Post by Johann MayerwieserPost by Alexandre KampourisDas Feuer wird jedenfalls ausgehen längst nachdem die Menschen und
Tieren tot sind. Wenn das Sauerstoff knapp wird, kommt als
Reakionsprodukt das viel tödlicher Kohlendioxid .
du meinst Kohlenmonoxid
Ups. Danke! Der Fehler war gewiss das Warnzeichen einer CO-Vergiftung
meines Gehirns. ;-)
Ich habe in der internationalen Patentklasse E21F1/003 geschaut, wo
Dokumente über die Lüftung von Verkehrstunneln gesammelt sind.
https://worldwide.espacenet.com/classification?locale=en_EP#!/CPC=E21F1/003
(Nota: Die Dokumente in der übergeordnete und allgemeinere Klasse E21F1
betreffen allerdings überwiegend Bergwerke).
Es gibt nicht viel geiles^W seriöses bzw. relevantes im Zeitraum
1800-1900. Das früheste Dokument ist ein US-Patent von 1838.
Ich wurde fündig in der Zeitspanne von 1900 bis 1925.
Dieses Dokument ist mir aufgefallen wegen der Anschrift des Erfinders
und Anmelders: Glacier, British Columbia, Canada.
https://worldwide.espacenet.com/publicationDetails/originalDocument?CC=US&NR=1207145A&KC=A&FT=D&ND=3&date=19161205&DB=EPODOC&locale=en_EP
Das Patent wurde 1915 angemeldet, und Glacier ist eigentlich eine
Haltestelle in der unmittelbaren Nähe von Rogers Pass, wo der 8km-lang
Connaught Tunnel 1916 fertiggestellt wurde. Deshalb halte ich dieses
Patent für kein Zufall, und halte für gut möglich, dass der Erfinder
Dennis zuständig für die Frage der Tunnellüftung war.
Es handelt sich um eine parallele Lüftungsschacht für die Beförderung
von Druckluft, mit kontrollierbaren Ventilen zum Haupttunnel, und die
Herstellung einer schnellerer Windströmung in der Zugrichtung.
Ob das ein Erfolgsrezept war ist mir nicht bekannt. Der DE-Wiki Eintrag
zum Connaught-Tunnel berichtet:
https://de.wikipedia.org/wiki/Connaught-Tunnel
"Probleme beim Betrieb bereiteten die Entlüftung, lockeres Gestein und
nasse Schienen, die die Züge ins Rutschen brachten."
Ein Dokument in deutscher Sprache von den zwanziger Jahren fand ich
besonders interessant.
Carl Schmitt zu Oesede bei Osnabrück wurde das D.R.P. 406455 erteilt:
https://worldwide.espacenet.com/publicationDetails/originalDocument?CC=DE&NR=406455C&KC=C&FT=D&ND=3&date=19241122&
DB=EPODOC&locale=en_EP
Die Einführung nennt drei damals bekannte Lüftungsverfahren:
<< Tunnellüftung.
Zur Lüftung von Tunnels im Betriebe werden wie bekannt drei Systeme
angewendet, und zwar:
1. die Lüftung mit Vorhang,
2. die Lüftung nach Saccardo,
3. die Lüftung vermittels eines oder mehrerer Schächte.
Dieser Stand der Technik wird wie folgendes gewürdigt:
<< Bei allen drei Lüftungssystemen wirken die auf die Tunneltore jeweils
wirkenden Windkräfte außerordentlich ungünstig. Sie bedingen bei den
erstgenannten beiden Anlagen, zumal der unter Ziffer 2, einen
erheblichen Mehraufwand an maschineller Kraft, bei der letztgenannten
eine mit den Windkräften wachsende Verringerung des Lüftungsschachtes,
d. h. eine Verringerung der auf einen Kubikmeter geförderten Luft
entfallenden Rauchmengen. >>
Das o.g. Dennis-Patent gehört vielleicht zu Ziffer 3. Es ist mir nicht
klar, was mit "Vorhang" gemeint wird. Viele ältere Patente betreffen
automatische Eingangstore für Bergwerke. Handelt es sich um dasselbe?
Die Erfindung Schmitts war eine Trichterförmige Tunnelmündung.
Marco Saccardo war ein italienischer Eisenbahningenieur, der um 1890 ein
Lüftungsverfahren erfunden hat, wobei Luft in den Tunnel über eine
Ringkammer eingebläst wird.
https://worldwide.espacenet.com/searchResults?submitted=true&locale=en_EP&DB=EPODOC&ST=advanced&PD=1800%3A1910&PA=&IN=marco+saccardo
Bei diesem Verfahren wird Luft mittels einer Ringkammer in den Tunnel
eingespritzt. Es sieht mir aus, dass der Coandă-Effekt bzw.
Bernoulli-Effekt in Spiel kommt. Diese Konfiguration erinnert mich
jedenfalls an den Dyson-Ventilator, dessen Grundprinzip schon von einem
japanischem Patent aus den 80er Jahren vorweggenommen ist.
Im jüngeren US-Patent von Dennis wird die Luft einfach *senkrecht* in
den Tunnel eingeführt. Die Technik war in den Kolonien vielleicht nicht
so fortgeschritten wie in Europa...
Eine Google-Recherche mit dem Begriff "Saccardo" liefert verschiedene
interessante Abhandlungen.
Darunter:
Ventilations-Anlage nach System Saccardo für den Gotthard-Tunnel in
Göschenen, Schweizerische Bauzeitung, 1899
http://doi.org/10.5169/seals-21350
http://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=sbz-002:1899:33:34::291
Die o.g. Patente werden erwähnt:
<< Das Wesentliche an der in der Schweiz und andern Staaten patentierten
Erfindung Saccardos liegt darin, dass mittels eines oder mehrerer
seitlich von einem Portale aufgestellten Ventilatoren eine grosse Menge
Luft mit bedeutender Geschwindigkeit in eine ringförmige, an der ganzen
Tunnelperipherie angebrachte Kammer und von dieser durch eine ebenfalls
ringförmige schmale Oeffnung an der innern Wandung in die Tunnelröhre
geblasen wird, die Luftsäule in dieser mit sich reissend und bald die
verlangte Geschwindigkeit annehmend, die erforderlich ist, um in
bestimmter Zeit das entgegengesetzte Portal zu erreichen. >>
<< Die vorhandene Ventilationsanlage kostet einschliesslich der an den
Patentinhaber zu leistenden Vergütung, aber ohne Berücksichtigung des
Wertes der Lokomotive etwa 180000 Fr. >>
<< Nachdem eingehende Studien einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit
dafür ergeben hatten, das Ventilationssystem Saccardo werde, obgleich
noch nicht unter allen Verhältnissen erprobt, sich auch beim
Gotthardtunnel vorteilhaft anwenden lassen, beschloss die Direktion der
Gotthardbahn anfangs April 1898, am Tunnelportal in Göschenen eine
künstliche Ventilation nach diesem System sofort einzurichten. >>
Obwohl es nicht explizit in diesem Aufsatz geschrieben ist, scheint es
mir, dass der Test erfolgreich war, und Lüftung nach Saccardo der
Weiterbetrieb des Gotthardbahn bis zu ihrer Elektrifizierung erlaubte.
Vier Jahren früher wurde das Verfahren nach Saccardo positiv gewertet:
http://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=sbz-002:1895:25:26::35
<< Miscellanea.
Lüftungssystem Saccardo für Tunnelbauten.
In dem im Nr. 21 Bd. XXIV u.Z. veröffentlichten Bericht der Experten zum
Simplontunnel-Projekt wird bezüglich der wichtigen Frage der Ventilation
auf ein von Ingenieur Saccardo in Italien eingeführtes Luftungssystem
hingewiesen, dessen Anwendung für den Simplontunnel, bei günstigen
Ergebnissen der im 2727m langen Prachia-Tunnel der Linie Bologna-Florenz
damit gemachten Versuche, gegenüber andern Ventilationsmethoden der
Vereinfachung des Betriebes wegen zu empfehlen sei. Ein Ausschuss aus
Vertretern des kgl. Eisenbahninspektorates, des Kriegsministeriums und
der Betriebsgesellschaften hat nun auf Grund mehrmonatlicher
Beobachtungen den grossen Wert des Saccardo-Systems festgestellt. Diesem
günstigen Urteil hat sich auch der als Urheber des grossartigen
Anwendung künstlicher Lüftung im Mersey-Tunnel bekannte Ingenieur Fox,
einer der Experten des Simplontunnel-Projektes, in vollem Umfange
angeschlossen, so dass die Annahme dieses Systems, das dem
Giffard-Injektor nachgebildet ist, für den Simplon Tunnelbau in Aussieht
stellt. Während einiger Versuchstage fuhren dichtbesetzte Truppenzüge in
kurzer Aufeinanderfolge durch den Tunnel; auch hierbei konnte ein
befriedigendes Ergebnis verzeichnet werden. >>
"dichtbesetzte Truppenzüge"? Aua! Soldaten als Versuchskaninchen gab es
nicht erst ab 1914 bzw. 1939...
Ich bin auf einer Dissertation von der ETH Zürich aus dem Jahre 1919
gestoßen.
Dipl. Ing. Ernst Wiesmann, "Künstliche Lüftung im Stollen- und Tunnelbau
sowie von Tunnels im Betrieb"
https://www.research-collection.ethz.ch/handle/20.500.11850/135188
https://doi.org/10.3929/ethz-a-000103465
Hier kann ich nicht die 216 Seiten zusammenfassen. Ich werde nur merken,
dass die physiologischen und chemischen Aspekte nicht eingegangen
wurden; es ging nur um "reine" mechanische Aspekte, also etwa "wie bläst
man X m3/s Luft in ein Tunnel?". Ich glaube jedoch, dass diese
Promotionsarbeit viele Fragen beantwortet.
Alexandre