Post by Susanne JägerDie *in sich* durchaus schlüssige Argumentation ist: Leute haben Angst
vor "Autos"
In Deutschland ist diese Angst ja auch durchaus berechtigt.
Ich bin heute mal wieder eine Standardstrecke gefahren. 30er-Zone, in
der kann mich kein legal fahrendes Outo überholen. Vor einer Kreuzung
dürfen Radfahrer rechts an der wartenden Outoschlange vorbeifahren und
sich vor die Outos stellen. Diese Spur hatte ein BMW-Fahrer absichtlich
zugefahren, also bin ich links vorbei. Gerade als ich vor der
Outoschlange war, sprang die Ampel auf Grün (immer ein etwas blöder
Moment), aber ich war in voller Fahrt und konnte ungebremst
weiterfahren.
Mal schauen, was passiert: Natürlich! Brumm, brumm! Zogen der BMW-Fahrer
und noch so ein sportlicher Outofahrer mit nennenswerter Tempodifferenz
an mir vorbei. Die 30 km/h in solchen Zonen gelten für Outos ja
bekanntlich pro Rad.
An der nächsten Ampel das gleiche Spiel: Radspur durch extremes
Rechtsfahren zugesperrt. Erfreulicherweise war der Gehweg nicht
zugeparkt, fußgängerleer und hatte eine Absenkung, also bin ich über den
Gehweg vorbei.
Solange es solche Outofahrer gibt und sie so auch faktisch ungestraft
fahren dürfen, hat man als Radfahrer Grund, vor ihnen zumindest Respekt
zu haben.
Von der Selbstjustiz eines LKW-Fahrers steht im Parallelthread,
vermutlich hat jeder hier vergleichbare Geschichten auf Lager.
Post by Susanne Jägerund wollen getrennte Wege,
Klar.
Post by Susanne JägerWenn wir mehr Leute auf's Rad haben wollen müssen wir diesen Wunsch
(und diese Ängste) ernst nehmen und getrennte Wege anbieten/fordern.
"Mehr Rad-weg!-e" ist ja schon kaum mehr möglich, hierzustadt und in der
Umgebung hat ja schon jede Straße ihr Blauschild (mit meist
insuffizientem Weg).
Post by Susanne JägerGibt es diese Wege, fahren mehr Menschen Fahrrad statt Auto.
Wäre dieser Gedanke richtig, könnte der Radverkehr nicht mehr zunehmen,
denn alle gewünschten Rad-weg!-e sind ja schon vorhanden.
Post by Susanne JägerWir wissen, das dadurch zusätzliche / andere Unfälle passieren, denken
aber, dass auf's Ganze bezogen die positiven Aspekte von mehr Bewegung
und weniger mit dem Auto zurückgelegten Wege positive Folgen für
Gesundheit und Umwelt überwiegen.
Wer ist "wir"?
Post by Susanne JägerMan kann das zynisch finden und an mehreren Ecken dieser
Argumentationskette einhaken - build it and they will come, ist halt
höchstens ein Baustein der Radverkehrsförderung; nicht aufklären über
die realen Risiken lockt gerade NeueinsteigerInnen in eine Falle; Ängste
verschwinden nicht, wenn man sie bestätigt; wenn man das Radfahren auf
weiteren Entfernungen durch seltsame Einbauten und Benutzungspflichten
künstlich verlangsamt, senkt man die Verkehrsleistung des Radverkehrs,
...; Liste beliebig erweiterbar.
Aber man kann kaum etwas erreichen, wenn man nur daruf hinweist, dass
tödliche Abbiegeunfälle mit Lkw weit überwiegend auf RVA passieren.
ACK.
Post by Susanne JägerDer Rückbau sämtlicher Radverkehrsanlagen an sämtlichen Straßen lässt
sich m.E. heute in keinem Land der Welt politisch durchsetzen -
ACK.
Hierzustadt wurde vor drei Wochen ein Kind auf dem Radweg von einem
rechtsabbiegenden LKW totgefahren. Aktuell wird darüber diskutiert, wie
man diese Kreuzung entschärfen kann. Vergebliche Liebesmüh! Man KANN
solche Kreuzungen tatsächliche bei Erhalt der heiligen Rad-weg!-e
entschärfen, aber diese Änderung ist baulich derart aufwendig, daß sie
keinerlei Chance auf Umsetzung hat (vor allem halt deswegen, weil die
vorgeschlagenen zusätzlichen Verkehrsinseln Platz kosten, den man
hierzulande sicher dem Outoverkehr nicht wegnehmen will.
Immerhin: Noch keiner hat dem toten Kind vorgeworfen, es habe die
"Vorfahrt erzwungen" oder hätte "Blickkontakt aufnehmen" sollen. Bei
einem toten Erwachsenen wären diese Sprüchlein sicher gekommen. Das Kind
hat einfach nur alles so gemacht, wie man es ihm eingebleut hat: Der
sichere Radweg.
[Rückbau von Radwegen]
Post by Susanne Jägerund ich persönlich würde das zur Zeit - in einer zugestauten Stadt, in
der der Kfz-Schleichverkehr noch in die letzten Wohnstraßen diffundiert
und alle Verkehrsteilnehmer immer aggressiver werden, auch nicht wollen,
aber das ist jetzt wieder eine andere Diskussion.
Dieser Satz ist zu voll. Du packst zu viele Dinge hinein, die man nicht
zusammenpacken sollte.
Meine Stadt hier ist wohl schon zugestaut, aber die Staus beschränken
sich auf die Durchgangsstraßen. Wohnstraßen eignen sich normalerweise
wenig als Schleichwege, und zwar deswegen, weil das Restfahrbahnprofil
durch beidseitige Beparkung schlichtweg dafür zu gering ist. Meine
Wohnstraße eignet sich schon von ihrer Lage her nicht als Schleichweg.
Das gleiche gilt für viele Wohnstraßen dieser Stadt. Es "diffundiert"
hierzustadt also praktisch kein Verkehr in die Wohngebiete.
Ob "alle Verkehrsteilnehmer" immer aggressiver werden, will ich nicht
bestätigen. Gerade in den durchgängig auf 30 beschränkten Wohngebieten
kann die Restblase von geschätzten 10% Problemoutofahrer ihre
Aggressivität nur auf wenigen Straßen ausleben (siehe oben). In den auf
30 beschränkten Durchgangsstraßen wäre sicherlich eine regelmäßige
Tempokontrolle angesagt, Rad-weg!-e sind dort nicht und werden aus
Platzgründen wohl auch nicht gebaut werden.
Alle Hauptverkehrsstraßen der Stadt sind mit Rad-weg!-en versehen (meist
baulich unzureichend). Abgebaut werden die nicht, ausgebaut werden die
auch nicht. Hannover ist nach wie vor Outostadt, Radverkehrtpolitik
beschränkt sich auf Kosmetik.
Ich könnte mir durchaus vorstellen, die eine oder andere
Durchgangsstraße auch auf 30 zu beschränken (wofür dann wirklich
Kontrollen und Bußgelder nötig wären!), dann könnte man sehr wohl den
einen oder anderen Rad-weg! zurückbauen und vielleicht sogar dafür
Parkplätze bauen.
Andererseits sind die Leute hier radwegsüchtig, es hat einen mächtigen
Sturm im Wasserglas gegeben, als neulich mal die Verwaltung einen
"anderen Rad-weg!" zum Radbügelparkplatz umgebaut hat.