Post by Daniel RehbeinPost by Christian BlomeWürdest du dich beschweren, wenn die DSW21 nur Busse ohne Sitzplätze
einsetzen, damit sie im einmal in 100 Jahren auftretenden Fall von 20
Rollstuhlfahrern an einer Haltestelle genug Platz anbieten können?
Warum diese Schwarz-Weiß-Malerei? Ich erwarte, daß ein
Verkehrsunternehmen flexibel auf das Fahrgastaufkommen reagieren kann.
Wenn tatsächlich ein Verkehrsmittel so voll ist, daß Fahrgäste nicht
mitgenommen werden können, dann können diese Fahrgäste doch wohl
erwarten, daß der Verkehrsbetrieb alles unternimmt, um in möglichst
kurzer Zeit ein Transportmittel bereitzustellen. Und daß sie nicht auf
den nächsten Kurs in vielleicht 30 Minuten vertröstet werden.
Ich kann Dein Anspruchsdenken in gewissen Grenzen nachvollziehen, allein sie
geht weit an den Realitäten der Verkehrsbetriebe vorbei.
Klar, jeder Fahrgast will eigentlich Individualverkehr für lau.
Der Kostendruck unter dem die Verkehrsunternehmen heutzutage stehen, ist
aber enorm. Reserven werden bis auf das letzte ausgequetscht, egal ob das
nun die Wendezeiten an den Endhaltestellen sind oder Fahrzeuge und
Personal. Das reicht ja im Normalfall auch, wenn auch nur knapp. Bei
Störungen oder Spitzenlasten wird das System aber kippelig. Die
Verkehrsbetriebe selbst sind die letzten die das wollen. Weder die Fahrer
noch die Fahrplanung. Allein ändern können sie es nicht. Fährt der Betrieb
aus eigener Entscheidung mehr Leistung, dann voll und ganz auf eigene
Rechnung, sprich Kosten. Dies Kosten bekommt er nie wieder rein, gerade
nicht im Spitzenlastverkehr. Weil Spitzenlast kostet gerade dann das Geld,
wenn sie nicht stattfindet und die nötigen Mittel nicht genutzt werden
können.
Also was machen mit den Kosten? An den Besteller weitergeben? Nach dem Motto
vom Fleischer "Darf es etwas mehr sein?". Die klammen Kommunen werden Danke
sagen. Die können nämlich auch nicht mehr zahlen. Soll das
Verkehrsunternehmen in den Ruin wirtschaften? Wenn also keine die
Mehrleistung bezahlt, dann findet sie nicht statt. So einfach ist das.
Post by Daniel RehbeinAls Beispiel wird in dem Artikel genannt: Ein Call-Center betreibt die
Hotline eines Zeitungsverlags. Wenn der Wetterbericht für den nächsten
Tag Eis und Schnee vorhersagt, dann werden vermutlich mehr Personen als
sonst ihre Zeitung nicht pünklich erhalten und es wird in den
Morgenstunden ein erhöhtes Anruferaufkommen geben. Auf Basis dieser
Vorhersage werden dann für den nächsten Tag mehr Personen in die
Morgenschicht eingeteilt.
Warum können Verkehrsunternehmen nicht eine kurzfristige Vorhersage des
Verkehrsaufkommens machen und kurzfristig reagieren?
Nicht alles was hinkt ist ein Vergleich. Im Callcenter holt man sich dafür
Studenten von der nächsten Uni, die in 30 Minuten angelernt sind. Ein
Verkehrsunternehemn kann sich zwar auch Leute von der Uni holen, die
brauchen aber drei Monate bis sie allein fahren können. Im Callcenter steht
in schwachen Zeiten ein Telefon für 100 Euro rum, bei den Verkehrsbetrieben
ein Fahrzeug für mehrere hundertausend Euro, wenn nicht Millionen. Das ist
schlicht nicht zu finanzieren. Jedenfalls willst Du es als Fahrgast nicht
bezahlen - und als Steuerzahler sicher auch nicht.
Post by Daniel RehbeinWenn am Morgen in
der Zeitung beispielsweise eine kleine Meldung steht "Das
Behindertenreferat der Uni feiert sein 10jähriges Bestehen mit einem
Sektempfang um 18:00 Uhr.", dann müssen die Verkehrsbetriebe darauf
reagieren, indem sie abend mehr Niederflurbusse zur Uni einsetzen.
In gewissem Rahmen geht das und wird gemacht, dann wird ein Umlauf mit einem
anderen Bus besetzt. Aber das braucht mehr Vorlauf als mit Deiner
Morgenzeitung. Schon mal überlegt, wann die Umläufe früh vom Betriebshof
fahren? Am Tag tauschen? Dann brauchste ein Bus und Fahrer mehr, den hast
Du heute aber kaum noch. Kleine und mittlere Betriebe haben sie defacto
nicht mehr, große Betriebe können mit ihren Reserven noch kurzfristige
Ausfälle durch Krankheit oder ähnliches Abdecken. Für eine kurzfristige
Mehrleistung reicht es auch nicht mehr.
Post by Daniel RehbeinUnd wenn ein Busfahrer während der Fahrt feststellt, daß sein Bus
proppenvoll ist und fast alle Fahrgäste zu einem bestimmten Trödelmarkt
wollen, dann muß bei den Verkehrsbetrieben mal jemand den Telephonhörer
in die Hand nehmen, herausfinden, bis wieviel Uhr der Trödelmarkt noch
läuft und entsprechend dort Busse mit größerer Kapazität oder mehr Busse
fahren lassen.
Der Fahrgast erwartet, daß er sich auf den Fahrplan verlassen kann, daß
also die Verkehrsmittel pünktlich fahren und er auch mitgenommen wird.
Das kann er erwarten, auch aus meiner Sicht zu recht. Allein es ist heute
nicht mehr möglich. Wenn der Verkehrsbetrieb nicht mit den nötigen Mitteln
ausgestattet wird, dann geht das schlicht nicht mehr. Das ist politisch so
gewollt und stinkt den Unternehmen selbst auch, sie können es aber nicht
ändern.
Auf dem Verkehrsunternehmen herumzuhacken ist aus Fahrgastsicht zwar das
naheliegendste, aber es trifft nicht die richtigen. Leider können die
Verkehrsbetriebe das schlecht kommunizieren, weil dann würden sie die Hand
beißen, die sie füttert. Füttert im Sinne von "am Leben hält", satt wird da
heute keiner mehr.
Tschau,
Stefan