen
Voraussetzungen dieser Vorschrift an die Anordnung eines Schutzstreifens
zu stellen, mit dem ein grundsätzliches Überfahrverbot der Leitlinie
einhergeht, was sich beschränkend auf den fließenden Verkehr auswirkt.
... Diese Verkehrszeichenanordnungen werden daher nach dem Vorbild der
Tempo 30-​Zonen oder der Zonen-​Geschwindigkeitsbeschränkungen von S. 2
ausgenommen."

Da eine vergleichbare Ausnahme-​Regelung für die Anordnung der
Radwegbenutzungspflicht nicht existiert, geht der Kläger fehl in der
Annahme, die Voraussetzungen für eine solche Anordnung seien identisch
mit denjenigen für die Einrichtung von Schutzstreifen für Radfahrer.
[Zitat Ende]

Das war Stand 2013 - Inzwischen sind die Voraussetzungen durch die
Aufnahmen außerörtlicher Radwege identisch und damit diese Argumentation
auch für außerörtliche Radwegbenutzungspflichten anwendbar.

Ich muß leider zugeben, daß, selbst wenn mir das Ergebnis nicht
schmeckt, ich der Argumentation einiges abgewinnen kann.
Martin Gerdes
2018-04-06 15:14:15 UTC
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Post by Michael Heydenbluth
Zwar sind Schutzstreifen für Radfahrer ausdrücklich nur von § 45 Abs. 9
Satz 2 StVO ausgeschlossen. ...
"Eines der wesentlichen Ziele der "Schilderwaldnovelle" ist die
Förderung des Radverkehrs. ...
Deutschland ist berüchtigt für sein Vorschriftengestrüpp. Und obwohl wir
bereits Regulationen haben bis zum Abwinken, kommen ständig neue dazu.

Noch nicht kodifiziert ist, was "Förderung des Radverkehrs" heißt. Aber
das "weiß" andererseits ja bereits "jeder": Förderung des Radverkehrs
heißt: Verdrängung des Radverkehrs von der "Straße", Bau von neuen
Rad-weg-en.

Der vielzitierte § 45 Abs. 9 lautet (mit meinen Worten):
| Verkehrszeichen dürfen nur dort angeordnet werden, wo dies
| aufgrund besonderer Umstände zwingend erforderlich ist.

Dieses Schwert ist vollständig stumpf, denn in der Praxis sehen die
Straßenverkehrsbehörden überall besonders Umstände (und wenn sie sie an
den Haaren herbeizerren müssen). Die Verkehrszeichendichte ist bei uns
erheblich größer als irgendwo sonst in der Welt.

Satz 3 lautet:

| Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur
| angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen
| Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko
| einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten
| Rechtsgüter erheblich übersteigt.

Schon das ist Gummiparagraph.

Was Radverkehrsanlagen anlangt, ist die Sache allerdings klar: Satz 4
besagt, daß die Gummi-Einschränkung des Satzes 3 für einen Großteil der
Radverkehrsanlagen (unter anderem außerörtliche Radwege) nicht gilt. Die
können also auch ohne besondere Gefahr überall angeordnet werden.

Das heißt letztlich: Da wird nichts von im Autoland Deutschland.

Die Straßenverkehrsbehörden wollen unbedingt Radwege bauen, weil sie
glauben oder vorgeben, sie wollten damit den Radfahrern etwas Gutes tun.
Ein nicht unerheblicher Teil der Radfahrer begrüßt das, der ist geradezu
radwegsüchtig. Ein kleinerer Teil der Radfahrer sieht das nicht so, wird
aber schlichtweg untergebuttert.

Das Radfahrklima in Deutschland ist (schon immer) schlecht, ist sehe da
auch keine nennenswerte Besserung.
Martin Wohlauer
2018-04-06 06:54:15 UTC
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Post by Michael Heydenbluth
Im Endeffekt läuft das auf "Beschränkungen für den Radverkehr auch ohne
Erfordernis" hinaus. Kein Zweifel meinerseits, daß der Bundesrat das wollte.
Und genau das dürfte das Problem sein: Wenn sich raus kristallisiert,
/dass/ es keine Erfordernis gibt, wird's dann doch wieder
grundgesetzlich schwierig, oder wie war das mit dem Grundrecht auf freie
Entfaltung? Einfach so jemanden Einschränken weil es geht™, das sollte
sich auch nicht in Gesetze gießen lassen. Womit wir wieder beim Absatz
(1) wären.

Grüßle,

Martin.
Martin Kozlowski
2019-02-04 18:29:11 UTC
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Post by Michael Heydenbluth
Post by Frank Bokelmann
http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/?quelle=jlink&docid=
JURE180005125&psml=bsndprod.psml&max=true
Ist also in Juris und daher allen Richtern zugänglich.
Schön liest sich die Anwendung des § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO
(Rn. 33 bis 35 des Urteils).
Sehe ich das richtig, daß sinngemäß gesagt wurde: Wenn § 45 (9) Satz 3
anwendbar ist, dann ist Satz 1 nicht anwendbar (...vollständig
verdrängt)? Da jedoch Satz 3 ausdrücklich außerörtliche Radwege
ausgenommen hat, sei Satz 1 anzuwenden. Und da die Beschilderung nicht
"zwingend notwendig" war, ist sie rechtswidrig.
Ist ja eine schöne Auffassung: Beschränkungen nur wenn notwendig, und
das gilt sogar für Radfahrer.
Aber sie beißt sich mit der Auffassung des VG (??? Mönchengladbach???),
das in einem Urteil zu Schutzstreifen mal schrieb, daß Schutzstreifen
ausdrücklich von Satz 3 ausgenommen wurden, um die Anordnung (wg. der
"Radverkehrsförderung") von Schutzstreifen auch dann zu ermöglichen,
wenn es keine Bedingungen nach Satz 3 gebe. Dieser Vereinfachungsregel
würde es zuwider laufen, wenn dann noch an Satz 1 gemessen würde. Dieser
Satz sei daher auch nicht anzuwenden. Z.B. könne ein "Lückenschluß"
gewünscht sein, und es sei kontraproduktiv, wenn das Ziel der
Radverkehrsförderung wegen einer erforderlichen zwingenden Notwendigkeit
nicht erreicht werden könne.
Und es war ja auch so, daß der Bundesrat außerörtliche Radwege in den
Ausnahmenkatalog aufgenommen hat, weil "wegen der
Differenzgeschwindigkeit" die Gefährlichkeit für den Radverkehr
außerorts bereits im normalen Straßenverkehr bestehe und daher keine
besonderen Gegebenheiten mehr nachgewiesen werden müßten.
Im Endeffekt läuft das auf "Beschränkungen für den Radverkehr auch ohne
Erfordernis" hinaus. Kein Zweifel meinerseits, daß der Bundesrat das wollte.
Welcher der beiden Auffassungen werden die VG denn nun folgen? Gibt's
schon eine Tendenz?
BVerwG, Beschluss vom 1.9.2017, 3 B 50.16 (Hervorhebung von mir):

| Jedenfalls seit der Neufassung von § 45 Abs. 9 StVO durch die Erste
| Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung vom 30. November
| 2016 (BGBl. I S. 2848) ist § 45 Abs. 9 *Satz 1* StVO auch bei der
| Anordnung einer Tempo 30-Zone nach § 45 Abs. 1c StVO anzuwenden.

Randnummer 7:
<https://www.bverwg.de/010917B3B50.16.0>

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