Post by Jakob AchterndiekAm Donnerstag, 2. August 2018 21:29:30 UTC+2 schrieb Moritz
Post by Moritz Franckensteinhttps://www.duden.de/rechtschreibung/zulassen#Bedeutung4
(umgangssprachlich)
Beispiele einen Brief, eine Schublade, das Fenster zulassen du
musst den Mantel zulassen
Das würde ich gerne zur Diskussion stellen. Das ist doch doof? Warum? :)
Gibt es dazu eine einleuchtende Regel, warum das so entschieden wurde?
Man sagt: [..] die Tür zuknallen [..] einen Schlauch zuklemmen [..]
In fast allen Fällen kann man das Gegenteil mit auf- bilden.
Das sind nun gerade Beispiele, in denen die Umkehrung des umgangs-
sprachlichen auf und zu nicht funktioniert.
Also bitte: Vorsicht bei der Suche nach Beispielen!
Drum schrieb ich übrigens 'in fast allen Fällen'.
Post by Jakob Achterndiek'Lassen' heißt dann so viel wie 'es so lassen, wie es ist', wenn es
auf ist, dann 'auflassen', und wenn es zu ist, dann 'zulassen'. Ist
doch logisch, oder?
_Logisch_wäre_ (denn es geht ja nicht um die Sprechweise, sondern
um die Schreibweise),
Um die Sprechweise geht es auch, denn die Betonung spielt dabei eine Rolle,
nur wird die üblicherweise nicht schriftlich markiert.
Post by Jakob Achterndiek_wenn_ man oberhalb der von Duden genannten
"Umgangssprache" auch schriebe: das Fenster offenmachen - das Fenster
geschlossenlassen; die Tür offenknallen - die Tür geschlossenlassen -
usw..
So schreibt man aber nicht.
So schreibt man nicht nur nicht, so sagt man vor allem auch nicht: 'Fenster
offenmachen', 'Tür offenknallen'.
Post by Jakob AchterndiekDeshalb wäre es _logischer_, wenn man
auch in der Umgangsschreibe schriebe: "Das Fenster zu lassen."
So. Und jetzt wieder Du!
Genau.
Halten wir uns mal nicht mit der Doppeldeutigkeit auf, 'es ist besser,
das Fenster (so) zu lassen, wie es ist, wenn wir die alte Farbe abkratzen,
fällt es komplett auseinander.'
Um hier zu vernünftigen Aussagen zu kommen, müsste man längere Serien
von zusammengesetzten und von nicht-zusammengesetzten Verben ins Visier
nehmen. Ich sag mal aus dem Handgelenk, dass 'zu' und 'auf' Adverbien
sind, und kurz, 'geschlossen' hingegen ein Partizip 2 und ' offen' ein
Adjektiv, beide mehrsilbig. Es gibt hunderte, vielleicht tausende von
Verben jeweils mit der Partikel 'zu-' bzw. 'auf-' mit 'offen' oder
'geschlossen' davor, egal ob zusammengeschrieben oder auseinander,
sind es weitaus weniger.
Was die Zusammenschreibung angeht, gibt es meines Wissens nur Tendenzen:
Adverbien (Duden nennt 'auf' eine Präposition) grundsätzlich zusammen,
bei Adjektiven als (Objekt-) Prädikativ sind beide Schreibungen möglich,
(Partizipien immer auseinander), wenn 'neue Bedeutung', dann zusammen (also
müsste es heißen 'den Pudding kalt stellen', aber 'den Minister kaltstellen').
Die Betonungsunterschiede sind manchmal schwer auszumachen, Tendenz: wenn
Partikel (allein) betont, dann zusammen.
Es spielt auch eine Rolle, welche syntaktischen Funktionen diese Verb-
komplemente sonst noch haben können.
A auf- subjektprädikativ (das Fenster ist/bleibt auf), objektprädikativ
(die Tür aufbrechen), adverbial zu V (aufgehen, aufstehen) - in mehreren
Bedeutungsgruppen
B zu- wie auf-; außerdem Konjunktion in Infinitivkonstruktionen, Gradpartikel
(zu groß) und andere
C offen: attributiv zu N (offene Wunde), subjektprädikativ (das Fenster ist
offen), objektprädikativ (seine Pläne offenlegen), adverbial zu V (offen
sprechen), depiktiv/freies Adverbial (das Buch liegt offen auf dem Tisch)
D geschlossen: attributiv zu N (geschlossene Gesellschaft), subjektprädikativ
(oder zustandspassiv: die Sitzung ist geschlossen, die Tür bleibt
geschlossen), dann natürlich als Partizip 2 in den entsprechenden
zusammengesetzten Zeiten, nicht adverbial zu V!, aber objektprädikativ
(die Tür geschlossen halten) und depiktiv (sie stellten sich geschlossen
hinter ihre Abteilungsleiterin)
Daraus bastel ich mir jetzt meine 'Lösungen':
a) Das Fenster muss geschlossen bleiben/sein: Subjektprädikativ, auseinander
b) Das Fenster muss zu bleiben: wie a), der Duden meint zusammen, wohl wegen
der langen Serie mit zu-, und um sofort zu sehen, dass nicht ein Infinitiv
mit 'zu' gemeint ist - für mich akzeptabel
c) Du solltest dich besser geschlossen halten: Objektprädikativ (hier refl.)
ebenso wie
d) Du musst die Tür immer geschlossen halten - für mich für (verbale)
Zusammenschreibung zu lang, außerdem Partizip: Duden-konforme Getrenntschrei-
bung für mich akzeptabel
e) sich den Mund zuhalten / besser, den Mund zu halten: okay so
f) Die Tür muss auf()bleiben / die Kinder dürfen aufbleiben: tja, hier
funktioniert zumindest die Sache mit der 'neuen Bedeutung' nicht; von da her
gesehen müsste die Tür 'auf bleiben', aber siehe b), für Duden zusammen,
wenigstens insofern konsistent
g) das Fenster muss offen bleiben / die Frage muss offenbleiben: Man kann
sagen, 'das Fenster ist offen'. Kann man auch sagen 'die Frage ist offen'?
Okay, man kann sagen, 'das ist eine offene Frage', aber geht das auch mit
prädikativem Adjektiv? Analog
h) das Fenster offen lassen / die Frage offenlassen
i) offenbaren übrigens Präfixverb, Betonung auf V, nicht trennbar
j) offenlegen: Betonung auf Partikel, zusammen, analog
k) jm offenstehen
Die Sache ist hier in einigen Punkten einfach:
1) 'auf-' und 'zu-' als Verbpartikeln werden immer mit V zusammengeschrieben;
das gilt praktisch für alle Lokaladverbien bis hin zu 'hintereinander'
2) 'geschlossen' (Partizip) wird immer auseinandergeschrieben
3) 'offen' zusammen bei Präfixverben (i)
4) 'offen' auseinander bei wörtlicher Bedeutung
5) 'offen' zusammen bei 'neuer' (u.a. figurativer) Bedeutung (z.B. mit Frage)
4) und 5) sind nicht klar zu trennen.
Das ist einer der Bereiche, die mich früher in den Wahnsinn getrieben
hatten, weil ich da immer wieder nachschlagen musste. Ich bin sicher, dass
es hier keine wirklich hundertprozentig gute Lösung gibt. M.E. sollte man
die Adjektiv-Zusammenschreibung mit Verben dem Schreiber anheimstellen
und darauf setzen, dass sich Regularitäten von selbst einstellen. Wegen
systemimmanenter Widersprüchlichkeiten wird es hier keine einheitliche
Lösung geben können, denke ich.
Gruß Ralf Joerres