Discussion:
Kann ein Urheber oder exklusiver Verwerter die Privatkopie rechtswirksam verbieten?
(zu alt für eine Antwort)
Jörg 'Yadgar' Bleimann
2014-04-25 22:22:22 UTC
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Hi(gh)!

Was mir schon länger auf den Nägeln brennt: in Büchern wird auf den
Innenseiten der Titelblätter gerne jegliche Vervielfältigung, auch die
von Teilen, als unzulässig und strafbar bezeichnet - kann §53 UrhG
einfach so außer Kraft gesetzt werden?

Oder wenn ich an Schallplatten denke: eine Zeitlang (so Ende der 1960er
bis Mitte der 1970er Jahre) konnte man auf den Labels regelmäßig
(sinngemäß) lesen "Alle Rechte vorbehalten (außer zum persönlichen
Gebrauch)", seither aber nur noch "Keine unerlaubte Vervielfältigung,
Aufführung, Sendung!" - ist damit das Recht auf die Privatkopie einfach
so aufgehoben? Gibt es eventuell gar kein Recht auf Privatkopie und §53
gilt nur unter Vorbehalt?

(ich spreche jetzt nicht von Werkformen, bei denen er ohnehin nicht
gilt, also z. B. Noten, Software oder Datenbank)

Bis bald im Khyberspace!

Yadgar
--
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Tom Schneider
2014-04-26 06:03:24 UTC
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Post by Jörg 'Yadgar' Bleimann
Hi(gh)!
Was mir schon länger auf den Nägeln brennt: in Büchern wird auf den Innenseiten der
Titelblätter gerne jegliche Vervielfältigung, auch die von Teilen, als unzulässig und
strafbar bezeichnet - kann §53 UrhG einfach so außer Kraft gesetzt werden?
Oder wenn ich an Schallplatten denke: eine Zeitlang (so Ende der 1960er bis Mitte der
1970er Jahre) konnte man auf den Labels regelmäßig (sinngemäß) lesen "Alle Rechte
vorbehalten (außer zum persönlichen Gebrauch)", seither aber nur noch "Keine unerlaubte
Vervielfältigung, Aufführung, Sendung!" - ist damit das Recht auf die Privatkopie einfach
so aufgehoben? Gibt es eventuell gar kein Recht auf Privatkopie und §53 gilt nur unter
Vorbehalt?
Es ist nicht verboten, rechtliche Falschauskünfte zu erteilen. Das tun Verleger regelmäßig
dann, wenn sie sich das gesamte Nutzungsrecht an einem Buch zusprechen und damit auch
Bilder einschließen, deren Rechte sie nur für das Buch erworben haben.

Gleiches gilt für die EULA, die bei jeder Software-Installation zu klicken sind ("Dies ist
ein rechtsgültiger Vertrag zwischen Ihnen und ...").

Ich halte es für abmahnfähig, aber dann würde der eine Nutznießer (Rechteinhaber) den
anderen Nutznießer abmahnen und hinterher würde die Bevölkerung über die wahre Rechtslage
aufgeklärt, statt aus Vorsicht zu zahlen - FUD-Strategie halt.
Wolf Stringhammer
2014-05-01 18:38:00 UTC
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Post by Tom Schneider
Es ist nicht verboten, rechtliche Falschauskünfte zu erteilen. Das tun
Verleger regelmäßig dann, wenn sie sich das gesamte Nutzungsrecht an
einem Buch zusprechen und damit auch Bilder einschließen, deren Rechte
sie nur für das Buch erworben haben.
Doch, es kann wettbewerbswidrig (UWG) sein und dann abgemahnt werden.

Wolf
Tom Schneider
2014-05-01 19:51:43 UTC
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Post by Wolf Stringhammer
Post by Tom Schneider
Es ist nicht verboten, rechtliche Falschauskünfte zu erteilen. Das tun
Verleger regelmäßig dann, wenn sie sich das gesamte Nutzungsrecht an
einem Buch zusprechen und damit auch Bilder einschließen, deren Rechte
sie nur für das Buch erworben haben.
Doch, es kann wettbewerbswidrig (UWG) sein und dann abgemahnt werden.
Ja, aber von wem?

Nicht vom Leser, sondern nur vom Wettbewerber und der hat das gleiche Interesse, dass
seine Märchen vom Nutzer geglaubt werden.

Die Formulierung "Dies ist ein rechtsgültiger Vertrag zwischen Ihnen und
$Softwarehersteller" beim Installieren von gekaufter Software halte ich auch für
abmahnfähig. Aber alle, die abmahnen könnten, haben das größte Interesse daran, dass diese
Desinformation am Leben bleibt.
Wolf Stringhammer
2014-05-01 22:03:12 UTC
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Post by Tom Schneider
Post by Wolf Stringhammer
Post by Tom Schneider
Es ist nicht verboten, rechtliche Falschauskünfte zu erteilen. Das tun
Verleger regelmäßig dann, wenn sie sich das gesamte Nutzungsrecht an
einem Buch zusprechen und damit auch Bilder einschließen, deren Rechte
sie nur für das Buch erworben haben.
Doch, es kann wettbewerbswidrig (UWG) sein und dann abgemahnt werden.
Ja, aber von wem?
Nicht vom Leser, sondern nur vom Wettbewerber und der hat das gleiche
Interesse, dass seine Märchen vom Nutzer geglaubt werden.
Die Formulierung "Dies ist ein rechtsgültiger Vertrag zwischen Ihnen und
$Softwarehersteller" beim Installieren von gekaufter Software halte ich
auch für abmahnfähig. Aber alle, die abmahnen könnten, haben das größte
Interesse daran, dass diese Desinformation am Leben bleibt.
Es gibt auch Vereine, zum Bespiel für Verbraucherschutz, die abmahnen
dürfen, und die tun das auch oft genug.

Wolf
Florian Weimer
2014-04-26 08:25:15 UTC
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Post by Jörg 'Yadgar' Bleimann
Was mir schon länger auf den Nägeln brennt: in Büchern wird auf den
Innenseiten der Titelblätter gerne jegliche Vervielfältigung, auch die
von Teilen, als unzulässig und strafbar bezeichnet - kann §53 UrhG
einfach so außer Kraft gesetzt werden?
Ein Recht auf Privatkopie von Büchern gibt es in Deutschland nicht,
somit wird die Rechtslage im wesentlichen korrekt wiedergegeben.
Post by Jörg 'Yadgar' Bleimann
Oder wenn ich an Schallplatten denke: eine Zeitlang (so Ende der
1960er bis Mitte der 1970er Jahre) konnte man auf den Labels
regelmäßig (sinngemäß) lesen "Alle Rechte vorbehalten (außer zum
persönlichen Gebrauch)", seither aber nur noch "Keine unerlaubte
Vervielfältigung, Aufführung, Sendung!" - ist damit das Recht auf die
Privatkopie einfach so aufgehoben? Gibt es eventuell gar kein Recht
auf Privatkopie und §53 gilt nur unter Vorbehalt?
Eine Privatkopie, wenn sie denn zulässig ist, ist nicht "unerlaubt"
(oder "unbefugt").
Claus Färber
2014-04-26 10:35:56 UTC
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Post by Florian Weimer
Eine Privatkopie, wenn sie denn zulässig ist, ist nicht "unerlaubt"
(oder "unbefugt").
Gemeint ist wohl das englische "unauthorized", was richtig mit "ohne
Genehmigung" (des Rechteinhabers) übersetzt wäre.

Claus
Jörg 'Yadgar' Bleimann
2014-04-26 12:18:24 UTC
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Hi(gh)!
Post by Florian Weimer
Ein Recht auf Privatkopie von Büchern gibt es in Deutschland nicht,
somit wird die Rechtslage im wesentlichen korrekt wiedergegeben.
Wenn das Buch länger als zwei Jahre vergriffen ist, darf es zu privaten
Zwecken sehr wohl komplett kopiert werden! Und auszugsweises Kopieren
ist zu privaten Zwecken auch nicht verboten! Abgesehen davon wird in
manchen Büchern durchaus auf die Schranken des Urheberrechts
hingewiesen, in vielen anderen (insbesondere, wenn der Verlag in München
sitzt - scheint lokaltypische Arroganz zu sein) aber nicht...

Bis bald im Khyberspace!

Yadgar
--
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Tom Schneider
2014-04-26 15:15:06 UTC
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Wenn das Buch länger als zwei Jahre vergriffen ist, darf es zu privaten Zwecken sehr wohl
komplett kopiert werden!
Vielleicht in Afghanistan oder im Khyberspace.
Und auszugsweises Kopieren ist zu privaten Zwecken auch nicht
verboten!
Wenn Du Dir Deiner Antworten schon sicher bist, warum fragst Du noch hier?
Hans-Peter Diettrich
2014-04-26 23:14:53 UTC
Permalink
Post by Tom Schneider
Post by Jörg 'Yadgar' Bleimann
Wenn das Buch länger als zwei Jahre vergriffen ist, darf es zu
privaten Zwecken sehr wohl
komplett kopiert werden!
Vielleicht in Afghanistan oder im Khyberspace.
Oder nach §53 II Nr. 4 b UrhG?

DoDi
Tom Schneider
2014-05-01 17:14:22 UTC
Permalink
Post by Hans-Peter Diettrich
Post by Tom Schneider
Wenn das Buch länger als zwei Jahre vergriffen ist, darf es zu privaten Zwecken sehr wohl
komplett kopiert werden!
Vielleicht in Afghanistan oder im Khyberspace.
Oder nach §53 II Nr. 4 b UrhG?
Ich lese das so, dass der Vervielfältiger befugt sein muss, und ein Vertriebsstück
rechtmäßig besitzen muss, denn Abs. 1 sagt "... soweit nicht zur Vervielfältigung eine
offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage
verwendet wird."

Damit scheiden Exemplare in Bibliotheken und geklaute Kopien aus.
Hans-Peter Diettrich
2014-05-01 23:26:19 UTC
Permalink
Post by Tom Schneider
Post by Hans-Peter Diettrich
Post by Tom Schneider
Post by Jörg 'Yadgar' Bleimann
Wenn das Buch länger als zwei Jahre vergriffen ist, darf es zu
privaten Zwecken sehr wohl
komplett kopiert werden!
Vielleicht in Afghanistan oder im Khyberspace.
Oder nach §53 II Nr. 4 b UrhG?
Ich lese das so, dass der Vervielfältiger befugt sein muss, und ein
Vertriebsstück rechtmäßig besitzen muss,
Das steht doch ganz wo anders (Nr. 2)?
Post by Tom Schneider
denn Abs. 1 sagt "... soweit
nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte
oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird."
Damit scheiden Exemplare in Bibliotheken und geklaute Kopien aus.
AFAIK bezieht sich "offensichtlich rechtswidrig" auf den ganzen
restlichen Satz, und Bibliotheken machen ihre Werkstücke nicht
rechtswidrig zugänglich. IMO dürfen auch geklaute Kopien verwendet
werden, sofern sie nur nicht offensichtlich unrechtmäßig *hergestellt*
worden sind.

Zudem ist grundsätzlich erlaubt, Privatkopien durch Dritte herstellen zu
lassen, die sich im Besitz einer rechtmäßig nutzbaren Vorlage befinden;
der Besitz einer eigenen Vorlage ist nur in Ausnahmefällen notwendig,
und selbst diese Vorlage darf dann anschließend auch wieder veräußert
(oder zurückgegeben) werden.

DoDi
Tom Schneider
2014-05-02 20:26:38 UTC
Permalink
denn Abs. 1 sagt "... soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich
rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird."
Damit scheiden Exemplare in Bibliotheken und geklaute Kopien aus.
AFAIK bezieht sich "offensichtlich rechtswidrig" auf den ganzen restlichen Satz, und
Bibliotheken machen ihre Werkstücke nicht rechtswidrig zugänglich. IMO dürfen auch
geklaute Kopien verwendet werden, sofern sie nur nicht offensichtlich unrechtmäßig
*hergestellt* worden sind.
Könnte natürlich auch sein, ich fände es dann aber schlecht formuliert.
Aber es gibt dazu sicher eine herrschende Meinung.
Martin Bienwald
2014-04-28 09:19:05 UTC
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Post by Jörg 'Yadgar' Bleimann
"Keine unerlaubte Vervielfältigung,
Aufführung, Sendung!" - ist damit das Recht auf die Privatkopie einfach
so aufgehoben?
Nein, warum? Eine Privatkopie ist doch eine (vom UrhG) erlaubte
Vervielfältigung, mit diesem Satz also offenbar gar nicht gemeint.

... Martin
Lars Gebauer
2014-04-28 09:30:19 UTC
Permalink
Post by Jörg 'Yadgar' Bleimann
Oder wenn ich an Schallplatten denke: eine Zeitlang (so Ende der 1960er
bis Mitte der 1970er Jahre) konnte man auf den Labels regelmäßig
(sinngemäß) lesen "Alle Rechte vorbehalten (außer zum persönlichen
Gebrauch)", seither aber nur noch "Keine unerlaubte Vervielfältigung,
Aufführung, Sendung!" - ist damit das Recht auf die Privatkopie einfach
so aufgehoben?
Nö. Das ist die übliche Verleger- oder Urheberpoesie. Häufig, wie hier,
recht schwachsinnig.

Die Privatkopie ist, wenn, eine erlaubte Handlung und die unerlaubten
Handlungen sind, man glaubt es kaum, qua Gesetz sowieso verboten. Fehlt
eigentlich nur noch der Hinweis daß es verboten ist, bei Nichtefallen
den Autoren zu erschießen.
Jörg 'Yadgar' Bleimann
2014-04-28 13:57:42 UTC
Permalink
Post by Lars Gebauer
Die Privatkopie ist, wenn, eine erlaubte Handlung und die unerlaubten
Handlungen sind, man glaubt es kaum, qua Gesetz sowieso verboten. Fehlt
eigentlich nur noch der Hinweis daß es verboten ist, bei Nichtefallen
den Autoren zu erschießen.
Ich hoffe ja immer noch, dass ich demnächst mal den Hinweis in einem
Buch finde, dass unerlaubtes Kopieren gem. Führererlass vom 20.4.1957
mit unverzüglicher Einweisung in ein Bundeskonzentrationslager (*hechel*
*hechel* *onanier*) bestrrrrrrrraft wird!

Bis bald im Khyberspace!

Yadgar
Elmar Haneke
2014-05-05 15:17:18 UTC
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"Keine unerlaubte Vervielfältigung, Aufführung, Sendung!"
Das ist ohnehin sprachlicher Schwachsinn bzw. eine Selbstverständlichkeit.
Unerlaubte Vervielfältigungen sind eben die, die man nicht machen darf.

Elmar
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