Post by Martin WohlauerPost by Helmut WaitzmannPost by Martin GerdesPost by Helmut Waitzmann(»Dem zeig' ich, was eine Harke ist!«). Und abends am Stammtisch
heißt es dann: »Die Radfahrer fahren alle bei Rot: Heute erst
wieder erlebt…« »Genau!«
Lies irgendwelche Kommentare unter irgendwelchen Radfahr-Artikeln in
irgendeiner Zeitung. Du wirst dort unvermeidlich reichlich
Meinungsäußerungen dieser Art finden.
Kein Wunder, wenn die Kommentare auf Stammtischniveau sind.
Und solange solche Meinungsäußerungen von tatsächlich beobachteten
Verkehrsregelmissachtungen genährt werden, ist es unmöglich, das
aus den Köpfen zu bekommen.
Richtig. Die Gegenfrage ist aber: Warum genau wird dieses
Arschloch-Spiel eigentlich nicht so gerne mit Autofahrern gespielt?
Meine Vermutung: Weil die Spieler selbst Autofahrer sind. Es ist
leichter, auf Mitglieder einer Gruppe, zu der man selbst nicht
gehört, herabzusehen als auf seinesgleichen.
Post by Martin WohlauerDie, die hier in der Stadt das Tempolimit einhalten, den Abstand
beim Überholen, die nur dort parken, wo es erlaubt ist, etc. pp.,
dürften in der deutlichen Minderheit sein. Warum lese ich so
wenig vom motorisierten Monster? (Die Presse steht doch auf
Alliterationen...)
Weil die Presse vermutet, dass die Autofahrer den Hauptteil
ihrer Leserschaft ausmachen, und fürchtet, dann nicht mehr
gekauft und gelesen zu werden?
Post by Martin WohlauerPost by Helmut WaitzmannPost by Martin GerdesPost by Helmut WaitzmannSo vergiftest Du Dein Verkehrsklima als auch das anderer
Radfahrer.
Das glaube ich nicht.
Mir jedenfalls scheint das plausibel zu sein.
Ein Stück weit sehe ich das schon auch so: Wenn man sich selbst wie eine
Wildsau im Verkehr verhält (das machen beileibe nicht alle aber echt
genug Radfahrer), dann braucht man sich auch nicht wundern, wenn man wie
eine behandelt wird. Das blöde ist nur, dass das dann eben alle ab
kriegen. Aber auch eine schön strikte Regeleinhaltung wird die (nicht
zitierten) 10% von oben nicht dazu überreden, mal ihren Dachschaden
behandeln zu lassen.
Wenn die Regeleinhaltung unter allen Radfahrenden perfekt wäre,
würden die 90 % die 10 % vielleicht zurückpfeifen, und jene 10 %
verlören die Lufthoheit über den Stammtischen.
Und abends am Stammtisch könnte man dann vielleicht folgendes
hören, wenn man an der Tür lauscht:
Rudi:
… die Radfahrer fahren unter aller Sau. Aber bei denen tut die
Polizei nix.
Volle:
Jetzt übertreibst du! Noch nie die Fahrradstaffel gesehen?
Rudi:
Mein' ja nur. Aber die können gar kein Knöllchen kriegen, nur
wir.
Kalle:
(Lauert) Du hast wohl eins gekriegt?
Rudi:
(Druckst herum.)
Kalle:
(Feixt) Hab' ich's doch gewusst!
Volle:
Komm, sag schon! Was haste ausgefressen?
Rudi:
Als ich durch den Klosterwald gekommen bin, war da ein Radfahrer
vor mir.
Volle:
Und?
Rudi:
Der ist da vor mir hergeschlichen und hat mich ausgebremst.
Kalle:
Haste nich' überholt?
Rudi:
Ging nich'. Weißt ja: Zwei Autos kommen nur an den
Ausweichstellen aneinander vorbei.
Kalle:
Aber beim Radfahrer doch nicht!
Rudi:
Das war's ja gerade: Gegenverkehr. Ich hab' an jeder
Ausweichstelle warten müssen. Der Radfahrer is' einfach
weitergefahren.
Volle:
(Nickt.) Verstehe: Der is' einfach so am Gegenverkehr
vorbeigekommen, ohne Ausweichstelle.
Rudi:
Ja. Immer, wenn ich den wieder vor der Nase hatte, kam die
nächste Ausweichstelle mit Gegenverkehr…
Kalle:
(Fällt ihm ins Wort.) … und da haste wieder warten müssen, und
der Radfahrer war wieder voraus.
Rudi:
Genau. Und dann war der Wald zu Ende und der Radfahrer nicht
mehr zu sehen.
Volle:
Da, wo's den Klosterberg runter geht und die Straße breiter
wird?
Rudi:
Ja.
Kalle:
Und dann?
Rudi:
Dann ging's flott …
Kalle:
(Führt den Satz fort) … bis du den Radler wieder vor der Nase
hattest! (Wischt sich die Lachtränen aus den Augen.)
Rudi:
Ja, ja, wer den Schaden hat…
Volle:
Und? Haste überholt?
Rudi:
Ging nicht. War immer noch Gegenverkehr. Meinst du, der
Rambo‐Radler hätte mal Platz gemacht?
Kalle:
Hat er nicht?
Rudi:
Denkste! Der ist 50 gefahren, stur mitten auf der Straße.
Hupen hat auch nichts genützt.
Kalle:
Der Arsch!
Volle:
50? Da hätt'st du eh' nicht schneller fahren dürfen.
Rudi:
Konnt' ja mit'm Gegenverkehr auch nix anderes machen. Aber dann
gab's 'ne Lücke.
Kalle:
Und dann haste überholt.
Rudi:
(Nickt.) Aber da hatte der Radler schon gut Tempo drauf. Der
Raser! Und da hab' ich halt beschleunigt, damit's mit der Lücke
langt.
Kalle:
(Blickt ihn gespannt an.) Und? Hat's noch gelangt?
Volle:
Immerhin sitzte ja hier und liegst nich' im Krank'nhaus.
Rudi:
Ja, schon. Aber unten vor der Kurve standen se mit'm Blitzer.
Kalle:
(Grinst.) Und da ham se dich erwischt!
Rudi:
Lach du nur!
Volle:
Wieviel haste denn drauf gehabt?
Rudi:
31 zu viel.
Volle:
Ui! Des is' ja alles innerorts 50 da.
Kalle:
Was kriegste jetz? Fahrverbot?
Rudi:
Scheiße, ja. (Braust auf.) Aber den Rambo‐Radler ham' se
fahr'n lassen.
Volle:
Wenn's da kein Temposchild gibt, darf der da schneller
fahr'n als 50. Innerorts 50 gilt nur für Kraftfahrzeuge.
[…]
Post by Martin WohlauerPost by Helmut WaitzmannPost by Martin GerdesUnbestritten ist nur eins: Das Verkehrssünderregister in Flensburg hat
Millionen von Einträge, davon bedeutend mehr Outofahrer als Radfahrer --
und das trotz der minimalen Kontrolldichte auf unseren Straßen.
Wie sehen die Verhältnisse aus, wenn man die Einträge im
Verkehrsregister in Beziehung zu den Verkehrsanteilen (sei es nach
Dauer oder Strecke gemessen) setzt?
Generell: Hat jemand dazu mal Zahlen? Und wie viele der entsprechenden
Vergehen kann man letztlich nur mit dem Rad begehen?
Mindestens eines: durch innerörtliches Bergabschleichen mit
50 km/h Autofahrer zum Überschreiten der erlaubten Geschwindigkeit
„nötigen“ (s. o.). (Leider finde ich keine Ironiezeichen auf der
Tastatur.)
Spaß beiseite. Jedenfalls alles, was mit verbotener
Nichtbenutzung einer Radverkehrsanlage zu tun hat.
Post by Martin WohlauerKlar, die 3 Sek. nach dem Umschalten auf rot noch drüber
fahren, das geht einfach.
Ja. Das hat bei Radfahrern einen anderen Ablauf als bei
Autofahrern:
Radfahrer, die bei Rot fahren, tun das, egal, wie lang das
Rotlicht bereits leuchtet: Sie kommen heran, tun langsam und
schauen währenddessen, ob die Kreuzung frei ist. Ist sie frei,
fahren sie bei Rot; ansonsten halten sie an und warten. Wenn es
ums Rechtsabbiegen geht, wechseln manche auch auf den Gehweg und
fahren bei Rot um die Kurve.
Autofahrer, die bei Rot fahren, haben zuvor Gelb gesehen, hoffen
aber, dass es ihnen noch vor Rot reicht. Man hört das am
Motorgeräusch, das verrät, dass jetzt Vollgas gegeben wird.
Post by Martin WohlauerAber 50 km/h zu schnell, da muss schon eine besondere Situation
vorliegen...
Post by Helmut WaitzmannPost by Martin GerdesDas zum Thema "Outofahrer halten stets und ständig die
Verkehrsregeln ein."
Wer behauptet denn so etwas?
Die Frage hatte ich gestellt, weil ich den Eindruck hatte, dass
die Diskussion sich oberhalb des Stammtischniveaus bewegt und
unter allen Beteiligten der Konsens herrscht, dass
Stammtischparolen ohne einen deutlichen Hinweis auf Ironie die
Diskussion nicht weiterbringen.
Eine andere (aber auch interessante) Diskussion ist es, sich
ausdrücklich um die Stammtischparolen zu kümmern: woher sie kommen
und warum sie trotz ihres mangelnden Wahrheitsgehalts immer wieder
hochkommen.
[Im folgenden geht es um die Stammtischparole »Autofahrer halten
stets und ständig die Verkehrsregeln ein«.]
Post by Martin WohlauerDas wird impliziert von all jenen, die pauschal auf »die Radfahrer« und
deren Regeltreue eindreschen. Ganz ganz selten, dass du das mal anders
liest, also auf die allgemein Regeltreue eingegangen wird. Und dann hat
der Artikel zumeist auch schon eine ganz andere Qualität, als das
übliche Rambo-Radler-Pamphlet. Denn: Wenn du »die Radfahrer« raus
ziehst, hat das nur dann einen Sinn, wenn sie mit dem beschriebenen
Verhalten irgendwie besonders sind.
Sind sie ja auch: Nur sie können, während sie rasen, durch
Schleichen (s. o.) zum Rasen nötigen. (Weiß jemand, wie ich
Ironiezeichen eintippen kann?)
Post by Martin WohlauerDass das nicht stimmt, ist hier im Wesentlichen Konsens. Der Depp
wird nicht weniger Depp, nur weil er (k)ein Rad fährt. Und dann
sind wir eben dabei, dass im Speziellen Radfahrern,
(implizierend, den anderen nicht,) ein besonderes, zumeist
negativ besetztes, Verhalten angedichtet wird. Man kann es
natürlich auch noch etwas anders sehen, dass Dösler etwas weniger
die Regeln übertreten, aber ganz besonders und vor allem »die
Radfahrer« nicht. So differenziert wird das aber leider auch oft
nicht.
Ich glaube sogar eher nicht, dass die Weste des durchschnittlichen
Kraftfahrers weißer als die des durchschnittlichen Radfahrers ist.
Ich vermute, die Anzahl der Flecken wird sich die Waage halten.
Manche Radfahrer fahren auf für Radfahrer nicht freigegebenen
Gehwegen oder als Geisterfahrer, biegen ab, ohne sich zuvor
umzusehen, kurz: Sie verhalten sich wie Fußgänger auf Rädern,
aber gerne mit mehr als Fußgänger‐Geschwindigkeit.
Manche Autofahrer fahren zu schnell oder biegen ab, ohne den
Vorrang in gleicher Richtung geradeausfahrender oder
entgegenkommender Radfahrer zu beachten, kommen als
Wartepflichtige an Knotenpunkten erst auf der Radverkehrsanlage
zum Stehen oder vergessen im Falle von Radverkehrsanlagen, beim
Überholen eines Radfahrers den erforderlichen Seitenabstand
einzuhalten.
Zum jeweiligen Fahren bei Rot siehe oben.
Manche Radfahrer benutzen benutzungspflichtige Radverkehrsanlagen
verbotenerweise nicht. Manche Autofahrer benutzen verbotenerweise
Radverkehrsanlagen.