Am Sun, 8 Jul 2018 09:57:53 +0200 schrieb Martin Wohlauer
Post by Martin WohlauerPost by Wolfgang StroblPost by Chr. MaerckerIm Unterschied zu
Spinnen geht von Kfz eine reale Gefahr aus.
Eingebildete Gefahren sind auch Gefahren und von manchen Spinnen geht
durchaus eine reale Gefahr aus.
Um im Bilde zu bleiben: Von einigen Autofahrern gehen auch reale
Gefahren aus.
Ja sicher. Kraftfahrzeuge sind "gefährliche Maschinen", die nur mit
Lizenz und nach Prüfung etc. pp. benutzt werden dürfen, sie unterliegen
der Gefährdungshaftung. Von Kraftfahrzeugen geht eine Betriebsgefahr
aus, durchaus reale Gefahren, die auch drohen, wenn der Fahrer oder die
Fahrerin nicht unverantwortlich handelt.
Dieser Umstand, der zu der Zeit, als ich zur Schule ging und später
meine Führerscheine machte, tatsächlich noch thematisiert und gelehrt
wurde, ist meinem Eindruck zufolge in den letzten Jahrzehnte mehr und
mehr in Vergessenheit geraten. Eine Ursache mag sein, daß die
Gefährdungshaftung an den Autofahrerstammtischen und weithin in den
Medien regelmäßig und gerne in eine Art "unfairer Ungleichbehandlung"
der Autofahrer umgedichtet und umgelogen wurde.
Wir werden das nicht mehr ändern können. Trotzdem sollte man nicht den
Umstand ignorieren, daß _jeder_ Autofahrer ein gesellschaftlich
geduldeter - die Wikipedia schreibt nicht ganz falsch "gesellschaftlich
erwünschter" - Gefährder ist.
Was Du aber meinst, sind Straftaten, die Täter sind Kriminelle, ihre
Taten die Ausnahme, nicht die Regel, die Taten so selten, daß die
Gefahr, ihnen zum Opfer zu fallen, verschwindend gering sind. Die
meisten Menschen sind nicht kriminell.
Warum ist diese Unterscheidung wichtig? Die diffuse Kraftfahrzeugphobie
differenziert nicht, weder was die Ursachen angeht, noch bezüglich der
Abhilfen, noch bzgl. der Opfer. Wenn es um rationale Risikoabwägung
ginge und nicht um Empörung, wäre mehr Angst vor der über den Radweg
rechts abbiegenden lieben Mutti im Auto angebracht, oder dem halbblinden
freundlichen Opa um SUV, beim Linksabbiegen kurz hinter dem Ortseingang,
als Angst vor dem Besoffski nachts um zwei.
Wenn die Betriebsgefahr gefährlichen Geräte, die im öffentlichen Raum
betrieben werden, zu groß ist, dann verbessert man die Geräte, die
Nutzungsregeln oder erlässt Betriebsbeschränkungen (beispielsweise
Geschwindigkeitslimits), statt der Öffentlichkeit pauschal zu bedeuten,
sie möge sich verpissen. Kriminelle hingegen zieht man aus dem Verkehr,
egal, mit welchem Tatwerkzeug sie ihre Tat begangen haben.
Die üble Konsequenz der Phobie ist, daß sie konsequent zu den falschen
Rezepten führt und so indirekt zu ihrer eigenen Verstärkung beiträgt.
Mutti, die mit dem Auto sonst durchaus einen heißen Reifen fährt, drückt
sich an die Straßenränder, fährt für Strecken mit Radwegen sogar Umwege,
oder mangels Radwegen kurzerhand auf den Bürgersteig, neben geparkten
Autos, rechts, links, scheißegal, Hauptsache weg vom lauten
Angstauslöser. Und, natürlich, kann sie Geschichten erzählen, von
vermeintlichen Unfällen, Beinaheunfällen und gelegentlich auch von
tatsächlichen solchen. Autos sind einfach gefährlich, denen muß man aus
dem Weg gehen, da kann ihr niemand etwas vormachen.
Post by Martin WohlauerBeispiel in der losen Bekanntschaft: Tatsächlich auf
völlig ausreichend breiter Straße und guten Sichtverhältnissen von
hinten umgemangelt von einem Besoffski am Steuer. Der hätte auch jeden
anderen abgeräumt, egal ob mit Rad oder nicht.
Vor allem hätte der oder ein analoger Täter sie auch auf dem Radweg oder
in anderen "Schutzräumen" abgeräumt. Tatsächlich muß man sich auf der
beliebten sog. verkehrsarmen Nebenstrecke mehr Sorgen machen, von einem
Raser und oder Besoffenen abgeräumt zu werden, ohne daß es irgendwer
rechtzeitig bemerkt.
Eine dazu passende, selbst erlebte Story habe ich vor Jahren hier mal
erzählt. Es war glimpflich ausgegangen, weil ich schnell genug reagiert
hatte. Irgend so eine gestörte Person im Auto hatte sich auf der
Geradeausspur darüber geärgert, daß ich einen Radstreifen rechtzeitig
verlassen hatte, um auf die Linksabbiegerspur zu wechseln, auf der ich
dann an an dem Auto vorbeigezog. In dem Moment, in dem ich auf gleicher
Höhe bin, reißt dieser Kriminelle das Lenkrad abrupt nach links, ich
weiche instinktiv aus, der Autofahrer wählt die Flucht nach vorn über
die Kreuzung, ich bleibe verdattert stehen.
Gleichzeitig bremst ein weiterer Autofahrer hinter mir auf der
Abbiegespur und steigt aus. Aufgrund des versuchten Anschlags auf mein
Leben noch voller Adrenalin, erwartet ich weiteren Ärger - aber nichts
davon. Der Autofahrer hatte das Manöver gesehen, sich das Kennzeichen
gemerkt und wollte mir sein Handy aufnötigen, er stünde als Zeuge zur
Verfügung. Der war regelrecht empört.
Ich habe abgewunken. Dies war aus der Rückschau betrachtet ein Fehler,
den Kerl hätte man aus dem Verkehr ziehen müssen und können. Leider
hatte ich an dem Tag einen wichtigen Termin, es war nichts passiert, ich
war in Eile und habe mich deswegen bloß bedankt und den Zeugen mit
einiger Mühe abgewimmelt. Vielleicht war auch ein wenig der Schock und
ein daraus resultierende Fluchtreflex die Ursache (N.B. man sollte sich
als Zeuge nicht einfach so von Opfern abwimmeln lassen, auch wenn das
zugegeben schwer fällt).
Wäre die Geschichte schlechter augegangen, hätte mein reflexhaftes
Ausweichen nicht funktioniert, dann hätte ich in der Situation einen
anderen Verkehrsteilnehmer als Zeugen und als Unfallhelfer gehabt. Ich
mag mir nicht ausmalen, wie es in vergleichbarer Situation in einem
Umfeld mit weniger sozialer Kontrolle ausgesehen hätte. Und so ein
Umfeld kann schon die Radwegfurt über die unbelebte ruhige Nebenstraße
sein. Da schaut kein Autofahrer hin, der nicht dorthin abbiegen will.
Solche Risken sind kein Grund, nicht trotzdem die ruhigeren Strecken zu
wählen, wenn man sie aus ästhetischen Gründen bevorzugt. Aber es ist
irrational, sie aufgrund ihrer angeblichen Risikofreiheit zu bevorzugen
- vor allem, wenn das Leute tun, die Angst haben, eine Kellertreppe zu
einem schlecht beleuchteten Keller betreten.
Post by Martin WohlauerDiese Gefahren sind nicht
eingebildet, werden aber beim Thema »Gefahr im Straßenverkehr« gerade
nicht als aller erstes angesprochen. Lieber kommt man den Leuten mit
Westen und Hütchen und fehlendem Licht.
Die pure Existenz solcher Gefahren ist nicht eingebildet, ihr Umfang
schon. Der Gedanke, von einem Ufo entführt zu werden zu können, beruht
mit ziemlicher Sicherheit auf Einbildung, hingegen besteht die
Möglichkeit, von einem Meteoriten erschlagen zu werden, durchaus, sie
ist nur nicht sonderlich groß. Versteht man unter "Gefahren" solche,
mit denen man rechnen sollte und auf die man sich vorbereiten kann und
soll, so wäre ich vorsichtig mit der Klassifzierung "nicht eingebildet".
Radwege sind Schleichwege und die sind zumindest in der nicht
straßenbegleitenden Form durchaus beliebt bei Besoffskis, auch
motorisierten, die man da häufiger antrifft als auf den Hauptstrecken,
wo sie eher auffallen.
Post by Martin WohlauerPost by Wolfgang StroblIm Gegenzug geht von mäßigem, Kfzverkehr, mit dem man sich als
Radfahrer seine Straße teilt, wenig Gefahr aus.
Einer reicht.
Einer reicht vor allem auf einer Straße oder einem Weg, auf dem nicht
mit Kfzverkehr zu rechnen ist.
Post by Martin WohlauerMir fehlt da der Trottel-Filter: Leute, die am Steuer
verhaltensauffällig werden weg davon.
Mäßiger Kfzverkehr - hier als unteres Limit der Frequentierung
verstanden - mit dem Du Dir als Radfahrer Straße und Fahrtrichtung
teilst, ist genau das Korrektiv, das einen solchen Trottelfilter
darstellt.
Post by Martin WohlauerPost by Wolfgang StroblMan hat unter günstigen Umständen - der Verkehrsplaner hat nicht
aktiv mit Separierung gegengesteuert und man selber kann radfahren -
mehr Vorteile als Nachteile davon.
Jupp.
Post by Wolfgang StroblPost by Chr. MaerckerSie lässt sich nur nicht mit
"Radwegen" vermindern. Die dahinterstehenden Ängste sind dennoch nicht
völlig grundlos oder so archaisch wie bei Spinnen.
Die Angst vor einem anschwellenden Geräusch von hinten ist mindestens so
archaisch wie die vor Spinnen.
Jupp, ganz normal so weit. Aber eben Gewöhnungssache.
So bekämpft man Phobien, durch Gewöhnung und langsame Steigerung der
Dosis.
Post by Martin WohlauerIch denke mir
immer, dieselben Leute sitzen auf'm Volksfest in irgendwelchen wilden
Fahrgeschäften, die den Adrenalinpegel auch alles andere als senken.
Oder brettern auf der Autobahn mit 150 Sachen auf dem Motorrad oder im
Auto rum. Und die halten es nicht aus, wenn mal jemand seelenruhig ein
paar Meter hinter ihnen her fährt? Wieso? Weil es eben die gibt, die
nicht einfach seelenruhig hinten drin fahren wollen, sondern Stunk
suchen und/oder einen beschissenen Fahrstil haben.
Es gibt da durchaus unterschiedliche Typen. Am schlimmsten sind m.E. die
Typen, die meinen, mit einem Kfz ihre beachtlichen persönlichen
Fähigkeiten ausreizen und vorführen zu müssen. Aber das ist ein anderes
Thema und passt hier nicht wirklich gut.
Post by Martin WohlauerPost by Wolfgang StroblDaß Radwege die Situation massiv zuungunsten der Radfahrer verändern,
steht gar nicht zur Debatte. Mein Punkt ist, daß auch dann, wenn man
diesen Aspekt ausklammert, die Kfzphobie ein Problem ist.
Bzw. auf eines hinweist. Wie ich seit einiger Zeit sage: Es hat einen
Grund, warum der Vordermann dem Hintermann nicht mehr so recht traut.
Man kann das durch zivilisierte Umfangsformen zu beeinflussen versuchen,
auch im Straßenverkehr, ob im Auto oder auf dem Fahrrad. Wenn ich als
Autofahrer bemerke, daß ein Radfahrer mitdenkt, oder wenn ich als
Radfahrer bemerke, daß ein Autofahrer mitdenkt und bemerkt, wo und wie
wir beide von einer Kooperation profitieren und sich entsprechend
verhält, bedanke ich mich, wenn sich die Gelegenheit ergibt, durch ein
Kopfnicken, oder vorzugsweise durch komplementäres Kooperieren. Man
_kann_ mit dem Auto per Fahrweise deutlich machen, daß man einem
wartepflichtigen Fahrzeug von der Nebenstraße das Einscheren ermöglichen
möchte. Eine Minderheit, aber immer noch erstaunlich viele Autofahrer
sind zu dämlich dafür, das Signal zu bemerken, Radfahrer viel häufiger.
Letzteres vielleicht, weil das gegenüber Radfahrern eher unüblich ist.
Post by Martin WohlauerÜbrigens auch anders rum. Bald täglich erlebe ich, wie Autofahrer
stundenlang an der Ampel ruhig stehen können. Kaum stehe ich direkt
hinter ihnen, rollen sie noch mal ein paar cm vor. Und so knapp kuschel
ich mich dann auch wieder nicht dran, als dass er nicht mehr anfahren
könnte.
Interessantes Phänomen, das ich so noch nicht erlebt habe. Es gibt aber
eine ungute Tendenz, mit dem Auto an der Ampel dicht zu machen und so
aktiv das zu verhindern, was jeder vernünftige Radfahrer tut, des es
eilig hat, aber keinen Ärger sucht: der wählt seine Position in der
Schlange entsprechend seiner Einschätzung des eigenen Spurtvermögens und
dem der wartenden Kfz so, daß er hinter einem anfahrenden Pulk
komfortabel auch noch über die Kreuzung kommt, ohne irgend wem dabei was
wegzunehmen. Könnte das eine Erklärung sein? "Vor mir kommst Du nicht
rein!"? Ich erlebe hier in der Stadt aber durchaus auch gelegentlich
das Gegenteil, daß in längeren Staus auch schon mal freiwillig Lücken
für Radfahrerpulks gelassen werden, die groß genug sind, bei Abwesenheit
von Gegenverkehr als Sprungbrett benutzt zu werden. Das ist nicht bloß
reine Menschenfreundlichkeit, aber trotzdem eine nette und vor allem
nützliche Geste.
Post by Martin WohlauerMan könnte sich im Prinzip auch einfach in die geistige Hängematte
legen, und einfach weiter fahren, vielleicht noch mit einer gesunden(!)
Portion Sozialverhalten, dass man den anderen halt nicht hinter sich
verrecken lässt. Wohl das was mit den entsprechenden Vorgaben zum Rechts
ran fahren in der StVO gemeint ist. Das was mMn voll automatisch eh
durch den Kolonnendruck geregelt wird. Alles andere ist einfach ein
soziales Problem. Und das bzw. dessen Auslöser müssen weg.
Ja sicher. Aber man kann auch selber dazu beitragen, durch selbstbewußte
Kooperation.
Post by Martin WohlauerPost by Wolfgang StroblDas Opfer der Phobie sieht die den massiven Schaden im Ausnahmefall
(Unfall, Crash, Zusammenstoss, Überfahrenwerden), übersieht aber
völlig den Vorteil im Normalfall.
Oder weiß noch nicht mal was davon, weil man ihm immer einredet, dass es
da nichts gibt, was von Vorteil wäre. Wer nie Fahrbahn fährt, wird
einfach nicht erleben, wie brettleseben »die Straße« ist, wie gut
geräumt, wie viel Platz, keine Geisterfahrer, kein »übersehen«, uswusf..
Andere Baustelle, aber auch wichtig. Wenn ich rekapituliere, wie sich
hier über z.B. Effizienzen von Dynamos im Wattbereich zerfleischt wird,
aber völlig ausgeklammert wird, in welch erheblichen Umfang die Qualität
der Asphaltierung von Straßen den Leistungsbedarf beim Radfahren
oberhalb von Schneckentempo beeinflußt, kann ich nur den Kopf schütteln.
Nicht alle Fahrbahnen sind gut und auch hier gibt es eine schleichende
Verschlechterung. Trotzdem sind selbst schlechte Fahrbahnen auf den
Hauptstrecken i.d.R. erheblich besser, d.h. weniger anstrengend,
weniger schweißtreibend mit dem Rad als die Alternativen, ob das nun
"ruhige Nebenstrecken" oder straßenbegleitende Radwege sind.
Post by Martin WohlauerStattdessen wird ihm das Gegenteil dazu verkauft als wenn es geschnitten
Brot wäre. Dann stellt er fest, wie beschissen das doch ist, und lässt
es ggf. gleich ganz sein.
Post by Wolfgang StroblAls da wären, die Strassen werden saubergefahren, feindlicher Verkehr
wird im Zaum gehalten,
Du meinst unpassend kombinierte Verkehrsströme?
Post by Wolfgang StroblFallen werden eliminiert ( klassische Beispiele, ein Draht oder ein
Zweig quer über die Strasse hält sich nicht lange,), es gibt
Fahrbahnmarkierungen und Wegweisungen
Oder auch nicht. Hier gibt es durchaus einige Stellen, wo eine
Markierung ganz gut wäre, teils auch mal da war, aber da ist nichts mehr.
Nun, auf Fahrbahnen sind Fahrbahnrandmarkierungen die Regel und werden
fehlende Markierungen oft sogar ausgeschildert. Auf Radwegen sind sie
die Ausnahme. Wann hast Du zuletzt dieses Zeichen hier
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auf einem Radweg gesehen?
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Wir danken für die Beachtung aller Sicherheitsbestimmungen